Urteil des VG Münster vom 18.01.2010
VG Münster (betrag, höhe, enkel, gemischte schenkung, mutter, tochter, heimbewohner, grund, schenkung, rechnung)
Verwaltungsgericht Münster, 6 K 1848/08
Datum:
18.01.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 1848/08
Schlagworte:
Pflegewohngeld, Vermögen, Schenkungsrückforderung,
Beweisnotstand, Investitionskostenanteil
Normen:
§ 12 PfG NW, § 20 Abs. 3 SGB XII
Leitsätze:
Die durch seinen Gesundheitszustand bedingte Unfähigkeit eines
Heimbewohners, im Zusammenhang mit einem Antrag auf Gewährung
von Pflegewohngeld den Verbleib von Vermögensgegenständen
nachzuweisen, ist als unverschuldeter Beweisnotstand zu qualifizieren.
Einem solchen Beweisnotstand ist dadurch Rechnung zu tragen, dass
das Gericht bei der nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzunehmenden
Würdigung der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen seine
Überzeugung auch aus dem bloßen Vorbringen desjenigen gewinnen
kann, der den Pflegewohngeldanspruch geltend macht. Die Gewährung
von Pflegewohngeld ist nicht dadurch gehindert, dass der dem
Bewohner vom Heim in Rechnung gestellte Anteil zu den
betriebsnotwendigen Investitionskosten bereits - durch den
Heimbewohner oder durch einen Dritten - gleichsam im Vorgriff auf die
erwartete öffentliche Förderung gedeckt worden ist.
Tenor:
Die Bescheide des Beklagten vom 10. Juli 2008 und 6. Januar 2009
werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, der Beigeladenen
für den von Frau M. T. -T. belegten Heimplatz für die Zeit vom 1.
November 2005 bis 13. Juli 2006 und vom 14. Juli 2007 bis zum 30.
September 2008 Pflegewohngeld in gesetzli-cher Höhe zu gewähren.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Aus-nahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleis-tung in Höhe von 110 % des
jeweils beizutreibenden Be-trages abwenden, wenn nicht die Kläger vor
der Vollstre-ckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
T a t b e s t a n d :
1
Die am 12. August 1919 geborene und am 29. Dezember 2009 verstorbene Frau
M. T. -T. lebte seit dem 14. Juli 2005 bis zu ihrem Tod im Altenzentrum
Klarastift in Münster. Am 2. August 2005 beantragte sie, vertreten durch ihre Tochter und
damalige Betreuerin, Frau E. S., beim Beklagten die Gewährung von
Pflegewohngeld.
2
In der Folgezeit legte die Betreuerin dem Beklagten u.a. Auszüge des Kontos der Frau
T. -T. bei der X-Bank (Nr. XXX) vor, aus denen u.a. hervorging, dass von dem
Konto am 14. März 2002 ein Betrag von 52.335,74 €, abgehoben worden war. Auf die
Aufforderungen des Beklagten, Nachweise hinsichtlich der Auszahlungen vorzulegen,
teilten die Prozessbevollmächtigten der Frau T. -T. dem Beklagten mit Schreiben
vom 22. März 2006 und 13. April 2006 u.a. mit: Hinsichtlich der Auszahlung von
52.335,74 € lägen der Betreuerin keinerlei Unterlagen vor. Diese sei erst im Juli 2005
zur Betreuerin bestellt worden, weshalb sie auch nur Auskünfte anhand der
vorhandenen Unterlagen erteilen könne. Wer die Barabhebungen getätigt bzw. die
Unterschriften geleistet habe, könne nicht beurteilt werden. Frau T. -T. selbst sei
auf Grund ihrer Demenzerkrankung nicht in der Lage, Auskünfte zu geben.
