Urteil des VG Münster vom 18.01.2006
VG Münster: bebauungsplan, gemeinde, eigentümer, grundstück, eingriff, landschaft, stadt, satzung, neuanlage, ausweisung
Verwaltungsgericht Münster, 3 K 3960/03
Datum:
18.01.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 3960/03
Tenor:
für Recht erkannt:
Der Bescheid des Beklagten vom 27. September 2002 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2003 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Kläger wenden sich gegen ihre Heranziehung zu einem Kostenerstattungsbetrag
nach den §§ 135 a ff BauGB. Sie sind Eigentümer des Grundstücks „B. M. 23",
(Gemarkung C. , Flur 39. Flurstück 296) in C. , das mit einem Reihenhaus bebaut ist.
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Die Ausweisung dieser Reihenhauszeile auf dem ehemaligen Flurstück 283 erfolgte
durch das im Jahre 1997 eingeleitete 1. Änderungsplanverfahren zum Bebauungsplan
SO 28 mit dem Ziel, die planungsrechtliche Absicherung eines neuen, östlich davon
liegenden Sportplatzes (Flurstück 281) zu ermöglichen. Die vorgesehene geschlossene
Wohnbebauung sollte die bereits westlich der Straße „B. M. „ bestehende
Wohnbebauung lärmschutzmäßig von dem neuen Sportplatz abschirmen. Auf dem
zwischen der Reihenhauszeile und dem Sportplatz gelegenen 1.610 qm großen
Geländestreifen (Flurstück 282) sollte eine Grünanlage entstehen als Ausgleich für die
Versiegelung von Natur- und Landschaftsflächen durch die Wohnbebauung.
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In dem Erläuterungsbericht zur Änderung des Flächennutzungsplans sowie zur
Begründung der 1. Änderung des Bebauungsplanes SO 28 vom 16. Mai 1997 ist unter
Punkt 8. „Landschaftspflegerischer Fachbeitrag" eine Eingriffsbilanzierung enthalten,
die sich zur Ermittlung des Umfangs benötigter Ausgleichsflächen und deren
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Herrichtung verhält. In dem Nachtrag zu diesem Erläuterungsbericht vom 9. Oktober
1997 wird zu diesem Punkt folgende Ergänzung getätigt:
Zuordnung der Kompensationsmaßnahmen
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Den durch die Wohnbebauung zu erwartenden Eingriff in den Naturhaushalt und das
Landschaftsbild werden als Kompensationsmaßnahmen zum einen die Neuanlage
eines Gehölzstreifens im Norden, Osten und Süden der Wohnbebauung östlich der
Straße „B. M. „ (Gesamtgröße des Gehölzstreifens: 1.610 qm - siehe Anlage zum
Nachtrag der Begründung) und zum anderen 1.330 qm der Aufforstungsfläche im
Bereich der H. -B1. - Straße zugeordnet.
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Die übrigen neu anzulegenden Gehölzflächen im Bebauungsplangebiet einschließlich
des Begleitgrünes der Stellplatzanlage (Gesamtgröße: 850 qm) und 4.230 qm der
Aufforstungsfläche sind den zu erwartenden Eingriffen durch die Neuanlage des
Sportplatzes und der Stellplatzanlage zugeordnet.
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Der 1. Änderungsplan zum Bebauungsplan SO 28 vom 19. November 1997, der B. 9.
April 1998 in Kraft trat, weist das Flurstück 282 als öffentliche Grünfläche aus und sieht
gemäß der in Bezug genommenen textlichen Festsetzung F 2 die Anpflanzung von
heimischen standortgerechten Gehölzen vor.
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Mit Grundstückskaufvertrag vom 5. Februar 1998 erwarb die Stadt C. u.a. das Flurstück
282 (Geländestreifen). Neben dieser im Bebauungsplan gelegenen Ausgleichsfläche
von insgesamt 1.610 qm berücksichtigte der Beklagte des Weiteren eine Fläche von
1.330 qm aus dem Ausgleichspool (Stenern/Barlo) an der W. Straße. Die Aufforstung
dieser Fläche erfolgte im Jahre 1999/2000.
