Urteil des VG Münster vom 18.09.2003

VG Münster: verordnung, eugh, beendigung, milchkontingentierung, rückgabe, einziehung, ermächtigung, verpachtung, verfassungsrecht, aktiven

Verwaltungsgericht Münster, 9 K 599/01
Datum:
18.09.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 599/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kläger tragen die Kosten des
Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen, welche diese selbst trägt. Das Urteil ist wegen der
Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden, wenn nicht der
Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Kläger begehren die Bescheinigung über die Rücknahme einer Referenzmenge
aus Anlass der Beendigung eines Pachtvertrags mit der Beigeladenen.
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Mit Wirkung vom 1. Juli 1991 verpachteten die Kläger an ihre Tochter, die Beigeladene,
ein Grundstück zur Größe von 7,1 ha. Auf der Fläche ruhte eine Referenzmenge von
53.849 kg. Im Jahr 2000 vereinbarten die Kläger mit der Beigeladenen die Rückgabe
dieses Grundstücks. Am 22. September 2000 beantragten die Kläger beim Beklagten
die Ausstellung einer Bescheinigung über den Referenzmengenübergang in Höhe von
53.849 kg zum 1. April 2000.
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Mit Bescheid vom 29. September 2000 stellte der Beklagte fest, dass auf die Kläger mit
Wirkung vom 01. April 2000 von der Beigeladenen eine Referenzmenge in Höhe von
36.079 kg mit einem Referenzfettgehalt von 3,78 % übergangen ist. Zur Begründung
führte er aus, der o. g. Anteil der Referenzmenge der Abgeberin sei auf die Kläger
übergangen, weil diese einen Betriebsteil, für den bei der Verpachtung der Übergang
einer Referenzmenge bescheinigt worden sei, zurückgenommen hätten. Die
zurückgewährte Referenzmenge in Höhe von 53.849 kg werde gemäß § 12 Abs. 2 ZAV
um 33% zu Gunsten der Landesreserve gekürzt. Nach Abzug von 17.770 kg würden
36.079 kg verbleiben, die auf die Kläger übergehen würden. § 7 Abs. 2 Satz 5 ZAV finde
keine Anwendung, da die Behandlung auslaufender Pachtverträge in der speziellen
Norm des § 12 ZAV geregelt sei. Nach § 12 Abs. 1, 2 ZAV gehe bei Pachtverträgen, die
vor dem 01. April 2000 geschlossen und mit Ablauf des 31. März 2000 oder später
beendet würden, ein entsprechender Referenzmengenanteil auf den Verpächter mit der
Maßgabe über, dass 33 % der zurückgewährten Anlieferungs-Referenzmenge zu
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Gunsten der Landesreserve eingezogen würden. Insofern sei auch bei der Rückgewähr
des Betriebsteils von der Beigeladenen ein Einzug zu Gunsten der Landesreserve
vorzunehmen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2001 wies der Beklagte den Widerspruch
der Kläger vom 31. Oktober 2000 zurück.
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Am 14. März 2001 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben. Sie tragen vor, ihre
Klage richte sich gegen den 33%igen Abzug in Höhe von 17.770 kg. § 12 Abs. 2 Satz 1
ZAV verstoße gegen die Verfassung und sei daher nicht anzuwenden. Die ZAV sei
schon wegen eines Verstoßes gegen das Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG
insgesamt verfassungswidrig und damit nichtig. In einer bundesrechtlichen Verordnung
sei nämlich deren Rechtsgrundlage anzugeben (Art. 80 Abs. 1 S. 3 GG). Dies erfordere,
dass nicht nur das ermächtigende Gesetz als solches, sondern die ermächtigende
Einzelvorschrift aus diesem Gesetz in der Verordnung genannt werde. Beruhe eine
Verordnung auf mehreren Ermächtigungsgrundlagen, so habe der Verordnungsgeber
diese vollständig zu zitieren. Die ZAV nenne als Ermächtigungsgrundlage in ihrem
Vorspruch verschiedene Regelungen des Marktorganisationsgesetzes - MOG - i. V. m.
dem Zuständigkeitsanpassungs-Gesetz und dem Organisationserlass. Richtig sei, dass
das Marktorganisationsgesetz die generelle Ermächtigungsgrundlage für das
Bundesministerium darstelle, zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen
Gemeinschaft auf dem Gebiet der gemeinsamen Marktorganisationen
Rechtsverordnungen zu erlassen. Die Vorschriften des Marktorganisationsgesetzes
allein würden den Umfang der gesetzlichen Ermächtigung für den Verordnungsgeber
jedoch nicht bestimmen. Der Ermächtigungsrahmen des Verordnungsgebers
entschließe sich für den Adressaten der Verordnung nur dann, wenn zumindest die
Ermächtigungsnormen des EG-Rechts zitiert würden.
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Gem. § 12 Abs. 2 S. 1 ZAV sei der 33%ige Abzug zu Gunsten der Landesreserve auch
für Pachtverträge vorgesehen, die mit Ablauf des 31.03.2000 beendet worden seien.
Durch die Formulierung des § 12 Abs. 2 S. 1 ZAV würden gerade auch die
Pachtverträge erfasst, die unter der Milch-Garantiemengen-Verordnung bis zum
31.03.2000 abgeschlossen oder aber wegen einer Kündigung zu diesem Zeitpunkt
beendet worden seien. Da bereits die Milch-Garantiemengen-Verordnung zum
31.03.2000 habe auslaufen sollen, hätten viele Landwirte bis zu diesem Zeitpunkt
Referenzmengen ge- oder verpachtet. All diese nach dem alten Recht geschlossenen
und gewollt oder zufällig auf den 31.03.2000 befristeten Verträge würden der
Abzugsregelung unterstellt. Unter diesem Aspekt verstoße die Abzugsregelung gegen
das Verbot der Rückwirkung belastender Gesetze (Art. 20 GG), da sie auch für bereits
abgeschlossene Sachverhalte gelte. Ein Verpächter, dessen Pachtvertrag am
31.03.2000 bereits beendet gewesen sei, genieße Vertrauensschutz, d. h. er müsse
nicht mit einer Änderung der bestehenden Regelung rechnen.