3
Mit Bescheid vom 4. Mai 2006 lehnte der Beklagte den Antrag auf Gewährung von
Pflegewohngeld für Frau T. -T. wegen fehlender Mitwirkung ab. Hiergegen erhob
Frau T. -T. nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage vor dem erkennenden
Gericht (6 K 1634/06), zu deren Begründung u.a. angegeben wurde: Die Barabhebung
von 52.335,74 € habe Frau T. -T. in Anwesenheit ihrer späteren Betreuerin selbst
getätigt. Dieser sei auch bekannt, dass Frau T. -T. von diesem Betrag rund
30.000,- € für die Anschaffung eines Pkw zu Gunsten ihres Enkelsohnes, Herrn D.
S., verwandt habe. Wie der restliche Betrag verwandt worden sei, sei der Betreuerin
nicht bekannt. In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juni 2008 hob der Beklagte den
Bescheid vom 4. Mai 2006 auf.
4
Mit Bescheid vom 10. Juli 2008 lehnte der Beklagte den Antrag von Frau T. -T.
auf Gewährung von Pflegewohngeld vom 2. August 2005 ab. Zur Begründung führte er
im Wesentlichen aus: Nach seiner Berechnung seien die investiven Kosten der
stationären Unterbringung von Frau T. -T. ab dem 1. November 2005 nicht mehr
durch ihr einzusetzendes Einkommen gedeckt. Sie verfüge jedoch über verwertbares
Vermögen in Form eines Schenkungsrückforderungsanspruchs gegenüber ihrem Enkel,
Herrn D. S.. Nach den Angaben ihrer Tochter, Frau E. S., habe Frau T. -T.
von den am 13. März 2002 von ihrem Konto abgehobenen 52.335,74 € einen Betrag von
30.000,- € ihrem Enkel, Herrn D. S., gegeben, wovon dieser sich nach seiner
Erklärung im April 2002 einen Pkw gekauft habe. Bei dieser Zuwendung habe es sich
um eine gemischte Schenkung gehandelt. Der Verwertbarkeit des
Schenkungsrückforderungsanspruchs stehe nicht die Notwendigkeit entgegen, ihn
gerichtlich durchsetzen zu müssen. Frau T. -T. müsse es sich anrechnen lassen,
dass ihre Tochter jahrelang abgestritten habe zu wissen, was mit den Abbuchungen von
dem Konto geschehen sei. Die Tatsache, dass vorrangige Ansprüche verschwiegen
worden seien und die Schenkung erst 2007 bekannt geworden sei, könne nicht dazu
führen, dass nun von "nicht bereiten Mitteln" gesprochen werden müsse. Der Einsatz
des Rückforderungsanspruchs bedeute für Frau T. -T. auch keine Härte. Da sie in
der Einrichtung vollständig versorgt werde, ändere sich nach dem Einsatz des
Anspruchs an ihrer konkreten Lebensgestaltung nichts.
5
Frau T. -T. hat am 14. August 2008 und am 27. Januar 2009 Klage erhoben (6 K
1848/08 und 6 K 155/09). Mit Beschluss vom 30. April 2009 hat das Gericht die
Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
6
Mit Bescheid vom 14. Dezember 2009 gewährte der Beklagte der Beigeladenen für Frau
T. -T. Pflegewohngeld ab dem 1. Oktober 2008.
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Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen geltend gemacht: Es sei richtig, dass
Herr D. S. von Frau T. -T. 30.000,- € für die Anschaffung eines Pkw erhalten
habe. Er habe das Fahrzeug im April 2002 zum Preis von 33.761,12 € erworben. Frau
T. -T. habe ihm das Geld zur Verfügung gestellt, damit er mit dem Fahrzeug
sämtliche Transporte für sie erledigen könne. Auf Grund ihrer körperlichen Gebrechen
und ihrer Demenzerkrankung sei Frau T. -T. in jeder Hinsicht auf ihren Enkel
angewiesen, der regelmäßig 14-tägig an Wochenenden und bei Bedarf auch in der
Woche zu ihr gekommen sei, um für sie persönliche Angelegenheiten zu erledigen. So
habe er z.B. für sie Einkäufe übernommen, sie zu Arztbesuchen begleitet und sie zum
Wochenmarkt, Frisör und zum Friedhof gefahren. In den letzten Jahren habe er sie
regelmäßig zwei- bis dreimal jährlich in den Urlaub in den Bayerischen Wald gebracht.
