Urteil des VG Münster vom 31.01.2003

VG Münster: gesundheit, jugend, umzug, ausländerrecht, asylverfahren, universität, vollstreckung, anerkennung, eltern, aufenthalt

Verwaltungsgericht Münster, 5 K 141/01
Datum:
31.01.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 141/01
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung abwenden, wenn nicht die
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger, nach eigenen Angaben iranischer Staatsangehöriger, beantragte am 0
seine Anerkennung als Asylberechtigter. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge durch Bescheid vom 0 ab. Die Klage wurde im
Verfahren VG Münster 5 K 2849/97.A durch Urteil vom 16. Mai 2002 abgewiesen. Der
Kläger hat gegen das ihm am 3. Juni 2002 zugestellte Urteil kein Rechtsmittel eingelegt.
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Die Bezirksregierung Arnsberg hatte den Kläger durch Bescheid vom 0 gemäß § 50
Abs. 4 i. V. m. § 50 Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) der Gemeinde
Sassenberg im Kreis Warendorf zugewiesen.
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Der Kläger beantragte bei der Bezirksregierung Arnsberg am 18. Mai 1999 seine
Umverteilung in die Freie und Hansestadt Bremen mit der Begründung, dass er dort
Arbeit gefunden habe; dieser Arbeit könne er nur nachgehen, wenn er nach Bremen
umziehe; es reiche nicht aus, wenn ihm das Ausländeramt die Erlaubnis zum
vorübergehenden Verlassen des Bereichs der Aufenthaltsgestattung erteile.
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Diesen Antrag lehnte der Senator für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales
durch Bescheid vom 0 ab, weil die vom Kläger angeführten Gründe für einen Umzug
von Sassenberg nach Bremen gemäß § 51 AsylVfG nicht geeignet seien, eine
Umverteilung vorzunehmen.
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Der Kläger hat am 18. Januar 2001 Klage erhoben und vorgetragen:
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Seit Mai 1999 sei er als Mitarbeiter im Küchenbereich verschiedener Restaurants in
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Bremen tätig; seit Oktober 2000 sei er im Restaurant „M" beschäftigt mit einem
monatlichen Einkommen von 790 DM netto; er habe für seine Beschäftigungen
Arbeitsgenehmigungen bekommen; der Landrat des Kreises Warendorf habe ihm bisher
lediglich ein vorübergehendes Verlassen des Bereichs des Landkreises genehmigt, um
seine Arbeit aufnehmen zu können. Seine Arbeitszeit ende jedoch um 23 Uhr; danach
bestünden weder Zugverbindungen zurück nach Warendorf, noch erlaube es ihm sein
Einkommen, täglich die teure Zugfahrt zu bezahlen; deshalb habe er im Januar 2000
eine Wohnung in Bremen gemietet und sich dort auch einwohnermelderechtlich
angemeldet; ein weiterer Grund für seinen Umverteilungsantrag sei gewesen, dass
seine Freundin O an der Universität in Bremen studiere; sie sei erst im zweiten
Semester ihres Jurastudiums; deshalb komme für sie ein eventueller Umzug nach
Nordrhein-Westfalen nicht in Frage; sie seien seit fast zwei Jahren zusammen und
hätten auch die feste Absicht, in baldiger Zukunft zu heiraten; es bedürfe bei ihm jedoch
noch einiger Formalitäten, wie z. B. seiner Geburtsurkunde aus dem Iran, um heiraten zu
können.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Senators für Arbeit, Frauen,
Gesundheit, Jugend und Soziales vom 4. Januar 2001 zu verpflichten, der Umverteilung
von Sassenberg nach Bremen zuzustimmen.
