Urteil des VG Münster vom 26.09.2006
VG Münster: waffen und munition, aufschiebende wirkung, polizei, erwerb, strafverfahren, wohnung, dsg, jagd, gewaltanwendung, brief
Verwaltungsgericht Münster, 1 K 593/04
Datum:
26.09.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 593/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige
Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher
Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Mit Bescheid vom 20. Juli 2001 untersagte der Beklagte zu 1. dem Kläger die Ausübung
der tatsächlichen Gewalt über Schusswaffen und Munition aller Art, ordnete die
Sicherstellung und Einziehung aller im Besitz des Klägers befindlichen Schusswaffen
an und widerrief die dem Kläger erteilten Waffenbesitzkarten Nr. 0, ausgestellt am 3.
September 1973, und Nr. 0, ausgestellt am 29. November 1974. Außerdem ordnete der
Beklagte zu 1. die sofortige Vollziehung der Verfügungen an. Zur Begründung gab der
Beklagte zu 1. im Wesentlichen an: Verschiedene, dem Kläger in einem Strafverfahren
von seiner Ehefrau vorgeworfene Tätlichkeiten und Bedrohungen sowie ein
dokumentierter Vorfall vom 14. Juli 2001 zeigten, dass er nicht über das erforderliche
Maß an Verlässlichkeit verfüge, die ihn befähige, sich selbst bei widrigen Umständen
kontrolliert zu verhalten und insbesondere die Verbotsnormen der Strafgesetze zu
beachten. Vielmehr sei zu befürchten, dass sich Vorfälle wiederholen könnten und dass
vorhandene Waffen einbezogen werden könnten. Daher sei es im Interesse der
öffentlichen Sicherheit nicht zu verantworten, weiterhin Schusswaffen und Munition im
Besitz des Klägers zu belassen oder ihm weiterhin die Möglichkeit zu geben, solche
Gegenstände zu erwerben.
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Hiergegen erhob der Kläger unter dem 22. August 2001 Widerspruch. Mit Beschluss
vom 21. März 2002 lehnte das Gericht den Antrag des Klägers, die aufschiebende
Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen, ab (1 L 73/02).
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Mit Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2004 wies die Bezirksregierung Münster den
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Widerspruch des Klägers zurück und setzte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 230,-
EUR fest. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Im Fall des Klägers
rechtfertigten Tatsachen die Annahme, dass er Waffen oder Munition missbräuchlich
oder leichtfertig verwenden werde. Der Kläger habe in der Vergangenheit Gewalt gegen
Personen ausgeübt. Seine Ehefrau habe sich mehrfach hilfesuchend an die Polizei
gewandt. Am 14. Juli 1991 hätten die Ehefrau und zwei Söhne des Klägers gegenüber
der alarmierten Polizei angegeben, vom Kläger geschlagen worden zu sein. Im Lauf der
Auseinandersetzung sei der Kläger mit den Worten: „Ihr werdet noch was erleben" in
den Keller gegangen, wo er seine Waffen aufbewahrt habe. Die Söhne seien ihm
hinterher gegangen und hätten ihm eine Langwaffe aus der Hand genommen.
Ausweislich des Polizeiberichts sei der Kläger erheblich alkoholisiert angetroffen
worden. Im Keller seien mehrere Waffen aufgefunden worden, zwei davon offen. Am 22.
oder 29. Juni 2001 habe der Kläger seine Ehefrau an den Haaren gezogen und ihr
gedroht: „Du hast schon ein paar Mal Todesängste gehabt. Das kannst du wieder
haben. Ich bring dich noch mal um." Am 16. Juli 2001 habe der Kläger seiner Frau bei
einer Auseinandersetzung auf der Straße das Vorderrad seines Fahrrades gezielt auf
die Beine fallen lassen und ihr gedroht: „Ich bring dich eigenhändig um und es wird nicht
mehr lange dauern." Seine Ehefrau habe immer wieder angeführt, der Kläger sei extrem
eifersüchtig, sehr misstrauisch, ich-bezogen, cholerisch, jähzornig und aggressiv und
habe viele Male durch Schläge gegen den Oberkörper, Arme und Gesicht sowie durch
Schubsen, Haare ziehen und Werfen mit Gegenständen tätlich angegriffen und ihr
mehrfach gedroht, sie umzubringen. Dies werde durch verschiedene Aussagen der
Söhne bestätigt. Die Angaben der Ehefrau und der Söhne seien glaubhaft und würden
durch diverse Protokolle und Gutachten gestützt. In einem ärztlichen Bericht vom 2.