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Die Kürzung einer dem Verpächter zustehenden Referenzmenge um 33 % verstoße
gegen eine durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Eigentumsposition des Verpächters. Die
seit 1993 nach § 7 Abs. 2a MGV frei handelbare Referenzmenge sei ein
vermögenswertes Recht. In diese eigentumsrechtlich geschützte Rechtsposition werde
in enteignender Weise eingegriffen, indem dem Verpächter ein 33%iger Abzug durch §
12 Abs. 2 S. 1 ZAV auferlegt werde. Diese Enteignung entspreche den
Rechtmäßigkeitsanforderungen des Art. 14 Abs. 3 GG nach nicht. Selbst wenn man den
enteignungsrechtlichen Charakter der Abzugsregelung ablehne, so lasse sich diese
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auch nicht als rechtmäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung darstellen. Die Höhe
des Abzugs entspreche nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
Der Europäische Gerichtshof habe einen entschädigungslosen Wegfall von 4,74 % der
Milchquote für mit den damit verbundenen Zielen gerechtfertigt angesehen und für
rechtlich zulässig erachtet. Ebenso habe der Bundesfinanzhof entschieden, dass ein
15%iger Abzug von der ehemaligen Nichtvermarktungsmenge nach Art. 3 a Abs. 2
UAbs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 zulässig sei. Ferner gehe das
Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass auch ein 30%iger Abzug im Einzelfall noch
gerechtfertigt sein kann. Das Bundesverwaltungsgericht habe in seinem Urteil die
Einschränkung der Ansprüche der Verpächter als gerade noch mit der
Eigentumsgarantie vereinbar angesehen. Nach einer Entscheidung des EuGH verstoße
die Zuteilung von nur 60% der ehemaligen Nichtvermarktungsmenge gegen das
Diskriminierungsverbot und den Vertrauensgrundsatz; d. h. ein Abzug von 40 % der
Referenzmenge stelle sich jedenfalls als unverhältnismäßig und damit als Verstoß
gegen Grundrechte dar.
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Zu beachten sei, dass es in all diesen Fällen um eine Kürzung der Referenzmenge
wegen einer nationalen Überproduktion gegangen sei. Zu viel vorhandene
Referenzmengen hätten abgebaut werden müssen. Da diese inzwischen vollständig
abgebaut seien, trage dieser Aspekt die Kürzung der Referenzmengen bei der
Beendigung laufender Pachtverträge nicht. Hier gehe es vielmehr um eine - wenn auch
mittelbare - Verschiebung von Verpächtern auf Pächter, sodass die zuvor zitierte
Rechtsprechung bereits aus diesem Grunde nicht übertragen werden kann. Jedenfalls
dürfte ein Abzug in Höhe von 33% zu Gunsten der Landesreserve unverhältnismäßig
sein und damit gegen Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG verstoßen.
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Darüber hinaus würden die Inhaber einer Milchquote, die diese nicht mehr selbst
beliefern würden, sondern mit oder ohne Grundstück einem Dritten zur Nutzung
übertrügen, im Verhältnis zu Rechtsinhabern, die die Milchquote selbst belieferten,
unangemessen benachteiligt. Dies begründe einen Verstoß gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG). Während die Milchquote als vermögenswertes
Recht demjenigen vollständig erhalten bleibe, der sie selbst beliefere, also nutze, werde
demjenigen, der sein vermögenswertes Recht durch Verpachtung kapitalisiere, ein
Drittel seines vermögenswerten Rechts ersatzlos eingezogen. In welcher Weise jemand
eine ihm zustehende Eigentumsposition nutzen wolle, sei ihm aber gerade nach dem
Grundverständnis des Art. 14 GG freigestellt.
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Eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ergebe sich auch aus einem Vergleich
zwischen Milcherzeugern, die die Milcherzeugung vor dem 01.04.2000 aufgegeben und
ihre Referenzmengen verpachtet hätten und Milcherzeugern, die die Milcherzeugung
erst nach dem 01.04.0200 aufgegeben hätten. Letzteren werde nur ein Abzug von 5%
zugemutet, wenn sie die Referenzmenge über die Börse verkaufen.
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Schließlich könne § 12 Abs. 2 S. 1 ZAV im vorliegenden Fall den 33%igen Abzug zu
ihren Lasten nicht rechtfertigen. Denn im vorliegenden Fall werde § 12 Abs. 2 S. 1 ZAV
vom Verwandtenprivileg des § 7 Abs. 2 S. 5 ZAV verdrängt. Danach könne die
flächenungebundene Übertragung von Referenzmengen außerhalb einer Verkaufsstelle
zwischen Verwandten gerader Linie vereinbart werden, wenn ein gesamter Betrieb oder
ein Betreibsteil übergeben, überlassen oder zurückgewährt werde. Nach dem
eindeutigen Wortlaut des Verwandtenprivilegs könne die Rückführung der
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Referenzmenge auf den Verpächter zwischen Verwandten auch im Falle der
Rückgewähr von Betriebsteilen erfolgen. Um eine solche Rückführung von
Betriebsteilen handele es sich im vorliegenden Fall. Sie seien sich mit ihrer Tochter
stets darüber einig gewesen, dass die ihr überlassene Referenzmenge nach
Beendigung des Pachtvertrages ihnen wieder vollständig zufallen solle. Die Regelung
des § 7 Abs. 2 S. 1 ZAV gehe als speziellere Regelung der Regelung des § 12 Abs. 2 S.
1 ZAV vor.
Die Kläger beantragen,
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den Bescheid des Beklagten vom 29.09.2000 in der Form des Widerspruchsbescheides
vom 16.02.2001 insoweit aufzuheben, als in diesem Bescheid die auf sie übergehende
Referenzmenge um 33 % gekürzt worden ist und den Beklagten zu verpflichten, ihnen
auch den Übergang der restlichen 17.770 kg Anlieferungs-Referenzmenge gem. § 17
Abs. 1 Nr. 1 ZAV zu bescheinigen.
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Der Beklagte beantragt unter Vertiefung der Begründung im Widerspruchsbescheid,
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die Klage abzuweisen.
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Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
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Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf
den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Das Gericht entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
(§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
22
Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO zulässig. Die
Klage ist jedoch unbegründet, da die Unterlassung der Ausstellung der Bescheinigung,
dass auf die Kläger eine weitere Referenzmenge von 17.770 kg übergegangen ist,
rechtmäßig ist und die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO). Der Abzug von 33%, gegen den die Kläger sich allein wenden, erfolgte zu
Recht.
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Gemäß § 12 Abs. 2 Satz 1 ZAV gehen, soweit - wie hier - zwischen dem 1. April 1984
und dem 1. April 2000 geschlossene Pachtverträge mit Ablauf des 31. März 2000
beendet werden, die entsprechenden Anlieferungs-Referenzmengen grundsätzlich
gemäß § 7 Abs. 5 MGV auf den Verpächter mit der Maßgabe über, dass 33 vom Hundert
der zurückgewährten Menge zu Gunsten der Landesreserve eingezogen werden.
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Der Referenzmengenübergang an den Verpächter setzt allerdings voraus, dass die
Pachtfläche der Milcherzeugung diente und der Verpächter zum Zeitpunkt der
Beendigung des Pachtverhältnisses entweder selbst Milcherzeuger ist oder die
Aufnahme der Milcherzeugung beabsichtigt oder zumindest die Anlieferungs-
Referenzmenge kurzfristig auf einen Milcherzeuger überträgt.