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Die Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen
Bescheides,
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die Klage abzuweisen.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit durch Beschluss vom 31. Januar 2003 dem
Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Die Beteiligten haben sich damit einverstanden erklärt, dass über die Klage ohne
mündliche Verhandlung entschieden wird.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der
Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakten VG Münster
5 K 2849/97.A.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Über die Klage wird mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung
entschieden (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zulässig. Der Kläger hat ein
Rechtsschutzinteresse an der von ihm begehrten Verpflichtung der Beklagten. Zwar ist
sein Asylverfahren durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Münster vom 16. Mai 2002
rechtskräftig abgeschlossen. Auch nach unanfechtbarer Ablehnung des Asylantrages
bleibt die Zuweisung jedoch bis zur aufenthaltsrechtlichen Abwicklung nach erfolglosem
Abschluss des Asylverfahrens wirksam. Sie wird erst dann gegenstandslos, wenn dem
Ausländer aus asylverfahrensunabhängigen Gründen der (weitere) Aufenthalt in der
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Bundesrepublik Deutschland ermöglicht wird (Hailbronner, Ausländerrecht, Kommentar,
B 2, § 50 AsylVfG Randziffer 18 mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Hinzu kommt,
dass die Zuweisung vom 26. Mai 1997 in dem für die Beurteilung der Sach- und
Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheides des Senators für Arbeit, Frauen,
Gesundheit, Jugend und Soziales vom 4. Januar 2001 schon deshalb noch wirksam
war, weil zu diesem Zeitpunkt das Asylverfahren des Klägers noch nicht abgeschlossen
war.
Die Klage ist unbegründet, denn der Bescheid des Senators für Arbeit, Frauen,
Gesundheit, Jugend und Soziales der Freien und Hansestadt Bremen vom 4. Januar
2001 ist rechtmäßig. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Umverteilung des Klägers
von Sassenberg in Nordrhein-Westfalen nach Bremen zuzustimmen.
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Ist ein Ausländer nicht oder nicht mehr verpflichtet, in einer Aufnahmeeinrichtung zu
wohnen, ist gemäß § 51 Abs. 1 AsylVfG der Haushaltsgemeinschaft von Ehegatten
sowie Eltern und ihren minderjährigen ledigen Kindern oder sonstigen humanitären
Gründen von vergleichbarem Gewicht auch durch länderübergreifende Verteilung
Rechnung zu tragen. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
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Soweit der Kläger zur Begründung seines Umverteilungsantrages vorträgt, dass er
Arbeit in Bremen gefunden habe, ist dieser Umstand kein sonstiger humanitärer Grund
von vergleichbarem Gewicht im Sinne der vorgenannten Vorschrift, denn während des
laufenden Asylverfahrens kann ein Asylbewerber nicht beanspruchen, erwerbstätig zu
sein. Vielmehr werden ihm lediglich die Möglichkeiten des § 5 AsylbLG eingeräumt, von
denen der Kläger in Bremen keinen Gebrauch machen wollte.
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Zwar kann der Wunsch eines Asylbewerbers, in unmittelbarer Nähe zu seiner Verlobten
zu leben, als sonstiger humanitärer Grund im Sinne des § 51 Abs. 1 AsylVfG angesehen
werden (vgl. VG Hamburg, Beschluss vom 12. Februar 1985 - 17 VG A 4153/84 -,
Informationsbrief Ausländerrecht 1985, 156 zu § 22 Abs. 6 AsylVfG a. F.). Es müssen
jedoch besondere Gründe dargelegt werden und vorliegen, die es ausnahmsweise
rechtfertigen, das öffentliche Interesse an einer gleichmäßigen Verteilung von
Asylbewerbern in allen Bundesländern hinter das persönliche Interesse des einzelnen
Asylbewerbers, in unmittelbarer Nähe zu seiner Verlobten zu leben, zurücktreten zu
lassen. Der Kläger hat keine besonderen Gründe geltend gemacht. Der Umstand allein,
dass der Kläger verlobt ist, reicht in diesem Zusammenhang ebenso wenig aus, wie das
von ihm behauptete Zusammenleben mit seiner Verlobten von über zwei Jahren. Diese
Umstände könnten auch dadurch berücksichtigt werden, dass die Verlobte nach
Sassenberg zieht und an der Universität Münster Rechtswissenschaften studiert. Soweit
der Kläger in diesem Zusammenhang weiter geltend macht, dass eine Eheschließung
beabsichtigt sei, hat er nicht dargelegt, dass die Eheschließung nur noch davon
abhängt, dass er von den Behörden seines Heimatlandes die entsprechenden Papiere
erhält. Mithin musste der Kläger keine nicht wiedergutzumachenden Nachteile
hinnehmen, wenn ihm zugemutet wurde, jedenfalls bis zum Abschluss des
Asylverfahrens in Sassenberg wohnen zu bleiben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG. Die
Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung stützt sich auf §
167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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