Urteil des VG Münster vom 20.06.2007
VG Münster: treu und glauben, örtliche zuständigkeit, wohnung, gewöhnlicher aufenthalt, unterbringung, wechsel, form, jugendhilfe, drucksache, eltern
Verwaltungsgericht Münster, 9 K 750/05
Datum:
20.06.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 750/05
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt an die Klägerin 5.000 Euro nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit
Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung
abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des
beizutreibenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten Erstattung eines Teils der Kosten, die ihr durch
die Unterbringung von N. N1. , geb. am 00.00.0000, im K. P. in I. b. U. X. in der Zeit vom
7. April bis 30. September 2003 entstanden sind.
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Seit dem 20. Februar 1998 wird der allein sorgeberechtigten Kindesmutter, Frau H. N1. ,
Hilfe zur Erziehung für ihren Sohn N. N1. in Form der Unterbringung des
Hilfeempfängers im K. P. in I. b. U. X. gewährt. Die Kindesmutter hatte zunächst ihren
gewöhnlichen Aufenthalt in H1. und verzog am 15. Juni 2001 nach F. , wo sie in einer
Wohngemeinschaft der Caritas ambulant betreut wurde. Von dort aus wechselte sie in
die stationäre Einrichtung der Caritas, I1. U. , in H1. . Dort blieb sie bis zum 7. April
2003. Zum 1. April 2003 mietete die Kindesmutter eine Wohnung in H1. . Dort wurde sie
durch den Caritasverband in H1. ambulant betreut, und zwar zunächst mit einem
Betreuerschlüssel von 1 zu 6 und später von 1 zu 4. Zum 13. November 2003 zog die
Kindesmutter innerhalb von H1. um (von C.------straße 7 nach F1.--weg 7). In der Zeit
vom 2. Dezember 2003 bis 18. März 2004 befand sie sich im Landeskrankenhaus in M. ,
behielt jedoch die Wohnung in H1. , F1.--weg 7 bei.
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Mit Schreiben vom 21. August 2003 wandte sich die Klägerin an die Beklagte und wies
auf einen ihrer Ansicht nach eingetretenen Zuständigkeitswechsel hin. Nach
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Beendigung der stationären Hilfe im I1. U. in H1. habe die Kindesmutter ihren
gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb einer gem. § 89 e SGB VIII geschützten Einrichtung
begründet. Deshalb werde Kostenerstattung gem. § 89 c SGB VIII geltend gemacht.
Mit Schreiben vom 3. August 2004 erklärte sich die Beklagte bereit, den Hilfefall in die
eigene Zuständigkeit zu übernehmen. Sie stellte jedoch ihrerseits einen Antrag auf
Kostenerstattung für diese Jugendhilfe gem. § 89 e Abs. 1 i. V. m. 86 Abs. 1 SGB VIII.
Zugleich lehnte sie die beantragte Kostenerstattung für die vergangene Zeit ab und
führte zur Begründung aus, dass die Kindesmutter in einer betreuten Wohnform im
Sinne des § 89 e Abs. 1 wohne, weil sie aufgrund ihrer Erkrankung in ihrer eigenen
Wohnung durchgehend intensiv und planvoll betreut wurde und werde.
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Daraufhin teilte die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 10. Februar 2005 mit,
dass sie hinsichtlich eines Teilbetrages beabsichtige, Klage zu erheben und bat um
Verzicht auf Einrede der Verjährung.
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Nachdem die Beklagte mit Schreiben vom 12. April 2005 hinsichtlich des über den
eingeklagten Betrag hinausgehenden Anspruchs auf die Einrede der Verjährung
verzichtet hatte, erhob die Klägerin am 30. April 2005 die vorliegende Klage. Sie meint
weiterhin, dass die Kindesmutter bereits mit ihrem Umzug in das I1. U. in H1. ,
spätestens aber mit dem Umzug von dort in die eigene Wohnung einen gewöhnlichen
Aufenthalt in H1. begründet habe, so dass die Beklagte für die Jugendhilfemaßnahmen
des Hilfeempfängers zuständig gewesen sei. Nach Auszug aus der stationären
Einrichtung in eine eigene Wohnung habe die Kostentragungspflicht der Klägerin gem.
