Urteil des VG Münster vom 14.04.2010

VG Münster (kläger, gewerbe, versicherung, antrag, begründung, eröffnung, verwaltungsgericht, bezug, antragsteller, vermittler)

Verwaltungsgericht Münster, 9 K 320/09
Datum:
14.04.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 320/09
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger ist Versicherungsfachmann. Vorliegend geht es um die Erteilung einer
Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 der Gewerbeordnung als Versicherungsvertreter.
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Der Kläger hatte vom 1. Oktober 1997 bis zum 30. November 2006 das Gewerbe
"W. w. W1. v. C. " bei der Stadt S. angemeldet.
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Zum 7. Januar 2008 meldete er es erneut an und war ab dem 1. Januar 2008 bis zum
13. Oktober 2008 durch die I. -N. W2. -B. als gebundener Vermittler
angemeldet. Ab 21. Juli 2008 begann er seine Tätigkeit als Versicherungsvertreter bei
der Versicherung A. . Am 13. Dezember 2009 meldete er sein Gewerbe ab.
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Am 24. April 2007 gab er die eidesstattliche Versicherung ab (Az.: 9 M 613/07
Amtsgericht Rheine und 9 M 614/07). Darin gab er an, dass er ohne Arbeit sei und
keinerlei Einkommen habe.
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Am 16. April 2007 hatte er beim Amtsgericht Münster (Az.: 88 IN 12/07) einen
Insolvenzantrag gestellt aufgrund dessen am 4. Mai 2007 der
Insolvenzeröffnungsbeschluss erging und am 6. Mai 2008 der
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Restschuldbefreiungsankündigungsbeschluss.
Mit Schreiben vom 17. Oktober 2008 (persönlich abgegeben am 13. November 2008)
beantragte der Kläger ihm die Erlaubnis gem. § 34 d Abs. 1 GewO als
Versicherungsvertreter zu erteilen.
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Diesen Antrag lehnte die Beklagte am 21. Januar 2009 im Wesentlichen mit der
Begründung ab, der Kläger lebe in ungeordneten Vermögensverhältnissen, weil über
sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Ein analoger Schutz nach §
12 GewO bestehe auch nicht, weil der Kläger das entsprechende Gewerbe zum
Zeitpunkt des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ausgeübt habe.
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Am 29. Februar 2009 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er macht geltend,
durch den Restschuldbefreiungsankündigungsbeschluss sei davon auszugehen, dass
er wieder in geordneten Vermögensverhältnissen lebe, weil er sich bereits in der
Wohlverhaltensphase befinde. Es müsse ihm Gelegenheit gegeben werden, seinen
Beruf weiterhin auszuüben. Er habe zwar zwischenzeitlich als Versicherungsvertreter
gearbeitet. Dies sei ihm aber aufgrund der Übergangsfrist des § 156 Abs. 1 GewO
gestattet, da er bereits früher in dem Gewerbe tätig gewesen sei. Dies habe ihm auch
eine Mitarbeiterin der Beklagten bestätigt.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Beklagten vom 21. Januar 2009 aufzuheben und die Beklagte
zu verpflichten, ihm die Erlaubnis zur Ausübung der Versicherungsvermittlung
gem. § 34 d Abs. 1 GewO zu erteilen.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Ergänzend trägt er zur Begründung vor, der Antrag sei auch wegen persönlicher
Unzuverlässigkeit des Klägers abzulehnen, weil dieser ohne die erforderliche Erlaubnis
bereits mindestens 6 Monate als Versicherungsvertreter tätig gewesen sei. Die
Übergangsregelung komme für ihn nicht in Betracht, weil er zuvor ca. 1 Jahr das
Versicherungsvertretergewerbe nicht ausgeübt habe, sondern lediglich als gebundener
Vermittler nach § 34 d Abs. 4 GewO tätig war, wie sich aus den Gewerbean- und -
abmeldungen ergebe. Insofern komme es auf eine eventuelle (aber bestrittene)
Mitteilung einer Mitarbeiterin nicht an.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, des Prozesskostenhilfeheftes, und der vorgelegten
Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist zulässig aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung
einer Erlaubnis nach § 34 d Abs. 1 der Gewerbeordnung als Versicherungsvertreter.
