Urteil des VG Münster vom 22.01.2010

VG Münster (gebühr, kläger, urne, erdbestattung, höhe, nutzungsrecht, teil, satzung, leistung, verlängerung)

Verwaltungsgericht Münster, 7 K 1088/08
Datum:
22.01.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 1088/08
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2008 und der
Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17. April 2008 werden
aufgehoben, soweit darin eine Gebühr für das Recht zur Beisetzung
einer Urne in Höhe von 357,90 EUR festgesetzt worden ist.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d:
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Die Mutter des Klägers hatte im Jahr 1990 für die Dauer von 29 Jahren ein
Nutzungsrecht an einem Doppelgrab auf dem Neuen Friedhof der Kirchengemeinde T. .
N. , Friedhof IV, Feld I, Reihe 00, Grabstellen Nr. 000 und 000 (jetzt: Nr. 0 und Nr. 0)
erworben. In einer der Grabstätten wurde im Jahr 1993 der Vater des Klägers beerdigt.
Ende November 2007 verstarb die Mutter des Klägers. Der Kläger stellte daraufhin bei
der Beklagten einen Antrag auf Verlängerung des Nutzungsrechts an den Grabstätten
sowie die Vornahme einer Urnenbestattung für seine verstorbene Mutter. Diese wurde
schließlich auf der zweiten Grabstelle im Wege der Urnenbestattung beigesetzt.
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Zunächst am 14. Januar 2008, nach Widerspruch des Klägers und unter dem 26.
Februar 2008 als 2. Ausfertigung richtete die Beklagte einen Gebührenbescheid (Nr.
14/2008, Grab Nr. 000 000 000 000) an den Kläger und setzte darin folgende Beträge
fest:
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Gebühr III, Teil A, Nr. 5 d - Friedhofsgebühren Ausheben und Schließen der Grabstelle
für eine Urne 102,26 EUR Gebühr II, Teil B, Nr. 2 a Verlängerung von Nutzungsrechten
zum Zwecke der Überbeerdigung 584,08 EUR Gebühr I, Nr. 6 - Recht zur Beisetzung
einer Urne auf einer Grabstelle mit bestehendem Nutzungsrecht 357,90 EUR Gebühr III,
Teil A, Nr. 3 a - Sonstige Gebühren Benutzung der Friedhofskapelle 153,39 EUR
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Gesamtbetrag: 1.197,63 EUR
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Der Kläger überwies der Beklagten nur einen Betrag in Höhe von 839,73 EUR. Mit
Schreiben vom 7. März 2008 legte er Widerspruch gegen den Gebühren-bescheid ein,
soweit dieser für die Urnenbestattung einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 357,90
EUR festsetzte. Er begründete seinen Widerspruch im Wesentlichen damit, die
Festsetzung dieses Betrages sei für ihn nicht nachvollziehbar. Er habe bereits ein
Nutzungsrecht an der Grabstätte erworben, für dessen Verlängerung er auch bezahle.
Es sei nicht erkennbar, aus welchen Gründen für eine Urnenbestattung im Vergleich zur
Erdbestattung weitere Gebühren festgesetzt würden.
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Unter dem 17. April 2008 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung
zurück, die Erhebung einer zusätzlichen Gebühr sei gerechtfertigt. Bei den
streitgegenständlichen Gräbern sei nur die in der Regel übliche Erdbestattung
vorgesehen. Die Möglichkeit, in einem Grab, das kein Urnengrab sei, bis zu zwei Urnen
beisetzen zu können, sei dem Kläger durch einen Beschluss des Kirchenvorstandes
eingeräumt worden. Eine solche erweiterte Nutzungsmöglichkeit führe nach der
Gebührenordnung zu einer zusätzlichen Gebühr, da die besondere Inanspruchnahme
der Grabstätte nicht in der grundsätzlich erhobenen Nutzungsgebühr für eine
gewöhnliche Grabstelle enthalten sei und damit nach dem Äquivalenzprinzip gesondert
für den Einzelfall erhoben werden dürfe. Der Friedhofsträger könne im Hinblick auf die
unterschiedlichen Grabstellenarten den Umfang der einzelnen Grabstätten beschränken
oder erweitern. Dies sei zudem aus Gleichbehandlungsgesichtspunkten geboten, da
sonst die Nutzungsberechtigten, die nicht von der Möglichkeit der Urnenbestattung
Gebrauch machten, gebührenmäßig schlechter gestellt würden.
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Der Kläger hat am 29. April 2008 Klage erhoben und trägt ergänzend zu seinen
Ausführungen im Widerspruchsverfahren vor, es fehle für die Gebührenerhe-bung an
einer zusätzlichen Belegung durch eine (weitere) Urne, die Gegenstand der
Gebührenziffer I Nr. 6 wäre. Die Friedhofsordnung schreibe nicht vor, in welcher Weise
die Belegung einer Grabstelle zu erfolgen habe, so dass die Wahl zwischen Sarg oder
Urne bestehe.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 26. Februar 2008 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 17. April 2008 aufzuheben, soweit darin eine Gebühr für
das Recht zur Beisetzung der Urne in Höhe von 357,90 EUR festgesetzt wird.
