Urteil des VG Münster vom 03.05.2007
VG Münster: rückforderung, treu und glauben, ausbildung, verzicht, anschluss, unbestimmter rechtsbegriff, verwirkung, rückzahlung, härte, auflage
Verwaltungsgericht Münster, 11 K 2114/05
Datum:
03.05.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 2114/05
Tenor:
Der Bescheid der C. vom 23. Dezember 2004 in der Gestalt von deren
Widerspruchsbescheid vom 30. September 2005 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 v. H. abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Die Parteien streiten um die Rückforderung von Anwärterbezügen.
2
Der Kläger leistete als Beamter auf Widerruf seit dem 16. März 1987 den
Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen Dienstes bei der C. . In dessen
Rahmen absolvierte er erfolgreich ein Studium an der Fachhochschule des Bundes für
öffentliche Verwaltung in C1. . Mit Urkunde vom 22. Februar 1991 wurde er unter
Verleihung der Eigenschaft eines Beamten auf Probe zum Verwaltungsinspektor zur
Anstellung ernannt. Vor seiner Einstellung im Jahr 1987 war ihm mitgeteilt worden, die
Anwärterbezüge würden mit der Auflage gewährt, dass die Ausbildung nicht vorzeitig
aus einem von ihm zu vertretenden Grund ende und er im Anschluss an seine
Ausbildung nicht vor Ablauf einer Mindestdienstzeit von fünf Jahren auf eigenen Antrag
aus dem öffentlichen Dienst ausscheide. Auf die Rückforderung könne ganz oder
teilweise verzichtet werden, wenn sie eine unzumutbare Härte bedeuten würde. Auf die
Rückforderung solle u. a. verzichtet werden, wenn ein Beamter ausscheide, um durch
ein Studium an einer wissenschaftlichen Hochschule die Befähigung zum Richteramt
oder für den höheren Dienst zu erlangen, unter der Bedingung, dass er nach Abschluss
des Studiums erneut in den öffentlichen Dienst eintrete, nicht vor Ablauf von drei Jahren
aus einem von ihm zu vertretenden Grund wieder ausscheide, der früheren
Beschäftigungsbehörde seine berufliche Verwendung nach Abschluss der Ausbildung
anzeige und jede Verlegung seines Wohnsitzes mitteile. Der Verzicht werde auch
wirksam, wenn eine Verwendung des Beamten im öffentlichen Dienst nach der
Ausbildung trotz nachgewiesener Bemühungen aus von ihm nicht zu vertretenden
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Gründen nicht möglich sei.
Auf seinen Antrag wurde der Kläger mit Ablauf des 31. Oktober 1992 aus dem
Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Bereits mit Schreiben vom 12. Oktober 1992
war ihm seitens der C. mitgeteilt worden, dass er wegen seines Ausscheidens
verpflichtet sei, einen Teil der ihm während des Vorbereitungsdienstes gezahlten
Anwärterbezüge zurückzuzahlen. In Anknüpfung an diese Mitteilung wurde der Kläger
mit Schreiben vom 27. April 1993 darauf hingewiesen, dass auf die Rückforderung u. a.
unter der Bedingung verzichtet werden solle, dass er nach Abschluss seines von ihm
zwischenzeitlich aufgenommenen Studiums und ggf. eines anschließenden
Vorbereitungsdienstes wieder in den öffentlichen Dienst eintrete und nicht vor Ablauf
von drei Jahren aus einem von ihm zu vertretenden Grunde aus dem öffentlichen Dienst
ausscheide. Gleichzeitig wurde er aufgefordert, unter Vorlage entsprechender
Nachweise seine finanzielle Situation darzulegen, um prüfen zu können, ob von der
Rückforderung ggf. aus Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden
könne.
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Mit am 5. Januar 1994 bei der C. eingegangenem Schreiben teilte der Kläger seine
Absicht mit, nach Abschluss seines Studiums als Lehrer im öffentlichen Dienst tätig zu
werden. Ferner legte er - ohne Beibringung von Nachweisen - seine finanziellen
Verhältnisse dar.
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Am 18. Januar 1994 wurde der C. auf telefonischen Nachfrage seitens des
Kultusministeriums die Auskunft gegeben, dass das vom Kläger aufgenommene
Magisterstudium nicht ausreiche, um den Lehrerberuf auszuüben. Von dieser Auskunft
setzte die C. den Kläger mit Schreiben vom 1. März 1994 in Kenntnis und forderte ihn
zudem mit Blick auf die vorzunehmende Billigkeitsprüfung auf, seine finanziellen
Verhältnisse unter Beifügung entsprechender Nachweise darzulegen. Unter dem 24.
März 1994 schrieb der Kläger an die C. , dass er die Absicht habe, zum
Sommersemester 1994 vom Magisterstudium ins Lehramtsstudium zu wechseln.