Auch während ihrer stationären Krankenhausbehandlung von Mai bis Juli 2005 habe er
sie jedes Wochenende besucht. Ebenso habe er sie während einer schweren
Erkrankung im Dezember 2005 am Wochenende besucht und sie an den
Weihnachtstagen betreut. Nach wie vor stehe er ihr mit seinem Pkw jederzeit zur
Verfügung. Zwischen ihm und Frau T. -T. bestehe eine enge emotionale
Beziehung, weil sie ihn an seine Großmutter von Geburt an mit großgezogen habe.
Danach sei davon auszugehen, dass der Pkw in erster Linie für Frau T. -T.
angeschafft worden und insofern zweckbestimmt geschützt sei. Selbst wenn von einer
Schenkung auszugehen sein sollte, sei es Frau T. -T. nicht zuzumuten, ihren
Enkel auf Rückgabe des Geschenks zu verklagen. Nach der Rechtsprechung des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen werde in den Fällen, in
denen der Beschenkte nicht bereit sei, einen Schenkungsrückforderungsanspruch zu
erfüllen, und der Beschenkte dem Heimbewohner besonders nahe stehe, der
Rückforderungsanspruch zum Schonvermögen. Frau T. -T. könne auch nicht
darauf verwiesen werden, von ihrer Tochter den übrigen Betrag von 22.335,74 € zurück
zu verlangen. Ihre Tochter habe von den Auszahlungsbeträgen keine Zahlung erhalten.
Vielmehr habe sie sich erheblich verschulden müssen, um die ungedeckten
Heimpflegekosten ihrer Mutter begleichen zu können. Die Heimkosten habe sie bis
einschließlich September 2008 aus eigenen Mitteln gedeckt.
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Die Kläger beantragen,
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die Bescheide des Beklagten vom 10. Juli 2008 und 6. Januar 2009 aufzuheben
und den Beklagten zu verpflichten, der Beigeladenen für den von Frau T. -
T. belegten Heimplatz für die Zeit vom 1. November 2005 bis 13. Juli 2006
und vom 14. Juli 2007 bis zum 30. September 2008 Pflegewohngeld in
gesetzlicher Höhe zu gewähren.
10
Der Beklagte beantragt,
11
die Klage abzuweisen.
12
Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und macht ergänzend im
13
Wesentlichen geltend: Für Frau T. -T. würde die Durchsetzung ihres
Schenkungsrückforderungsanspruchs keine Härte bedeuten. Bei Ablehnung der
Pflegewohngeldgewährung würde sie nicht sozialhilfebedürftig werden. Nach einer
Erklärung vom 2. August 2005 habe sich ihre Tochter gegenüber der Beigeladenen
gesamtschuldnerisch zur Zahlung des Heimentgelts verpflichtet. Darüber hinaus sei
hinsichtlich des verwertbaren Vermögens noch der Verbleib des Restbetrages von
22.335,74 € aus der Abhebung vom 13. März 2002 unklar.
Das Gericht hat Beweis erhoben über die Frage, wie sich die persönlichen Verhältnisse
der Frau T. -T. im Zusammenhang mit der Schenkung von 30.000,- € an ihn
darstellten, durch die Vernehmung des Herrn D. S. als Zeugen. Hinsichtlich des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. Dezember
2009 verwiesen.
14
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
15
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, der Gerichtsakte 6 K 1634/06 und
der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
16
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
17
Die Klage, über die das Gericht auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten ohne
mündliche Verhandlung entscheiden konnte (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg.