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Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im
Widerspruchsverfahren,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Verwaltungsvorgänge sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Das Gericht konnte nach § 101 Abs. 2 VwGO im Einverständnis der Beteiligten ohne
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mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Das Recht zur Erhebung der streitgegenständlichen Gebühr kann nicht auf § 11 Abs. 3
der Friedhofssatzung für die Friedhöfe der Katholischen Kirchengemeinde T. . N. in N1.
in der Fassung vom 17. Februar 1989 (FS) in Verbindung mit Ziffer I. 6. der
Gebührenordnung für die Friedhöfe der Katholischen Kirchengemeinde T. . N. in der
Fassung vom 7. September 2001 (GO) gestützt werden. Danach ist der Kirchenvorstand
berechtigt, während eines laufenden Nutzungsrechts Gebühren zu erhöhen oder neu
einzuführen, wenn dies für die ordnungsgemäße Erhaltung der Friedhöfe der
Kirchengemeinde erforderlich ist.
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Diese Satzungsregelung stellt schon keine taugliche Rechtsgrundlage für die Erhebung
einer Grabnutzungsgebühr dar. Sie zielt erkennbar auf die Erhebung von
Friedhofsunterhaltungsgebühren ab, die der Deckung der allgemeinen Unterhaltungs-
und Verwaltungskosten dienen und in der Regel wiederkehrend erhoben werden. Ihr
Zweck ist es, die schwankenden, in der Regel steigenden Kosten im Interesse einer
möglichst gleich bleibenden und sozialen Grabstellengebühr aufzufangen.
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Gaedke, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 9. Auflage, 2004, S.89.
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Dies ist bei der hier in Rede stehenden nur einmalig erhobenen Gebühr schon deshalb
nicht der Fall, weil nicht alle Friedhofsbenutzer gleichmäßig zu den sich ändernden
Kosten herangezogen werden, sondern nur diejenigen, die eine Urnenbestattung auf
der Grabstätte vornehmen lassen.
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Überdies liegen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 11 Abs. 3 FS nicht
vor. Ein von der Beklagten behaupteter Beschluss des Kirchenvorstands zu den
festzusetzenden Gebühren ist dem Gericht nicht vorgelegt worden. Die Beklagte ist
somit der ihr in diesem Punkt obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht
nachgekommen.
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Das Recht zur Gebührenerhebung ergibt sich auch nicht aus § 11 Abs. 1 FS i.V.m. Ziffer
I. 6. GO. Der gebührenpflichtige Tatbestand zum Erwerb eines Rechts zur
Urnenbestattung findet weder eine Rechtfertigung in der Satzung noch ist er mit
allgemeinen gebührenrechtlichen Prinzipien vereinbar. Eine pauschale Ermächtigung
zur Erhebung von Gebühren ist für sich genommen nicht ausreichend.
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Nach § 4 Abs. 1 BestG NRW regeln die Friedhofsträger durch Satzung Art, Umfang und
Zeitraum der Nutzung und Gestaltung ihres Friedhofs sowie die Höhe der Gebühren
oder Entgelte für die Nutzung des Friedhofs und dessen Einrichtungen.
Grabnutzungsgebühren werden als Entgelt für die Nutzung einer öffentlich-rechtlichen
Einrichtung dafür erhoben, dass dem Nutzungsberech-tigten an einer bestimmten
Grabstätte für einen bestimmten Zeitraum das ausschließliche Bestattungs- und
Pflegerecht zusteht. Das Recht zur Bestattung umfasst auch das Recht, zwischen einer
Erdbestattung oder einer Feuerbestattung zu wählen. Dies ergibt sich aus § 12 Abs. 1,
Abs. 2 BestG NRW, der dem Gedanken Rechnung trägt, dass Feuer- und Erdbestattung
grundsätzlich gleichgestellt sind. Diese Gleichstellung beinhaltet jedoch nicht, dass
überall beide Bestattungsmöglichkeiten uneingeschränkt zur Verfügung stehen müssen.
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Es steht der Beklagten frei, aufgrund der ihr durch § 4 BestG NRW eingeräumten
Satzungsautonomie das Nutzungsrecht in bestimmten Teilen zu beschränken und nur
zu einem bestimmten Zweck zu gewähren. Das setzt aber voraus, dass die
Friedhofssatzung eine solche Einschränkung vorsieht.