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Nach Art. 7 Abs. 2 VO (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die
Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor (ABl. Nr. L 405, S. 1) in der Fassung der
Verordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 (ABl Nr. L 160, S. 73)
werden, soweit bei Beendigung landwirtschaftlicher Pachtverträge eine Verlängerung
zu gleichartigen Bedingungen nicht möglich ist oder ein rechtlich gleichgelagerter Fall
vorliegt und zwischen den Beteiligten keine Vereinbarung getroffen wird, die
verfügbaren Referenzmengen ganz oder teilweise auf die Erzeuger übertragen, die sie
übernehmen. Art. 9 c) o. g. VO bestimmt, dass „Erzeuger" der Betriebsinhaber ist, der
einen Betrieb im geografischen Gebiet der Gemeinschaft bewirtschaftet und der Milch
oder Milcherzeugnisse direkt an den Verbraucher verkauft bzw. an den Abnehmer liefert.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat bislang den Übergang einer mit einer Pachtfläche
verbundenen Referenzmenge im Falle der Rückgabe an den Verpächter nicht davon
abhängig gemacht, dass der Verpächter selbst Milcherzeuger ist.
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- vgl. BVerwG, Urteil vom 15. November 1990 - 3 C 42.88 -, BVerwGE 87, 94, 97; Urteil
vom 19. März 1992 - 3 C 58.88 -, Buchholz 451.512 MGVO Nr. 54; Urteil vom 7.
September 1992 - 3 C 23.89 -, Buchholz 451.512 MGVO Nr. 60 -
28
Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Juni 2002
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- Rechtssache C-401/99 "Thomsen", AgrarR 2002, 283 f. -
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ist dieser Rechtsprechung nicht mehr zu folgen. Der EuGH stellte zu Art. 7 Abs. 2 der o.
g. VO fest, dass sich aus dem allgemeinen Sinn und Zweck der Regelung über die
Zusatzabgabe für Milch ergebe, dass einem Landwirt eine Referenzmenge nur
eingeräumt werden könne, wenn er die Erzeugereigenschaft innehabe. Dabei sei der
Begriff des „Erzeugers" gemäß Art 9 c) o. g. VO zu Grunde zu legen. Daraus ergebe
sich, dass der Pächter nur dann Inhaber der an die zum Betrieb gehörenden Flächen
gebundenen Referenzmenge werden könne, wenn er Erzeuger sei; ebenso müsse im
Fall der Übertragung einer Referenzmenge derjenige, der die Flächen übernehme, die
Erzeugereigenschaft besitzen, um auch die an diese Flächen gebundene
Referenzmenge übernehmen zu können.
31
- vgl. EuGH, a. a. O., S. 283 -
32
Allerdings kann die Regelung über den Referenzmengenübergang auf einen
Verpächter infolge Rückgabe der Pachtfläche nicht dahingehend ausgelegt werden,
dass sie die Möglichkeit ausschließt, den Betrieb mit den an ihn gebundenen
Referenzmengen auf einen Dritten zu übertragen, wenn er nicht selbst die Aufnahme
der Milcherzeugung oder -vermarktung im Zeitpunkt der Beendigung des
Pachtverhältnisses beabsichtigt.
33
- vgl. EuGH, a. a. O., S. 284 -
34
Dies liegt darin begründet, dass sich diese Regelung nicht spezifisch auf die
„Verpächter", sondern auf die „Erzeuger", die den Betrieb oder Betriebsteil übernehmen,
bezieht. Dementsprechend schließt die Regelung über den Referenzmengenübergang
nicht die Möglichkeit für den Verpächter zum Zeitpunkt der Rückgabe der Pachtfläche
aus, die an den Betrieb oder an Teile hiervon gebundenen Referenzmengen
insbesondere durch Verkauf oder Verpachtung auf einen Dritten zu übertragen, sofern
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der Dritte die Eigenschaft eines Erzeugers im Sinne von Art. 9 c) o. g. VO besitzt. Nach
dem oben näher ausgeführten allgemeinen Sinn und Zweck der Regelung über die
Zusatzabgaben für Milch ist es jedoch nicht zulässig, dass die Referenzmenge an einen
Verpächter, der nicht beabsichtigt, Milch zu erzeugen, für einen langen Zeitraum
übertragen wird. Vielmehr ist erforderlich, aber auch ausreichend, wenn der Verpächter
zum Zeitpunkt der Beendigung des Pachtverhältnisses (Rückgabe der Pachtfläche)
nachweist, dass er konkrete Vorbereitungen dafür trifft, dass in „kürzester Zeit" die
Tätigkeit eines Erzeugers aufgenommen wird.
- vgl. EuGH, a. a. O. -
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Dieser Rechtsprechung schließt sich das erkennende Gericht an.
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- ebenso BGH, Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 276/02 -; VG Stade, Urteil vom 18. Juni
2003 - 6 A 1053/01 -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Februar 2003 - 10 S
2128/02 -; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16. Oktober 2002 - 8 A 10288/92 -; OVG
Schleswig, Urteil vom 9. Oktober 2002 - 2 L 143/98 -, RdL 2002, 330, 331; VG
Oldenburg, Urteil vom 29. August 2002 - 12 A 2268/00 -
38
Insoweit findet die Rechtsprechung des EuGH, die für Altpachtverträge ergangen ist,
auch auf Neupachtverträge Anwendung. Art. 7 Abs. 2 o. g. VO, zu dem sich die
Entscheidung verhält, erfasst mangels weitergehender Differenzierung sowohl Altpacht-
als auch Neupachtverhältnisse. Diese Differenzierung liegt nur dem nationalen Recht zu
Grunde.
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Sie ist auch unabhängig von der Tatsache, dass diese Rechtsprechung erst nach der
Beendigung des hier in Rede stehenden Pachtvertrags verkündet worden ist,
anwendbar. Der Übergang von Referenzmengen ist nämlich nicht von
Willensentscheidungen der Beteiligten abhängig und orientiert sich auch nicht an
Vertrauensschutzerwägungen, sondern vollzieht sich kraft Gesetzes. Zum Zeitpunkt der
Rückgabe der Pachtsache im vorliegenden Fall waren sowohl Art. 7 Abs. 2 und Art. 9 c)
o. g. VO als auch § 12 Abs. 2 ZAV, § 7 Abs. 5 MGV geltendes Recht. Die Entscheidung
des EuGH gibt nur Aufschluss über die Frage, wie das geltende Recht auszulegen ist;
dieser Rechtserkenntnis folgt das Gericht. Damit ist auch die vom Kläger aufgeworfene
Frage, ob es ihm - im Sinne eines Verschuldens - vorgehalten werden könne, im
Zeitpunkt der Beendigung des Pachtvertrages die Milcherzeugung nicht wieder
aufgenommen und die Fläche auch nicht an einen Milcherzeuger weiterverpachtet zu
haben, für die Entscheidung unerheblich.
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Die Kläger erfüllten bei Rücknahme der Pachtfläche die Voraussetzungen, die Art. 7
Abs. 2, Art. 9 c) o. g. VO in der Auslegung durch den EuGH aufstellen, zunächst nicht.