18
Die Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig. Insbesondere
sind die Kläger als unbekannte Erben der Frau T. -T. klagebefugt, § 42 Abs. 2
VwGO. Zwar sieht § 12 Abs. 1 des Landespflegegesetzes (PfG NW, in der Fassung vom
3. Mai 2005, GV.NRW. S. 498) vor, dass der Anspruch auf Pflegewohngeld bei
Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der betreffenden vollstationären
Dauerpflegeeinrichtung zusteht. Der Heimbewohner ist jedoch in einem auf Gewährung
von Pflegewohngeld gerichteten Verwaltungsstreitverfahren seinerseits klagebefugt mit
der Maßgabe, dass er die Verpflichtung der zuständigen Behörde erstreiten kann, das
Pflegewohngeld an den Träger des Heims auszuzahlen. Diese Befugnis geht nach dem
Tode des Heimbewohners auf den Erben über. Es handelt sich nicht um eine
sozialhilferechtliche Position, die nach dem Grundsatz "keine Sozialhilfe für die
Vergangenheit" in der Regel nicht vererblich ist, weil der mit der Hilfegewährung
verfolgte Zweck nach dem Tod des Hilfebedürftigen nicht mehr erreicht werden kann.
Wenngleich die Gewährung von Pflegewohngeld auch den Interessen des
Heimbewohners dient, handelt es sich nicht um eine diesem zustehende
Fürsorgeleistung, sondern um einen Aufwendungszuschuss zu den Investitionskosten
der Pflegeeinrichtung. Das subjektiv-öffentliche Recht des Bewohners teilt die rechtliche
Einordnung dieses Zuschusses. Die tatsächliche oder fiktive Sozialhilfebedürftigkeit des
Bewohners ist lediglich eine tatbestandliche Voraussetzung dieses Anspruchs. Als zwar
nicht sozialhilferechtliche, aber sozialrechtliche Position ist das Recht des
Heimbewohners, die Gewährung von Pflegewohngeld an den Heimträger zu verlangen,
gemäß §§ 58, 59 SGB I vererblich,
19
vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Mai 2003 - 16 A 2789/02 -, NWVBl. 2003, 440.
20
Im vorliegenden Fall ist der geltend gemachte Anspruch nicht nach § 59 Satz 2 SGB I
erloschen, weil das auf die Gewährung des Pflegewohngelds gerichtete
Verwaltungsstreitverfahren im Zeitpunkt des Todes der Frau T. -T. bereits
anhängig war.
21
Die Klage ist auch begründet. Die durch die angefochtenen Bescheide des Beklagten
erfolgte Ablehnung der beantragten Gewährung von Pflegewohngeld ist rechtswidrig
und verletzt die Kläger in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Der Beklagte ist
verpflichtet, der Beigeladenen für die Zeit vom 1. November 2005 bis 13. Juli 2006 und
vom 14. Juli 2007 bis zum 30. September 2008 für den von Frau M. T. -T.
belegten Heimplatz Pflegewohngeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
22
Dieser Anspruch folgt aus § 12 Abs. 3 Satz 1 PfG NW in Verbindung mit § 4 Abs. 2 Satz
1 der Pflegeeinrichtungsförderverordnung (PflEinrVO, in der Fassung vom 3. Mai 2005,
GV.NRW. S. 498). Danach wird vollstationären Dauerpflegeeinrichtungen
Pflegewohngeld gewährt, wenn das Einkommen und das Vermögen des
Heimbewohners (und seines nicht getrennt lebenden Ehegatten) zur Finanzierung der
Aufwendungen für Investitionskosten ganz oder teilweise nicht ausreicht. Diese
Voraussetzungen waren im Fall der Frau T. -T. im streitbefangenen Zeitraum
erfüllt. Insbesondere verfügte Frau T. -T. nicht über Vermögen im Sinne der
genannten Vorschriften.
23
Zur Bestimmung des anrechenbaren Vermögens gelten nach § 12 Abs. 3 Satz 2 PflG
NW und § 4 Abs. 2 Satz 2 PflEinrVO u.a. die Vorschriften des Ersten bis Dritten
Abschnitts des Elften Kapitels des SGB XII entsprechend. Nach der danach
anzuwendenden Vorschrift des § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare
Vermögen einzusetzen. Zum Vermögen in diesem Sinn gehören bewegliche und
unbewegliche Güter und Rechte, sofern der zum Vermögenseinsatz Verpflichtete
Eigentümer oder Rechtsinhaber ist, sie in Geld schätzbar sind und eine gewisse
Wertbeständigkeit aufweisen. Hiervon erfasst werden auch Forderungen bzw.
