Urteil des VG Münster vom 07.05.2010

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Verwaltungsgericht Münster, 7 K 2412/08
Datum:
07.05.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2412/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung des beizutreiben-den Betrages abzuwenden, wenn nicht
der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Niederschlagswassergebühren für
sein Grundstück G1.
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Bis zum 31. Dezember 2007 war die Abwassergebühr in B. nach dem Verbrauch des
Frischwassers, dem sogenannten Frischwassermaßstab, berechnet worden. Seit dem 1.
Januar 2008 werden in Anlehnung an die Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen nur noch die Gebühren für
das Schmutzwasser nach dem Frischwassermaßstab berechnet. Die Gebühr für das
Niederschlagswasser bestimmt sich demgegenüber nunmehr nach der Größe der
bebauten und befestigten Flächen des Grundstücks, von denen Niederschlagswasser in
die Kanalisation eingeleitet werden kann.
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Das von dem Grundstück des Klägers abgeleitete Niederschlagswasser wurde
ursprünglich in einen Seitengraben der U. Straße mit der Gewässerbezeichnung 0000
eingeleitet. Dieses Gewässer wurde zwischenzeitlich verrohrt. Das angesammelte
Niederschlagswasser der Grundstücke wurde durch diesen verrohrten Teil in das
Gewässer 0000 eingeleitet. Im Jahr 1986 erstellte der Beklagte für den Ortsteil W. einen
Zentralabwasserplan, nach welchem Schmutz- und Niederschlagswasser getrennt
entsorgt werden sollten. Zudem war in diesem eine Verrohrung durch den gesamten
Ortsteil vorgesehen. Die ursprüngliche Verbindung mit dem Wasserlauf 0000 sollte
demgegenüber nicht länger bestehen. Dieser Zentralabwasserplan wurde geprüft und
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im Jahr 1988 als Regenwasserkanalisation genehmigt.
Unter dem 22. Oktober 2008 zog der Beklagte den Kläger für das Jahr 2008 zu einer
Niederschlagswassergebühr in Höhe von 1.080,10 EUR heran. Der Beklagte ging dabei
von einer einleitenden Fläche von 1.543 m² und einem Gebührensatz von 0,70 EUR je
m² der bebauten und befestigten Fläche aus.
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Der Kläger hat am 6. November 2008 Klage erhoben.
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Er ist der Auffassung, dass er von der Gebührenpflicht befreit sein müsse, da er sein auf
dem Grundstück anfallendes Niederschlagswasser weiterhin in ein Gewässer einleite
und gerade nicht die gemeindliche Kanalisation in Anspruch nehme. Er behauptet, dass
die Verbindung zwischen dem alten verrohrten Teil und dem Gewässer 0000 entgegen
der Aussage des Beklagten nicht beseitigt worden sei. Ferner hält er die vom Beklagten
vorgelegte Gebührenkalkulation für nicht überprüfbar und macht geltend, dass die
Kosten für die Beseitigung des Niederschlagswassers nur im Trennsystem
berücksichtigt werden dürften. Der Niederschlagswassergebührenmaßstab sei überdies
zu hoch. Verglichen mit anderen Städten in Nordrhein-Westfalen liege der Maßstab mit
0,70 EUR pro m² der bebauten und befestigten Grundstücksfläche über dem Normalen.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 22. Oktober 2008 betreffend
Niederschlagswassergebühren aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Verwaltungsvorgänge sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage sind die Bestimmungen der Gebührensatzung zur
Entwässerungssatzung der Stadt B. vom 19. Dezember 2007 (EWS). Nach § 5 Abs. 1
Satz 1 EWS ist Grundlage der Gebührenberechnung für das Niederschlagswasser die
Quadratmeterzahl der bebauten und/oder befestigten Grundstücksfläche, von der
Niederschlagswasser leitungsgebunden oder nicht leitungsgebunden in die
gemeindliche Abwasseranlage gelangen kann. Eine nicht leitungsgebundene Zuleitung
liegt nach Satz 2 insbesondere vor, wenn von bebauten und befestigten Flächen
oberirdisch aufgrund des Gefälles Niederschlagswasser in die gemeindliche
Abwasseranlage gelangen kann. Gemäß § 5 Abs. 6 EWS beträgt die
Niederschlagswassergebühr für jeden Quadratmeter bebauter und/oder befestigter
Fläche im Sinne des Absatzes 1 0,70 EUR.