Sie bewirtschafteten keinen landwirtschaftlichen Betrieb und erzeugten oder
vermarkteten keine Milch. Zwar reicht es für die Zuteilung der relevanten
Referenzmenge an den Verpächter nach der o. a. Rechtsprechung des EuGH auch aus,
dass dieser zum Zeitpunkt der Beendigung der Pacht nachweist, konkrete
Vorbereitungen dafür zu treffen, in kürzester Zeit die Tätigkeit eines Erzeugers
auszuüben. Eine wie auch immer gestaltete Wiederaufnahme der Milcherzeugung
hatten die Kläger jedoch nicht beabsichtigt. Daran ändert auch nichts, dass sie weiterhin
Eigentümer des Hofes und der dazugehörigen Melkanlagen geblieben sind.
Ausweislich des Schriftsatzes der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 31. Oktober
2000 hatten die Kläger beabsichtigt, die Referenzmenge möglichst im nächsten
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Börsentermin zu verkaufen. Zum 31. Januar 2001 haben sie die ihnen bereits
bescheinigte Referenzmenge sodann veräußert. Unerheblich ist auch, dass die
Beigeladene weiterhin Milcherzeugerin geblieben ist. Bei der Rücknahme einer
Referenzmenge kommt es auf die Milcherzeugereigenschaft des Übernehmers an.
Denn „Erzeuger" gemäß Art. 9 c) o. g. Verordnung ist der Betriebsinhaber, der einen
Betrieb bewirtschaftet. Die Kläger haben ihren Betrieb jedoch nicht mehr bewirtschaftet,
sondern ihn an die Beigeladene verpachtet.
Jedoch reicht für einen Referenzmengenübergang die Absicht aus, die Referenzmenge
in kürzester Zeit bzw. zum nächstmöglichen Übertragungstermin über die
Verkaufsstellen anbieten und übertragen zu wollen (§§ 8 ff. ZAV).
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- anderer Ansicht VG Stade, Urteil vom 18. Juni 2003 - 6 A 1053/01; offen gelassen bei
BGH, Urteil vom 11. Juli 2003 - V ZR 276/02 -
43
Es bleibt für Rücknahmen von Referenzmengen auf Grund von Altpachtverträgen im
Zeitpunkt nach dem Inkrafttreten der Zusatzabgabenverordnung, dem 1. April 2000 (vgl.
§ 31 ZAV), für nicht milcherzeugende Verpächter, die vom Verwandtenprivlieg des § 7
Abs. 2 ZAV (Übergang eines gesamten Milchwirtschaftsbetriebes oder Übergang eines
gesamten Betriebes oder Betriebsteils zwischen Verwandten in gerader Linie oder
Ehegatten) keinen Gebrauch machen können und die die Milcherzeugung oder -
vermarktung nicht baldmöglichst selbst wieder aufnehmen wollen, nur der Verkauf über
die Verkaufsstellen, da eine flächenakzessorische (Weiter-)Übertragung der
Anlieferungs-Referenzmenge nach § 7 Abs. 1 ZAV ausgeschlossen ist. Dies steht auch
mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben in Einklang. Ausdrücklich weist der EuGH
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- vgl. EuGH, a. a. O., Rdnr. 42 -
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darauf hin, dass sich Art. 7 Abs. 2 o. g. VO nicht spezifisch auf die Verpächter, sondern
auf die Erzeuger, die den Betrieb übernehmen, bezieht. Unter dieser Prämisse hat der
EuGH die Ausnahmen zugelassen, dass der Übergang einer Referenzmenge auf einen
Nicht-Erzeuger für einen kurzen Zeitraum zugelassen werden kann. So verhält es sich
auch bei dem Verkauf der Referenzmenge über die Verkaufsstelle. Die Übertragung von
Referenzmengen ist - wie oben dargelegt - unter dem Regelungsregime der ZAV nur
über die Verkaufsstellen möglich. Die Verkaufsstelle wiederum dient jedoch
ausschließlich dem Zweck, Referenzmengen an Milcherzeuger zu übertragen (§ 7 Abs.
5 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 i. V. m. §§ 8 ff. ZAV). Damit ist dem Zweck des Art. 7 Abs. 2 o. g.
VO Genüge getan, indem sichergestellt ist, dass die Referenzmenge nach der
Beendigung eines Pachtverhältnisses kurzfristig dauerhaft einem Erzeuger zugeteilt
wird und kein preistreibender Handel stattfindet. Die diesbezügliche
Veräußerungsabsicht der Kläger hat sich bereits in der Veräußerung der bescheinigten
67% der Referenzmenge zum 31. Januar 2001 manifestiert.
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An der oben dargestellten Auslegung des Art. 7 VO (EWG) Nr. 3590/92 hat sich nichts
durch den auf Grund der Änderungsverordnung (EG) Nr. 1256/1999 des Rates vom 17.
Mai 1999 eingefügten Art. 8a b) geändert. Zwar werden die Mitgliedstaaten dort
ermächtigt, die Bestimmungen über die Übertragung von Referenzmengen nach Art. 7
Abs. 1 nicht anzuwenden. Zum Einen geht es hier jedoch um Art. 7 Abs. 2; zum Anderen
ist die Nichtanwendung auch nur zu dem Zweck zulässig „sicherzustellen, dass
Referenzmengen nur aktiven Milcherzeugern zugeteilt werden" (vgl. Art. 8a VO (EWG)
Nr. 3590/92). Auch der Übertragungsvorgang nach Maßgabe des § 12 Abs. 2 ZAV kann
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daher nur unter Milcherzeugern stattfinden.
Ein Ausnahmefall nach § 7 Abs. 2 Satz 5 i. V. m. Satz 1 ZAV (Verwandtenprivileg), der
zu keinem Abzug geführt hätte, lag nicht vor. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 5 i. V. m. Satz 1
ZAV kann zwar unter Verwandten der unmittelbare Übergang der dem Abgebenden
zustehenden Anlieferungs-Referenzmenge schriftlich vereinbart werden. Diese
Vorschrift, die zur Neuordnung des Übertragungssystems zu zählen ist, tritt jedoch hinter
die Übergangsregelung des § 12 ZAV zurück. Dies ergibt sich bereits aus § 7 Abs. 1
ZAV, wonach Referenzmengen „vorbehaltlich des § 12 Abs. 2 Satz 1" flächengebunden
nicht übergehen oder übertragen werden können und flächenungebunden nicht verkauft
oder verpachtet oder durch andere Rechtsgeschäfte mit vergleichbaren Rechtsfolgen
übertragen werden können. Hieraus ergibt sich, dass sich der
Referenzmengenübergang auf Grund der Abwicklung eines vor dem Inkrafttreten der
ZAV geschlossenen Pachtvertrags kraft Gesetzes gemäß § 12 Abs. 2 ZAV i. V. m. der
entsprechenden in Bezug genommenen Bestimmung der MGV vollzieht. Für eine
Vereinbarung nach § 7 Abs. 2 Satz 5 ZAV fehlt es danach an einer nach dem Ende des
Pachtvertrags noch bei der Beigeladenen verbliebenen Referenzmenge, bezüglich
derer eine Vereinbarung getroffen werden könnte.
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Das Gericht hat keine Zweifel an der Wirksamkeit der ZAV.
