Urteil des VG Münster vom 12.11.2008
VG Münster: aufschiebende wirkung, körperverletzung, geldstrafe, halter, stadt, abgabe, eigentumsübertragung, enteignung, abschaffung, verfügung
Verwaltungsgericht Münster, 1 L 547/08
Datum:
12.11.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 547/08
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
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Der - sinngemäße gestellte - Antrag des Antragstellers,
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die aufschiebende Wirkung seiner Klage - 1 K 2196/08 - gegen die Ordnungsverfügung
des Antragsgegners vom 4. Oktober 2008 hinsichtlich der unter den Ziffern I bis III
ausgesprochenen Verfügungen wiederherzustellen und hinsichtlich der
Zwangsgeldandrohung (Ziffer V) anzuordnen,
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hat keinen Erfolg. Die bei einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende
Abwägung zwischen dem privaten Interesse des Betroffenen, von der sofortigen
Vollziehung bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, und
dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Durchsetzung der für notwendig erachteten
Maßnahmen fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Die angefochtene
Ordnungsverfügung erweist sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren
gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich
rechtmäßig.
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Die unter Ziffer I verfügte Untersagung, die beiden vorhandenen Hunde zu halten, findet
ihre Grundlage in § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG NRW. Danach soll unter anderem das
Halten eines gefährlichen Hundes oder eines Hundes im Sinne des § 10 Abs. 1
untersagt werden, wenn die Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Diese
Voraussetzungen sind gegeben. Bei den Rottweiler-Hunden „Anteck" und „Molly"
handelt es sich unstreitig um Hunde i.S.d. § 10 Abs. 1 LHundG.
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Der Antragsteller, dessen frühere, von der Stadt O. am 15. April 2004 ausgestellte
Erlaubnis am 14. April 2006 ablief, erfüllt gegenwärtig die gesetzlich vorgesehenen
Erlaubnisvoraussetzungen nicht. Der Antragsgegner ist in rechtlich nicht zu
beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Antragsteller nicht zuverlässig im
Sinne der § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 1 LHundG ist. Danach besitzen die
erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die insbesondere wegen
vorsätzlichen Angriffs auf das Leben oder die Gesundheit rechtskräftig verurteilt worden
sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht
verstrichen sind. Der Antragsteller ist vom Amtsgericht I. unter anderem am 5. April 2006
wegen vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter gefährlicher Körperverletzung zu
einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 10 Euro sowie am 25. April 2007 wegen
vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 10 Euro
rechtskräftig verurteilt worden.
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Die damit zu Lasten des Antragstellers eingreifende Regelvermutung der
Unzuverlässigkeit wird nicht durch besondere Einzelfallumstände entkräftet, sondern im
Gegenteil noch verstärkt. Am 10. April 2008 verurteilte ihn das Amtsgericht I. wegen
Bedrohung zu einer Geldstrafe von 20 Tagesssätzen zu je 20 Euro, weil er sich
gegenüber dem Geschädigten dahingehend geäußert hatte, er werde seine Rottweiler
auf ihn hetzen. Im Verlauf der zur ersten o.g. Verurteilung führenden
Auseinandersetzung hat der Antragsteller den mitgeführten, nicht angeleinten Hund
unter anderem mit den Worten „Los, fass!" auf den Geschädigten gehetzt. Dass der
Hund dem Befehl nicht nachkam, ist insofern unerheblich, als hier allein auf die
persönliche Zuverlässigkeit des Halters, nicht aber auf das konkrete
Gefährdungspotential der von ihm gehaltenen Hunde „Anteck" und „Molly" abzustellen
ist. Vor diesem Hintergrund vermögen auch die amtstierärztlich nicht beanstandete
Haltung sowie die wohl günstige Gefahrenprognose hinsichtlich der beiden Hunde
(„keine gesteigerte Aggressivität") die Regelvermutung nicht zu entkräften. Schließlich
hat der Antragsteller nach den im vorliegenden Verfahren nicht bestrittenen Angaben
des Antragsgegners mehrfach gegen die - aus § 10 Abs. 1 i.V.m. § 5 Abs. 2 LHundG
folgende - Leinenpflicht verstoßen und auch insofern seine fehlende Zuverlässigkeit
unter Beweis gestellt. Allein die - befristete - Erteilung einer Erlaubnis durch den
Bürgermeister der Stadt O. in der Vergangenheit lässt eine Ausnahme von der
Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nicht zu. Auf seine besonders ausgeprägte
Tierliebe kann sich der Antragsteller schon deshalb nicht berufen, weil die emotionale
Bindung an die Hunde offenbar derart weitreichend ist, dass er - so sein eigenes
Vorbringen - die Kontrolle verliert und sich zu ihrer Verteidigung gegenüber Verbal- oder
tätlichen Angriffen Dritter sowie Beißereien anderer Hunde zu Straftaten wie den
erwähnten Körperverletzungsdelikten hinreißen lässt.