Darüber hinaus wies er darauf hin, dass er weiterhin regelmäßig bemüht sei, mit seinem
Abschluss als Diplom-Verwaltungswirt eine Stelle im öffentlichen Dienst zu finden.
6
Mit Schreiben vom 11. Mai 1994 forderte die C. den Kläger zur Vorlage einer aktuellen
Studienbescheinigung auf. Daraufhin teilte der Kläger unter dem 23. Mai 1994 mit, dass
er seit dem 25. April 1994 an einer nach dem AFG geförderten Fortbildungsmaßnahme
teilnehme. Entsprechende Unterlagen werde er noch zusenden.
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Unter Hinweis auf seine Verpflichtung, Teile seine Anwärterbezüge zurückzahlen zu
müssen, bat die C. den Kläger mit Schreiben vom 26. August/14. September 1994
erneut um Darlegung seiner finanziellen Situation unter Beifügung entsprechender
Nachweise. Ende September 1994 reichte der Kläger Bewilligungsbescheide über das
ihm seitens des Arbeitsamtes wegen seiner Teilnahme an einer Förderungsmaßnahme
gewährte Unterhaltsgeld ein. Daraufhin teilte die C. dem Kläger im Oktober bzw.
November 1994 mit, dass die vorgelegten Bescheide zur Darlegung der finanziellen
Situation nicht ausreichten. Mit Schreiben vom 27. November 1994 machte der Kläger
unter Vorlage entsprechender Belege ergänzende Angaben.
8
Am 13. Januar 1995 schrieb die C. den Kläger erneut an. Sie bat ihn um Darlegung
seiner voraussichtlichen weiteren beruflichen Entwicklung sowie um Abgabe einer
Erklärung darüber, ob er neben dem Unterhaltsgeld noch über weitere Einkünfte
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verfüge. Dieser Aufforderung kam der Kläger noch im selben Monat nach, wobei er
darauf hinwies, dass seine Fortbildungsmaßnahme noch bis zum 28. Juli 1995
andauere, für ihn danach selbstverständlich eine Bewerbung im öffentlichen Dienst in
Betracht komme und er neben dem Unterhaltsgeld über keine weiteren Einkünfte
verfüge.
Im August 1995 trat die C. wieder an den Kläger heran und forderte ihn zur Erläuterung
seiner beruflichen Situation auf. Gleichzeitig gab sie ihm „zur Prüfung einer
Billigkeitsregelung erneut Gelegenheit", seine finanzielle Situation darzulegen. In
seinem Antwortschreiben vom 19. September 1995 erklärte der Kläger, er sei nunmehr
als Dozent in den Fächern EDV-Grundlagen sowie Rechnungs- und Personalwesen
angeworben worden. Er interessiere sich aber nach wie vor für eine Tätigkeit im
öffentlichen Dienst, und zwar im Bereich des Personalwesens. Hinsichtlich der
Aufforderung seine finanzielle Situation zu erläutern bat der Kläger um Mitteilung,
gemäß welcher gesetzlichen Grundlage er über seine wirtschaftliche Situation Auskunft
zu geben habe.
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Daraufhin legte die C. dem Kläger mit Schreiben vom 17. November 1995 nochmals
dar, dass er gemäß § 59 BBesG verpflichtet sei, Teile seiner Anwärterbezüge zu
erstatten, da er - worauf er vor seiner Einstellung hingewiesen worden sei - im
Anschluss an seine Ausbildung vor Ablauf einer Mindestdienstzeit von fünf Jahren auf
eigenen Antrag aus dem öffentlichen Dienst ausgeschieden sei. Auf die Rückforderung
könne jedoch ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie eine unzumutbare Härte
zur Folge hätte. Zur Prüfung, ob aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung
abgesehen werden könne, sei es erforderlich, dass er seine zukünftige berufliche und
finanzielle Situation darlege, wozu er nunmehr letztmalig Gelegenheit erhalte. In
Erledigung dieser Aufforderung gab der Kläger unter dem 29. November und 6.
Dezember 1995 im Einzelnen und unter Beifügung entsprechender Nachweise Auskunft
über seine berufliche und wirtschaftliche Situation.