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Die ZAV genügt dem Zitiergebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 3 GG. Es ist ausreichend, dass
in der Präambel der ZAV die zum Verordnungserlass ermächtigenden Vorschriften des
Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen - MOG - als
Rechtsgrundlage genannt sind. Bei der Umsetzung und Ausfüllung von
Gemeinschaftsrecht bedarf es der Bezeichnung der gemeinschaftsrechtlichen
Grundlagen nicht. Die Kammer schließt sich insoweit der höchstrichterlichen
Rechtsprechung an. - vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2003 - 3 C 10.02 -; BayVGH,
Urteil vom 24. Juni 2003 - 9 BV 02.3024 -; Urteil vom 24. Juni 2003 - 9 B 02.1730 - Die
ZAV verstößt auch nicht insoweit mit der Folge ihrer Nichtigkeit gegen Art. 80 Abs. 1
Satz 2 GG, dass in der gesetzlichen Ermächtigung Inhalt, Zweck und Ausmaß der
erteilten Ermächtigung im Gesetz nicht bestimmt worden wären. Jedenfalls hat ein
diesbezüglicher Verstoß keine Folgen für das vorliegende Verfahren. Wie der
Bayerische Verwaltungsgerichtshof in seinem Urteil vom 24. Juni 2003 - RN 7 K
00.2285 - ausgeführt hat, sind untergesetzliche Normen, die auf einer
verfassungsrechtlich unzulänglichen Ermächtigungsgrundlage beruhen, nicht schon
deshalb ohne Weiteres als nichtig und damit unanwendbar anzusehen; zur Vermeidung
eines rechtlosen Zustandes kann vielmehr eine übergangsweise Fortgeltung notwendig
sein. Auch hier wäre die ZAV - soweit sie im Übrigen materiell höherrangigem Recht
entspricht - jedenfalls als befristet fortgeltend anzusehen, weil sonst für die durch
Gemeinschaftsrecht zwingend vorgeschriebene Milchkontingentierung und
insbesondere die Erhebung einer Zusatzabgabe im Milchsektor ein rechtloser Zustand
einträte: Bei einer Nichtigkeit der Zusatzabgabenverordnung (wie auch der durch sie
abgelösten MGV) wäre nämlich ungewiss, welche Referenzmengen den
Milcherzeugern zustehen und abgabefrei beliefert werden können; weiter wäre völlig
offen, ob und unter welchen Voraussetzungen und in welchem Verfahren
Referenzmengen befristet oder endgültig übertragen werden können oder übergehen.
Diese Ungewissheit wäre für Milcherzeuger unzumutbar, weil sie nicht sicher sein
könnten, ob und in welchem Umfang sie durch die Erhebung einer Abgabe um die
Früchte ihrer Arbeit gebracht werden können und wie sich die im Zusammenhang mit
der Milcherzeugung notwendigen unternehmerischen Entscheidungen auswirken.
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Andererseits wäre eine Abgabenerhebung selbst und damit die gemeinschaftsrechtlich
vorgeschriebene Regulierung des Milchmarktes allein auf der Grundlage des
unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrechts für einen längeren Zeitraum nicht möglich.
Angesichts dieser bei einer Nichtigkeit der Zusatzabgabenverordnung nicht
gewährleisteten nationalen Vollziehung zwingenden Gemeinschaftsrechts und einer
weitgehenden Ungewissheit der Milcherzeuger drängt sich die Beurteilung auf, dass
dieser rechtlose Zustand der verfassungsmäßigen Ordnung noch ferner stünde als eine
befristete Fortgeltung der auf einer unzulänglichen gesetzlichen Ermächtigung
beruhenden Zusatzabgabenverordnung.
- vgl. BayVGH, Urteil vom 24. Juni 2003 - 9 B 02.1730 -; Urteil vom 24. Juni 2003 - 9 BV
02.3024 -
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Die im vorliegenden Fall zur Anwendung kommenden Regelungen der ZAV verstoßen
auch nicht gegen nationale oder gemeinschaftsrechtliche Grundrechte des Klägers. Das
Gericht schließt sich diesbezüglich in vollem Umfang der Begründung in dem Urteil des
Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 2003 - 9 BV 02.3024 - an:
52
„Diese Einziehung mit der Folge einer entsprechenden Kürzung der an den Kläger
zurückzugewährenden Anlieferungs-Referenzmenge steht auch mit höherrangigem
Recht, insbesondere mit der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG und dem
Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG und der gemeinschaftsrechtlichen
Grundrechtsgewährleistung in Einklang.
53
aa) Durch die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urt. vom 17.6.1993,
BVerwGE 92, 322 m.w.Nachw. auch zur Rspr. des BVerfG und des BGH) zu
Freisetzungen von 20 % nach Regelungen der früheren Milch-Garantiemengen-
Verordnung ist bereits geklärt, dass
54
- eine Referenzmenge als solche keinen Vermögenswert darstellt, der als Eigentum im
Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG anzusehen ist und den Schutz der
Eigentumsgarantie genießt,
55
- eine teilweise Freisetzung für sich betrachtet daher keinen Eigentumsentzug bewirkt,
56
- die Freisetzung einer Referenzmenge aber dann eigentumsrechtlich relevant sein
kann, wenn sie nachhaltig in die Nutzungsmöglichkeiten der zum landwirtschaftlichen
Betrieb gehörenden Vermögensgegenstände eingreift, weil eine
Referenzmengenkürzung sich als Vermarktungsverbot auswirkt und die privatnützige
Verwendung von Betriebsmitteln wie landwirtschaftliche Nutzflächen, Ställe und
Maschinen einschränkt,
57
- eine derartige Beschränkung von Eigentümerbefugnissen eine Bestimmung von Inhalt
und Schranken des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG darstellt, bei der die
verfassungsrechtlichen Wertungen und Schranken, insbesondere die grundgesetzliche
Anerkennung des Privateigentums, die Sozialbindung des Eigentums wie auch der
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zu beachten sind.
58
Bei einer Anknüpfung an die revisionsgerichtliche Rechtsprechung zur Milch-
Garantiemengen-Verordnung ist zu berücksichtigen, dass die Entscheidung vom 17.
Juni 1993 (a.a.O.) eine befristet geltende Regelung betraf, nach der bei einer
59
Übertragung von Teilen eines für die Milcherzeugung genutzten Betriebs oder bei
Zupacht oder Zukauf eines gesamten Betriebs zu einem anderen Betrieb oder Teilen
eines Betriebs 20 % der Referenzmenge zugunsten der nationalen Reserve freigesetzt
wurden. Die weitere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. vom 24.3.1995,
RdL 1995, 137 = AgrarR 1995, 188) erging zu einem Altpachtvertrag und sagt aus, dass
der bei der Rückgabe eines gepachteten gesamten Betriebs hinsichtlich der
übergehenden Referenzmenge nicht vorgesehene Pächterschutz mit höherrangigem
Recht in Einklang steht. Das Urteil des Revisionsgerichts vom 29. November 1993 (RdL
1994, 79) stellt schließlich im wesentlichen fest, dass die gemeinschaftsrechtliche und
nationale Eigentumsgewährleistung eine Referenzmengenzu-teilung nicht gebietet,
wenn mehr als 3 Jahre vor dem Inkrafttreten der Milchquotenregelung eine
Milcherzeugung nicht mehr ausgeübt worden ist.
