Urteil des VG Münster vom 01.02.2005

VG Münster: anspruch auf bewilligung, arglistige täuschung, grundbuch, erbschein, erbschaft, testament, sozialhilfe, vertrauensschutz, rücknahme, wohnrecht

Verwaltungsgericht Münster, 5 K 1518/02
Datum:
01.02.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
5 K 1518/02
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 9. Januar 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises T. vom 29. April
2002 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in jeweils
beizutreibender Höhe abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte die in der Zeit von November 1999 bis
Oktober 2001 gegenüber der Klägerin ergangenen Bescheide auf Bewilligung von Hilfe
zum Lebensunterhalt zurücknehmen darf und ob die Klägerin verpflichtet ist, dem
Beklagten die im vorgenannten Zeitraum bewilligte Sozialhilfe in Höhe von 6.081,72
EUR zu erstatten.
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Die 1950 geborene im streitgegenständlichen Zeitraum von ihrem Ehemann getrennt
lebende und inzwischen geschiedene Klägerin ist portugiesische Staatsangehörige. Sie
lebt seit 1970 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Das Sozialamt des Beklagten
bewilligte der Klägerin seit 1997 Hilfe zum Lebensunterhalt. Diese Leistungen wurden
zum 31. Oktober 2001 eingestellt, weil die Klägerin ausreichendes Einkommen aus
einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit erzielte.
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Im Grundbuch des Amtsgerichts S. wurde für die Klägerin am 7. September 1999 ein
dinglich gesichertes Wohnrecht in einem in S. gelegenen Hausgrundstück eingetragen
(Gemarkung S. , Flur 00, Flurstück 000). Das Grundstück stand im Zeitpunkt der
Eintragung des Wohnrechts im Eigentum eines 1925 geborenen Witwers. Dieser Witwer
setzte die Klägerin durch notarielles Testament vom 21. September 1999 zu seiner
alleinigen Erbin ein. Das Amtsgericht S. übermittelte der Klägerin eine Abschrift des
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Testamentes unter dem 26. Oktober 1999. Der Witwer verstarb am 15. Oktober 1999.
Auf den Antrag der Klägerin vom 1. Dezember 1999 erteilte das Amtsgericht S. ihr am
18. Juni 2001 einen Erbschein.
Die Klägerin wurde auf Grund dieses Erbscheins am 2. Juli 2001 als Eigentümerin des
Grundstückes im Grundbuch eingetragen.
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Das Sozialamt des Beklagten erhielt Anfang Juli 2001 durch eine Benachrichtigung des
Amtsgerichts S. vom 3. Juli 2001 Kenntnis davon, dass die Klägerin im Grundbuch als
Eigentümerin eines Hausgrundstückes eingetragen war. Auf seine Anforderung erhielt
es am 6. August 2001 vom Amtsgericht S. eine unbeglaubigte Grundbuchblattfotokopie
und ließ daraufhin den Wert des Grundstückes ermitteln. Das Katasteramt des
Beklagten ermittelte den Wert des Grundstückes in einer Stellungnahme vom 21. August
2001 auf ca. 263.000 DM. Daraufhin ließ das Sozialamt des Beklagten von der Klägerin
unter dem 29. August 2001 eine Erklärung unterzeichnen, wonach sie sich mit der
Hilfegewährung gemäß §§ 11 Abs. 2 bzw. 29 BSHG bereit erklärte. In den Bescheiden
über die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt für die Monate August, September
und Oktober 2001 sind keine Einschränkungen enthalten.
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Nachdem die Klägerin im Dezember 2001 ihren Arbeitsplatz durch Kündigung wieder
verloren hatte, beantragte sie erneut die Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt. Der
Beklagte forderte die Klägerin daraufhin mit Schreiben vom 18. Dezember 2001 auf, zur
Sicherung der zu gewährenden Hilfe zum Lebensunterhalt eine Grundschuld auf dem
Grundstück eintragen zu lassen.
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Die Klägerin veräußerte das Grundstück durch notariellen Vertrag vom 9. Januar 2002
zu einem Kaufpreis von 122.710,05 EUR.