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Aus den vorgenannten Gründen liegt auch kein atypischer Fall vor, der es geboten
hätte, im Rahmen des behördlichen Ermessens von der Anwendung der Soll-Vorschrift
des § 12 Abs. 2 Satz 1 LHundG abzusehen.
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Die Untersagung der künftigen Haltung gefährlicher Hunde und von Hunden nach §§ 10
Abs. 1 und 11 Abs. 1 LHundG (Ziffer II der Ordnungsverfügung) ist ebenfalls
offensichtlich rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage hierfür ist § 12 Abs. 2 Satz 3
LHundG, wonach eine solche erweiterte Untersagung mit der Untersagung einer
konkreten Hundehaltung verbunden werden kann. Die insoweit getroffene - im
gerichtlichen Verfahren noch durch weitere Erwägungen ergänzte -
Ermessensentscheidung des Antragsgegners begegnet nach den Maßstäben des § 114
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VwGO keinen rechtlichen Bedenken.
Auch die unter Ziffer III. des angefochtenen Bescheides verfügte Aufforderung, die
beiden Hunde abzuschaffen und hierüber einen Nachweis zu erbringen, ist rechtlich
nicht zu beanstanden. Im Falle der Untersagung kann gem. § 12 Abs. 2 Satz 4 LHundG
angeordnet werden, dass der Hund dem Halter entzogen wird und an eine geeignete
Person oder Stelle abzugeben ist. Vor diesem Hintergrund ist es nicht zu beanstanden,
wenn der Antragsgegner - hinter einer danach zulässigen Enteignung und der mit einer
Eigentumsübertragung verbundenen Verpflichtung zur Abgabe zurückbleibend - zur
Umsetzung der Untersagung aus Ziffer I der Ordnungsverfügung es dem Antragsteller
überlässt, die Abschaffung in einer von ihm gewünschten Weise selbst zu organisieren.
Sollte es dem Antragsteller - wie vorgetragen - angesichts der hohen Hundesteuer für
Rottweiler in NRW und des Alters von „Anteck" nicht möglich sein, einen anderen
privaten Halter zu finden, bleibt es ihm unbenommen, unter der angebotenen
Vermittlung des Antragsgegners die Hunde in den Gewahrsam eines Tierheims zu
übergeben.
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Rechtliche Bedenken gegen die auf §§ 55 Abs. 1, 57 Abs. 1 Nr. 2, 60, 63 VwVG
gestützte Androhung eines Zwangsgeldes, hinsichtlich der die Klage gem. § 80 Abs. 2
Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 8 Satz 1 AGVwGO NW keine aufschiebende Wirkung
entfaltet, sind ebenfalls nicht ersichtlich und werden vom Antragsteller auch nicht
geltend gemacht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Der festgesetzte
Wert ist wegen des vorläufigen Charakters des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens
für die Untersagung der Haltung der beiden vorhandenen Hunde (Ziff. I der Verfügung)
sowie die Untersagung künftiger Hundehaltung (Ziff. II) jeweils mit der Hälfte des im
Hauptsacheverfahren anzunehmenden Auffangwerts nach § 52 Abs. 2 GKG zu
bemessen; demgegenüber fallen die Abgabeverpflichtung (Ziff. III) und die
Zwangsmittelandrohung (Ziff. V) nicht streitwerterhöhend ins Gewicht.
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