Die vorliegende Fallgestaltung unterscheidet sich in tatsächlicher Hinsicht von diesen
revisionsgerichtlich entschiedenen Fällen und hat Rechtsähnlichkeit nur insoweit, als zu
der an den Kläger zurückzugewährenden, wegen der Einziehung um rund ein Drittel
gekürzten Referenzmenge ebenfalls ein Verstoß der einschlägigen nationalen
Regelung gegen höherrangiges (Verfassungs-)Recht geltend gemacht wird.
60
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist aber auch für diesen Fall, dass mit der
Einführung der Milchkontingentierung den Milcherzeugern Referenzmengen in der
Regel in Anknüpfung an die Milchlieferungen im Kalenderjahr 1983 zugeteilt wurden
und diese Zuteilung die öffentlich-rechtliche Befugnis verlieh, in Höhe der
zugewiesenen Milchquote abgabefrei Milch zu liefern. Finanzielle Mittel und Arbeitskraft
hat ein Betriebsinhaber vor Einführung der Milchquotenregelung aufgewendet, um Milch
zu produzieren und zu verkaufen; diese Leistung ist ihm dann im Rahmen der Milch-
kontingentierung durch Zuteilung einer Referenzmenge zugute gekommen (vgl. BGH
vom 19.7.1991, AgrarR 1991, 343) und hat ihm die Fortsetzung der Milchproduktion
grundsätzlich - von gewissen Kürzungen und Aussetzungen abgesehen - ermöglicht.
Diese Referenzmengenzuteilung war eigentumsrechtlich geboten, um Milcherzeugern
abgabefreie Milchlieferungen und damit die weitere privatnützige Nutzung ihres
Eigentums ungeachtet gewisser zwingend gebotener Einschränkungen zu ermöglichen.
61
Vorschriften des Gemeinschafts- und des nationalen Rechts sahen weiter vor, sich
gegen Zahlung einer Vergütung zu verpflichten, die Milcherzeugung ganz oder teilweise
aufzugeben, Milcherzeugungsflächen oder ganze Betriebe konnten einschließlich der
damit verbundenen Referenzmengen auf Dauer oder auf Zeit an Dritte gegen Entgelt
überlassen werden und schließlich wurde die Möglichkeit geschaffen, Referenzmengen
gegen Entgelt ohne einen Übergang des entsprechenden Betriebs oder der
entsprechenden Fläche auf Dritte zu übertragen oder diesen auf Zeit zu überlassen
(Einführung von § 7 Abs. 2a durch die 29. ÄndVO zur MGV vom 24.9.1993 BGBI I S.
1659).
62
Zwar bestand auch aus der Sicht höherrangigen Rechts die Notwendigkeit, für
Milchwirtschaftsbetriebe oder Teile davon Regelungen über den Übergang von
betriebs- und flächengebundenen Referenzmengen bei einer Vererbung, einer
Übertragung durch Kauf oder einer Überlassung durch Pacht zu treffen.
63
Grundsätzlich war es eigentumsrechtlich aber nicht geboten, dem Inhaber eines
milcherzeugenden Betriebs nach seiner Entscheidung, die Milchproduktion endgültig
aufzugeben, eine weitere flächenunabhängige Nutzung der ihm zustehenden
64
Referenzmenge zu ermöglichen, denn sein Eigentumsrecht an den Betriebsmitteln wird
nicht dadurch tangiert, dass bei einer Aufgabe der Milcherzeugung aus freiem
Entschluss eine weitere ertragbringende Nutzung der Referenzmenge nicht mehr
möglich ist. Soweit seit Einführung der Kontingentierung vorgesehen war, bei einer
endgültigen Aufgabe der Milcherzeugung eine Vergütung zu gewähren (vgl. Art. 4 Abs.
1 lit. a der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 des Rates vom 31.3.1984, heute: Art. 8
Unterabsatz 1 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 3950/92; Milchaufgabevergütungsgesetz
vom 17.7.1984, ursprüngliche Fassung: BGBl I S. 942, zuletzt geändert durch
Verordnung vom 5.4.2002, BGBI I S. 1250; Milchaufgabevergütungsverordnung vom
20.71984, ursprüngliche Fassung: BGBI I S. 1023, zuletzt geändert durch Verordnung
vom 5.4.2002, BGBI I S. 1250) mag die Regelung als Steuerungsinstrument zur
Umstrukturierung der Milcherzeugung ihre Berechtigung haben, ein gewisser
eigentumsrechtlicher Bezug besteht aber nur insofern, als die Vergütung von einer ent-
sprechenden Verpflichtung zur Aufgabe der Milcherzeugung abhängig war.
Selbst dieser Bezug zur Eigentumsgewährleistung oder zur Berufsfreiheit des Art. 12
GG fehlt aber, wenn der Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs aus freien Stücken
und ohne eine entsprechende Verpflichtung die Milcherzeugung endgültig aufgibt; weil
er unter diesen Umständen unter dem Aspekt der Grundrechte der Art. 12 und 14 GG
eine Milchquote zur Ausübung seines Berufs oder zur Nutzung seiner Betriebsmittel
nicht mehr benötigt. Zu erklären ist die dennoch zugestandene Nutzungsmöglichkeit
durch einen Verkauf oder eine befristete entgeltliche Überlassung wohl nur damit, dass
den zur Aufgabe der Milcherzeugung Entschlossenen eine Wahlmöglichkeit zwischen
der Milchaufgabevergütung und einer anderen entgeltlichen Nutzung der
Referenzmenge gelassen werden sollte. Diese Möglichkeiten mögen teilweise als
Maßnahmen für eine als wünschenswert angesehene Umstrukturierung begründbar
sein; bei einem ehemaligen Milcherzeuger bedarf die Einziehung von etwa einem Drittel
der entgeltlich überlassenen, nicht betriebs- oder flächengebundenen, nunmehr
zurückzugewährenden Referenzmenge aber nicht einer Rechtfertigung als Inhalts- und
Schrankenbestimmung des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG oder als
Berufsausübungsregelung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG. Ob eine Verletzung des
Grundrechts aus Art. 3 Abs. 1 GG darauf gestützt werden könnte, dass bei einer Aufgabe
der Milcherzeugung anstelle der Verpachtung im Jahre 1998 nach der damals
geltenden Regelung in § 7 Abs. 2 a MGV ein flächenloser Verkauf der gesamten
Referenzmenge möglich gewesen wäre und diese Mög-lichkeit im wesentlichen -
abgesehen von der 5 % - Kürzung nach § 10 Abs. 4 ZAV - auch heute bei einem
Verkauf nach §§ 8 ff. ZAV besteht, ist schon zweifelhaft. Die Streichung einer -
insbesondere einer sachlich nicht gerechtfertigten - Begünstigung führt nämlich
grundsätzlich keine Ungleichheit herbei, sondern stellt größere Gleichheit her (vgl.