Oktober 1991 sei beim Kläger „Eifersuchtswahn bei paranoider Persönlichkeitsstörung
und Alkoholabusus" diagnostiziert worden. Nach den bisherigen Erkenntnissen könne
daher ein unbesonnenes Handeln des Klägers in Stresssituationen nicht
ausgeschlossen und damit eine missbräuchliche Verwendung von Waffen oder
Munition angenommen werden.
Der Kläger hat am 25. Februar 2004 Klage erhoben.
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Er macht im Wesentlichen geltend: Die Annahme seiner waffenrechtlichen
Unzuverlässigkeit könne nicht auf die im angefochtenen Bescheid genannten Vorfälle
gestützt werden. Die vermeintlichen Erkenntnisse über die Vorfälle aus früheren Jahren
stellten personenbezogene Daten dar, die spätestens mit der am 5. Dezember 2003
erfolgten Einstellung des Strafverfahrens gegen den Kläger (38 Js 565/01) zu löschen
gewesen seien und deshalb nicht mehr hätten verwendet werden dürfen. Aus der nach
§ 153 Abs. 2 StPO erfolgten Einstellung des Strafverfahrens könne nicht auf seine
Schuld geschlossen werden. Die behaupteten Vorfälle seien nicht bewiesen und
könnten wegen des Zeitablaufs auch nicht mehr aufgeklärt werden. Als Nachweis für
seine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit könnten auch nicht die Behauptungen seiner
Ehefrau und Söhne dienen. Da diese immer wieder den guten Kontakt untereinander
betont hätten, könne eine gegenseitige Beeinflussung zum Nachteil des Klägers nicht
ausgeschlossen werden. Der Vorwurf der Unzuverlässigkeit sei auch nicht
gerechtfertigt. Insoweit sei darauf hinzuweisen, dass der Kläger niemals bestraft oder
wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt worden, beruflich stets an verantwortungsvoller
Stelle tätig gewesen sei und daneben regelmäßig Ehrenämter, u.a. als ehrenamtlicher
Richter und Schöffe an Gerichten und in der Kommunalpolitik, ausgeübt habe.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten zu 1. vom 20. Juli 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Beklagten zu 2. vom 3. Februar 2004 sowie den
Gebührenfestsetzungsbescheid der Beklagten zu 2. vom 3. Februar 2004 aufzuheben.
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Der Beklagte zu 1. beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verweist auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides sowie auf ein Schreiben der
Söhne des Klägers vom 26. Juli 2004, wonach die Familienmitglieder weiterhin
befürchteten, dass der Kläger seine Waffen missbräuchlich verwenden werde.
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Die Beklagte zu 2. beantragt ebenfalls,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, die Gebührenfestsetzung sei nicht zu beanstanden. Das Gericht
hat Beweis erhoben über das Verhalten des Klägers, insbesondere zu den ihm im
angefochtenen Bescheid zur Last gelegten Vorfälle, durch die Vernehmung der Frau L
als Zeugin. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die
Sitzungsniederschrift vom 26. September 2006 verwiesen. Wegen der weiteren
Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der von
den Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge, der Strafakten der Staatsanwaltschaft
Münster 38 Js 565/01 sowie auf die Gerichtsakten 1 K 972/04 und 1 L 73/02 nebst
Beiakten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der angefochtene Bescheid ist nicht rechtswidrig und verletzt den Kläger deshalb nicht
in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Das gegenüber dem Kläger ausgesprochene Waffenbesitzverbot findet seine
Rechtsgrundlage in § 41 Abs. 1 Nr. 2 des Waffengesetzes - WaffG - (in der seit dem 1.
