Urteil des VG Münster vom 22.10.2008

VG Münster: gemeinde, grundstück, kostenersatz, abwasseranlage, vorverfahren, eigentümer, anschluss, bestimmtheit, fälligkeit, satzung

Verwaltungsgericht Münster, 3 K 1356/07
Datum:
22.10.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 1356/07
Normen:
§ 10 As. 1, Abs. 2 KAG § 2 Abs. 1 KAG
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 00.00.0000 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten der Klägerin für das
Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor in
gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Hausgrundstücks A. U. S. 00 im Gebiet der
Gemeinde M. . Der Abwasserbetrieb der Gemeinde M. ließ das Grundstück im Jahr
2003 an das A. Abwassernetz der Gemeinde gehörende Druckentwässerungssystem
anschließen. Mit einem an die Eheleute C. und S1. E. gerichteten Bescheid
vom 00.00.0000 setzte der Beklagte die - lediglich auf Gewerke im Grundstück
bezogenen - Kosten auf 2806,23 Euro fest und stellte diesen Betrag zur Zahlung. Zur
Begründung führte er aus, gemäß § 12 der Entwässerungssatzung seien der Gemeinde
die Kosten für die Druckentwässerungsanlage sowie die dazugehörige Druckleitung
einschließlich des Pumpschachtes zu ersetzen.
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Die Ehe der Klägerin war A. damaligen Zeitpunkt bereits geschieden worden.
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Den Widerspruch der Klägerin vom 00.00.0000 wies der Beklagte durch
Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 zurück.
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Am 00.00.0000 hat die Klägerin Klage erhoben.
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Widerspruch und Klage streiten mit verschiedenen rechtlichen Ansätzen gegen den
Ersatzanspruch dem Grunde nach. Die Klägerin vertritt des Weiteren die Auffassung,
der Ausgangsbescheid vom 00.00.0000 habe nicht wirksam werden können, weil
sie A. damaligen Zeitpunkt nur zu ½ als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen
gewesen sei, sie im Übrigen A. damaligen Zeitpunkt nicht mehr verheiratet gewesen
sei.
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Die Klägerin beantragt,
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den Heranziehungsbescheid des Beklagten vom 00.00.0000 sowie dessen
Widerspruchsbescheid vom 00.00.0000 aufzuheben.
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Der Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakten
Hefte 1 und 2) verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist begründet. Die angefochtenen Bescheide, mit denen der Beklagte einen
Kostenersatzanspruch nach § 10 Abs. 1 KAG für sich in Anspruch nimmt, sind
rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Ein formeller Mangel, der bereits die Existenz des Heranziehungsbescheides vom
00.00.0000 in Frage stellen könnte, ist allerdings nicht ersichtlich. Die Bekanntgabe
allein an die Person der Klägerin weist keinen auf die Wirksamkeit durchgreifenden
Mangel auf. Denn der Bescheid war - wenngleich nicht zur alleinigen Verfügungsmacht
bestimmt - tatsächlich zu ihren Händen gelangt. Die Klägerin hatte auch verstanden,
welcher Rechtsbehelf ggfs. abzuleiten war. Eine mögliche Gesamtschuldnerschaft der
Klägerin bedeutete ebenfalls nicht, dass dem einen (von mehreren)
Grundstückseigentümern bereits in der Ebene des Bescheides über den Kostenersatz
bekanntgegeben werden müsste, dass und welche weitere(n) Eigentümer für eine
daraus folgende Haftung in Frage kämen.
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Die Klage hat in der Sache Erfolg.
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Dabei bedürfen die von der Klägerin bezeichneten materiellen Mängel keiner
Erörterung. Denn weder die Voraussetzungen des Erschließungsbeitragsrechts
einschließlich des Vorausleistungsrechts noch des Kanalanschlussbeitragsrechts
tragen zu den Voraussetzungen des hier strittigen Kostenersatzes bei.
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Der Anspruch auf Kostenersatz für den Anschluss des Grundstücks "A. U. S. 42"
an das Druckentwässerungssystem der Gemeinde M. findet keine satzungsrechtliche
Grundlage.