BVerfGE 81, 108). Der Gesetzgeber ist deshalb grundsätzlich nicht gehalten,
Steuerungssubventionen und -vergünstigungen stets in gleicher Höhe zu gewähren.
Jedenfalls aber besteht ein die Kürzung der Referenzmenge rechtfertigender sachlicher
Grund, weil die zurückzugewährenden Referenzmengen bereits für einen Zeitraum von
mindestens 2 Jahren (§ 7 Abs. 2 a Satz 2 Nr. 1 MGV) durch entgeltliche Überlassung an
einen Milcherzeuger genutzt wurden und zu entsprechenden Erträgen geführt haben.
Eine weitere Differenzierung etwa nach der Dauer der Überlassung oder der Höhe des
Entgelts wäre kaum durchführbar und ist auch nicht geboten.
65
Auch die durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Handlungsfreiheit, die nur im
Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung, das heißt aller Normen, die formell und
materiell der Verfassung gemäß sind, gewährleistet ist, wird nicht tangiert. Es gibt
66
nämlich keinen sachlichen Grund, früheren Milcherzeugern eine weitere entgeltliche
Nutzung der ihnen früher zustehenden Referenzmenge durch einen Verkauf zu
ermöglichen. Wer die Milchproduktion aufgegeben hat, bedarf einer abgabenrechtlichen
Begünstigung für Milchlieferungen nicht mehr und ist in seiner Handlungsfreiheit nicht
eingeschränkt. Jedenfalls aber wäre ein gewichtiger Gemeinwohlbelang gegeben, die
Referenzmenge um rund ein Drittel zu kürzen und die eingezogene Referenzmenge
aktiven Milcherzeugern zuzuteilen. Dieser Förderung aktiver Milcherzeuger bedarf es
auch im Hinblick auf die schrittweise Kürzung der Richtpreise, der Interventionspreise
und der Neuregelung für Milch- und Zusatzprämien (vgl. Verordnung (EG) Nr.
1255/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 Abl Nr. L 160 S. 48) und die damit verbundene,
im öffentlichen Interesse liegende Senkung der Kostenlast der Milchkontingentierung für
die Allgemeinheit. Auch in diesem Zusammenhang kommt es allein auf die materielle
Vereinbarkeit der Kürzungsregelung mit Verfassungsrecht an, weil etwaige
Unzulänglichkeiten der gesetzlichen Ermächtigung wegen der aus anderen
verfassungsrechtlichen Erwägungen notwendigen Behandlung der
Zusatzabgabenverordnung als fortgeltend unbeachtlich sind.
Auch der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit ist gewahrt, weil die
zurückzugewährende Referenzmenge nur um rund ein Drittel gekürzt wird, bei der
Milchkontingentierung aber ein ausreichend gewichtiger Gemeinwohlbelang selbst
dafür gegeben wäre, bei endgültiger Aufgabe der Milcherzeugung die Anlieferungs-
Refe- renzmenge vollständig einzuziehen und an aktive Milcherzeuger zu verteilen.
Selbst im Falle einer Einziehung der gesamten Milchquote wäre nicht zu erkennen,
weshalb ein früherer Milcherzeuger dadurch unverhältnismäßig belastet sein sollte.
67
Auch unter den Gesichtspunkten einer Rückwirkung der Einziehungsregelung in § 12
Abs. 2 ZAV und schutzwürdigen Vertrauens liegt kein Verstoß gegen Verfassungsrecht
vor: Die Vorschrift betrifft zwar im Sinne einer „unechten" Rückwirkung die Beendigung
von Pachtverträgen über Anlieferungs-Referenzmengen, mithin also einen Tatbestand,
der bereits vor der Verkündung der Zusatzabgabenverordnung „ins Werk gesetzt wurde"
(vgl. BVerfGE 31, 275; 72, 200). Die allgemeine Erwartung des Bürgers, das geltende
Recht werde unverändert fortbestehen, ist verfassungsrechtlich jedoch nicht geschützt
(vgl. BVerfGE 68, 193; 38, 61); insbesondere kann der Bürger grundsätzlich nicht darauf
vertrauen, dass der Gesetzgeber Vergünstigungen uneingeschränkt auch für die Zukunft
aufrecht erhält. Der Abbau einer nicht gerechtfertigten Subvention - im Sinne der
Veräußerbarkeit einer nicht mehr benötigten Referenzmenge - ist im Bereich der
Milchkontingentierung durch den Zweck einer Stärkung der aktiven Milcherzeuger und
einer Senkung der Kosten für die Allgemeinheit hinreichend legitimiert. Das Interesse
des Staates und des allgemeinen Wohls überwiegt das Interesse ehemaliger
Milcherzeuger an einem Fortbestand der für sie günstigen Rechtslage. Im übrigen ist
darauf hinzuweisen, dass die hier auf-geworfenen Fragen einer materiellen
Vereinbarkeit von § 12 Abs. 2 ZAV mit Verfassungsrecht durch die Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG vom 5.2.2002, BVerfGE 105, 17 m.w.Nachw.)
geklärt sind. Diese Rechtsprechung zu einer nicht gerechtfertigten, aber lange Zeit
geltenden Steuervergünstigung ist auch für den vorliegenden Fall einer teilweise
eingezogenen Referenzmenge von Bedeutung, denn dem ehemaligen Milcherzeuger
wird durch § 12 Abs. 2 ZAV nur die ihn ohnehin unangemessen begünstigende
Möglichkeit genommen, eine nicht mehr benötigte Anlieferungs-Referenzmenge in
vollem Umfang durch einen Verkauf ertragbringend zu verwerten. Abgesehen davon
konnte der Kläger auf einen Fortbestand der ihn begünstigenden Regelung schon
deshalb nicht vertrauen, weil mit der ursprünglichen Fassung der Verordnung (EWG) Nr.
68
3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 über die Erhebung einer Zusatzabgabe im
Milchsektor die zunächst bis 1. April 1993 geltende Milchkontingentierung nur bis 1.
April 2000 verlängert wurde. Bei einem Auslaufen der Kontingentierung hätte der Kläger
aber ohnehin nicht die Möglichkeit eines Referenzmengenverkaufs gehabt.