§ 89 e SGB VIII geendet. Die ambulante Betreuung in der selbst angemieteten
Wohnung führe nicht zu einem Schutz der Beklagten wegen Unterbringung in einer
"sonstigen Wohnform" im Sinne des § 89 e SGB VIII.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 5.000 Euro nebst Zinsen i. H. v. 5 %
Punkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führt sie aus: Frau N1. sie psychisch krank und geistig behindert. Seit
vielen Jahren bestehe eine gesetzliche Betreuung, die insbesondere die
Gesundheitsfürsorge und die Aufenthaltsbestimmung beinhalte. In einem Bericht des
Amtes für Soziale Dienste vom 25. April 2003 werde ausgeführt, dass die Hilfebelange
von Frau N1. eigentlich im Rahmen einer stationären Betreuung abzudecken seien. Da
Frau N1. diese Hilfeform jedoch für sich ablehne, müssten ambulante Hilfen in Form des
betreuten Wohnens gem. § 39 ff. BSHG installiert werden, um bei Frau N1. eine
Stabilisierung im Defekt zu erreichen. Bei Frau N1. sei zunächst der zweit höchste
Betreuungsschlüssel (1:6), mit Wirkung zum 1. Oktober 2006 der höchste
Betreuungsschlüssel (1:4) bewilligt worden. Frau N1. sei nicht in der Lage gewesen,
ohne Betreuung zu leben. Aus dem Verlaufsbericht vom 18. Juni 2004 ergebe sich, dass
der Bezug der eigenen Wohnung nur möglich gewesen sei, weil übergangslos das
betreute Wohnen eingerichtet werden konnte. Deshalb habe die Betreuerin für Frau N1.
eine "sonstige Wohnform" im Sinne des § 89 e SGB VIII begründet mit der Folge, dass
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nicht die Beklagte, sondern die Klägerin für die Kosten aufkommen müsse.
Im übrigen verweist die Beklagte auf die von ihr eingeholten Stellungnahmen des
Deutschen Instituts für Jugendhilfe und Familienrecht e. V. (DIJUF).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie die vorgelegten Verwaltungsvorgänge (6
Hefte) ergänzend Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage zulässig und begründet. Der Klägerin steht
der geltend gemachte Anspruch auf Kostenerstattung zu. Ein solcher Anspruch ergibt
sich aus § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII (vgl. dazu 1.). Diesem Anspruch steht - entgegen
der Ansicht der Beklagten - § 89 e SGB VIII nicht entgegen (vgl. dazu 2.).
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1. Gemäß § 89 c Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kosten, die ein örtlicher Träger im Rahmen
seiner Verpflichtung nach § 86 c SGB VIII aufgewendet hat, von dem örtlichen Träger zu
erstatten, der nach dem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit zuständig geworden ist.
Die Klägerin war zunächst örtlich zuständiger Träger (a). Auf Grund der Wohnsitznahme
der Kindesmutter in H1. wechselte jedoch die örtliche Zuständigkeit zur Beklagten (vgl.
b.). Die Klägerin hat auch im Rahmen ihrer Verpflichtung nach § 86 c SGB VIII Kosten
aufgewendet (vgl. c.).
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a. Die Zuständigkeit für die Erbringung von Leistungen nach dem SGB VIII richtet sich
nach § 86 SGB VIII. Nach dessen Abs. 1 richtet sich die Zuständigkeit des örtlichen
Trägers grundsätzlich nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern bzw. des
Aufenthalts der Mutter, wenn und so lange die Vaterschaft nicht anerkannt oder
gerichtlich festgestellt ist (§ 86 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VIII). Die allein sorgeberechtigte
Kindesmutter, die zunächst ihren gewöhnlichen Aufenthalt in H1. hatte, verzog am 15.