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Eine Reaktion der C. auf dieses Schreiben erfolgte in den nächsten sechs Jahren und
zwei Monaten nicht. Erst mit Brief vom 22. Februar 2002 meldete sie sich wieder beim
Kläger. Bislang sei ihm die Rückzahlung seiner Anwärterbezüge in Höhe von 18.054,40
DM aufgrund seines Studiums bzw. seiner wirtschaftlichen Verhältnisse gestundet
worden. Im Rahmen der weiteren Rückforderungsprüfung werde jetzt um belastbare
Darlegung seiner wirtschaftlichen Situation gebeten. Der Aufforderung der C. kam der
Kläger mit Schreiben vom 15. März 2002 zum Zwecke der Billigkeitsprüfung nach. Er
übersandte in Kopie seine Lohnsteuerkarte 2001, seine Gehaltsabrechnung für den
Monat Februar 2002, die Abstammungsurkunden der in seiner Familie lebenden Kinder
und machte geltend, dass er neben den von ihm zu tragenden Kosten für
Versicherungen und Steuern auch diverse Darlehensverträge für sein Eigenheim zu
tilgen habe. Ferner legte er diverse Absagen auf von ihm eingereichte Bewerbungen bei
Krankenhäusern, dem Wirtschaftsministerium, der C.2 , der W. sowie der LVA S. vor. In
der Folgezeit fand weitere Korrespondenz über die wirtschaftliche Situation des Klägers
statt. In deren Rahmen legte dieser in Kopie seine Lohnsteuerkarten für 2002 und 2003
und Gehaltsabrechnungen für den Zeitraum Dezember 2002 bis März 2003 vor. Darüber
hinaus wies er darauf hin, dass seine Ehefrau einer geringfügigen Beschäftigung
nachgehe und dass für die zwei nicht von ihm abstammenden Kinder der Familie der
leibliche Vater keine Unterhaltszahlungen leiste.
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Mit am 29. Dezember 2004 zugestelltem Bescheid vom 23. Dezember 2004 forderte die
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C. den Kläger zur Rückzahlung der im gewährten Anwärterbezüge in Höhe von
9.231,07 Euro auf. Gemäß § 59 Abs. 5 BBesG in Verbindung mit den hierzu ergangenen
Verwaltungsvorschriften seien Beamte bei einem Ausscheiden verpflichtet, die
Anwärterbezüge zu erstatten, die den Betrag von 750,- DM monatlich überstiegen, wenn
sie im Anschluss an ihre Ausbildung vor Ablauf von fünf Jahren auf eigenen Antrag aus
dem öffentlichen Dienst ausschieden. Dabei ermäßige sich der Betrag der
zurückzufordernden Anwärterbezüge für jedes volle geleistete Dienstjahr um ein Fünftel.
Auf die Rückforderung könne ganz oder teilweise verzichtet werden, wenn sie eine
unzumutbare Härte bedeuten würde. Die Rückforderung richte sich nach § 12 Abs. 2
BBesG. Eine unzumutbare Härte sei im Falle des Klägers nach eingehender Prüfung
nicht gegeben. Seine berufliche Entwicklung und seine Bewerbungsbemühungen nach
dem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst im Jahr 1992 würden dafür sprechen,
dass er sich von seinen Rückkehrabsichten in den öffentlichen Dienst endgültig gelöst
habe. Gründe für einen Verzicht auf eine Rückforderung lägen auch mit Blick auf seine
Einwände im Anhörungsverfahren nicht vor. Für die Berechnung der Höhe des
zurückzufordernden Betrages könne ein volles Dienstjahr angerechnet werden. Für den
Fall, dass er zur Rückzahlung des Gesamtbetrages in einer Summe nicht in der Lage
sei, werde um Darlegung der finanziellen Situation gebeten, um die Einräumung von
Ratenzahlungen prüfen zu können.
Hiergegen erhob der Kläger am 11. Januar 2005 Widerspruch. Diesen begründet er im
Wesentlichen wie folgt: Er habe wiederholt seine entsprechenden Bemühungen um
eine Anstellung im öffentlichen Dienst nachgewiesen. Beispielhaft sei auf sein
Schreiben vom 15. März 2002 zu verweisen. Ferner sei bekannt, dass er im Jahr 1993
bei der Zentralstelle für die Vergabe von Studienplätzen tätig gewesen sei und sich dort
- letztlich erfolglos - auch um eine weitere Beschäftigung bemüht habe. Weiter sei zu
berücksichtigen, dass die C. mit Schreiben vom 17. November 1995 zur Prüfung der in
Rede stehenden Rückforderung Unterlagen angefordert habe, die von ihm dann auch
im Dezember 1995 vorgelegt worden seien. Anschließend sei über einen Zeitraum von
mehr als sechs Jahren nichts passiert. Er habe daher davon ausgehen müssen, dass
man seine Unterlagen als ausreichend angesehen habe und von einer Rückforderung
abgesehen worden sei. Würden Unterlagen verlangt und diese dann eingereicht und im
Anschluss daran der Schriftverkehr eingestellt, müsse hier zumindest von einem
konkludenten Verzicht bzw. einer Verwirkung der Ansprüche auf Rückzahlung
ausgegangen werden.