Der Verordnungsgeber war auch im Rahmen des ihm zustehenden weiten
Ermessensspielraums nicht gehalten, von der nach Art. 5 Unterabs. 1 der Verordnung
(EG) Nr. 3950/92 zugelassenen Möglichkeit einer linearen Verringerung der Gesamtheit
der einzelbetrieblichen Referenzmengen und einer Zuteilung aus der damit
aufgestockten Reserve an aktive Milcherzeuger Gebrauch zu machen (vgl. dazu EuGH
vom 20.6.2002 - Rs C-313/99). Dazu ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass dieses
für die Betroffenen und die Behörden weit aufwendigere Verfahren zu sachgerechteren
Lösungen führen könnte als die gewählte Lösung der teilweisen Beseiti-gung einer
unangemessenen Begünstigung ehemaliger Milcherzeuger. Ob durch die
Teileinziehung einer zurückzugewährenden Anlieferungs- Referenz-menge und den
Verkauf dieser Mengen an aktive Milcherzeuger eine Senkung des Aufwands für den
Erwerb von Milchquoten erreicht wurde, lässt sich nicht feststellen, weil es seit der
Neuregelung in §§ 8 ff. ZAV frei vereinbarte Preise nicht mehr gibt, eine
Vergleichsmöglichkeit also nicht besteht. Die vom Kläger angeführte Preissteigerung ist
spekulativ und nicht belegbar. Tendenziell ist ein durch die Einziehung von
Referenzmengen größeres Angebot an Referenzmengen in einem börsenähnlichen
Verfahren aber durchaus geeignet, eine Preissenkung zu bewirken. Von der Wahl eines
untauglichen Mittels zur Stärkung der aktiven Milcherzeuger kann nicht die Rede sein.
69
bb) Auch eine Verletzung der gemeinschaftsrechtlichen Grundrechtsgewährleistung
durch die Neuregelung liegt nicht vor, zumal den Mitgliedstaaten nach näherer
Maßgabe von Art. 8 a lit. a der Verordnung (EG) Nr. 3950/92 die Möglichkeit zur
Einziehung von Referenzmengen mit dem Zweck der Zuteilung an aktive Milcherzeuger
nur im Einklang mit den allgemeinen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts eingeräumt
ist. Der Europäische Gerichtshof (Urt. vom 22.10.1991 - Rs C-44/89 SIg.1991, I-5119
und vom 24.3.1994 - Rs C- 2/92) hat bereits entschieden, dass das in der
Rechtsordnung der Gemeinschaft gewährleistete Eigentumsrecht nicht das Recht
umfasst, eine weder aus dem Eigentum noch aus der Berufstätigkeit herrührende
Referenzmenge, die im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation zugeteilt wurde,
kommerziell zu verwerten; die Referenzmenge als solche genießt nicht den Schutz der
gemein-schaftsrechtlichen Eigentumsgewährleistung. Auch das
gemeinschaftsrechtliche Diskriminierungsverbot schließt eine unterschiedliche
Behandlung ehemaliger und aktiver Milcherzeuger im Hinblick auf deren
unterschiedliche Betroffenheit nicht aus. In einer weiteren Entscheidung (Urt. vom
20.6.2002 - Rs C-401/99 Slg. 2002, I-00 = AgrarR 2002, 283) hat der Europäische
Gerichtshof ausgesprochen, dass nach dem allgemeinen Sinn und Zweck der Regelung
über die Zusatzabgabe für Milch einem Landwirt eine Referenzmenge nur eingeräumt
werden kann, wenn er Erzeugereigenschaft im Sinne von Art. 9 lit. c der Verordnung
(EG) Nr. 3950/92 hat. Damit soll ver-hindert werden, dass Referenzmengen nicht zur
Erzeugung und Vermarktung von Milch, sondern nur zur Erlangung finanzieller Vorteile
verwertet werden. Diese Entscheidung zu einer flächengebundenen Referenzmenge gilt
nach ihrer Begründung auch - und erst recht - für die Verpachtung und Rückgewähr
einer flächenunabhän-gigen Referenzmenge. Soweit die Entscheidung Ausnahmen
zulässt (für den Fall, dass jeweils zeitnah zur Pachtbeendigung eine Aufnahme der
Milcherzeugung durch den Verpächter oder eine Übertragung auf einen
milcherzeugenden Dritten stattfindet) braucht der Senat nicht weiter zu prüfen, ob
70
Gemeinschaftsrecht möglicherweise gänzlich dem Übergang einer Referenzmenge bei
Beendigung des Pachtvertrags auf den Verpächter entgegenstehen könnte (vgl. dazu
Günther, „Das EuGH-Urteil in der Rs C- 401/99 vom 20.6.2002 Thomsen und seine
Folgen im Hinblick auf die Zusatz-abgabenverordnung", AgrarR 2002, 305).
Aus dem vom Kläger bezeichneten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 20. Juni
2002 in der Rechtssache C-313/99 (mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung des
Gerichtshofs zu der Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts)
ergibt sich nichts für eine abweichende Beurteilung. Insbesondere ist nicht zweifelhaft,
dass die Mitgliedstaaten im Bereich der Milchkontingentierung nicht ermächtigt sind,
Wiedereinziehungsmaßnahmen gleich welcher Art unter beliebigen Voraussetzungen
einzuführen, sondern unter anderem die Grundrechte auf Eigentum und das Recht auf
freie Berufsausübung zu beachten sind.
71
Entscheidungsrelevant ist hier allein, dass die Kürzung der zurückzugewährenden
Referenzmenge um rund ein Drittel den Vorschriften der jedenfalls als fortgeltend zu
behandelnden Zusatzabgabenverordnung entspricht, deren einschlägige
Bestimmungen sich im Rahmen der auszufüllenden und umzusetzenden
gemeinschafts- rechtlichen Normierung halten und die Neuregelung materiell mit
nationalem Verfassungsrecht vereinbar ist und die allgemeinen Grundsätze des
Gemeinschaftsrechts beachtet."
72
- zur Zulässigkeit des Abzugs von 33% vgl. auch VG Ansbach, Urteil vom 21. März 2001
- AN 13 K 01.00279 -
73
Es ist daher zum 1. April 2000 keine weitere Referenzmenge anlässlich der Beendigung
des Pachtverhältnisses auf die Kläger übergegangen. Die Unterlassung der Ausstellung
einer Bescheinigung über einen höheren Referenzmengenübergang des Beklagten
vom 29. September 2000 ist damit rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren
Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
74
Die Berufung war gemäß §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO
zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Grundsätzliche
Bedeutung hat eine Rechtssache dann, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht
beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem angestrebten Berufungsverfahren
stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder
Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage
aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung
verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat.
75
- vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Juli 1984 - 9 C 46.84 -, BVerwGE 70, 24 ff. -
76
Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung bislang nicht entschieden, auf welche
Ausnahmetatbestände sich ein Nicht-Milcherzeuger berufen kann, um den Übergang
von Referenzmenge auf sich zu bewirken. Auch bezüglich der Wirksamkeit der ZAV
fehlt es bislang an einer höchstrichterlichen Entscheidung. Angesichts der Vielzahl der
zu erwartenden künftigen Übertragungsvorgänge, die nach Maßgabe der ZAV zu
beurteilen sein werden, ist eine einheitliche Auslegung des Rechts erforderlich.
77
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil
die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die außergerichtlichen Kosten der
78
Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären (§ 162 Abs. 3 VwGO), da
diese keinen Antrag gestellt und sich somit auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt
aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung - ZPO -.
79