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B. 26. Juli 2002 beschloss der Rat der Stadt C. die neue Satzung über die Erhebung
von Kostenerstattungsbeträgen nach §§ 135 a bis 135 c BauGB (im Folgenden: KES),
die rückwirkend zum 1. März 2000 in Kraft trat und die die auf der Grundlage des § 8 a
BNatSchG ergangene Satzung vom 21. Juli 1995 ablöste.
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Auf der Grundlage dieser Satzung ermittelte der Beklagte einen Gesamtaufwand für die
Ausgleichsmaßnahmen (Grunderwerb bzw. Pacht und Herstellungskosten) in Höhe von
28.258,41 Euro. Unter Berücksichtigung einer auszugleichen Gesamtfläche im
Baugebiet von 919,60 qm bei einer Grundflächenzahl von 0,4 gelangte der Beklagte zu
einem Beitragssatz von 30,73 Euro/qm.
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Mit Bescheid vom 27. September 2002 zog der Beklagte die Kläger für ihr 182 qm
großes Grundstück unter Zugrundelegung einer Grundflächenzahl von 0,4 (= 72,80 qm)
zu einem Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 2.237,07 Euro heran.
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Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Kläger wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2003 als unbegründet zurück.
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B. 22. August 2003 haben die Kläger die vorliegende Klage erhoben, zu deren
Begründung sie vortragen: Der der Beitragsveranlagung zu Grunde liegende
Bebauungsplan biete keine hinreichende Grundlage für die Heranziehung zu
Kostenerstattungsbeträgen. Es fehle bereits die gemäß § 135 a Abs.2 S.1 iVm § 9 Abs.
1 a S.2 BauGB notwendige Zuordnungsfestsetzung im Bebauungsplan. Hierzu werde
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auf den Beschluss des Gerichts vom 30. Juni 2004 in dem Verfahren W1. ./. OB der
Stadt C. (3 L 313/04) verwiesen. Es sei nicht nachvollziehbar, welche konkrete
Ersatzfläche im Flächenpool dem streitgegenständlichen Bebauungsplan zugeordnet
sei, da dieser insoweit keine textlichen Festsetzungen enthalte. Außerdem bestehe im
Vergleich der versiegelten Fläche von 919,60 qm zu den insgesamt vom Beklagten in
die Kostenrechnung eingestellten Ausgleichsflächen von 2.940 qm ein offensichtliches
Missverhältnis. Auch fehle es an einer nachvollziehbaren ökologischen Gesamtbilanz.
Es seien keine Erhebungen über das von den Klägern bebaute Grundstück und die
ursprünglich gegebenen ökologischen Richtwerte vorgelegt worden. Auch die im
Oktober 2005 erfolgte Einleitung eines vereinfachten Änderungsverfahrens des
Bebauungsplans SO 28, mit dem eine Zuordnungsfestsetzung in den Bebauungsplan
eingefügt werden solle, ändere an der rechtlichen Bewertung nichts. Abgesehen davon,
dass solch eine Änderung, welche die Grundzüge der Planung betreffe, nicht in einem
vereinfachten Verfahren durchgeführt werden dürfe, könne der Änderung auch keine
Rückwirkung zukommen. Überdies enthalte die getroffene Planungsentscheidung zum
1. Änderungsplan im Jahre 1997 auch keine Abwägungsentscheidung zu diesem Punkt
und biete demnach keine hinreichende Grundlage.