April 2003 und damit im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des
Widerspruchsbescheides geltenden Fassung vom 11. Oktober 2002, BGBl. I S. 3970,
4592, BGBl. I 2003 S.1957). Danach kann die zuständige Behörde jemandem den
Besitz von Waffen oder Munition, deren Erwerb nicht der Erlaubnis bedarf, und den
Erwerb solcher Waffen oder Munition u.a. dann untersagen, wenn dem Besitzer oder
Erwerbswilligen die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition
erforderliche Zuverlässigkeit fehlt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG besitzen die
erforderliche Zuverlässigkeit Personen nicht, bei denen Tatsachen die Annahme
rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden
werden.
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§ 41 Abs. 1 Nr. 2 i.Vm. § 5 Abs. 1 Nr. 2 a WaffG ist in einem weiten Sinne zu verstehen
und umfasst die durch Tatsachen gerechtfertigte allgemeine Besorgnis, der
Waffenbesitzer werde mit seinen Waffen so umgehen, dass andere Personen zu
Schaden kommen können.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1978 - I C 94.76 -, DÖV 1979, 567 = NJW 1979,
1564, Beschluss vom 3. März 1994 - 1 B 8.94 -, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 69; OVG
NRW, Urteil vom 14. August 1997 - 20 A 1399/96 -, Beschluss vom 2. Juni 2003 - 20 B
847/03 - (jeweils zu § 40 Abs. 1 WaffG a.F.).
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Die damit geforderte individuelle - gerade den Waffenbesitzer treffende - allgemeine,
zukunftsorientierte Aussage (Prognose) muss sich auf Tatsachen stützen, die den
Schluss zulassen, der Waffeninhaber verdiene das nach dem Waffengesetz stets zu
fordernde Vertrauen nicht, er werde mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder
Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Zerstört wird dieses Vertrauen namentlich durch
festgestellte körperliche oder geistige Mängel sowie durch jedes Verhalten, aus dem
sich auf Grund anzuerkennender Erfahrungssätze mit hinreichender Wahrscheinlichkeit
der Schluss auf eine fortwirkende psychische Disponiertheit des Waffenbesitzers zu
schadenstiftendem Verhalten, wie etwa eine Neigung zur Leichtfertigkeit oder zur
Gewaltanwendung oder andere Charaktermängel, herleiten lässt. Mit dahingehenden
tatsächlichen Würdigungen bewegen sich Behörden und Gerichte in der Regel in
Lebens- und Erkenntnisbereichen, die allgemein zugänglich sind. Prognosen der vom
Gesetz verlangten Art können daher grundsätzlich ohne Hinzuziehung von
Sachverständigen getroffen werden.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 9. Januar 1990 - 1 B 1.90 -, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 55;
OVG NRW, Urteil vom 14. August 1997, a.a.O., Beschluss vom 2. Juni 2003, a.a.O.
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In Anwendung dieser Maßstäbe ist das Gericht nach Würdigung der im Verfahren
insgesamt gewonnenen Erkenntnisse davon überzeugt, dass im Fall des Klägers nach
wie vor die ernste Besorgnis einer missbräuchlichen Waffenverwendung besteht. Das
Ergebnis der Beweisaufnahme, der Inhalt der beigezogenen Akten sowie die eigenen
Einlassungen des Klägers vermitteln das Bild eines Menschen, der zumindest in
Konfliktsituationen, insbesondere in solchen, in denen er seine eigenen Positionen
angegriffen glaubt, unfähig ist, angemessen zu reagieren und zu jähzornigem,
unbeherrschtem Verhalten bis hin zur Gewaltanwendung neigt.