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Nachdem der Beklagte von dem geplanten Verkauf des Grundstückes erfahren hatte,
hob er durch Bescheid vom 9. Januar 2002 seine Bescheide über die Gewährung von
Hilfe zum Lebensunterhalt für die Zeit vom 1. November 1999 bis zum 31. Oktober 2001
und seine Bescheide über die Bewilligung von Wohngeld für die Zeit vom 1. August
2000 bis zum 30. April 2001 sowie vom 1. Juni 2001 bis zum 31. Oktober 2001 auf und
verlangte von der Klägerin, zu Unrecht bewilligte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von
6.081,72 EUR und zu Unrecht bewilligtes Wohngeld in Höhe von 2.282,70 EUR zu
erstatten. Zugleich ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung seines Bescheides an
und pfändete am 9. Januar 2002 den Gesamtbetrag von 8.364,42 EUR. Zur Begründung
führte der Beklagte im Wesentlichen aus, dass der Klägerin in der Zeit von November
1999 bis Oktober 2001 zu Unrecht Hilfe zum Lebensunterhalt und Wohngeld bewilligt
worden sei, weil sie im vorgenannten Zeitraum über vorrangig einzusetzende Mittel in
Form einer Erbschaft verfügt und dies dem Sozialamt nicht mitgeteilt habe.
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Die Klägerin legte am 28. Januar 2002 Widerspruch ein und machte geltend:
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Sie sei erst Erbin geworden, nachdem ihr der Erbschein erteilt worden sei; die Erteilung
des Erbscheines habe sie unverzüglich der zuständigen Sachbearbeiterin im Sozialamt
mitgeteilt; sie habe deshalb keine arglistige Täuschung begangen; das auf sie
eingetragene Wohnrecht habe sie lediglich drei Wochen nutzen können; nach dem
Tode des Erblassers sei die Wohnung ab dem 15. Oktober 1999 durch den
Nachlassverwalter amtlich versiegelt worden und habe deshalb nicht mehr von ihr
genutzt werden können.
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Der Landrat des Kreises T. gab dem Widerspruch der Klägerin durch
Widerspruchsbescheid vom 29. April 2002 insoweit statt, als es um die Rücknahme der
Bescheide wegen Bewilligung des Wohngeldes und um die Erstattung von 2.282,70
EUR ging. Im Übrigen wies der Landrat des Kreises T. den Widerspruch der Klägerin
zurück, und zwar im Wesentlichen mit folgender Begründung:
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Der Klägerin sei in der Zeit von November 1999 bis Oktober 2001 rechtswidrig Hilfe zum
Lebensunterhalt bewilligt worden, weil sie sich im vorgenannten Zeitraum selbst hätte
helfen können; mit dem Tode des Erblassers am 15. Oktober 1999 sei sie Erbin
geworden und habe beanspruchen können, dass sie als Eigentümerin des
Hausgrundstückes im Grundbuch eingetragen werde; bereits zu diesem Zeitpunkt habe
ihr deshalb vorrangig einsetzbares Vermögen zur Verfügung gestanden; wenn das
Sozialamt über den Eintritt des Erbfalls informiert gewesen wäre, hätte es lediglich so
genannte erweiterte Hilfe gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 BSHG gewährt mit der Folge, dass
die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, die Aufwendungen zu ersetzen; ein Anspruch
auf Bewilligung von Hilfe zum Lebensunterhalt als Zuschuss habe der Klägerin deshalb
seit November 1999 nicht zugestanden; da die Klägerin ihrer Verpflichtung nicht
nachgekommen sei, jede Änderung ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse
mitzuteilen, sei das Sozialamt berechtigt, die Bewilligungsbescheide zurückzunehmen
und die zu Unrecht bewilligte Sozialhilfe erstattet zu verlangen.
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Die Klägerin hat am 23. Mai 2002 Klage erhoben und vorgetragen:
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Sie habe einige Zeit nach dem Tode des Erblassers einer Sachbearbeiterin des
Sozialamtes mitgeteilt, dass sie durch Testament des Verstorbenen zur Alleinerbin
erklärt worden sei und dass dieses Testament von den Kindern des Verstorbenen
angefochten worden sei; nachdem ihr im Juni 2001 der Erbschein erteilt worden sei,
habe sie erneut die Mitarbeiterin des Sozialamtes informiert; dies sei nicht unmittelbar
nach Erteilung des Erbscheines erfolgt, weil sie sich zur damaligen Zeit in einer Kur
befunden habe; nach der Kur habe sie sich sofort zum Sozialamt begeben und alle
erforderlichen Informationen erteilt; das Sozialamt habe im Juli 2001 vom Amtsgericht
erfahren, dass sie Eigentümerin eines Grundstückes geworden sei; es sei ihr deshalb
unverständlich, weshalb der Beklagte ihr noch bis zum 31. Oktober 2001 Hilfe zum
Lebensunterhalt bewilligt habe.