Juni 2001 nach F. , wo sie in einer Wohngemeinschaft der Caritas ambulant betreut
wurde. Damit begründete sie in F. ihren gewöhnlichen Aufenthalt.
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Die Feststellung eines gewöhnlichen Aufenthaltes richtet sich nach § 30 Abs. 3 SGB I.
Danach hat jemand den gewöhnlichen Aufenthalt dort, wo er sich unter Umständen
aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur
vorübergehend verweilt. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall durch die
Wohnsitznahme der Kindesmutter in der Wohngemeinschaft in F. erfüllt gewesen, da sie
sich dort zukunftsoffen aufhielt.
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b. Nachdem die Kindesmutter in die stationäre Einrichtung der Caritas, I1. U. , in H1.
wechselte, begründete sie dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung im
Sinne des § 89 e SGB VII. Dies wird durch die Kostentragung und die Art der Betreuung
der Kindesmutter nachgewiesen. So wurden die Kosten vom Landschaftsverband
Westfalen-Lippe als überörtlichem Träger der Sozialhilfe nach § 100 Abs. 1 Nr. 5 BSHG
getragen. Inhaltlich handelte es sich um Eingliederungshilfe in Form stationärer
Unterbringung im Wohnheim "I1. U. " und teilstationärer Betreuung in der Werkstatt für
behinderte Menschen.
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Kraft Gesetzes trat zu diesem Zeitpunkt ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit
dahingehend ein, dass die Beklagte im Hilfefall des minderjährigen Kindes der
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Kindesmutter zuständig wurde. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die
Kindesmutter ihren gewöhnlichen Aufenthalt in H1. zunächst in einer stationären
Einrichtung im Sinne des § 89 e SGB VIII begründet hat. Anders als in §§ 86 a Abs. 2
und 86 b Abs. 1 Satz 2 SGB VIII ist in § 86 SGB VIII nicht bereits der Schutz von
Einrichtungsorten in die Zuständigkeitsregelung integriert. Dies ergibt sich eindeutig aus
der Gesetzesbegründung zu § 89 e SGB VIII (BT-Drucksache 12/2866/1992 (abgedruckt
in Jans/Happe/Saurbier, a. a. O., § 89 e Anmerkung 3. Dort heißt es: "Soweit die örtliche
Zuständigkeit an den gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern, eines Elternteils des Kindes
oder des Jugendlichen angeknüpft wird und die in Betracht kommende Person im
Einzelfall einen gewöhnlichen Aufenthalt in einer Einrichtung oder sonstigen Wohnform
(etwa im Rahmen des Strafvollzugs, der stationären psychiatrischen Versorgung oder in
einem Frauenhaus) begründet hat, knüpft der Entwurf die örtliche Zuständigkeit
dennoch bei dem örtlichen Träger an, in dessen Bereich die Einrichtung oder sonstige
Wohnform gelegen ist. ...Um jedoch auch in diesen Fällen eine überproportionale
finanzielle Belastung der kommunalen Gebietskörperschaften zu vermeiden, in deren
Einzugsbereich sich Einrichtungen befinden ..., sieht die Vorschrift eine Verpflichtung
zur Kostenerstattung durch den örtlichen Träger vor, in dessen Bereich die Person vor
der Aufnahme in eine Einrichtung den gewöhnlichen Aufenthalt hatte".
Auch der weitere Wechsel des Aufenthaltes durch Auszug aus der stationären
Einrichtung I1. U. in eine eigene Wohnung in H1. führte nicht zu einem erneuten
Zuständigkeitswechsel. Vielmehr hatte die Kindesmutter weiterhin ihren gewöhnlichen
Aufenthalt im Gemeindegebiet der Beklagten.
