Urteil des VG Münster vom 15.03.2006

VG Münster: sozialhilfe, wohnung, vollstreckung, rundfunk, notlage, landrat, verfügung, haftpflichtversicherung, vollstreckbarkeit, besitz

Verwaltungsgericht Münster, 6 K 1733/03
Datum:
15.03.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 1733/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger beantragte am 30. September 2002 die darlehensweise Übernahme der
rückständigen Rundfunk- und Fernsehgebühren von 193,79 EUR sowie von
rückständigen Zahlungen in Höhe von 3.500,- DM monatlich an Herrn und Frau X. , zu
denen er sich im Jahre 1988 vertraglich verpflichtet hätte; als Gegenleistung sei
vereinbart worden, daß das Hausgrundstück T.--ring 00b in T1. , das ihm als
Alterssicherung dienen solle, mit dem Tod des Herrn X. auf ihn übergehe. Hilfe zum
Lebensunterhalt begehre er ausdrücklich nicht, da er über Einkünfte in Form einer
Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von ca. 600,- EUR verfüge; Kosten für seine Unterkunft
trage er nicht. Die Bescheide in dieser Sache bat der Kläger an seine Adresse F.----------
straße 00 in W. zu senden.
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Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15. November 2002 im
wesentlichen mit der Begründung ab, eine Übernahme von Schulden im Wege der
Sozialhilfe sei nur im Ausnahmefall möglich. Die Voraussetzungen der insoweit allein in
Betracht zu ziehenden Vorschrift des § 15a BSHG lägen jedoch nicht vor. Überdies sei
es nicht Aufgabe der Sozialhilfe, die Altersvorsorge sicherzustellen.
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Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 27. November 2002 Widerspruch ein und
führte aus, ihm drohe der Verlust der Wohnung, da Herr X. auf Räumung klage.
Anläßlich einer Vorsprache erklärte der Kläger im weiteren, er müsse monatlich
mindestens 200,- EUR Mietzins entrichten.
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Mit Schreiben vom 27. Januar 2003 und vom 10. Februar 2003 forderte der Beklagte
den Kläger erfolglos zur Vorlage des mit den Eheleuten X. abgeschlossenen Vertrages
auf.
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Mit Bescheid vom 19. Mai 2003 wies der Landrat des Kreises Borken den Widerspruch
des Klägers unter Vertiefung der Gründe des Ausgangsbescheides zurück und führte
ergänzend aus, dem Kläger drohe keine Wohnungslosigkeit, da er eine Wohnung habe.
Das Hausgrundstück T.--ring 00b werde auch nicht zu Zwecken der Alterssicherung
benötigt, so daß die Rentenzahlungen allein dem Grunderwerb dienten; diesen zu
finanzieren, sei indes nicht Aufgabe der Sozialhilfe.
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Der Kläger hat fristgerecht Klage erhoben mit dem Ziel, ihm Leistungen zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat ein Gutachten zur Frage der Prozeßfähigkeit des Klägers eingeholt; auf
das Gutachten des Sachverständigen Dr. L. vom 29. Juli 2005 wird insoweit Bezug
genommen.
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Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf den Inhalt der
Streitakte, der Gerichtsakten 6 K 385/01, 6 K 2923/00 und 7 K 643/03 sowie auf den
Inhalt der zu den jeweiligen Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die das Gericht trotz des Ausbleibens der Betreuerin des Klägers in der
mündlichen Verhandlung entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), hat keinen
Erfolg.
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Die Klage ist bereits unzulässig, weil der Kläger gemäß § 62 Abs. 1 VwGO
prozeßunfähig ist und daher Verfahrenshandlungen nicht wirksam vornehmen kann und
auch seine Betreuerin die Erhebung der Klage nicht genehmigt hat.
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Zudem ist die Klage auch unbegründet; dem Kläger stehen die geltend gemachten
Ansprüche unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt zu.
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Hinsichtlich der begehrten Übernahme der rückständigen Rundfunk- und
Fernsehgebühren scheidet der insoweit allein in Betracht zu ziehende Anspruch aus §
15a BSHG bereits deshalb aus, weil dem Kläger keine Notlage drohte, die dem Verlust
der Unterkunft gleichzustellen wäre. Zudem wäre der Kläger bei sachgerechtem Einsatz
der ihm zur Verfügung stehenden Mittel aus der Berufsunfähigkeitsrente von 549,19
EUR selbst in der Lage gewesen, den Rückstand zu begleichen: Da der Kläger nach
eigenen Angaben für die Wohnung F.- ---------straße in W. keine Miete zahlte, verblieb
ihm nach Abzug der geltend gemachten Beiträge zur Haftpflichtversicherung in Höhe
von 4,33 EUR und unter Berücksichtigung des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes
von 293,- EUR ein monatlicher Betrag von 251,86 EUR, der schon im Antragsmonat
ausgereicht hätte, den Rückstand zu decken.
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Ebensowenig kann der Kläger die darlehensweise Übernahme von angeblichen
Zahlungen an die Eheleute X. in Höhe von 3.500,- DM/Monat verlangen. Zum einen hat
der Kläger trotz mehrfacher Aufforderung durch den Beklagten die angeblich
bestehende Verpflichtung nicht einmal ansatzweise belegt. Zum anderen steht einem
Anspruch auf Übernahme von Aufwendungen zur Erfüllung der Voraussetzungen eines
Anspruchs auf eine angemessene Alterssicherung aus § 14 BSHG bereits entgegen,
daß die behaupteten Aufwendungen bereits für sich genommen, erst Recht aber in der
Zusammenschau mit der dem Kläger bereits seit langem gezahlten
Berufsunfähigkeitsrente, gänzlich außer Verhältnis zu dem Zweck der Sozialhilfe
stehen, dem Hilfeempfänger nicht mehr als ein menschenwürdiges, einfaches und
bescheidenes Leben zu ermöglichen und nicht sämtliche Bedürfnisse im Sinne eines
durchschnittlichen Lebensstandards zu befriedigen. Ein Anspruch ergibt sich ferner
nicht aus § 15a BSHG. Dessen Voraussetzungen sind in Anbetracht des Umstandes,
daß der Kläger - im übrigen auch über den streitgegenständlichen Zeitraum hinaus -
über eine Wohnung in der F.----------straße in W. verfügte, ersichtlich nicht gegeben.
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Ansprüchen des Klägers auf Erhalt von Sozialhilfe steht überdies entgegen, daß dieser
ausweislich des im Verfahren 6 K 2923/00 vorgelegten Kontoauszuges jedenfalls im
März 2003 - aus den vom OVG NRW im Beschluß vom 30. September 2004 - 12 E
1104/04 - dargelegten Gründen vermutlich jedoch bereits zu einem früheren Zeitpunkt -
im Besitz von zumindest 136.481,84 EUR war.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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