Urteil des VG Münster vom 21.12.2010

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Verwaltungsgericht Münster, 9 Nc 414/10
Datum:
21.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 Nc 414/10
Schlagworte:
Zulassung zum Studium, Pharmazie, WWU Münster, WS 2010/2011
Rechtskraft:
nicht rechtskräftig
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e
1
I.
2
Der Antragsteller begehrt im Verfahren der einstweiligen Anordnung die vorläufige
Zulassung zum Studium der Pharmazie an der Westfälischen Wilhelms-Universität
Münster (WWU Münster) zum 1. Fachsemester nach den tatsächlichen und rechtlichen
Verhältnissen des Wintersemesters (WS) 2010/2011 außerhalb der normativ
festgesetzten Aufnahmekapazität.
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Das Ministerium für Innovation, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-
Westfalen (MIWF) hat durch die Verordnung über die Festsetzung von
Zulassungszahlen und die Vergabe von Studienplätzen im ersten Fachsemester für das
Wintersemester 2010/2011 (ZulassungszahlenVO) vom 25. Juni 2010 (GV. NRW. 2010,
354, 357) - nunmehr i. d. F. der Änderungsverordnung vom 15. November 2010 (GV.
NRW. 2010, 626, 627) - die Zahl der von der WWU Münster zum WS 2010/2011 in
diesem Studiengang aufzunehmenden Studienanfänger(innen) auf
71
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Nach Mitteilung der Antragsgegnerin (Schriftsatz vom 17. Dezember 2010 im
gerichtlichen Leitverfahren 9 Nc 212/10) steht dieser Sollzahl eine tatsächliche
Einschreibungszahl an Studienanfängern/Studienanfängerinnen von
77
Ende der Einschreibungsfrist) bzw. von
76
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
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Gerichtsakten und der von der Antragsgegnerin auf Anforderung des Gerichts im
Leitverfahren 9 Nc 212/10 vorgelegten Kapazitätsunterlagen sowie der hierauf
bezogenen Erläuterungen verwiesen.
II.
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Der auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtete Antrag hat jedenfalls
mangels glaubhaft gemachten Anordnungsanspruchs keinen Erfolg.
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Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegnerin im
Studiengang Pharmazie zum WS 2010/2011 über die Zahl der tatsächlich vergebenen
Studienplätze hinaus (zumindest) ein freier Studienanfängerplatz zur Verfügung steht,
der ggf. nach Maßgabe eines gerichtlich anzuordnenden Losverfahrens unter seiner
Beteiligung - vergeben werden könnte, § 123 Abs. 3 VwGO, §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1
ZPO.
9
Das Gericht hat keinen Anlass daran zu zweifeln, dass die Studienplätze für das erste
Fachsemester des verfahrensbetroffenen Studiengangs entsprechend den Angaben der
Antragsgegnerin vom 7. Dezember 2010 besetzt sind. Durch diese tatsächliche
Besetzungszahl von 77 (zum Ende der Einschreibungsfrist) bzw. von 76 (zum 26.
November 2010) wird die im ministeriellen Kapazitätsfestsetzungsverfahren
abschließend bestimmte Zulassungszahl von 71
,
Zulassungszahlenverordnung in dieser Höhe festgesetzten Zulassungszahl für das WS
2010/2011 für Studienanfänger/innen entspricht, abgedeckt und sogar deutlich
überschritten.
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Nach dem Ergebnis der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes durchgeführten
Überprüfung der von der Antragsgegnerin überreichten und erläuterten
Kapazitätsunterlagen ist es - auch unter Einbeziehung des Vortrags des Antragstellers -
nicht überwiegend wahrscheinlich, dass über die tatsächlich vergebenen Plätze hinaus
im verfahrensbetroffenen Studiengang noch weitere Studienanfängerplätze zur
Verfügung stehen.
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Rechtsgrundlage für die Kapazitätsermittlung für das Studienjahr 2010/2011 und damit
für das WS 2010/2011 ist die Verordnung über die Kapazitätsermittlung, die
Curricularnormwerte und die Festsetzung von Zulassungszahlen (Kapazitätsverordnung
KapVO) vom 25. August 1994 (GV. NRW. 1994, 732), zuletzt geändert durch die Dritte
ÄnderungsVO vom 12. August 2003 (GV. NRW. 2003, 223).