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Der Kostenersatzanspruch nach § 10 KAG setzt den Erlass einer entsprechenden
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Satzung voraus. Diese muss die notwendigen Regelungen zu § 10 Abs. 1 Satz 1 und 2
KAG enthalten, ansonsten den Vorgaben des § 10 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 KAG
entsprechen. Hierzu gehören Bestimmungen über den den Ersatzanspruch
begründenden Tatbestand, die Art der Ermittlung des umzulegenden Aufwandes
(Kosten in tatsächlicher Höhe oder nach Einheitssätzen), den Kostenersatzschuldner
sowie den Zeitpunkt der Fälligkeit. Im Unterschied A. Beitragsrecht des § 8 KAG gibt
10 KAG in Abs. 2 lediglich ein zwingendes Tatbestandsmerkmal vor, nämlich den
Zeitpunkt des Entstehens des Ersatzanspruchs.
Das zur Verfügung stehende Satzungsrecht der Gemeinde M.
(Entwässerungssatzung - EWS- sowie Beitrags- und Gebührensatzung -BGS- jeweils
vom 00.00.0000 in den am 00.00.0000 nachgereichten Fassungen) genügt den
Erfordernissen der §§ 2 und 10 KAG nicht.
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Die dem angefochtenen Bescheid zugrundegelegte und vom Beklagten auch in der
Klageerwiderung herangezogene Bestimmung des § 12 EWS scheidet als
Ermächtigungsgrundlage ersichtlich aus. Die Norm regelt bereits den den
Ersatzanspruch begründenden Tatbestand in unzureichender Art und Weise. Es fehlt an
jeder technischen Maßgabe zu einer für den Grundstückseigentümer kostenpflichtigen
"für die Entwässerung ausreichend bemessenen Druckentwässerungsanlage" nebst
dazugehöriger Druckleitung einschließlich des Pumpschachtes auf dem privaten
Grundstück. Zwar wird die Druckentwässerungsanlage in § 2 Nr. 8 EWS definiert,
jedoch auch dort in einer Weise ("zusammenhängende Leitungen, in denen der
Transport von Abwasser durch von Pumpen erzeugten Druck erfolgt"), die für die
sachlichen Grundlagen einschließlich der "ausreichenden Bemessung" der auf dem
Grundstück zu verrichtenden Gewerke keinerlei Auskunft gibt. Ebenso wenig vermag §
2 Nr. 5 b) EWS Klarheit über die Teile der Abwasseranlage zu verschaffen, die in die
Kostenpflicht des Grundstückseigentümers fallen. Denn dort wird lediglich ausgedrückt,
welche Teile des Netzes "bei öffentlichen Druckentwässerungsanlagen ... nicht zur
öffentlichen Abwasseranlage" gehören. Die Regelung des § 2 Nr. 5 b) EWS führt auch
mit der Einführung des Begriffs der Haus-anschlussleitung nicht weiter. Denn diese wird
- im Sinn eines den Ersatzanspruch begründenden Tatbestandes in § 12 EWS gar nicht
aufgeführt, findet im Übrigen in § 2 Nr. 6 b) EWS eine eigenständige Definition, die
inhaltlich nicht mit den für Druckentwässerungsanlagen verwendeten Begriffen
korrespondiert. Im sachlichen Bezug erweist sich die vorstehende Norm deshalb bereits
als ungeeignet, die typischerweise in Entwässerungssatzungen aufgenommene
Regelung zur allgemeinen Lastenverteilung zwischen Gemeinde und Anschlussnehmer
darzustellen.
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§ 19 Abs. 1 Satz 2 EWS scheidet ebenfalls als taugliche Ermächtigungsgrundlage für
den hier strittigen Kostenersatz aus. Nach dieser Bestimmung trägt der
Anschlussnehmer die Kosten für die nicht zur öffentlichen Abwasseranlage gehörenden
Einrichtungen, soweit diese von der Gemeinde erstellt werden. Über die Normenkette
des § 19 Abs. 1 Satz 2 EWS i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1, § 2 Nr. 5 b) Satz 2, § 2 Nr. 6 b)
EWS ließe sich ungeachtet der Wirksamkeitsfragen, die aus dieser Verklausulierung
abzuleiten wären zwar ein Teil der sachlichen Grundlage entwickeln, für die die
Ersatzpflicht entstehen soll. Es fehlt jedoch auch insoweit an sämtlichen sonstigen
Anforderungen an Gehalt und Bestimmtheit der Satzungsgrundlagen, wie eingangs
anhand § 10 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 KAG aufgeführt.
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Überdies ist - wie die Werkleitung und ihre Prozessvertretung offenbar übersehen
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haben bereits dem Willen des Satzungsgebers nicht zu entnehmen, dass die EWS
überhaupt dazu dienen soll, eine Ermächtigungsgrundlage für den Kostenersatz
abzugeben. Denn in § 19 Abs. 3 EWS hat der Satzungsgeber unmissverständlich A.