Die Kläger beantragen,
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den Bescheid des Beklagten vom 27. September 2002 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2003 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt
aus: Der Änderungsbebauungsplan stelle auch ohne eine Zuordnungsfestsetzung eine
hinreichende Grundlage dar. Die einschlägigen Vorschriften der §§ 135 a ff BauGB iVm
§ 9 Abs. 1 a BauGB bzw. § 1 a Abs.3 BauGB enthielten keine abschließende
verbindliche Regelung dahingehend, dass Kostenerstattungsansprüche der Gemeinde
nur im Falle der Zuordnungsfestsetzung geltend gemacht werden könnten. So sehe § 1
a Abs.3 S.4 BauGB die Möglichkeit vor, dass die Kommune in ihrem Bebauungsplan auf
Festsetzungen verzichten könne, wenn es Alternativen gäbe, deren Realisierung
hinreichend gesichert sei; etwa durch vertragliche Vereinbarungen oder durch sonstige
geeignete Maßnahmen, wie die Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen auf von der
Gemeinde bereitgestellten Flächen. Es wäre widersinnig, wenn der Gesetzgeber trotz
der Bereitstellung solcher Alternativen auf der Kostenerstattungsebene dann doch eine
Zuordnungsfestsetzung verlangte. Denn dies bedeutete, dass angesichts der Finanznot
der Kommunen ein naturschutzrechtlicher Ausgleich durch „sonstige geeignete
Maßnahme" in der Praxis mangels Refinanzierungsmöglichkeit nicht umsetzungsfähig
wäre. Die Ausgleichsmaßnahme sei für sich genommen auch nicht unverhältnismäßig.
Gegen die Festsetzungen, die den Rahmen für die Ausgleichsmaßnahmen bildeten,
habe es keinerlei Einwendungen im Zuge des Bebaungsplanverfahrens gegeben. Im
Übrigen sei auf den landschaftspflegerischen Fachbeitrag zum Bebauungsplan zu
verweisen. Die versiegelte Gesamtfläche von 2.299 qm stünde auch nicht zu der
ausgewiesenen Ausgleichsfläche von 2.940 qm außer Verhältnis. Rein vorsorglich sei
im Oktober 2005 ein vereinfachtes Änderungsverfahren eingeleitet worden mit dem Ziel,
eine Zuordnungsfestsetzung in den Bebauungsplan einzufügen. Auf Grund geltend
gemachter Einwendungen sein ein Abschluss des Verfahrens allerdings noch nicht
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absehbar.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e Die Klage, über die die Berichterstatterin im
Einverständnis der Beteiligten an Stelle der Kammer ohne mündliche Verhandlung
gemäß §§ 87 a Abs.3, 101 Abs.2 VwGO entscheidet, ist zulässig und begründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 27. September 2002 in Gestalt des
Widerspruchsbescheids vom 22. Juli 2003 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in
ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Der Beklagte hat die Kläger zu Unrecht auf der Grundlage der §§ 135 a ff BauGB iVm
der Satzung der Stadt C. über die Erhebung von Kostenerstattungsbeträgen vom 26. Juli
2002 zu einem Kostenerstattungsbetrag in Höhe von 2.237,07 Euro wegen der auf
gemeindeeigenen Grundstücken durchgeführten Ausgleichsmaßnahmen
herangezogen.
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Nach §§ 1, 2 Abs.1 KES iVm §§ 135 a bis c BauGB erhebt die Stadt C.
Kostenerstattungsbeträge für die Durchführung von zugeordneten Ausgleichs- und
Ersatzmaßnahmen. Vorliegend sind diese Voraussetzungen für die Geltendmachung
eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber den Klägern nicht erfüllt.
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Zwar wurden unstreitig durch den Beklagten Ausgleichsmaßnahmen auf dazu
erworbenen Flächen (d.h. auf dem im Bebauungsplangebiet gelegenen Geländestreifen
sowie auf einem Teilbereich des Flächenpools an der W. Straße) durchgeführt.
Ausweislich der Bebauungsplanänderungsunterlagen (s. dazu Erläuterungs - und
Ergänzungsbericht unter Punkt 8. „landschaftspflegerischer Fachbeitrag") sollten diese
Maßnahmen als Ausgleich für die durch den Änderungsplan erfolgte Ausweisung einer
vormals landwirtschaftlich genutzten Fläche als Bauland fungieren, da die erfolgte
erstmalige Überplanung des ehemaligen Flurstücks 282 - und damit u.a. auch des
nunmehrigen Bereichs des klägerischen Grundstücks (Flurstück 296) - als Eingriff in
Natur und Landschaft gewertet wurde.