Ansprüche gegen Dritte. Die Verwertbarkeit des Vermögens setzt voraus, dass der
Vermögensinhaber unter rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten über das
Vermögen verfügen kann und auch in der Lage ist, es rechtzeitig zur Bedarfszeit zu
realisieren.
24
Vgl. BSG, Urteil vom 18. März 2008 - B 8/9b SO 9/06 R -, Zeitschrift für Erbrecht
und Vermögensnachfolge (ZEV) 2008, 539, mit weiteren Nachweisen.
25
Hiervon ausgehend stand dem geltend gemachten Anspruch für die in Rede stehenden
Zeiträume kein die Schonvermögensgrenze des § 12 Abs. 3 Satz 4 PfG NW
übersteigendes Vermögen der Frau T. -T. entgegen.
26
Es kann offen bleiben, ob die Zuwendung von 30.000,- € der Frau T. -T. an ihren
Enkel, den Zeugen D. S., als Schenkung im Sinne von § 516 Abs. 1 BGB zu
qualifizieren ist und Frau T. -T. deshalb über verwertbares Vermögen im Sinne
von § 90 Abs. 1 SGB XII in Form eines Schenkungsrückforderungsanspruchs gemäß
§ 528 Abs. 1 BGB verfügte. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, hätte Frau
T. -T. nicht auf die Durchsetzung des etwaigen
Schenkungsrückforderungsanspruchs verwiesen werden können. Denn dies hätte für
sie eine Härte im Sinne von § 12 Abs. 3 PfG NW i.V.m. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII
bedeutet.
27
Nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII darf die Sozialhilfe nicht vom Einsatz oder der
Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für denjenigen,
der das Vermögen einzusetzen hat, eine Härte bedeuten würde. Hiervon ist im
vorliegenden Fall auszugehen. Nach der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen träfe den Heimbewohner der Verweis auf die
vorrangige (gerichtliche) Geltendmachung eines Schenkungsrückforderungsanspruchs
hart im spezifisch pflegewohngeldrechtlichen Sinne von § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII,
soweit der Beschenkte nicht bereit und/oder in der Lage ist, den Anspruch unverzüglich
zu erfüllen und der Beschenkte dem Heimbewohner so nahe steht, dass es ihm unter
Berücksichtigung seiner von der Pflegebedürftigkeit geprägten persönlichen
Lebenssituation nicht zuzumuten ist, diesen auf Erfüllung zu verklagen. In diesem Fall
ist der Schenkungsrückforderungsanspruch Schonvermögen.
28
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Oktober 2008 - 16 A 1409/07 -, NWVBl. 2009,
194.
29
Eine solche Situation ist hier festzustellen. Der Zeuge S. hat nachvollziehbar bekundet,
zu einer Rückzahlung des ihm von Frau T. -T. zugewendeten Betrags von
30.000,- € weder bereit noch in der Lage zu sein. Einen Anlass, an der Glaubhaftigkeit
dieser Aussage zu zweifeln, sieht das Gericht nicht. Danach wäre Frau T. -T. zur
Realisierung ihres möglichen Schenkungsrückforderungsanspruchs auf eine
gerichtliche Geltendmachung gegenüber dem Zeugen S.-ring angewiesen gewesen.