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Mit am 6. Oktober 2005 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 30. September 1995
wies die C. den Widerspruch zurück. Unter Wiederholung der Ausführungen aus dem
Ausgangsbescheid wurde zur Begründung vertiefend und ergänzend ausgeführt: Die
Rückforderung der Anwärterbezüge sei zu Recht erfolgt. Gründe, die einen Verzicht auf
die Rückforderung rechtfertigen würden, lägen nicht vor. Der Umstand, dass sich der
Kläger nach seiner Entlassung aus dem Beamtenverhältnis um eine Anstellung im
öffentlichen Dienst bemüht habe und er zudem kurzfristig im Jahr 1993 bei einem
Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes beschäftigt gewesen sei, sei bezüglich der
Rückzahlungsverpflichtung unerheblich. Die Verwaltungsvorschrift zu § 59 BBesG sehe
nicht vor, dass auf die Rückforderung der Anwärterbezüge verzichtet werden solle,
wenn der entlassene Beamte sich im Anschluss an die Entlassung um eine
Weiterbeschäftigung im öffentlichen Dienst bemühe. Vielmehr trete nur dann keine
Rückzahlungsverpflichtung ein, wenn sich an die Entlassung z. B. eine
Weiterbeschäftigung in einem anderen Rechtsverhältnis innerhalb des öffentlichen
Dienstes unmittelbar anschließe. Das sei vorliegend nicht der Fall. Hätte der Kläger sein
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Studium erfolgreich abgeschlossen und auf diese Weise die Befähigung für die
Laufbahn des höheren Dienstes erlangt, wäre ein Verzicht auf die Rückforderung
möglich gewesen, wenn im Anschluss an das Studium trotz nachgewiesener
Bemühungen eine Verwendung im öffentlichen Dienst nicht möglich gewesen wäre. Die
erfolglosen Bewerbungen nach Abbruch des Studiums könnten mithin nicht als
Begründung für einen Verzicht auf die Rückforderung der Anwärterbezüge
herangezogen werden. Im Falle einer erfolgreichen Bewerbung hätte allenfalls die sich
hierauf gründende Beschäftigungszeit im öffentlichen Dienst im Rahmen einer
Ermessensentscheidung zugunsten des Klägers auf die fünfjährige Bleibeverpflichtung
angerechnet werden können. Eine entsprechende Beschäftigungszeit nach Abbruch
des Studiums liege jedoch nicht vor. Billigkeitsgründe seien nicht ersichtlich. Eine
unzumutbare Härte könne ebenfalls nicht festgestellt werden. Der
Rückforderungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Verwirkung vor Ablauf der
Verjährungsfrist trete nicht allein dadurch ein, dass seit Bekannt werden des Wegfalls
der Verzichtsgründe für die Rückforderung längere Zeit verflossen sei. Vielmehr setze
die Verwirkung zusätzlich ein bestimmtes Verhalten des Anspruchsberechtigten und
einen hierdurch geschaffenen Vertrauenstatbestand voraus. Derartiges lasse sich
jedoch vorliegend nicht feststellen.
Daraufhin hat der Kläger am 5. November 2005 die vorliegende Klage erhoben. Zur
Begründung wiederholt er im Wesentlichen seine Ausführungen aus dem Vorverfahren.
Ergänzend trägt er vor, er habe sich seit 1993 nachhaltig um eine Tätigkeit im
öffentlichen Dienst bemüht. Des Weiteren müsse berücksichtigt werden, dass von einer
Rückforderung abgesehen werden könne, wenn die finanzielle Situation des
Betroffenen eine solche nicht zulasse. So liege der Fall hier. Sowohl in der
Vergangenheit als auch heute ergebe sich aus seinen Einkommensverhältnissen, dass,
müsste er den Rückforderungsbetrag bezahlen, sein Lebensunterhalt und derjenige
seiner Familie gefährdet wäre. Schließlich müsse auch Verwirkung angenommen
werden. Mit Schreiben vom 17. November 1995 habe die C. darauf hingewiesen, dass
aufgrund der finanziellen Situation von einer Rückforderung Abstand genommen
werden könne. Vor diesem Hintergrund habe er Nachweise über seine damalige
wirtschaftliche Situation beigebracht. Daraufhin habe die C. die Forderung für mehr als
sechs Jahre nicht mehr geltend gemacht. Damit sei das Zeitmoment des
Verwirkungstatbestandes erfüllt. Aber auch das Umstandsmoment sei gegeben. Wenn
eine Behörde eine Rückforderung ankündige und dann mitteile, dass sie verzichte,
wenn die finanzielle Situation dies billig erscheinen lasse und nach deren Darlegung
über einen Zeitraum von sechs Jahren nicht tätig werde, könne dieses Verhalten nur so
verstanden werden, dass die Rückforderung nicht mehr geltend gemacht werde.
