Urteil des VG Münster vom 23.04.2010

VG Münster (wichtiger grund, aufschiebende wirkung, grund, antragsteller, wahl, tätigkeit, gemeinde, verwaltungsgericht, interesse, durchführung)

Verwaltungsgericht Münster, 1 L 187/10
Datum:
23.04.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 187/10
Schlagworte:
Ehrenamt Wahlhelfer Einberufung Heranziehung wichtiger Grund
Ermessen Willkür Auswahlermessen Liste öffentlicher Dienst
Normen:
GO NRW § 28 I , GO NRW § 29, LWahlG § 11 I 2, LWahlO § 5
Leitsätze:
Die wiederholte Heranziehung eines Bürgers zum Wahlvorstand auf der
Grundlage der Benennung durch Körperschaften oder sonstige
Personen des öffentlichen Rechts stellt weder einen wichtigen Grund zur
Ablehnung des Ehrenamtes noch eine willkürliche Vorgehensweise dar.
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 4.000,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e
1
Der sinngemäße Antrag des Antrag des Antragstellers,
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die aufschiebende Wirkung seiner Klage 1 K 769/10 gegen den
Einberufungsbescheid des Antragsgegners vom 6. April 2010
wiederherzustellen,
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ist nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO zulässig, hat in der
Sache aber keinen Erfolg.
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Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem
öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Einberufungsbescheides
einerseits und dem Interesse des Antragstellers andererseits, vorläufig von der
Vollziehbarkeit vorerst verschont zu bleiben, fällt zu Lasten des Antragstellers aus.
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Die Einberufung des Antragstellers in den Wahlvorstand bei der Landtagswahl ist nach
der hier allein möglichen summarischen Prüfung offensichtlich rechtmäßig. Sie erfolgt
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gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 des Landeswahlgesetzes (LWahlG) i.V.m. mit § 5 der
Landeswahlordnung (LWahlO). Mit der Einberufung in den Wahlvorstand ist der
Antragsteller zu einer ehrenamtlichen Tätigkeit im Sinne des kommunalen
Verfassungsrechts verpflichtet, für die die allgemeinen Vorschriften des kommunalen
Verfassungsrechts Anwendung finden (§ 12 LWahlG). Gemäß § 28 Abs. 1 der
Gemeindeordnung (GO NRW) ist der Einwohner zu einer nebenberuflichen
vorübergehenden Tätigkeit für die Gemeinde verpflichtet (ehrenamtliche Tätigkeit, die
nach § 29 Abs. 1 GO NRW nur verweigert werden darf, wenn ein wichtiger Grund
vorliegt). Dieser unbestimmte Rechtsbegriff ist restriktiv auszulegen, weil dadurch eine
Ausnahme von der nach dem Willen des Gesetzgebers allgemeinen Staatsbürgerpflicht
zur Unterstützung demokratischer Wahlen gerechtfertigt werden soll.
Vgl. OVG NRW, Urt. v. 3. September 2002 – 15 A 1676/00 -, NWVBl. 2003, 102
(103).
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Einen solchen "wichtigen Grund" hat der Antragsteller weder gegenüber dem Wahlleiter
mit Schreiben vom 2. März 2010 noch mit seiner Antragsschrift geltend gemacht.
Vielmehr beruft er sich allein darauf, innerhalb der letzten Jahre wiederholt in den
Wahlvorstand berufen worden zu sein und vermutet, dass sich das Wahlamt immer
wieder einer Liste bedient, die ihm von öffentlichen Arbeitgebern zur Verfügung gestellt
wird. Insoweit unterstellt der Antragsteller, dass die Auswahl der einzuberufenden
Einwohner nicht "ergebnisoffen" erfolge. Damit macht er jedoch nur allgemeine
Erwägungen gegenüber seiner Heranziehung geltend, nicht aber einen wichtigen
Grund, aus dem heraus er selbst am Wahltag an einer Ausübung des Ehrenamtes
verhindert ist.
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§ 11 Abs. 2 LWahlG sieht vor, dass die Körperschaften und sonstigen juristischen
Personen des öffentlichen Rechts verpflichtet sind, auf Anforderung des Bürgermeisters
Bedienstete aus der Gemeinde zum Zwecke der Berufung als Mitglieder des
Wahlvorstandes zu benennen. Die ersuchte Stelle hat die Betroffenen über die
übermittelten Daten und den Empfänger zu benachrichtigen. Hiernach wissen die
Betroffenen von der Datenübermittlung und können sich gleichzeitig darauf einstellen,
möglicherweise mit der Heranziehung zu einem Ehrenamt rechnen zu müssen. Eine
willkürliche Sachentscheidung ist damit nicht verbunden.