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Indes wurden diese Ausgleichsmaßnahmen den Eingriffsgrundstücken - und damit auch
dem Grundstück der Kläger - nicht im Sinne von §§ 1, 2 Abs.1 KES iVm § 135 a Abs.2
BauGB wirksam zugeordnet. Dies ergibt sich aus Folgendem:
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Die Bestimmungen der §§ 135 a bis c BauGB sind als Teil der naturschutzrechtlichen
Eingriffsnormen im BauGB zu sehen und knüpfen an die in § 1 a Abs.3 BauGB
getroffenen Regelungen über den Ausgleich von Eingriff in Natur und Landschaft durch
die Bauleitplanung sowie an die in § 9 Abs.1 a BauGB aufgezeigten Möglichkeiten der
Festsetzungen auf der Bauplanungsebene, zu denen auch die Zuordnung zählt, an. Je
nach Form des gewählten Ausgleichs auf der Bauleitebene für den zu erwartenden
Eingriff in Natur und Landschaft (vgl. § 1 a Abs.3 BauGB) stellen die §§ 135 a bis c
BauGB unterschiedliche Anforderungen an den Vollzug der Ausgleichsmaßnahmen
und an eine evtl. Kostenerstattung. Von der Konzeption her gehen die Regelungen der
§§ 135 a bis c BauGB dabei von dem Verursacherprinzip aus. Dies bringt § 135 a Abs.1
BauGB zum Ausdruck, wonach festgesetzte Maßnahmen zum Ausgleich im Sinne des §
1 a Abs.3 BauGB in erster Linie vom Vorhabenträger durchzuführen sind. Eine solche
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Verpflichtung besteht jedoch nur dann, wenn die Maßnahmen zum Ausgleich auf dem
Eingriffsgrundstück selbst entsprechend der Festsetzung (vgl. § 1 a Abs.3 iVm § 9 Abs.1
a S.1, 1. Alternative BauGB) durchzuführen sind, denn nur unter dieser Prämisse ist der
Eigentümer zur Realisierung in der Lage. In diesen Fällen stellt sich schon nicht die
Frage der Kostenerstattung. Ist hingegen - wie hier - ein Ausgleich für zu erwartende
Eingriffe in Natur und Landschaft nicht auf dem Eingriffsgrundstück selbst, sondern an
anderer Stelle vorgesehen, so bestimmt § 135 a Abs.2 BauGB, dass in den Fällen, in
denen Maßnahmen zum Ausgleich an anderer Stelle den Grundstücken nach § 9 Abs.1
a BauGB zugeordnet sind, die Gemeinde diese Ausgleichsmaßnahmen an Stelle und
auf Kosten der Vorhabenträger oder der Eigentümer der Grundstücke durchführen und
auch die hierfür erforderlichen Flächen bereitstellen soll, sofern dies nicht auf andere
Weise gesichert ist. Die insoweit anfallenden Kosten kann die Gemeinde gemäß § 135
a Abs.3 BauGB geltend gemacht werden, sobald die Grundstücke, auf denen Eingriffe
zu erwarten sind, baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen. Zur Deckung ihres
Aufwands für Maßnahmen zum Ausgleich einschließlich der Bereitstellung hierfür
erforderlicher Flächen ist die Gemeinde gemäß § 135 a Abs.3 S.2 BauGB berechtigt,
einen Kostenerstattungsbetrag zu erheben. Die Erstattungspflicht entsteht mit der
Herstellung der Maßnahmen zum Ausgleich durch die Gemeinde. Der Betrag ruht als
öffentliche Last auf dem Grundstück.
Die Berechtigung der Gemeinde zur Erhebung eines Kostenerstattungsbetrags für von
ihr durchgeführte Ausgleichsmaßnahmen ist mithin gemäß § 135 a Abs.2 S.1 BauGB
iVm § 9 Abs.1 a S.2 BauGB an die Zuordnung geknüpft. Dabei genügt es nicht, wenn
den Bebauungsplanunterlagen entnommen werden kann, dass bestimmte
Ausgleichsflächen den Grundstücken, auf denen Eingriffe in Natur und Landschaft zu
erwarten sind, zugeordnet werden. Vielmehr bedarf es angesichts des eindeutigen
Wortlauts der Bestimmung des § 135 a Abs.2 S.1 BauGB nebst deren Bezugnahme auf
die Vorschrift des § 9 Abs.1 a BauGB einer Zuordnung in Form einer Festsetzung des
Bebauungsplans.