Bedeutsam sei in diesem Zusammenhang, dass die C. in ihren Anschreiben im Jahre
1995 ausdrücklich von einem Verzicht gesprochen habe. Zu keinem Zeitpunkt sei davon
die Rede gewesen, dass der Rückforderungsbetrag nur gestundet werden solle. Vor
diesem Hintergrund könne er - der Kläger - das Schreiben der Behörde doch nur so
verstehen, dass, wenn seine finanziellen Verhältnisse entsprechend seien, auf die
Rückforderung verzichtet werde.
16
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der C. vom 23. Dezember 2004 in der Gestalt ihres
Widerspruchsbescheids vom 30. September 2005 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
19
die Klage abzuweisen.
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Sie wiederholt und vertieft ihre bisherigen Ausführungen. Ergänzend macht sie geltend,
dass der Kläger auch die weiteren Voraussetzungen, nach denen die Aufnahme und der
Abschluss eines Hochschulstudiums zu einem Rückforderungsverzicht der gezahlten
Anwärterbezüge führen solle, nicht erfüllt habe. So habe er sein Studium nicht zum
Abschluss gebracht. Ferner habe er seiner früheren Beschäftigungsbehörde weder
seine berufliche Verwendung nach Abschluss der Ausbildung angezeigt, noch habe er
bis dahin selbständig jede Verlegung seines Wohnsitzes mitgeteilt. Zu Unrecht berufe
sich der Kläger auch darauf, die Rückforderung würde für ihn eine unbillige Härte
darstellen. Bislang berufe er sich nur darauf, dass ihn die Rückzahlung eines Teils
seiner finanziellen Anwärterbezüge finanziell belaste. Dies allein stelle jedenfalls keine
unbillige Härte dar, zumal bei den von ihm selbst vorgetragenen Gehalts- und
Familienverhältnissen derzeit wohl monatlich ein Betrag in Höhe von 129,29 Euro
pfändbar wäre. Der Rückerstattungsanspruch sei auch nicht verwirkt. Schon das
Zeitmoment sei nach dem Ablauf von sechs Jahren, insbesondere wenn man eine
ursprüngliche Verjährungsfrist von 30 Jahren gegenüberstelle, nicht erfüllt. Ein
Umstand, aus dem der Kläger hätte schließen können, dass auf die Rückforderung
verzichtet werde, sei ebenfalls nicht ersichtlich. So sei ihm schon frühzeitig angezeigt
worden, dass ein Teil der Anwärterbezüge zurückgefordert werde. Auch in der weiteren
Korrespondenz sei fortwährend auf die Rückforderungsansprüche hingewiesen worden.
Die Tatsache, dass die Beklagte ihm gleichzeitig mitgeteilt habe, in Ausnahmefällen
könne von der Rückforderung abgesehen werden, könne schon wegen der vorherigen
Hinweise und insbesondere wegen des Ausnahmecharakters kein Vertrauen dahin
begründen, es sei in irgendeiner Form auf Ansprüche verzichtet worden.
21
Wegen der weiteren Einzelheiten und des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf
den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf die vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
22
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
23
Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid der C. vom 23.
Dezember 2004 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 30. September 2005
ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Beklagte ist nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG in Verbindung mit § 812 Abs. 1 Satz 2
Alternative 2 BGB nicht berechtigt, von dem Kläger durch Leistungsbescheid 9.231,07
Euro zu fordern. Zwar hat der Kläger Anwärterbezüge in diesem Umfang während der
Zeit vom 16. März 1987 bis zum 4. März 1991 „zu viel" erhalten. Auch liegen keine
Gründe für einen Verzicht auf die Rückforderung dieses Betrages vor. Der
Rückforderungsanspruch ist jedoch verwirkt. Im Übrigen wären die angegriffenen
Bescheide auch deshalb als fehlerhaft zu bewerten, weil in ihnen das Vorliegen eines
zu berücksichtigenden Billigkeitsgrundes zu Unrecht verneint wird.
24
Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG ist der Beamte zur Rückzahlung von Bezügen nicht nur
dann verpflichtet, wenn die Bezüge bereits ursprünglich rechtswidrig gezahlt worden
sind. Vielmehr besteht die Zahlungsverpflichtung auch dann, wenn der mit der Leistung
bezweckte Erfolg nicht eintritt (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB). In diesem Fall sind die Bezüge
- bei nachträglicher Betrachtung - ebenfalls „zu viel" gezahlt worden.