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Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 9. Januar 2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises T. vom 29. April 2002 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht er sich auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides und führt
ergänzend aus, die Klägerin habe das Sozialamt erst von dem Erbfall und von dem
Erwerb des Hausgrundstückes in Kenntnis gesetzt, nachdem sie ihrerseits vom
Sozialamt über den Eigentumswechsel in Kenntnis gesetzt worden sei; das Sozialamt
selbst habe erstmals im Juli 2001 durch ein Schreiben des Amtsgerichts S. erfahren,
dass die Klägerin Eigentümerin eines Hausgrundstückes geworden sei; wenn die
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Klägerin, wozu sie verpflichtet gewesen wäre, das Sozialamt schon im Oktober 1999
von dem Erbfall in Kenntnis gesetzt hätte, wäre es nur zu einer Bewilligung von Hilfe
zum Lebensunterhalt mit der Maßgabe des Aufwendungsersatzes gekommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung
gewesen sind.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 9.
Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landrates des Kreises T.
vom 29. April 2002 ist rechtswidrig und beeinträchtigt die Klägerin in ihren Rechten.
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Der angefochtene Bescheid ist rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine
Rücknahme der Bewilligungsbescheide bezüglich der Hilfe zum Lebensunterhalt für die
Zeit von November 1999 bis Oktober 2001 nicht vorliegen.
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Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil
begründet, rechtswidrig ist, darf er, auch wenn er unanfechtbar geworden ist, gemäß §
45 Abs. 1 SGB X unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise
mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Diese
Voraussetzungen lagen für die Zeit von November 1999 bis Juni 2002 nicht vor, weil der
Klägerin in dieser Zeit rechtmäßig Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt worden ist.
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Gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 BSHG ist Hilfe zum Lebensunterhalt dem zu gewähren, der
seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften
und Mitteln, vor allem aus seinem Einkommen und Vermögen, beschaffen kann. Hieran
anknüpfend hatte die Klägerin, wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, im
streitgegenständlichen Zeitraum kein ausreichendes Einkommen, um ihren
notwendigen Lebensunterhalt sicherzustellen. Entgegen der Ansicht des Beklagten
konnte die Klägerin ihren Lebensunterhalt auch nicht aus ihrem Vermögen beschaffen.
Zum Vermögen im Sinne dieses Gesetzes gehört gemäß § 88 Abs. 1 BSHG das
gesamte verwertbare Vermögen. Zwar ist eine Erbschaft als Vermögen anzusehen, weil
sie in dem jeweiligen Bedarfszeitraum einen geldwerten Vorteil darstellt. Die Erbschaft
der Klägerin war jedoch von November 1999 bis Juni 2001 nicht verwertbar, weil die
Klägerin über diese Erbschaft nicht verfügen konnte mit Rücksicht darauf, dass die
Kinder des Erblassers das Testament angefochten hatten und das Amtsgericht S. der
Klägerin erst im Juni 2001 einen Erbschein ausgestellt hatte.
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Dies gilt entsprechend auch für das dingliche Wohnrecht. Nach den unwidersprochen
gebliebenen Angaben der Klägerin hat der Nachlassverwalter des Erblassers die
Räumlichkeiten kurz nach dem Tode des Verstorbenen versiegeln lassen, so dass die
Klägerin tatsächlich nicht in der Lage war, die Räumlichkeiten selbst zu nutzen oder sie
anderweitig zu verwerten (zu vermieten).
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Das Gericht lässt offen, ob die Klägerin nach ihrer Eintragung in das Grundbuch am 2.
Juli 2001 in der Zeit von Juli 2001 bis Oktober 2001 vorrangig einsetzbares
verwertbares Vermögen hatte und deshalb die Bewilligung von Hilfe zum
Lebensunterhalt jedenfalls in der Zeit von Juli 2001 bis Oktober 2001 rechtswidrig
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gewesen ist. Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender
Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den
Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem
öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist gemäß §
45 Abs. 2 Satz 2 SGB X in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte
Leistungen verbraucht hat. Auf Vertrauensschutz kann sich der Begünstigte unter den in
§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 SGB X genannten Voraussetzungen nicht berufen.