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Die Vorschrift des § 9 Abs.1 a S.2 BauGB bestimmt, dass Flächen oder Maßnahmen
zum Ausgleich an anderer Stelle den Grundstücken, auf denen Eingriffe zu erwarten
sind, ganz oder teilweise zugeordnet werden können. Der 2. Halbsatz dieser Norm sieht
dies ausdrücklich auch für Maßnahmen auf von der Gemeinde bereitgestellten Flächen
vor. Bei der Zuordnung handelt es sich um eine Festsetzung des Bebauungsplans. Sie
beinhaltet die Zuordnung bestimmter Ausgleichsflächen und -maßnahmen zu dem
Grundstück, auf dem der Eingriff zu erwarten ist (Baugrundstück). Mit ihr wird eine
Verknüpfung zwischen dem Eingriffsgrundstück und den Ausgleichsflächen und -
maßnahmen hergestellt. Diese bildet sodann die Grundlage für die Durchführung und
Kostenerstattung von Ausgleichsmaßnahmen nach §§ 135 a ff BauGB.
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Vgl.:Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger,Baugesetz- buch, Loseblatt-Kommentar
(Stand: April 2005), § 9 Rn. 238 und § 1 a Rn.101.
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Zwar handelt es sich bei der Zuordnung um keine zwingende Festsetzung. Vielmehr
steht es der Gemeinde frei, eine solche Zuordnungsentscheidung zu treffen. Soll
allerdings der Eigentümer oder Vorhabenträger des Eingriffsgrundstücks nach
Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen an den Kosten beteiligt werden, so bedarf es
auf Grund der Vorschrift des § 135 a Abs.2 S.1 BauGB einer entsprechenden
Zuordnung. Die Zuordnungsfestsetzung dient mithin ausschließlich dem Zweck, der
Gemeinde über die §§ 135 a ff BauGB die Finanzierung der von ihr durchgeführten
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Ausgleichsmaßnahmen zu ermöglichen. Führt die Gemeinde die
Ausgleichsmaßnahmen - wie vorliegend - auf ihren eigenen Grundstücken durch, so
bedarf es für die Geltendmachung eines Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem
Eigentümer des Eingriffsgrundstücks oder dem Vorhabenträger auch hierfür einer
entsprechenden Zuordnungsfestsetzung im Eingriffsbebauungsplan. Die
Zuordnungsfestsetzung gemäß § 9 Abs.1 a BauGB ist mithin konstitutive Voraussetzung
für die Geltendmachung eines derartigen Kostenerstattungsanspruchs.
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2005 - 5 S 2507/04 -, in: DÖV
2005, 787; VG Münster, Beschluss vom 30. Juni 2004 - 3 K 313/04 -; VG Dresden,
Beschluss vom 4. August 2002 - 4 K 972/00 -, in: NVwZ-RR 2001, 582;
Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Krautzberger, aa0, § 1 a Rn.101; Battis/Krautzberger/Löhr,
Baugesetzbuch, 8. Aufl., § 1 a Rn.47 und § 9 Rn. 98b; Gierke in Brügelmann,
Baugesetzbuch, Loseblattkomenntar (Stand: März 2004), § 1 a Nr. 4.4.4.2 und 4.4.5;
Birk, Die Kostenerstattung bei naturschutzrechtlichen Eingriffsregelungen unter
besonderer Berücksichtigung des Erschließungsbeitragsrechts, in: VBlBW, 1998, 81 ff.
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Aus der vorstehend dargestellten Konzeption ist mithin ersichtlich, dass der
Gesetzgeber es der Gemeinde überlässt, ob sie eine solche Zuordnungsfestsetzung trifft
und damit die Voraussetzungen für eine Kostenerstattung nach §§ 135 a bis c BauGB
schafft oder nicht.