25
Einen derartigen Zweck der Zahlung hat die C. mit ihrem Hinweis von Dezember 1986
ausdrücklich dahin bestimmt, dass der Kläger im Anschluss an seine Ausbildung nicht
vor Ablauf einer Mindestdienstzeit von fünf Jahren auf eigenen Antrag aus dem
öffentlichen Dienst ausscheide. Dieser Erfolg ist indessen nicht eingetreten, weil der
Kläger nach Bestehen der Abschlussprüfung und Übernahme in das Beamtenverhältnis
auf Probe aus freiem Entschluss seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis mit
Ablauf des 31. Oktober 1992 beantragt hat. Damit ist der mit der Zahlung von
Anwärterbezügen an den Kläger verfolgte Zweck, ihn für längere Zeit an die C. zu
binden, nicht eingetreten.
26
Die C. war gemäß § 59 Abs. 5 BBesG befugt, die Zahlung der Anwärterbezüge u. a.
davon abhängig zu machen, dass der Kläger im Anschluss an die Ausbildung nicht vor
Ablauf einer Mindestdienstzeit von fünf Jahren auf eigenen Antrag aus dem öffentlichen
Dienst ausschied. Bei der „Auflage" im Sinne des § 59 Abs. 5 BBesG handelt es sich
nicht um eine Auflage im rechtstechnischen Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG oder um
eine andere Art von Nebenbestimmung, sondern um eine besondere
Zweckbestimmung, die mit der Zahlung der Anwärterbezüge verfolgt wird. Die
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Ermächtigung umfasst auch die Befugnis,
die Anwärterbezüge an die - vor deren Auszahlung ausdrücklich zu erklärende -
Verpflichtung zu koppeln, das Studium im Rahmen des Vorbereitungsdienstes bis zum
Abschluss zu absolvieren, im Anschluss daran in den öffentlichen Dienst einzutreten
und darin während einer Mindestdienstzeit zu verbleiben.
27
Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteile vom 13. September 2001 - 2 A 9/00 -, juris,
vom 10. Februar 2000 - 2 A 6.99 -, Buchholz 240 § 59 BBesG Nr. 10 S. 2 und vom 27.
Februar 1992 - 2 C 28.91 -, Buchholz 240 § 59 BBesG Nr. 7 S. 5 ff.
28
Nach Sinn und Zweck soll die Vorschrift des § 59 Abs. 5 BBesG sicherstellen, dass
Anwärter, die zunächst im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes an einer
Fachhochschule studieren und nach dem Abschluss nicht mehr bereit sind als Beamte
im Dienste eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn zu verbleiben, keine finanziellen
Vorteile gegenüber anderen Studenten erlangen. Der Vorteil, den die eine
Rückforderung ermöglichende Auflage gemäß § 59 Abs. 5 BBesG ausgleichen soll,
besteht darin, dass ein Studium im Rahmen eines Beamtenverhältnisses gefördert wird
und der Beamte auf Widerruf während des Studiums insbesondere einen Anspruch auf
Besoldung hat. Diese kostenaufwendige Form der Ausbildung im Rahmen des
Vorbereitungsdienstes privilegiert die „Anwärterstudenten" im Vergleich mit anderen
Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst und im Vergleich mit Studenten, die keine
Bezüge nach dem BBesG während ihrer Ausbildung erhalten. Aufgrund dieser
Besonderheit ist es gerechtfertigt, die Grundsätze der strengen Gesetzesbindung der
Besoldung (§ 2 Abs. 1 und 2 BBesG), der Unverzichtbarkeit der Besoldung (§ 2 Abs. 3
BBesG) und der besoldungsrechtlichen Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) durch
individuelle „Auflagen" auf der Grundlage des § 59 Abs. 5 BBesG zu modifizieren.
Benachteiligungen der Beamten auf Widerruf, die wegen einer „Auflage" nach § 59 Abs.
5 BBesG zur Rückzahlung der Anwärterbezüge verpflichtet sind, werden -
pauschalierend und typisierend - dadurch vermieden, dass sich die Rückzahlungspflicht
auf den Teil der Anwärterbezüge beschränkt, der den Betrag von 750,00 DM monatlich
übersteigt.
29
BVerwG, Urteile vom 13. September 2001 - 2 A 9.00 -, juris.
30
Der Kläger erfüllt nicht die Voraussetzungen für einen Verzicht auf die Rückforderung
gemäß der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz
(BBesGVwV). Für den Vollzug von Auflagen gemäß § 59 BBesG bestimmt Nr. 59.5.5 lit.
d) BBesGVwV - worauf der Kläger im Dezember 1986 dem Inhalt nach auch
hingewiesen worden ist -, dass auf die Rückforderung ganz oder teilweise verzichtet
werden soll, wenn ein Beamter u. a. ausscheidet, um durch ein Studium an einer
wissenschaftlichen Hochschule die Befähigung für den höheren Dienst zu erlangen,
unter der Bedingung, dass er nach Abschluss des Studiums und ggf. eines
anschließenden Vorbereitungsdienstes unverzüglich in den öffentlichen Dienst eintritt
und nicht vor Ablauf von drei Jahren aus von ihm zu vertretenden Gründen wieder
ausscheidet. Diese Voraussetzungen liegen im Falle des Klägers ersichtlich nicht vor.