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c. Die Klägerin hat als bisheriger örtlicher Träger im Rahmen ihrer Verpflichtung nach §
86 c SGB VIII Kosten aufgewendet. Danach bleibt der bisher zuständige örtliche Träger
so lange zur Gewährung der Leistung verpflichtet, bis der nunmehr zuständige örtliche
Träger die Leistung fortsetzt. Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass ein Wechsel der
örtlichen Zuständigkeit nicht zu einem Ausfall oder einer Verzögerung bei der
Erbringung von Leistungen der Jugendhilfe führt. Damit setzt die Vorschrift lediglich
voraus, dass während des laufenden Hilfeprozesses ein Zuständigkeitswechsel eintritt.
Für die Anwendung dieser Vorschrift kommt es allein auf die objektiven Tatsachen des
Eintritts des Wechsels der Zuständigkeit und des Ausbleibens der Tätigkeit des
zuständig gewordenen Trägers an, da der Wechsel der örtlichen Zuständigkeit nicht
vom Tätigwerden eines Trägers abhängig ist, sondern Kraft Gesetzes eintritt.
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2. Die Geltendmachung des Kostenerstattungsanspruchs durch die Klägerin verstößt
auch nicht gegen den auch im öffentlichen Recht zu beachtenden Grundsatz von Treu
und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -), wonach die Geltendmachung
einer Forderung gegen Treu und Glauben verstößt, wenn der Gläubiger das Geleistete
zurückerstatten müsste (Pflicht zur alsbaldigen Rückgewähr), da der Beklagten der
insoweit geltend gemachte Anspruch gemäß § 89 e SGB VIII nicht zusteht.
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Damit der Schutz der Einrichtungsorte gemäß § 89 e SGB VIII eingreift, müssen die
hierfür gesetzlich normierten Tatbestandsvoraussetzungen gegeben sein. Danach muss
sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt der Eltern, eines Elternteils,
des Kindes oder des Jugendlichen richten und es muss darüber hinaus dieser
gewöhnliche Aufenthalt in einer Einrichtung, einer anderen Familie oder sonstigen
Wohnform begründet worden sein, die der Erziehung, Pflege, Betreuung, Behandlung
oder dem Strafvollzug dient.
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Das bedeutet, dass die jeweilige Bezugsperson ihren gewöhnlichen Aufenthalt
innerhalb des in Rede stehenden Zeitraums in einer Institution im Sinne des § 89 e SGB
VIII begründet haben muss. Dabei verlangt § 89 e SGB VIII nicht, dass der Aufenthalt in
einer der genannten Aufenthaltsstellen öffentlich-rechtlich veranlasst sein müsste.
Jedoch setzt § 89 e SGB VIII voraus, dass die genannten Aufenthaltsstellen ihre
Funktion gewissermaßen institutionalisiert ausüben, das heißt, dass sie nicht nur einer
ganz bestimmten Person offen stehen.
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Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2004 - BVerwG 5 C 39.03 -, NJW 2005, 1593
ff.; Stähr in Hauck, SGB VIII, Kinder- und Jugendhilfekommentar, § 89 e Rn. 4 a; Kunkel,
Lehr- und Praxiskommentar (LPK), SGB VIII, 2. Aufl., § 86 a Rn. 6.
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Voraussetzung für den durch § 89 e Abs. 1 SGB VIII ausgelösten "Schutz des
Einrichtungsortes" ist deshalb, dass es sich bei der Tatbestandsvariante "sonstige
Wohnform" um eine solche mit institutionalisiertem Rahmen handelt, d. h. um eine
Wohnform, bei der auf Grund ständiger flankierender Maßnahmen stationäre oder
teilstationäre Leistungen erbracht werden. Eine auf dem freien Markt angemietete
Privatwohnung, in die ambulante Leistungen "hineingetragen" werden, kann nach
Überzeugung des Gerichts die Voraussetzungen des § 89 e Abs. 1 SGB VIII nicht
erfüllen.
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Vgl. so auch VG Aachen, Urteil vom 27. September 2005 - 2 K 1422/02 -.