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Das LWahlG und die LWahlO nennen keine besonderen Kriterien, nach denen die
Auswahl unter mehreren in Betracht kommenden Personen zu treffen ist. Die Gemeinde
kann deshalb im Grundsatz frei darüber bestimmen, wen sie heranziehen will, soweit
der Betroffene die Übernahme des Ehrenamtes nicht aus wichtigem Grund ablehnen
kann. Dabei muss sich die Gemeinde von sachlichen Gesichtspunkten leiten lassen und
darf nicht willkürlich vorgehen.
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Vgl. OVG NRW, Beschl. v. 20. Dezember 1991 – 15 A 703/90 -.
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Nach der Einlassung des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren sind
Anhaltspunkte für eine willkürliche Sachentscheidung, den Antragsteller als
ehrenamtlichen Wahlhelfer heranzuziehen, nicht erkennbar. Vielmehr hat der
Antragsgegner Kriterien dargelegt, wonach der Wahlleiter die Einwohner zu einer
ehrenamtlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Durchführung einer Wahl
heranzieht. Diese Kriterien decken sich mit den Erwägungen, die das OVG NRW im v.g.
Beschluss wie folgt dargelegt hat:
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"Bei der hier streitigen Verpflichtung als Wahlhelfer kann dementsprechend
einerseits berücksichtigt werden, dass die rechtmäßig und zweckentsprechende
Durchführung der Wahl, die zu einem bestimmten Zeitpunkt im ganzen
Gemeindegebiet stattfinden muss, die Inanspruchnahme relativ vieler Bürger
erfordert, die zudem über ein Mindestmaß an Eignung für diese Aufgabe verfügen
müssen. Es tritt die Notwendigkeit hinzu, diese organisatorischen Voraussetzungen
in verhältnismäßig kurzer Zeit sicherzustellen. Andererseits ist von Belang, dass
dem einzelnen Wahlhelfer nur ein zeitlich eng begrenzter Einsatz für die
Allgemeinheit abverlangt wird, der sich eher als Lästigkeit denn als ernst zu
nehmendes Opfer darstellt. ...
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Der Beklagte hat in den Vordergrund seiner Erwägungen das Bestreben bestellt,
die ordnungsgemäße Durchführung der Wahl zu gewährleisten. Nachdem sich
eine ausreichende Zahl freiwilliger Helfer nicht gefunden hatte, hat er mit Blick auf
deren mutmaßlich höhere Eignung auf Angehörige der Stadtverwaltung zur
Schließung der verbleibenden Lücken zurückgegriffen und von einer
Inanspruchnahme anderer Bürger abgesehen. Dem lag die offensichtliche
Erwartung zugrunde, bei diesem Personenkreis am ehesten die Einsicht in die
Notwendigkeit der Inpflichtnahme voraussetzen und dadurch zugleich eine zügige
Abwicklung der organisatorischen Vorbereitung für die Wahl sicherstellen zu
können. Diese Überlegungen waren sachbezogen und begegnen keinen
rechtlichen Bedenken.
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Zu einer möglichst gleichmäßigen Inanspruchnahme aller Bevölkerungskreise ...
war der Beklagte nicht verpflichtet. Eine solche letztlich nach dem Zufallsprinzip
etwa in Gestalt einer Losentscheidung möglichen Lastenverteilung hätte die
Auswahl geeigneter Personen und den zeitgerechten Abschluss der
Wahlvorbereitungen in unverhältnismäßiger Weise erschweren können. Die
Einschränkung, welche den betroffenen Verwaltungsangehörigen zugemutet
wurden, hatten daran gemessen nur geringes Gewicht."
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Diese Rechtsprechung hat das OVG NRW wiederholt bestätigt, wonach ein am
Zufallsprinzip orientiertes Auswahlverfahren für die Berufung zum Ehrenamt weder vom
einfachen Gesetzesrecht vorgeschrieben noch von Verfassungs- wegen geboten sei.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 11. Juni 2004 – 15 B 1191/04 -.
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Die Heranziehung des Antragstellers stellt sich hiernach bei summarischer Prüfung als
offensichtlich rechtmäßig dar, so dass im Rahmen der Interessenabwägung nach § 80
Abs. 5 VwGO wegen des hohen Gewichts einer ordnungsgemäßen Wahldurchführung
und der Dringlichkeit einer verlässlichen Wahlvorbereitung ohne weiteres das
öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids überwiegt.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG und entspricht der Streitwertfestsetzung des
Oberverwaltungsgerichts in Verfahren der vorliegenden Art (vgl. OVG NRW, Beschl. v.
11. Juni 2004 – 15 B 1191/04 -).
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