Hieran anknüpfend stand der Klägerin für die Zeit von Juli 2001 bis Oktober 2001
Vertrauensschutz zu, weil sie die ihr in dieser Zeit bewilligte Hilfe zum Lebensunterhalt
verbraucht hatte. Dieser Vertrauensschutz war nicht entfallen, weil dem Beklagten selbst
seit Anfang Juli 2001 bekannt war, dass die Klägerin Eigentümerin eines
Hausgrundstückes geworden war und weil er in Kenntnis dieser Tatsache dennoch
weiter Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt und auf diese Weise bei der Klägerin den
Eindruck hervorgerufen hat, dass ihr trotz des zwischenzeitlich erteilten Erbscheins und
trotz der Eintragung im Grundbuch weiterhin Hilfe zum Lebensunterhalt zustand. Wenn
der Beklagte im Zeitraum von Juli 2001 bis Oktober 2001 selbst von der Rechtmäßigkeit
der Hilfebewilligung ausgegangen ist und die Leistungen zum November 2001 nur
eingestellt hat, weil die Klägerin inzwischen über ausreichendes Erwerbseinkommen
verfügte, kann der Klägerin kein Vorwurf daraus gemacht werden, dass sie
möglicherweise Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Bewilligung hatte.
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Das Argument des Beklagten, dass der Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt rechtswidrig
bewilligt worden sei, weil der Beklagte in Kenntnis aller Umstände diese Hilfe nicht als
Zuschuss, sondern lediglich gemäß § 11 Abs. 2 BSHG gegen Aufwendungsersatz
bewilligt hätte, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht, weil ein Fall nach § 11 Abs.
2 BSHG nicht vorgelegen hätte, wenn dem Beklagten schon im Oktober 1999 bekannt
gewesen wäre, dass die Klägerin Erbin geworden war. § 11 Abs. 2 BSHG sieht vor,
dass Hilfe zum Lebensunterhalt in begründeten Fällen auch insoweit gewährt werden
kann, als der notwendige Lebensunterhalt aus dem nach Abs. 1 zu berücksichtigenden
Einkommen und Vermögen beschafft werden kann. In diesem Umfang hat der
Hilfesuchende dem Träger der Sozialhilfe die Aufwendungen zu ersetzen. Diese
Voraussetzungen haben zumindest in der Zeit von November 1999 bis Juni 2001 nicht
vorgelegen, weil kein begründeter Fall im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 1 BSHG gegeben
war. Ein begründeter Fall liegt dann vor, wenn trotz Prüfung der Einkommens- und
Vermögensverhältnisse noch nicht eindeutig geklärt werden kann, ob der Hilfesuchende
den notwendigen Lebensunterhalt selbst aufbringen kann, aber der Bedarf in diesem
Zeitpunkt bereits dringend gedeckt werden muss (Schoch in Lehr- und Praxiskommentar
zum Bundessozialhilfegesetz, 6. Auflage 2003, § 11 Randziffer 41). Diese
Voraussetzungen lagen im vorgenannten Zeitraum von November 1999 bis Juni 2001
nicht vor, weil in diesem Zeitraum die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht
ungeklärt waren. Es stand vielmehr fest, dass die Klägerin kein ausreichendes
Einkommen hatte und ihr auch kein verwertbares Vermögen zustand, weil über die
Erbschaft gestritten wurde und der Klägerin erst im Juni 2001 ein Erbschein erteilt
wurde. Bei dieser Sachlage wäre der Beklagte nicht gemäß § 11 Abs. 2 BSHG
berechtigt gewesen, Hilfe zum Lebensunterhalt nur gegen Aufwendungsersatz zu
bewilligen. Hinzu kommt, dass die Entscheidung nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BSHG im
Ermessen des Trägers der Sozialhilfe steht, so dass nicht rückwirkend beurteilt werden
kann, ob nur die Entscheidung rechtmäßig gewesen wäre, der Klägerin Hilfe zum
Lebensunterhalt gegen Aufwendungsersatz zu bewilligen (vgl. BVerwG, Urteil vom
8.4.2004 - 5 C 5.03 - NJW 2005,91).
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Für den Zeitraum von Juli 2001 bis Oktober 2001 wäre der Beklagte nicht gehindert
gewesen, in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens Hilfe nur mit Aufwendungsersatz zu
gewähren.
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