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Gemäß § 34 d GewO bedarf der Erlaubnis der zuständigen Industrie- und
Handelskammer, wer gewerbsmäßig als Versicherungsmakler oder als
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Versicherungsvertreter den Abschluss von Versicherungsverträgen vermitteln will
(Versicherungsvermittler). Gemäß § 34 d Abs. 2 Nr. 2 GewO ist die Erlaubnis zu
versagen, wenn der Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt; dies in
der Regel der Fall, wenn über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren
eröffnet worden oder er in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu
führende Verzeichnis eingetragen ist. Vorliegend ist davon auszugehen, dass der
Antragsteller in ungeordneten Vermögensverhältnissen lebt. Am 16. April 2007 stellte er
beim Amtsgericht Münster einen Insolvenzantrag. Im Rahmen des Verfahrens erging am
4. Mai 2007 der Insolvenzeröffnungsbeschluss und am 6. Mai 2008 der
Restschuldbefreiungsankündigungsbeschluss.
Zwar hat der Kläger erst am 17. Oktober 2008 die Erlaubnis gem. § 34 d Abs. 1 GewO,
also nach Erlass des Restschuldbefreiungsankündigungsbeschlusses, beantragt.
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Es ist jedoch nicht davon auszugehen, dass schon deshalb der Kläger wieder als in
geordneten Vermögensverhältnissen lebend anzusehen ist.
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Der Kläger begehrt die Erlaubnis in einem Gewerbe, das ihm ermöglicht, mit den
Vermögenswerten seiner Kunden umzugehen und sich selbst wirtschaftlich zu
betätigen. Da dies ein sogenanntes Vertrauensgewerbe darstellt, ist die Zulässigkeit der
Ausübung von besonderen Voraussetzungen in der Person des Betreibenden bzgl.
seiner Zuverlässigkeit abhängig, wie z. B. geordneten Vermögensverhältnissen. Es ist
von ungeordneten Vermögensverhältnissen in der Regel auszugehen, wenn über das
Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Zwar ist das
Insolvenzverfahren vor Bescheiderteilung nicht nur eröffnet worden, sondern bereits bis
zum Restschuldbefreiungsankündigungsbeschluss durchgeführt worden. Damit ist aber
noch nicht endgültig die wirtschaftliche Zuverlässigkeit des Antragstellers hergestellt.
Vielmehr folgt eine 6-jährige Wohlverhaltensphase, während derer der Antragsteller
erhebliche Pflichten zu erfüllen hat und dieses auch gegenüber dem Insolvenzgericht
nachweisen muss. Die endgültige Restschuldbefreiung erfolgt auch erst nach
entsprechender Überprüfung und für den Fall, dass keiner der Altgläubiger dagegen
erfolgreich Widerspruch erhebt. Da nicht absehbar ist, ob der Kläger innerhalb dieser
Frist das entsprechende Wohlverhalten nachweisen kann und darüber hinaus auch der
Schutz neuer Kundschaft nicht gewährleistet oder kontrolliert wird, ist davon
auszugehen, dass erst bei einer endgültigen Restschuldbefreiung von einer positiven
Prognose bzgl. der geordneten Vermögensverhältnisse ausgegangen werden kann
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vgl. so auch die bisherige Rechtsprechung des OVG NRW, Beschluss vom 2.
Juni 2004 - 4 A 223/04 NVWZ - RR 2004 746.
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Dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht an.