Ausdruck gebracht, dass die zur Entwässerungssatzung erlassene Beitrags- und
Gebührensatzung Näheres zur Kostentragung der Anschlussnehmer regeln soll.
Eine entsprechende Regelung über den Kostenersatz für den Anschluss an ein
Druckentwässerungssystem hält diese BGS indes gerade nicht bereit. Zwar steht dort
mit § 15 BGS eine Bestimmung zur Verfügung, die den den Ersatzanspruch
begründenden Tatbestand in genügender Weise formuliert und auch die notwendige
Differenzierung A. Verteilungsmaßstab vorsieht; die Norm wird ergänzt um die dem
Inhalt nach ebenfalls unbedenklichen Bestimmungen der §§ 16 und 18 A. Zeitpunkt
des Entstehens des Ersatzanspruchs und zu seiner Fälligkeit. Die Gemeinde
beschränkt sich in § 15 Abs. 1 BGS jedoch auf einen Ersatzanspruch im Umfang der
Herstellung einer Grundstücksanschlussleitung einschließlich Kontrollschacht. Gemäß
§ 2 Nr. 6 a) EWS sind Grundstückanschlussleitungen solche Leitungen, die von der
öffentlichen Abwasseranlage bis zur Grenze des jeweils anzuschließenden
Grundstücks reichen. Damit sind in der Gemeinde M. technische Gewerke auf dem
Grundstück wie sie den Fall prägen - nicht ersatzpflichtig. Da - wie gezeigt - § 10 KAG
kein zwingendes Recht A. Umfang der Ersatzpflicht enthält, muss die Gemeinde sich
an den Umfang und die Definitionen ihres eigenen Ortsrechts halten lassen. Beschränkt
sie die Ersatzpflicht auf einen bestimmten Anschluss bzw. technische Abschnitte
desselben, so bleibt es dabei,
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vgl. etwa Driehaus/Dietzel, Kommunalabgabenrecht, Stand März 2008, § 10
Rdn. 11,12, 15.
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Selbst wenn der geltend gemachte Kostenersatzanspruch eine sachliche Grundlage im
Satzungswerk der Gemeinde finden könnte, so wäre er doch nicht gegenüber der
Klägerin entstanden. Denn diese Satzungen enthalten keine genügende Bestimmung
A. Schuldner des Ersatzanspruchs. Während die EWS - wie gezeigt - wechselweise
sowohl den Grundstückseigentümer als auch den Anschlussnehmer adressiert, enthält
die BGS in § 17 zwar eine Verknüpfung von Ersatzpflicht und Grundstückseigentum.
Hiermit konnte die Gemeinde M. hingegen ausreichende Bestimmtheit nicht
herbeiführen. Denn mit dem zitierten Inhalt hat sie nicht die Frage regeln können, auf
welchen Zeitpunkt der Eigentümerschaft es ankommen soll. Der Satzungsgeber hat
insoweit die Möglichkeit, denjenigen A. Schuldner zu bestimmen, der im Zeitpunkt des
Entstehens des Ersatzanspruchs Eigentümer ist; er kann aber auch denjenigen als
Ersatzpflichtigen bestimmen, der im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bescheides
Eigentümer des angeschlossenen Grundstücks ist. Da die Gebote der §§ 10 und 2 KAG
nicht der Verwaltung in Regelung des Einzelfalls überlassen bleiben dürfen, sondern
von der Gemeinde grundsätzlich zu regeln sind, kann die Identität des Eigentums zu
beiden möglichen Zeitpunkten nicht ausschlaggebend sein. Vielmehr haftet der
aufgezeigte Fehler der Satzung selbst an.
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Vgl. Driehaus/Dietzel, a. a. O., bereits im Stand von 1999, § 10 Rdn. 57; VG
Aachen, Urteil vom 17. Oktober 2003 - 7 K 237/99 -; hierauf folgend Queitsch,
Aktuelle Problemstände des Kostenersatzrechts aus der Praxis, KStZ 2005, 61.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur
Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 162 Abs. 2 Satz 2
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VwGO; der Klägerin war es zuzugestehen, angesichts der Besonderheiten des Falles
sich bereits im Vorverfahren anwaltlichen Beistandes zu bedienen. Die Entscheidung
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit entspricht § 167 Abs. 2 und Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708
Nr. 11, 711 ZPO.