Er hat weder sein Studium abgeschlossen noch ist er wieder in den öffentlichen Dienst
eingetreten.
31
Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf den weiteren Verzichtstatbestand der Nr.
59.5.5 lit. e) BBesGVwV berufen, der voraussetzt, dass im Falle von Nr. 59.5.5 lit. d)
BBesGVwV eine Verwendung des Beamten im öffentlichen Dienst nach der Ausbildung
trotz nachgewiesener Bemühungen aus von ihm nicht zu vertretenden Gründen nicht
möglich ist. Ungeachtet der Frage nach den Wiedereinstellungsbemühungen des
Klägers liegen die vorgenannten Voraussetzungen schon deshalb nicht vor, weil der
Kläger das erforderliche Studium nicht abgeschlossen hat.
32
Dass sich der Kläger losgelöst von der Frage nach der erfolgreichen Absolvierung eines
Studiums um einen erneuten Eintritt in den öffentlichen Dienst bemüht hat, führt zu
keiner anderen Bewertung des Falles. Denn die Nr. 59.5.5 BBesGVwV sieht insoweit
keine Möglichkeit zum Verzicht auf die Rückforderung vor.
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Der Rückforderungsanspruch ist allerdings durch Verwirkung erloschen. Um Verwirkung
annehmen zu können, muss nicht nur eine längere Zeit vergangen sein, während der
der Gläubiger untätig gewesen ist; es müssen vielmehr auch besondere Umstände
hinzutreten, die ein schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners begründen, dass das
Recht nicht mehr geltend gemacht werde.
34
OVG NRW, Urteil vom 19. Juli 1993 - 12 A 333/91 -, m. w. N.
35
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Die C. hat den Rückforderungsanspruch nach
langer Dauer der Untätigkeit geltend gemacht. Während sie zunächst von Ende 1992
bis Ende 1995 regelmäßig über eine etwaige Rückforderung der Anwärterbezüge mit
dem Kläger korrespondierte, unternahm sie diesem gegenüber in der Folgezeit während
eines mehr als doppelt so langen Zeitraumes nichts und trat erst mit Schreiben vom 22.
Februar 2004 wieder an den Kläger heran, um sodann von diesem mit Bescheid vom
23. Dezember 2004 Anwärterbezüge in Höhe von 9.231,07 Euro zurückzufordern.
Darüber hinaus ist die Annahme einer „längeren Untätigkeitszeit des Gläubigers" (hier:
mehr als sechs Jahre) aber auch mit Blick auf die mittlerweile geltende Rechtslage
gerechtfertigt, wonach Ansprüche der vorliegenden Art bereits nach drei Jahren
verjähren (vgl. § 195 BGB). Zwar hat die C. ihren Rückforderungsanspruch noch gerade
rechtzeitig vor Ablauf der von 30 auf drei Jahre verkürzten Verjährungsfrist erhoben, weil
diese gemäß Art. 229 § 6 Abs. 4 EGBGB erst am 1. Januar 2002 zu laufen begann.
Gleichwohl macht die auch den vorliegenden Anspruch erfassende dreijährige
Verjährungsfrist deutlich, dass eine diese mehr als drei Jahre überschreitende
Untätigkeit eines Gläubigers nach der gesetzgeberischen Wertung als „lang"
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angesehen werden muss.