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Gegen diese Satzungsbestimmungen bestehen keine rechtlichen Bedenken. Sie stehen
mit den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen
- KAG NRW - sowie mit gebührenrechtlichen Grundsätzen im Einklang.
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Dies gilt zunächst für den in § 5 EWS für die zu bemessenden
Niederschlagswassergebühren geregelten Maßstab der bebauten und/oder befestigten
Grundstücksfläche, von der leitungsgebunden oder nicht leitungsgebunden
Niederschlagswasser in die gemeindliche Abwasseranlage gelangen kann. Dieser
Maßstab genügt den nach § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW an einen
Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu stellenden Anforderungen.
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vgl. hierzu u.a. OVG NRW, Beschluss vom 22. August 2003 - 9 A 4766/99 - m.w.N., juris.
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Auch der Gebührensatz von 0,70 EUR pro m² für die Bemessung der
Niederschlagswassergebühr begegnet keinen Bedenken. Dabei kann es nicht darauf
ankommen, ob in anderen Kommunen niedrigere Gebührensätze erhoben werden.
Diesen liegen regelmäßig andere Sachverhalte und Bemessungsgrundlagen zugrunde,
so dass sich Vergleiche von vornherein verbieten.
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Die angegriffene Festsetzung verstößt nicht gegen gebührenrechtliche Prinzipien.
Insbesondere ein Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 6 Abs. 1 Satz
3 KAG NRW lässt sich nicht feststellen. Nach dieser Vorschrift soll das veranschlagte
Gebührenaufkommen die voraussichtlichen Kosten der Einrichtung nicht überschreiten.
Die vom Beklagten vorgelegte Gebührenbedarfsberechnung für die
Niederschlagswassergebühren im Kalenderjahr 2008 bietet keine Anhaltspunkte für die
Annahme, die dort eingestellten Kosten überschritten die voraussichtlichen Kosten der
Einrichtung für die Niederschlagswasserentwässerung.
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Unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes ist eine ins Einzelne gehende
Überprüfung der verschiedenen Positionen der Kalkulation für die
Niederschlagswassergebühren nicht angezeigt. Zwar sind die Verwaltungsgerichte in
der Regel verpflichtet, jede mögliche Aufklärung des Sachverhalts bis an die Grenze der
Zumutbarkeit zu versuchen, sofern die Aufklärung nach ihrer Meinung für die
Entscheidung des Rechtsstreits erforderlich ist. Bei der Überprüfung einer Kalkulation
sind Aufklärungsmaßnahmen aber regelmäßig nur insoweit angezeigt, als sich dem
Gericht etwa Widersprüche nach dem Sachvortrag der klagenden Partei oder aber den
beigezogenen Unterlagen aufdrängen. Lässt es die klagende Partei insoweit an
substantiiertem Sachvortrag fehlen und ergibt sich auch aus den Unterlagen kein
konkreter Anhaltspunkt für einen fehlerhaften Kostenansatz, hat es hiermit sein
Bewenden. Die Untersuchungsmaxime ist keine prozessuale Hoffnung, das Gericht
werde mit ihrer Hilfe schon die klagebegründenden Tatsachen finden.
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 13. April 2005 - 9 A 3120/03 -, juris.
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Der Kläger hat hier lediglich pauschal den Personalaufwand des Beklagten in Frage
gestellt. Dieser hat mit Schriftsatz vom 25. August 2009, bei Gericht am 27. August 2009
eingegangen, diesen Posten ausführlich und nachvollziehbar erläutert. Soweit der
Kläger der Auffassung ist, dass seine Kosten lediglich im Trennsystem berücksichtigt
werden dürften, stellt dies keinen die Kalkulation des Beklagten in Frage stellenden
Gesichtspunkt dar. Eine Gebührenkalkulation erfasst das gesamte Aufkommen in einer
Kommune und stellt gerade nicht auf den einzelnen Bürger ab. Mit Blick darauf besteht
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für das Gericht mangels substantiierter klägerischer Einwände gegen die
Entwässerungssatzung bzw. die ihr zugrunde liegende Kalkulation und mangels
offensichtlicher Fehler kein Grund, eine weitergehende Überprüfung der Grundlagen für
die Gebührenheranziehung vorzunehmen.