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Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet das, dass es sich um eine Wohnung
handeln müsste, in der nicht nur die Kindesmutter, sondern auch andere hilfebedürftige
Personen betreut werden könnten. Dies ist in der vorliegenden Konstellation nicht
möglich. So stand weder das Heim, in dem die Kindesmutter zuvor untergebracht war,
noch die Caritas als deren Träger als Mieter oder Ausfallbürge in Rede. Vielmehr hatte
die Kindesmutter die Wohnung selbst angemietet, weil sie die bisher erbrachte
institutionalisierte Hilfe in Form der stationären Unterbringung ablehnte.
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Der Umstand, dass die Kindesmutter gleichwohl weiterhin der Betreuung bedurfte und
diese auch im Rahmen einer ambulanten Hilfe erlangt hat, führt nicht dazu, dass es sich
bei der von der Kindesmutter selbst angemieteten Wohnung um eine institutionalisierte
Hilfe im Sinne des § 89 e SGB VIII handelte. Soweit die Beklagte meint, dass bei dieser
Auslegung des Begriffs "sonstige Wohnform" leer liefe, kann dem nicht zugestimmt
werden. Wie sich bereits aus der Überschrift des § 89 e SGB VIII ergibt, bezweckt die
Norm den Schutz von Einrichtungsorten. Durch die Hinzufügung des Begriffs "sonstige
Wohnform" wollte der Gesetzgeber sonstige Unterbringungsformen, etwa im Rahmen
des Strafvollzuges, der stationären psychiatrischen Versorgung oder in einem
Frauenhaus (vgl. dazu Regierungsbegründung, BT-Drucksache 12/2866/1992) in den
Schutz mit einschließen. Nicht bezweckt war damit jedoch die Einbeziehung von
ambulanter Hilfe, die im Anschluss an eine stationäre Unterbringung gewährt wird.
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Auch ist dieser Vorschrift kein "nachwirkender" Schutz der Einrichtungsorte über den
Zeitpunkt hinaus, in dem ein gewöhnlicher Aufenthalt in einer Institution begründet war,
zu entnehmen. Endet der gewöhnliche Aufenthalt der Bezugsperson in einer Institution,
endet demnach auch der Einrichtungsschutz nach § 89 e SGB VIII.
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Vgl. dazu OVG NRW, Beschlüsse vom 19.08.2005 - 12 A 2121/05 - und 12 A 1995/05
m. w. N..
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Dazu führt das OVG in den genannten Entscheidungen aus:
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"Die Vermeidung einer Kostenbelastung, die sich nicht unmittelbar aus einem die
Zuständigkeit des örtlichen Trägers begründenden gewöhnlichen Aufenthalt einer
Bezugsperson in einer derartigen Institution ergibt, war seinerzeit offenkundig nicht das
Ziel der gesetzlichen Regelung. Andernfalls hätte es nahe gelegen, dies - wie in der
vergleichbaren Fallgestaltung erfassenden Regelung des § 103 Abs. 3 BSHG für das
Sozialhilferecht geschehen - im Gesetz zum Ausdruck zu bringen." Soweit die Beklagte
meint, der Schutz der Einrichtungsorte sei vom Gesetzgeber als lückenlos gedacht
worden mit der Folge, dass er auch über seine konkrete gesetzliche Ausgestaltung
Hinausgeltung haben müsse, lassen sich aus der amtlichen Begründung des Entwurfs
der Bundesregierung für das erste Gesetz zur Änderung des achten Buches
Sozialgesetzbuch (BT Drucksache 12/2866) keine Anteilspunkte für die beabsichtigte
Erstellung eines derart umfassenden Rechtsprinzips gewinnen.
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Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 29.09.2006 - 5 B 8/06 - und BVerwG Urteil vom
25.10.2004 - 5 C 39/03 -, NJW 2005, 1593 f.
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Der Zinsanspruch ergibt sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 288, 291
BGB.
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Vgl. zur Verzinsung sozialhilferechtliche Erstattungsansprüche: BVerwG, Urteil vom
22.02.2001 - 5 C 34/00 -, DVBL 2001, 1067 ff.
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Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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