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Zu dem Schluss auf die Neigung des Klägers zu emotional unbeherrschter und
gewalttätiger Auseinandersetzung zwingt insbesondere die Aussage der Zeugin L in der
mündlichen Verhandlung. Diese hat mehrere Vorfälle geschildert, bei denen der Kläger
im Rahmen ehelicher bzw. familiärer Auseinandersetzungen ihr und den gemeinsamen
Söhnen gegenüber in massiver Weise ausfällig und gewalttätig geworden ist. Dabei ist
es nicht erheblich, dass die geschilderten Vorfälle bereits mehrere Jahre zurückliegen.
Für die hier vorzunehmende Prognose sind nicht die Vorfälle an sich ausschlaggebend.
Die Angaben der Zeugin sind vielmehr in erster Linie insofern aussagekräftig, als durch
das von ihr beschriebene Verhalten des Klägers dessen Charakterzüge zum Ausdruck
kommen. Die Zeugin hat unter Angabe einer Vielzahl von Einzelheiten u.a. bekundet:
Am 14. Juli 1991 sei der Kläger „ausgerastet", nachdem sie von einer Feier, auf der er
sehr viel getrunken habe, nach Hause gekommen seien und der Kläger sich durch
„etwas Krach", den ihr jüngster Sohn und einige Freunde während eines Brettspiels
gemacht hätten, gestört gefühlt habe. Er sei hinter ihrem jüngsten Sohn hergerannt, es
habe eine „wilde Jagd" gegeben, bis ihr Sohn über eine Balkonbrüstung gelaufen sei.
Anschließend habe der Kläger den hinzugekommenen ältesten Sohn beschimpft, sich
mit ihr, der Zeugin, in das Schlafzimmer einschließen wollen und, nachdem ihr Sohn
dies verhindert habe, zu ihr gesagt: „Ihr werdet etwas erleben", und sei in den Keller
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gegangen, wo sich seine Waffen befunden hätten. Diese Situation habe sie als
gefährlich empfunden. Da er die Schlüssel zum Waffenschrank gehabt habe, hätten sie
nicht gewusst, was er vorhabe und seien deshalb nach draußen gegangen. Der Kläger
sei dann von der herbeigerufenen Polizei mitgenommen worden. Später hätten sie von
ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht, weil sie gewusst hätten, dass die
Jagd das liebste Hobby des Klägers sei und deshalb eine Aussage für sie und ihre
Söhne „nicht so schön gewesen wäre". Es habe dann weitere Morddrohungen gegen
sie, die Zeugin, gegeben. Nachdem sie im Februar 2001 aus der gemeinsamen
Wohnung ausgezogen sei, habe der Kläger sie im März, April oder Juni 2001, nachdem
sie für ihn mehrere Tage gekocht und es abgelehnt habe, bei ihm zu bleiben, an den
Haaren gezogen und ihr gesagt: „Ich bring dich noch mal eigenhändig um." Im Juli 2001,
etwa kurz vor seinem Geburtstag, habe sie den Kläger auf der Straße getroffen.
Nachdem sie seine Frage, ob sie mit ihm zu seinem 70. Geburtstag verreisen wolle,
verneint gehabt habe, habe der Kläger sein Fahrrad am Lenker hochgehoben und es
„runterknallen" lassen, sodass sie habe zurückspringen müssen. Dann habe er zu ihr
gesagt: „Ich bring dich noch mal um, das wird nicht mehr lange dauern."
Anhaltspunkte, die gegen die Glaubhaftigkeit dieser Darstellungen sprechen, liegen
nicht vor. Die Zeugin hat die Geschehnisse flüssig, anschaulich, gut nachvollziehbar
und unter erkennbarer emotionaler Beteiligung geschildert. Widersprüche zu früheren
Angaben traten nicht auf. Sie machte auch durchweg einen glaubwürdigen Eindruck.
