Urteil des VG Münster vom 04.08.2006

VG Münster: schulpflicht, verfügung, schulbesuch, erlass, schule, epilepsie, datum

Verwaltungsgericht Münster, 1 L 552/06
Datum:
04.08.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 552/06
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragsteller.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e
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Der Antrag,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die am 24.
September 1999 geborene Tochter Finja der Antragsteller für ein Jahr von der
Schulpflicht zurückzustellen,
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hat keinen Erfolg. Die Antragsteller haben jedenfalls den für den Erlass der beantragten
einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordnungsanspruch
nicht glaubhaft gemacht (vgl. § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO).
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Nach § 35 Abs. 3 des Schulgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - SchulG - (in
der seit dem 1. August 2005 geltenden Fassung vom 15. Februar 2005, GV. NRW. S.
102) können schulpflichtige Kinder aus erheblichen gesundheitlichen Gründen für ein
Jahr zurückgestellt werden. Die Entscheidung trifft nach § 35 Abs. 3 Satz 2 SchulG die
Schulleiterin oder der Schulleiter auf der Grundlage des schulärztlichen Gutachtens.
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Die danach erforderlichen Voraussetzungen für die von den Antragstellern erstrebte
Zurückstellung ihrer Tochter Finja von der Schulpflicht sind nach der im vorläufigen
Rechtsschutzverfahren allein möglichen summarischen Prüfung nicht erfüllt. Als
erhebliche gesundheitliche Gründe i.S.v. § 35 Abs. 3 SchulG kommen allein solche
gesundheitlichen Umstände in Betracht, die einem Schulbesuch des Kindes für einen
voraussichtlich erheblichen Zeitraum des Schuljahrs in tatsächlicher Hinsicht
entgegenstehen. Dieses Verständnis der Voraussetzungen der Zurückstellung folgt aus
dem Zweck der Regelung des § 35 Abs. 3 SchulG, das tatsächliche Einschulungsalter
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zu senken und deshalb Zurückstellungen vom Schulbesuch nicht mehr - wie noch nach
§ 4 Abs. 1 des Schulpflichtgesetzes (in der Fassung bis zum 31. Juli 2004, GV. NRW.
1999, S. 408) - in Fällen der mangelnden Schulfähigkeit, sondern nur noch in
gesundheitlich begründeten Ausnahmefällen zuzulassen.
Vgl. LT-Drucks. 13/3722 S. 55. Gesundheitliche Umstände im oben genannten Sinn
liegen im Fall der Tochter G. der Antragsteller nicht vor.
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Sie ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass G. nach dem schulärztlichen
Gutachten vom 6. März 2006 an einer schweren, therapieresistenten, myoklonisch
astatischen Epilepsie leidet und bei ihr eine gravierende Entwicklungsverzögerung in
fast allen Bereichen besteht. Soweit diese Situation G. - wie ebenfalls im genannten
schulärztlichen Gutachten festgestellt ist - einen sonderpädagogischen Förderbedarf
begründet, vermag dies allein keine Zurückstellung von der Schulpflicht zu rechtfertigen.
Denn bei Bestehen eines sonderpädagogischen Förderbedarfs hat eine Förderung des
betreffenden Kindes an einer dem Bedarf entsprechenden Förderschule zu erfolgen
(vgl. § 3 Abs. 1 der Ausbildungsordnung gemäß § 52 SchulG - AO-SF -, in der seit dem
1. August 2005 geltenden Fassung vom 29. April 2005, GV. NRW. S. 538, ber. S. 625).
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Dass G. wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen in tatsächlicher Hinsicht
gehindert sein könnte, eine Schule, ggf. eine ihrem Förderbedarf entsprechende
Förderschule, zu besuchen, ist nicht ersichtlich. Hinreichende Anhaltspunkte hierfür
ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass G. nach der Stellungnahme des
Gesundheitsamts des Kreises Warendorf vom 21. Juli 2006 während des Schulbesuchs
der dauernden persönlichen Begleitung bedarf. Dass eine solche Begleitperson nicht
zur Verfügung stehen wird, kann nicht zugrunde gelegt werden. Selbst wenn ein
Integrationshelfer nicht bereits zu Beginn des Schuljahrs zur Verfügung stehen sollte,
rechtfertigte dies keine Zurückstellung G. von der Schulpflicht. Denn für diesen Fall hat
der Antragsgegner angekündigt, für sie Hausunterricht zu beantragen.
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Die Kosten des Verfahrens haben nach § 154 Abs. 1 VwGO die Antragsteller zu tragen,
weil sie unterlegen sind.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG. Der festgesetzte
Wert ist wegen des vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens
mit der Hälfte des im Hauptsacheverfahren anzunehmenden Auffangwerts nach § 52
Abs. 2 GKG zu bemessen.
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