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Vgl. BverwG, Beschluss vom 16. März 1999 - 4 BN 17.98 -, in: BauR 2000, 242 zu § 8 a
Abs.1 S.4 BnatSchG idF. v. 22. April 1993.
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Setzt die Gemeinde eine Zuordnung nicht fest, so obliegt es ihr, in einem solchen - von
§ 135 a BauGB nicht erfassten - Fall, die Ausgleichsmaßnahmen auf ihre Kosten
durchzuführen, soweit sie dazu auch ohne Zuordnungsfestsetzung in der Lage ist (auf
eigenen Grundstücken oder mit Zustimmung von Grundstückseigentümern).
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Vgl. VGH Baden- Württemberg, Beschluss vom 31. März 2005, aa0.
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Entgegen der Auffassung des Beklagten sind die in § 1 a Abs.3 BauGB vorgesehenen
unterschiedlichen Möglichkeiten zur Schaffung von Ausgleichsmaßnahmen keinesfalls
in sich widersprüchlich oder praxisfern. Denn die Gemeinde hat es bei der Planung in
der Hand, welche Form der Gestaltung und damit auch der Finanzierung sie im Falle
von notwendig werdenden Ausgleichsmaßnahmen wählt. Neben der Möglichkeit, dass
der Grundstückseigentümer oder Vorhabenträger selbst Ausgleichsmaßnahmen auf
seinem (Eingriffs-)Grundstück durchzuführen hat, kann die Gemeinde auch durch
vertragliche Vereinbarungen die Realisierung von Ausgleichsmaßnahmen sicherstellen.
Daneben bleibt ihr die Möglichkeit, auf eigene Kosten solche Maßnahmen zu vollziehen
oder aber dies auf Kosten der Verursacher zu tun, was dann aber die Existenz einer
Zuordnungsfestsetzung im Bebauungsplan voraussetzt.
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Vorliegend hat der Beklagte die Kläger als Eigentümer des Grundstücks Gemarkung C. ,
Flur 39, Flurstück 296 aufgrund selbst durchgeführter Ausgleichsmaßnahmen auf
gemeindeeigenen Flächen in Anspruch genommen, ohne dass eine Zuordnung der
Maßnahmen zu dem Grundstück der Kläger ersichtlich ist. Der maßgebliche 1.
Änderungsplan zum Bebauungsplan SO 28 enthält eine solche Zuordnungfestsetzung
im Sinne des § 9 Abs. 1 a S.2 BauGB nicht. Der Änderungsplan weist lediglich den
zwischen dem Sportplatz und der Reihenhauszeile gelegenen Geländestreifen
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(Flurstück 282) als öffentliche Grünfläche aus und sieht gemäß der Bezugnahme auf die
textliche Festsetzung F 2 die Anpflanzung von heimischen standortgerechten Gehölzen
vor. Dass die vorgesehene Begrünung der Fläche - zumal nur u.a. - als
Ausgleichsmaßnahme für die erfolgte Ausweisung der Baugrundstücke und des damit
zu erwartenden Eingriffs in Natur und Lanschaft fungieren soll, ist dem Bebauungsplan
nicht zu entnehmen. Auch die Begründung zur Änderungs des Bebauungsplan SO 28
vom 16. Mai 1997 verhält sich zur Frage der Zuordnung nicht. Unter Punkt 8.