Dies ist nicht der Fall. Die Satzung enthält keine Aussage, wonach grundsätzlich nur die
Form der Erdbestattung zulässig sein soll bzw. wonach sich die hier betroffene
Grabstätte auf einem Bereich des Friedhofs befindet, auf dem nur eine Art der
Bestattung vorgesehen ist. Diese Annahme folgt auch nicht aus einer Gesamtschau der
satzungsrechtlichen Vorschriften, da dort Regelungen zur Erd- wie zur Feuerbestattung
gleichermaßen getroffen werden (vgl. etwa §§ 15, 18, 19), ohne dass eine
Differenzierung vorgenommen wird. Ein Nutzungsrecht an der Grabstelle, das nach § 6
Abs. 2 der Satzung dem Berechtigten ein (unbeschränktes) Belegungsrecht zubilligt,
führt danach nicht zu der grundsätzlichen Verpflichtung, an dieser Stelle ausschließlich
eine Erdbestattung vorzunehmen. Ohne satzungsrechtliche Grundlage liegt darin ein
Verstoß gegen § 12 BestG NRW.
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Die Erhebung einer zusätzlichen Gebühr für das Recht zur Beisetzung einer Urne bei
bestehendem Nutzungsrecht ist überdies mit allgemeinen gebührenrechtlichen
Grundsätzen nicht vereinbar. Wenn auch das Kommunalabgabengesetz für das Land
Nordrhein-Westfalen (KAG NRW) nicht unmittelbar anwendbar ist, so sind doch die in
diesem Gesetz niedergelegten zentralen Grundsätze des kommunalen Gebührenrechts
jedenfalls insoweit auf den kirchlichen Bereich übertragbar, als sie Ausprägungen
verfassungsrechtlicher Gewährleistungen - wie des Prinzips der leistungsgerechten
Gebührenbemessung - und als solche Teil des für alle geltenden Gesetzes (Art. 140 GG
i.V.m. Art. 137 Abs. 3 WRV) sind. Demnach sind auch Grabnutzungsgebühren
grundsätzlich nach Art und Umfang der Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung
zu bemessen (vgl. § 6 Abs. 3 Satz 1 KAG). Diese Regelung ist eine Ausprägung des
allgemeinen Gleichheitssatzes. Bei gleicher Inanspruchnahme der öffentlichen
Einrichtung müssen etwa gleich hohe Gebühren und bei unterschiedlicher Benutzung
müssen diesen Unterschieden entsprechende, in etwa angemessene Gebühren gezahlt
werden.
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Nach diesen Grundsätzen liegt hier ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz
des Art. 3 Abs. 1 GG vor, da die Gebührenregelung nicht durch sachliche Gründe
gerechtfertigt ist. Feuerbestattung und Erdbestattung unterscheiden sich hinsichtlich des
Beerdigungsvorganges nicht wesentlich voneinander. In beiden Fällen werden Sarg
bzw. Urne in das Grab eingelassen, wofür nach der Gebührenordnung zulässigerweise
unterschiedliche, nach dem Aufwand bemessene Gebühren erhoben werden (Ziffer III.
A. GO). Das gesondert geregelte Recht zur Urnenbeisetzung kann für sich genommen
nur dann zu einem gebührenpflichtigen Tatbestand führen, wenn hierfür seitens der
Beklagten ein sachlicher Grund besteht. Ein sachliches Differenzierungskriterium ist
jedoch nicht ersichtlich. Sofern die Beklagte geltend macht, dass dem Kläger das Recht
gewährt sei, zwei Urnen auf einer Grabstätte beizusetzen, hat dies für den vorliegenden
Fall keine Bedeutung, da es allein um die Beisetzung einer Urne geht, wovon auch der
Gebührentatbestand Ziff. I. 6 GO ausgeht.
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Die Erhebung einer zusätzlichen Gebühr für das Recht zur Urnenbeisetzung ohne eine
entsprechende satzungsrechtliche Grundlage verstößt auch gegen das
Äquivalenzprinzip. Das Äquivalenzprinzip betrifft das Leistungsverhältnis zwischen dem
Gebührengläubiger und dem Gebührenschuldner und besagt, dass die Gebühr nicht in
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einem Missverhältnis zu der vom Träger öffentlicher Verwaltung erbrachten Leistung
stehen darf.
Driehaus, Kommentar zum Kommunalabgabenrecht, Loseblatt, Stand: September 2009,
§ 6 Rdnr. 49b.
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Denn die Gebühr stellt - im Unterschied zur Steuer - eine Gegenleistung für eine
besondere Leistung der öffentlichen Hand dar und muss daher in einem tragbaren
Verhältnis stehen. Wird einer bestimmten Gruppe von Nutzern eine zusätzliche Gebühr
aufgebürdet, so kann dies nur dann erfolgen, wenn der in Anspruch genommenen
Gruppe eine besondere Leistung zu Teil wird oder dem öffentlichen Träger durch die
Wahl einer bestimmten Leistung Mehraufwendungen bzw. Mehrkosten entstanden sind.
Entsprechendes ist seitens der Beklagten aber weder vorgetragen noch sonst
ersichtlich. Zur Deckung eines allgemeinen Kostenaufkommens, das nicht im
unmittelbaren Zusammenhang mit der Urnenbestattung steht, kann die Gebühr
jedenfalls nicht erhoben werden. Dies widerspricht dem Verbot der doppelten
Belastung, da die Bemessung der Gebühren nicht kosten-, sondern leistungsbezogen
ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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