Urteil des VG Münster vom 27.02.2009

VG Münster: empfang, computer, internet, revolution, vollstreckung, kenntnisnahme, gerät, hörfunk, hinterlegung, radio

Verwaltungsgericht Münster, 7 K 744/08
Datum:
27.02.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 744/08
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 2. November 2007 und der
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15. Februar 2008 werden
aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger
vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger teilte dem Beklagten im Mai 2007 schriftlich mit, dass er Geräte bereithalte,
die unter die Definition "neuartige Rundfunkempfangsgeräte" des
Rundfunkgebührenstaatsvertrages fielen; er benötige diese Geräte für sein Studium,
empfange damit aber keinen Rundfunk.
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Mit Gebührenbescheid vom 2. November 2007 setzte der Beklagte gegenüber dem
Kläger Rundfunkgebühren für die Zeit von Juni 2007 bis August 2007 in Höhe von 16,56
EUR sowie einen Säumniszuschlag in Höhe von 5,-- EUR fest. Hiergegen legte der
Kläger Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 15. Februar 2008 hob der
Beklagte den Säumniszuschlag auf; im Übrigen wies er den Widerspruch als
unbegründet zurück.
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Zur Klagebegründung wird u.a. vorgetragen, dass der Kläger über einen Computer mit
Internetzugang verfüge; dabei handele es sich aber nicht um ein
Rundfunkempfangsgerät im Sinne des Rundfunkgebührenstaatsvertrages, so dass der
Kläger nicht rundfunkgebührenpflichtig sei.
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Der Kläger beantragt,
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den Gebührenbescheid des Beklagten vom 2. November 2007 und den
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 15. Februar 2008 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt u.a. vor: Der internetfähige PC des Klägers stelle ein Rundfunkempfangsgerät
im Sinne des Rundfunkgebührenstaatsvertrages dar; es handele sich dabei um ein
sogenanntes neuartiges Rundfunkempfangsgerät im Sinne von § 5 Abs. 3 Satz 1 des
Rundfunkgebührenstaatsvertrages. Wie bei den herkömmlichen
Rundfunkempfangsgeräten sei das Bereithalten zum Empfang auch bei neuartigen
Rundfunkempfangsgeräten ein zulässiger Anknüpfungspunkt für die
Rundfunkgebührenpflicht. Angesichts der digitalen Revolution sei es gerechtfertigt, auch
bei neuartigen Rundfunkempfangsgeräten an die technische Empfangsmöglichkeit
anzuknüpfen. In einem Massenverfahren wie dem Vorliegenden sei es unmöglich,
jeweils im Einzelfall nachzuweisen, dass jemand einen Computer mit Internetzugang
tatsächlich auch zum Empfang von Radio- oder Fernsehsendungen über das Internet
nutze.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist begründet. Der angefochtene Gebührenbescheid des Beklagten vom 2.
November 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 15.
Februar 2008 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1
Satz VwGO).
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Die Kammer nimmt dabei zwecks Vermeidung von Wiederholungen vollinhaltlich Bezug
auf das in das Verfahren eingeführte Urteil der Kammer vom 26. September 2008 - 7 K
1473/07 -. Dies gilt auch unter Kenntnisnahme und Würdigung der Ausführungen des
Beklagten zu dem genannten Urteil.
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Die Kammer sieht lediglich noch Anlass, auf Folgendes hinzuweisen:
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Es kann auch hier dahinstehen, ob der Computer des Klägers als (neuartiges)
Rundfunkempfangsgerät zu qualifizieren ist. Entscheidend ist, dass dieses Gerät nicht
zum Empfang bereitgehalten wird. Auch angesichts der vom Beklagten beschriebenen
neuartigen Entwicklungen, die die Möglichkeit zum Empfang von Hörfunk- bzw.
Fernsehsendungen allein über das Internet betreffen, geht die Kammer nach wie vor
davon aus, dass ein internetfähiger PC (noch) nicht regelmäßig, sondern nur
ausnahmsweise für den Rundfunkempfang genutzt wird. Die Ausführungen des
Beklagten hierzu lassen zudem im Wesentlichen erkennen, dass die sogenannte
digitale Revolution in erster Linie bei jüngeren Bevölkerungsschichten stattfindet, was
jedoch keinen hinreichend sicheren Schluss auf die gesamte in Frage kommende
Bevölkerungszahl zulässt.
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Soweit der Beklagte darauf hinweist, dass es faktisch unmöglich sei, im Einzelfall
nachzuweisen, ob ein PC mit Internetzugang auch tatsächlich zum Empfang von
Sendungen genutzt werde, hat die Kammer im zitierten Urteil bereits darauf
hingewiesen, dass diese Schwierigkeiten der Nachweisführung ausschließlich im
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Rundfunkgebührenstaatsvertrag begründet sind, weil dieser an der gerätebezogenen
Gebührenpflicht festhält, ohne den neueren technischen Entwicklungen erkennbar
Rechnung zu tragen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO in Verbindung mit §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO,
die Zulassung der Sprungrevision auf §§ 134 Abs. 2 Satz 1, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
i.V.m. § 10 RGebStV.
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