„landschaftpflegerischer Fachbeitrag" ist lediglich eine Eingriffsbilanzierung zu finden,
die eine Ermittlung des Umfangs benötigter Ausgleichsflächen und deren Herrichtung
enthält. Von einer Zuordnung der Kompensationsmaßnahmen ist erst in dem
Ergänzungsbericht vom 9. Oktober 1997 die Rede. Auch hier wird allerdings nur
allgemein angeführt, dass den durch die Wohnbebauung zu erwartenden Eingriffen in
den Naturhaushalt und das Landschaftsbild als Kompensationsmaßnahmen zum einen
die Neuanlage eines Gehölzstreifens im Norden, Osten und Süden der Wohnbebauung
östlich der Straße „B. M. „ und zum anderen 1.330 qm der Aufforstungsfläche im Bereich
der H. -B1. -Straße zugeordnet werden. Ob eine solche allgemeine Zuordnung ohne
weitergehende, die Eingriffsgrundstücke betreffende differenzierte Wertanalyse als
ausreichend angesehen werden kann und ob die vom Prozessbevollmächtigten der
Kläger gerügten Mängel hinsichtlich der Offenlegung und der Abwägung zum Tragen
kommen, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Denn jedenfalls enthält der 1.
Änderungsplan zum Bebauungsplan SO 28 selbst keine Aussagen über die
beabsichtigte Zuordnung der Ausgleichsmaßnahmen zu den Eingriffsgrundstücken.
Entgegen der Auffassung des Beklagten reichen allein in der Begründung eines
Bebauungsplans enthaltene Angaben für die Annahme einer wirksamen Zuordnung im
Sinne des § 9 Abs.1 a S.2 BauGB, die - wie bereits ausgeführt - eine Festsetzung
erfordert, nicht aus. Da es sich bei den Festsetzungen in einem Bebauungsplan um
rechtsverbindliche, für den Bürger unmittelbar geltende Regelungen handelt und im
Falle einer Zuordnung die Festsetzung kostenerstattungsrechtliche Konsequenzen für
den Eigentümer eines Eingriffsgrundstücks nach sich ziehen kann (vgl. §§ 135 a ff
BauGB), kann schon aus Gründen des Rechtsschutzes sowie dem Grundsatz der
Planbestimmtheit auf eine explizite Festsetzung im Rahmen einer Zuordnung nicht
verzichtet werden. Denn für den Eigentümer eines Grundstücks im Bebauungsgebiet
muss anhand des Bebauungsplans erkennbar sein, ob bezüglich seines Grundstücks
ein zu erwartender Eingriff in Natur und Landschaft vom Plangeber angenommen wird
und er ggf. mit Kostenerstattungsansprüchen für Ausgleichsmaßnahmen zu rechnen hat.
Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Gemeinde eine entsprechende
Zuordnung, die allein der Refinanzierung von Ausgleichsmaßnahmen dient, nicht
vorzunehmen braucht. Dem gemäß muss, damit eine wirksame Zuordnung im Sinne
des § 9 Abs.1 a S.2 BauGB angenommen werden kann, zumindest durch textliche
Festsetzungen im Eingriffsbebauungsplan auf von der Gemeinde zum Ausgleich
bereitgestellte Flächen verwiesen werden und es müssen diese den betroffenen
Eingriffsgrundstücken zugeordnet sein.
Vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 31. März 2005, aa0; VG Münster,
Beschluss vom 30. Juni 2004, aa0; VG Dresden, Beschluss vom 4. August 2002, aa0;
Ernst/Zinkhahn/Bielenberg, aa0 § 9 Rn. 238 f, Gierke, in: Brügelmann, aa0, § 1 a Nr.
4.4.4.2.
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Da vorliegend eine Zuordnungsfestsetzung dem Bebauungsplan nicht entnommen
werden kann, fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung für die Kostenheranziehung
der Kläger. Die Frage, ob die Zuordnung bereits beim Erlass des Bebauungsplans
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erfolgen muss oder im Wege einer Bebauungsplanänderung noch nachgeholt werden
kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn das vom Beklagten im Oktober 2005
eingeleitete vereinfachte Änderungsverfahren, mit dem eine Zuordnungsfestsetzung in
den Bebauungsplan eingefügt werden soll, ist noch nicht abschlossen. Nach eigenen
Angaben des Beklagten ist eine Beschlussfassung und damit ein in Kraft treten (vgl. §
10 Abs.1 und 3 BauGB) auf Grund vielschichtig getätigter Einwendungen seitens der
Kläger derzeit nicht absehbar. Eine Pflicht des Gerichts, diese Entwicklung abzuwarten,
besteht nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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