Die Voraussetzungen für ein Einleiten in die städtische Abwasseranlage sind erfüllt. Die
Gewässereigenschaft des ursprünglichen Seitengrabens gemäß § 1 WHG ist durch die
(teilweise) Verrohrung in Ausführung des Zentralabwasserplans des Beklagten
entfallen. Dass hier kein Zusammenhang mehr mit dem natürlichen Wasserkreislauf
besteht, zeigt sich daran, dass aus den umliegenden Häusern das
Niederschlagswasser durch die Kanalisationsleitung in den verrohrten Teil mit
eingeleitet wird. Der neue Regenwasserkanal verläuft entlang der U. Straße, führt am
Grundstück des Klägers unterirdisch vorbei und führt von dort aus in Fließrichtung durch
den gesamten Stadtteil über mehrere 100 Meter, bis das gesammelte
Niederschlagswasser dem Wasserverlauf 000 zugeführt wird. Die ursprünglich
bestehende Verbindung zwischen dem verrohrten Teil und dem Wasserlauf 0000 ist
nach dem genehmigten Zentralabwasserplan (vgl. Übersichtsplan Heft 2 der Beiakten)
aufgehoben worden, so dass eine Einleitung in ein Gewässer nicht mehr gegeben ist.
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Doch selbst wenn man den Vortrag des Klägers, das Niederschlagswasser werde
weiterhin in das Gewässer 0000 abgeführt, als wahr unterstellt, ist der
Gebührentatbestand des § 5 EWS erfüllt. Würde das Niederschlagswasser nur durch
den verrohrten Teil des ehemaligen Seitengrabens an der U. Straße für ca. 90 Meter
dem Wasserlauf 0000 zugeführt, würde bereits durch den Transport des Regenwassers
über ein Teilstück des öffentlichen Kanals eine gebührenpflichtige Leistung in Anspruch
genommen. Es kommt nicht auf den Umfang der Inanspruchnahme an. Auch ist nicht
erforderlich, dass sämtliche Leistungen einschließlich der Abwasserklärung erbracht
werden.
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vgl. Driehaus, KAG Kommentar, § 6 Rdnr. 349c m.w.N., Loseblatt, Stand: September
2009.
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Es kann danach keinen Unterschied machen, ob ein Eigentümer mit seinem Grundstück
näher an dem Gewässer liegt als ein anderer. Es ist allein entscheidend, dass in das
gemeindliche Abwassersystem eingeleitet wird und durch die teilweise Verrohrung die
Gewässereigenschaft - wie hier - aufgehoben worden ist.
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Etwas Gegenteiliges ergibt sich auch nicht durch die vom Kläger beigebrachten Fotos
über den Straßenverlauf (Bl. 50 ff. d. GA). Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 EWS wird für die
Niederschlagswasserberechnung auch das nicht leitungsgebundene
Niederschlagswasser veranlagt, das oberirdisch in die gemeindliche Abwasseranlage
gelangt.
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Überdies spricht hier vieles dafür, dass das Niederschlagswasser entsprechend dem
Zentralabwasserplan über die neue Kanalisationsanlage abgeführt wird. Anderenfalls
hätte der Kläger für die Einleitung seines Niederschlagswassers einer
wasserrechtlichen Erlaubnis nach § 7 WHG bedurft. Dass er über eine solche verfügt,
hat er nicht vorgetragen.
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Die Gebühr ist der Höhe nach richtig berechnet. Die auf dem klägerischen Grundstück
vorhandenen bebauten und befestigten Flächen wurden gemäß den Vorgaben in § 5
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Abs. 3 EWS im Wege der Selbstveranlagung ermittelt. Der Kläger hat das
Erfassungsblatt (Bl. 5 Beiakte Heft 1), aus dem sich die maßgeblichen bei der
Veranlagung zu berücksichtigenden Flächen ergeben, eigenhändig unterschrieben.
Entsprechend diesem Erfassungsblatt hat der Beklagte die Veranlagung vorgenommen.
Dabei durfte er davon ausgehen, dass Regenwasser von den Dachflächen D1-D7 in die
Kanalisation eingeleitet wird. Die vom Kläger vorgenommenen Korrekturen hat er bei
der Berechnung berücksichtigt und ist somit zutreffend von einer Fläche von 1.543 m²
(V2 + D1-D7) ausgegangen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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