Auch die erforderlichen, eine Verwirkung rechtfertigenden „besonderen Umstände"
liegen vor. Der Kläger durfte sich nach dem gesamten Verhalten der C. darauf
einrichten, dass diese ihr Recht nicht mehr geltend machen würde. Diese stand mit dem
Kläger seit Oktober 1992 bis Ende 1995 in regelmäßigem schriftlichen Austausch über
die Frage, ob der Kläger die in Rede stehenden Anwärterbezüge zurückzahlen müsse
oder nicht. Im besagten Zeitraum wurden insgesamt siebzehn Briefe gewechselt. Dabei
schrieb die C. den Kläger innerhalb von gut 37 Monaten neunmal an, durchschnittlich
also ca. alle vier Monate. In diesen Schreiben wies die C. den Kläger immer wieder
darauf hin, dass von der Rückforderung der überzahlten Anwärterbezüge ggf. aus
Billigkeitsgründen ganz oder teilweise abgesehen werden könne. Um eine
entsprechende Billigkeitsprüfung vornehmen zu können sei es aber erforderlich, dass
der Kläger seine berufliche und finanzielle Situation darlege. In diesem Sinne wandte
sich die C. zunächst letztmalig unter dem 17. November 1995 an den Kläger. Dieser
übermittelte anschließend mit Schreiben vom 29. November und 6. Dezember 1995 die
geforderten Angaben und Auskünfte. Daraufhin unternahm die C. während eines
Zeitraumes von mehr als sechs Jahren nichts zur Durchsetzung ihres Rechts. Dies
konnte und durfte der Kläger nur so verstehen, dass die C. nunmehr nach Prüfung
seiner wirtschaftlichen Lage aus Gründen der Billigkeit von einer Rückforderung der
Anwärterbezüge endgültig abgesehen hat. Jeder verständige, billig und gerecht
denkende Bürger würde bei lebensnaher Würdigung der Gesamtumstände zu diesem
Ergebnis gelangen. Ein Gläubiger, der sich zunächst innerhalb von etwas mehr als drei
Jahren regelmäßig in relativ kurzen zeitlichen Abständen an seinen Schuldner wegen
eines Rückforderungsanspruches wendet, dabei wiederholt auf die Möglichkeit des
Absehens von der Rückforderung bei entsprechenden wirtschaftlichen Verhältnissen
hinweist und nach Übermittlung der geforderten Daten dem Schuldner gegenüber mehr
als sechs Jahre nichts mehr unternimmt, weckt mit Blick auf seine frühere
Betriebsamkeit im Rahmen der Diskussion um die Geltendmachung der Rückforderung
durch sein jahrelanges Nichtstun beim Betroffenen das Vertrauen, von der
Durchsetzung der Geldforderung Abstand genommen zu haben. Objektive, für den
Kläger ersichtliche Anhaltspunkte dafür, dass ihm - wie die C. in ihrem Schreiben vom
22. Februar 2002 behauptet - der Rückforderungsbetrag nur gestundet worden ist, sind
nicht ersichtlich. Selbst die Verwaltungsvorgänge enthalten keine entsprechende
Stundungsverfügung.
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Im Übrigen wären die angegriffenen Bescheide auch deshalb als fehlerhaft zu bewerten,
weil in ihnen das Vorliegen eines Billigkeitsgrundes zu Unrecht verneint wird und in
Bezug auf diesen Billigkeitsgrund ein entsprechendes Ermessen gar nicht, jedenfalls
aber fehlerhaft ausgeübt wird. Nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG kann von der
Rückforderung aus Billigkeitsgründen mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde oder
der von ihr bestimmten Stelle ganz oder zum Teil abgesehen werden. Dabei ist die
Frage, ob Billigkeitsgründe vorliegen, eine Rechtsfrage, die gerichtlich nachgeprüft
werden kann, da der Begriff der Billigkeit ein unbestimmter Rechtsbegriff ist. Ob beim
Vorliegen von Billigkeitsgründen die Verwaltung von der Ermächtigung nach § 12 Abs.
2 Satz 3 BBesG Gebrauch macht, ob und in welchem Umfang sie also den Beamten zur
Rückerstattung einer Überzahlung heranziehen will, ist hingegen eine Ermessensfrage.
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Vgl. VG Lüneburg, Urteil vom 10. März 2005 - 1 A 262/04 -, juris.
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Diese Billigkeitsentscheidung bezweckt eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht
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werdende, für die Behörde zumutbare, für den Bereicherten tragbare Lösung zu
ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse
des Herausgabepflichtigen eine wesentliche Rolle spielen. Sie soll der besonderen
Lage des Einzelfalles Rechnung tragen, die formale Strenge des Besoldungs- und
Versorgungsrechts auflockern und Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden
Grundsatzes von Treu und Glauben sein und sich als sinnvolle Ergänzung des ohnehin
von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung
auswirken. Im Rahmen der Billigkeitsprüfung ist indes nicht die gesamte
Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter
dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern es ist auf das konkrete
Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und
ihrer Auswirkungen auf die Lebensumstände des Bereicherungsschuldners abzustellen.
Dafür kommt es nicht entscheidend auf die Lage in dem Zeitraum an, für den die
Überzahlung geleistet worden ist, sondern auf die Lage im Zeitpunkt der
Rückabwicklung.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. September 1989 - 2 C 68.86 -, NVwZ 1990, 670.
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Den vorstehenden Anforderungen genügt die von der C. getroffene Entscheidung nicht.
Die Annahme, hier liege ein zu berücksichtigender Billigkeitsgrund nicht vor, ist nicht
gerechtfertigt. So hat die C. in den angegriffenen Entscheidungen verkannt, dass es die
Leistungsfähigkeit des Klägers mit Blick auf die von ihm schon im Verwaltungsverfahren
dargelegten Einkommensverhältnisse, Zahlungs- und Unterhaltsverpflichtungen nicht
zulässt bzw. zugelassen hat, die überzahlten Dienstbezüge auch nur in Raten
zurückzufordern.
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Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, diejenige über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kosten auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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