Anhaltspunkte etwa für ein eigenes Interesse der Zeugin am Ausgang des Verfahrens
sind nicht ersichtlich. Soweit der Kläger die Darstellungen der Zeugin bestreitet,
überzeugt dies nicht. Sein Vorbringen insbesondere in der mündlichen Verhandlung,
die Vorwürfe seien konstruiert, was damit zu erklären sei, dass seine Ehefrau und seine
Söhne sich hinter seinem Rücken Vorteile im Zusammenhang mit den
Eigentumsverhältnissen an einigen seiner Immobilien verschaffen wollten, auch sei das
Strafverfahren nur auf „feministische Bestrebungen" zurückzuführen, beschränkt sich auf
pauschale Behauptungen, die den Kern der gegen ihn gerichteten Vorwürfe nicht
treffen. Die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugin wird auch durch das übrige
Vorbringen des Klägers nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Insbesondere findet
sein Einwand, beim Vorfall vom 14. Juli 1991 sei niemand mit ihm im Keller gewesen,
um ihm eine Schusswaffe aus der Hand zu nehmen, seine Waffen seien verschlossen
gewesen, nach dem Inhalt der vorliegenden Akten keine Stütze. Nach dem
Polizeibericht vom 14. Juli 1991 (Bl. 15-18 der Beiakte Heft 1 im Verfahren des Klägers
1 K 972/04) seien vielmehr im Kellerbüro des Klägers „2 Langwaffen offen aufgefunden"
worden. Ebenso wenig überzeugt der Einwand des Klägers, er sei zu den ihm
vorgeworfenen Handlungen im Juni und Juli 2001 wegen seiner gerade überstandenen
Leistenoperation körperlich nicht in der Lage gewesen. Dies erscheint schon deshalb
nicht plausibel, weil der Kläger nach seinen eigenen Einlassungen im Strafverfahren 38
Js 565/01 eingeräumt hat, am 22. Juni 2001 „in den Haarschopf der Ehefrau gegriffen
und sie leicht in Richtung der Tür geschoben" zu haben (vgl. den Schriftsatz seines
damaligen Bevollmächtigten vom 25. März 2002). Dass der Kläger jedenfalls bei
Konflikten, in denen er seine eigenen Interessen verteidigt, zu unbeherrschtem,
jähzornigen Verhalten bis hin zur Gewalttätigkeit neigt, wird auch durch die Aussagen
der Zeugin und des Herrn L1 im Rahmen des Strafverfahrens 38 Js 565/01 sowie durch
den Brief des Herrn L2 vom 17. Juli 2001 bestätigt, die den Kläger im Wesentlichen
übereinstimmend u.a. als „äußerst jähzornig, sehr misstrauisch, Ich-bezogen,
unberechenbar und gewalttätig" beschrieben haben (vgl. Bl. 3, 84f, 31f der Strafakten 38
Js 565/01). Der Rückgriff auf diese Erkenntnisse ist entgegen der Auffassung des
Klägers nicht aus datenschutzrechtlichen Gründen ausgeschlossen. Dabei kann es
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offen bleiben, ob etwa die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 a des
Datenschutzgesetzes Nordrhein- Westfalen - DSG NRW (in der Fassung vom 9. Juni
2000, GV. NRW. S. 542) vorliegen, wonach personenbezogene Daten zu sperren sind,
wenn ihre Richtigkeit von der betroffenen Person bestritten wird und sich weder die
Richtigkeit noch die Unrichtigkeit feststellen lässt. Denn jedenfalls ist diese Vorschrift
hier nicht anwendbar. Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 DSG NRW gilt dieses Gesetz für die
Gerichte und Staatsanwaltschaften nur, soweit sie Verwaltungsaufgaben wahrnehmen;
soweit die Behörden der Staatsanwaltschaften keine Verwaltungsaufgaben
wahrnehmen, gilt lediglich der Zweite Teil dieses Gesetzes.