Dies wäre ihr indes auf Grund ihres persönlichen Verhältnisses zu dem Zeugen S.,
ihrem Enkel, und ihrer Lebenssituation nicht zumutbar gewesen. Der Zeuge S. hat im
einzelnen gut nachvollziehbar dargelegt, zu seiner Großmutter von klein auf eine enge
Beziehung entwickelt und sich über Jahre regelmäßig um sie gekümmert, sie
insbesondere zu Krankheitszeiten wiederholt betreut zu haben. Angesichts dieser
Situation war es der in den hier maßgeblichen Zeiträumen weit über 80-jährigen und
pflegebedürftigen Frau T. -T. nicht zuzumuten, die enge Beziehung zu ihrem
Enkel durch eine gerichtliche Durchsetzung eines möglichen
Schenkungsrückforderungsanspruchs zu belasten.
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Dem geltend gemachten Pflegewohngeldanspruch steht auch nicht entgegen, dass der
Verbleib des restlichen Betrages in Höhe von 22.335,74 € aus der am 14. März 2002
erfolgten Barabhebung vom Konto der Frau T. -T. nicht nachgewiesen ist. Auch
wenn ihre damalige Generalbevollmächtigte Frau E. S. - wie sie am 1. Oktober 2007
eidesstattlich versichert hat - den Gesamtbetrag von 52.335,74 € bei der Bank in
Anwesenheit ihrer Mutter in Empfang genommen und es ihrer Mutter später übergeben
hat, ohne dass ein Nachweis über die Verwendung des Restbetrags von 22.335,74 €
erbracht worden ist, kann dieser Betrag nicht als hier verwertbares Vermögen der Frau
T. -T. berücksichtigt werden.
31
Zwar ist es in der Rechtsprechung geklärt, dass die Unerweislichkeit von Tatsachen,
aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, grundsätzlich zu ihren Lasten
geht.
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Vgl. z.B.: BVerwG, Beschluss vom 16. April 2009 - 8 B 86.08 -, juris.
33
Danach gehen im Pflegewohngeldrecht Unklarheiten hinsichtlich des
Nichtvorhandenseins von Vermögen grundsätzlich zu Lasten des Heimbewohners,
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weshalb ein ab dem Tag seiner Heimaufnahme rechnerisch verbleibender Betrag auch
dann als Vermögen zu berücksichtigen ist, wenn sein Verbleib ungeklärt ist.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26. Mai 2009 - 12 E 1498/08 -, juris.
35
Im vorliegenden Fall ist allerdings zu berücksichtigen, dass Frau T. -T. - wovon
die Beteiligten übereinstimmend ausgehen - jedenfalls zum Zeitpunkt ihrer
Heimaufnahme auf Grund ihres Gesundheitszustands nicht mehr in der Lage gewesen
ist, Angaben über den Verbleib des Restbetrags von 22.335,74 € zu machen und
entsprechende Nachweise zu erbringen. Die durch seinen Gesundheitszustand
bedingte Unfähigkeit eines Heimbewohners, im Zusammenhang mit einem Antrag auf
Gewährung von Pflegewohngeld den Verbleib von Vermögensgegenständen
nachzuweisen, ist indes als unverschuldeter Beweisnotstand zu qualifizieren. Einem
solchen Beweisnotstand ist dadurch Rechnung zu tragen, dass das Gericht bei der nach
§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO vorzunehmenden Würdigung der für die Entscheidung
erheblichen Tatsachen seine Überzeugung auch aus dem bloßen Vorbringen
desjenigen gewinnen kann, der den Pflegewohngeldanspruch geltend macht. Dabei
führt die Beweisnot einer Partei nicht dazu, dass an ihre Behauptung ein geringerer
Wahrscheinlichkeitsmaßstab anzulegen ist. Auch bewirkt die Beweisnot weder eine
Beweislastumkehr noch eine Verringerung des Beweismaßes. Vielmehr betreffen die
Grundsätze des Beweisnotstands nur die Überzeugungsbildung des Gerichts von der
Wahrheit substanziierter schlüssiger und plausibler Darlegungen im Sinne
wohlwollender Beurteilung.
36
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 2009 - 19 A 448/07 -, juris, mit weiteren
Nachweisen.
37
In Anwendung dieser Grundsätze ist das Gericht davon überzeugt, dass der in Rede
stehende Betrag von 22.335,74 € in den hier maßgeblichen Zeiträumen nicht mehr als
einzusetzendes Vermögen der Frau T. -T. vorhanden war.