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Auch die Wertung, die in § 12 der Gewerbeordnung zum Ausdruck kommt, führt nicht
dazu, dass der Kläger vorliegend besser gestellt werden kann, als ein
Gewerbetreibender, dem wegen wirtschaftlicher Unzuverlässigkeit das Gewerbe
untersagt wird. Zwar handelt es sich vorliegend nicht um die Untersagung, sondern um
die Erlaubniserteilung für eine Gewerbeausübung. Nach der Wertung des Gesetzgebers
sollen gem. § 12 GewO Vorschriften betreffend die Untersagung keine Anwendung in
Bezug auf das Gewerbe finden, das zur Zeit des Antrags auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens ausgeübt wurde. Daraus ergibt sich, dass im Gewerberecht das
Insolvenzverfahren vorübergehend insoweit Vorrang haben soll, wie es das ausgeübte
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Gewerbe betrifft. Vorliegend hat der Kläger aber zum Zeitpunkt des Antrags auf
Eröffnung des Insolvenzverfahrens, das von ihm nunmehr beabsichtigte Gewerbe gar
nicht mehr ausgeübt. Von der Erfüllung der Zielsetzung des Gesetzgebers, keinen
laufenden Gewerbebetrieb zu zerschlagen, kann also in den Fällen, in denen erst die
Ausübung neu begonnen wird (und ausdrücklich von einer Zulassung abhängig ist)
nicht ausgegangen werden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungen des
Bundesgerichtshofs vom 7. Dezember 2004 - NJW 2005, 1271 und vom 7. März
2005 NJW 2005, 1944.
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Es handelt sich dabei um Entscheidungen zum anwaltlichen Berufsrecht und nicht um
Entscheidungen betreffend Gewerbetreibende im Sinne der Gewerbeordnung. Diese
sind wegen einer unterschiedlichen Ausgangslage nicht ohne weiteres übertragbar. Im
anwaltlichen Berufsrecht - wobei der Anwalt selbst ein Organ der Rechtspflege ist - sind
z. B. schon durch ausdrückliche Verfahrensvorschriften und Gebührenordnungen die
Mandanten durch entsprechende Kontrollen in weit höherem Maße geschützt als in
einem Gewerbe.
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Mangels geordneter Vermögensverhältnisse hat daher die Beklagte zurecht den Antrag
des Klägers auf Erteilung einer Erlaubnis gem. § 34 d GewO abgelehnt.
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Insofern kann die Entscheidung der Frage, ob der Kläger aus Gründen der persönlichen
Unzuverlässigkeit schon keinen Anspruch auf Erteilung hat, offen bleiben. Zwar hat er
offenbar, zumindest während einiger Monate (möglicherweise von April 2008 bis
Dezember 2009) ohne die entsprechende Erlaubnis die Tätigkeit als
Versicherungsvertreter bei der A1. -Versicherung ausgeübt; ob dies aber den
Regeltatbeständen des § 34 d Abs. 2 Nr. 1 GewO entspricht, ist fraglich. Danach besitzt
die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht, wer in den letzten 5 Jahren vor
Stellung des Antrages wegen eines Verbrechens oder wegen Diebstahls,
Unterschlagung, Erpressung, Betruges, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung,
Hehlerei, Wuchers oder einer Insolvenzstraftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Eine
derartige Verurteilung liegt nicht vor. Zwar ist die Aufzählung nicht abschließend, aber
es ist fraglich, ob die Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten rechtsethisch und moralisch
mit den aufgezählten vergleichbar wären.
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Dies kann jedoch nach oben Gesagtem offen bleiben.
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Wegen der weiteren Begründung wird gem. § 117 Abs. 5 VwGO auf die zutreffenden
Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über deren
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO:
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Die Berufung war nach §§ 124 a Abs. 1 S. 1, 124 Abs. Nr. 3 VwGO wegen
grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, da der in dem vorliegenden
Rechtsstreit entscheidenden Problematik der Auswirkungen eines
Restschuldbefreiungsankündigungsbeschlusses tragende Bedeutung für eine Mehrzahl
ähnlich gelagerter Fälle zukommt, das OVG NRW in seinem Beschluss vom 16.
Dezember 2009 (wegen der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe
in diesem Verfahren) diese Frage ausdrücklich offen gelassen hat und eine
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höchstrichterliche Entscheidung dazu nicht ersichtlich ist.