Die Neigung des Klägers zur Gewalttätigkeit in bestimmten Konfliktsituationen wird
letztlich auch bestätigt durch seine eigenen Äußerungen, etwa durch den in den
Strafakten befindlichen Brief an seine Ehefrau vom 11. Juli 2001 (Bl. 27 ff der Akten 38
Js 565/01). Soweit der Kläger darin seiner Ehefrau vorwirft, sie habe seine Bitte, zu
seinem 70. Geburtstag mit ihm zu verreisen, „mit fadenscheinigem Verhalten abgelehnt",
und schreibt: „Eine Begleitung ist auf Reisen bei meiner Schwerbehinderung mit 90 %
vorgeschrieben und für mich unabwendbar. Was soll ich nun machen?", veranschaulicht
dies exemplarisch, dass der Kläger ein Maß an übersteigerter Selbstbezogenheit
aufweist, das jegliche Rücksichtnahme auf Interessen und Gefühle Dritter vermissen
und unkontrolliertes Verfolgen eigener Interessen auch mit Gewalt befürchten lässt.
Dabei ist nicht zu verkennen, dass die hier in Rede stehenden Vorfälle ausschließlich
im Zusammenhang mit familiären bzw. ehelichen Auseinandersetzungen standen, die
familiäre bzw. eheliche Situation des Klägers sich aber seit dem Auszug seiner Ehefrau
aus der gemeinsamen Wohnung Anfang 2001, spätestens seit dem Abschluss der von
der Zeugin L in der mündlichen Verhandlung geschilderten Unterhaltsstreitigkeiten,
grundlegend geändert hat. Dies steht indes der hier anzunehmenden ernsten Besorgnis
einer künftigen missbräuchlichen Waffenverwendung durch den Kläger nicht entgegen.
Auf Grund der dargestellten Charakterzüge des Klägers lässt es sich zur Überzeugung
des Gerichts nicht ausschließen, dass er auch in vergleichbaren Konfliktsituationen
außerhalb ehelicher oder familiärer Zusammenhänge auf tatsächliche oder
vermeintliche Angriffe seiner Positionen extrem jähzornig und unkontrolliert reagiert,
wobei letztlich auch der Griff zur Schusswaffe nicht mit der erforderlichen Sicherheit
ausgeschlossen werden kann.
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Das nach § 41 Abs. 1 WaffG eröffnete Ermessen hat der Beklagte zu 1. ordnungsgemäß
ausgeübt. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich. Eine andere, dem Kläger günstigere
Entscheidung konnte auf Grund der oben dargelegten, vom Beklagten zu 1. zutreffend
erkannten Umstände nicht getroffen werden.
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Ist mithin das gegenüber dem Kläger ausgesprochene Waffenbesitzverbot rechtmäßig,
ist auch der angefochtene, auf §§ 45 Abs. 2 Satz 1, 4 Abs. 1 Nr. 2 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 a
WaffG gestützte, Widerruf seiner Waffenbesitzkarten nicht zu beanstanden. Dies folgt
schon daraus, dass das Waffenbesitzverbot der Ausübung tatsächlicher Gewalt über die
von ihm erfassten Gegenstände zwingend entgegensteht. Damit hindert das
Waffenbesitzverbot einerseits die Erteilung einer Waffenbesitzkarte und erzwingt
andererseits den Widerruf einer erteilten Waffenbesitzkarte, weil Personen, gegen die
ein Waffenbesitzverbot ergangen ist, auch die weitere Innehabung der tatsächlichen
Gewalt über Schusswaffen nicht erlaubt werden darf.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Februar 1983 - 1 C 144.80 -, Buchholz 402.5 WaffG Nr. 35
(Seite 37).
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Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich der Sicherstellung und Einziehung der
Schusswaffen des Klägers (vgl. § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG), ohne dass es auf eine
weitere Beurteilung seiner Zuverlässigkeit ankäme.
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Die Klage hat auch keinen Erfolg, soweit sie gegen die von der Beklagten zu 2. im
Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2004 festgesetzte Verwaltungsgebühr in Höhe
von 230,- EUR gerichtet ist. Rechtliche Bedenken gegen die Gebühr sind nicht geltend
gemacht und auch sonst nicht ersichtlich. Der Kläger hat nach § 154 Abs. 1 VwGO die
Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterlegen ist. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§
708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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