38
Hierfür spricht bereits, dass das Geld schon am 14. März 2002 und damit mehr als drei
Jahre vor der am 14. Juli 2005 erfolgten Heimaufnahme der Frau T. -T. von ihrem
Bankkonto abgehoben worden ist. Schon angesichts dieses Zeitraums erscheint die
Annahme gerechtfertigt, dass Frau T. -T. das Geld vor ihrer Heimaufnahme für
eigene Zwecke verbraucht hatte. Zudem hat ihre Tochter, Frau E. S., in ihrer
eidesstattlichen Versicherung vom 1. Oktober 2007 sowie auch im Termin zur
Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 22. Dezember 2009 nachvollziehbar
dargelegt, dass ihre Mutter in finanziellen Angelegenheiten "eigen" gewesen sei, sich
nie habe "in die Karten gucken" lassen und trotz ihres vorgerückten Alters durchaus
auch zu teureren Anschaffungen wie z.B. mehrerer Wintermäntel in kurzen
Zeitabständen geneigt habe. Dies wird in gewisser Weise auch durch die Zuwendung
von 30.000,- € an ihren Enkel für den Erwerb eines Pkw belegt, wobei sich der Aussage
des Zeugen S. auch entnehmen ließ, dass Frau T. -T. durchaus auch Freude
etwa daran hatte, in höherwertigen Fahrzeugen gefahren zu werden. Die Annahme,
dass Frau T. -T. zum Zeitpunkt ihrer Heimaufnahme bzw. des Antrags auf
Gewährung von Pflegewohngeld nicht mehr über den Restbetrag aus der Barabhebung
vom 14. März 2002 verfügte, wird darüber hinaus durch das Vorbringen der Frau S.
gestützt, sie habe die ungedeckten Heimkosten ihrer Mutter aus eigenen Mitteln
beglichen, wozu sie ein Bankdarlehen in Höhe von 19.000,- € habe in Anspruch
nehmen müssen.
39
Der geltend gemachte Pflegewohngeldanspruch ist auch nicht dadurch
ausgeschlossen, dass der Frau T. -T. von der Beigeladenen in Rechnung
gestellte Anteil zu den betriebsnotwendigen Investitionskosten in voller Höhe von Frau
S. gedeckt worden ist. Hierfür ist zu Grunde zu legen, dass nach § 82 Abs. 3 SGB XI das
Heim dem Bewohner den Investitionskostenanteil gesondert berechnen kann, wenn und
soweit die Kosten durch öffentliche Förderung nach § 9 SGB XI nicht vollständig
gedeckt werden, mithin die Versagung der öffentlichen Förderung eine Vorfrage für die
gesonderte Berechnung des zivilrechtlich geschuldeten Investitionskostenanteils
gegenüber dem Pflegebedürftigen darstellt.
40
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 9. Mai 2003 - 16 A 2789/02 -, NWVBl. 2003, 440.
41
Danach ist die Gewährung von Pflegewohngeld nicht dadurch gehindert, dass der dem
Bewohner vom Heim in Rechnung gestellte Anteil zu den betriebsnotwendigen
Investitionskosten bereits - durch den Heimbewohner oder, wie hier, durch einen Dritten
- gleichsam im Vorgriff auf die erwartete öffentliche Förderung gedeckt worden ist.
42
Der Beklagte hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er
unterlegen ist. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht
erstattungsfähig (§ 162 Abs. 3 VwGO). Es entspricht nicht der Billigkeit, ihre Kosten dem
unterliegenden Beklagten aufzuerlegen, weil die Beigeladene keinen Antrag gestellt
und daher nicht am Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO teilgenommen hat.
Gerichtskosten werden nach § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben, weil es sich bei
Streitigkeiten nach dem Landespflegegesetz um Angelegenheiten der Fürsorge im
Sinne der genannten Vorschrift handelt. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11,
711 ZPO.
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