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Der Festsetzung der Zulassungszahl liegt nach diesen Bestimmungen der KapVO, die
mit den in Abschnitt 3 Art. 6 des Staatsvertrages vom 5. Juni 2008 (GV. NRW. 2008, 714
und hierzu Ratifizierungsgesetz in Art. 1 des Hochschulzulassungsreformgesetzes
NRW vom 18. November 2008, GV. NRW. 2008, 710) nochmals bekräftigten Maßgaben
übereinstimmen, die jährliche Aufnahmekapazität zugrunde, die auf die einzelnen
Vergabetermine (Wintersemester bzw. Sommersemester) aufgeteilt wird. Die
Aufnahmekapazität für den Berechnungszeitraum 2010/2011 wird ermittelt durch
Berechnung aufgrund der zum 1. März 2010 (§ 5 Abs. 1 KapVO) erhobenen und zum
letzten Berechnungsstichtag (hier: zum 15. September 2010, § 5 Abs. 3 KapVO)
überprüften Daten zum Lehrangebot nach Maßgabe der Vorschriften des Zweiten
Abschnitts der KapVO. Dieses Berechnungsergebnis ist sodann anhand der weiteren
kapazitätsbestimmenden Kriterien nach den Vorschriften des Dritten Abschnitts dieser
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Verordnung zu überprüfen.
1. Lehrangebot:
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Die Antragsgegnerin (Berichte vom 19. März 2010 – zum Berechnungsstichtag 1. März
2010 - und zuletzt vom 22. September 2010 – zum letzten Überprüfungszeitpunkt 15.
September 2010 -, die sich das Ministerium nach Prüfung zu eigen gemacht hat) ist bei
der Berechnung nach den Vorschriften des Zweiten Abschnitts der KapVO auf der
Lehrangebotsseite davon ausgegangen, dass der Lehreinheit Pharmazie der WWU
Münster, der der Studiengang Pharmazie zutreffend zugeordnet ist (§ 7 Abs. 1, Sätze 1
u. 2 KapVO), zum maßgeblichen Berechnungsstichtag für das Studienjahr 2010/2011
insgesamt 40,50 Personalstellen zur Verfügung stehen.
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Das Gericht geht nach Prüfung der vorgelegten Kapazitätsunterlagen und der hierauf
bezogenen Erläuterungen der Antragsgegnerin in den Kapazitätsberichten und im
gerichtlichen Verfahren davon aus, dass mit diesen Stellen und deren Verteilung auf die
einzelnen Stellengruppen das der Lehreinheit für das Studienjahr 2010/2011
kapazitätsbeachtlich zur Verfügung stehende Lehrpersonal beanstandungsfrei erfasst
ist.
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Der vom Gericht vorgenommene Abgleich der im Kapazitätsermittlungsverfahren des
Studienjahres 2010/2011 vom Ministerium entsprechend den Meldungen der
Hochschule eingestellten Anzahl und Verteilung der der Lehreinheit zuzuordnenden
Stellen mit der von der Antragsgegnerin vorgelegten "Gesamtübersicht der
wissenschaftlichen Stellen: Stellenplan 2010 einschl. der Stellen, die aus
Hochschulpaktmitteln finanziert werden, Stellenplan lt. Haushaltsplan, 15.9.2010" hat
keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, in der Lehreinheit seien weitere - oder anders
zuzuordnende - kapazitätsrelevante Stellen wissenschaftlichen Personals vorhanden.
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Ebenso wenig ist etwas für die Annahme – etwa aufgrund entsprechenden Vortrags des
Antragstellers - hervorgetreten, für einzelne Stelleninhaber sei aufgrund individuell
abweichender Lehrverpflichtung bzw. aus sonstigen Gründen über das in die
Kapazitätsberechnung bereits angesetzte Maß hinaus eine höhere
Lehrleistungsverpflichtung, als dies nach der Lehrverpflichtungsverordnung (LVV)
bestimmt ist, vereinbart worden. Auch besteht kein Grund für die Annahme, in der
Lehreinheit seien als befristet beschäftigt eingestufte Wissenschaftliche Angestellte
tätig, deren Befristung zum Berechnungsstichtag durch eine arbeitsgerichtliche
Entscheidung oder aufgrund übereinstimmender Abrede der Vertragsparteien in Wegfall
geraten sei.
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Vgl. zum Stellenprinzip auch in jüngerer Zeit: OVG NRW, Beschluss vom 2.
März 2010 – 13 C 11/10 u.a. -, Bl. 3 Mitte des amtlichen Umdrucks, auch
www.nrwe.de
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Nach alledem ist für den Berechnungszeitraum 2010/2011 von folgendem
Stellenbestand der Lehreinheit Pharmazie und dem nachstehend bezifferten
(unbereinigten) Lehrdeputat entsprechend den nicht zu beanstandenden Regelungen
der LVV auszugehen:
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Stellengruppe
Deputat je
Anzahl Stellen
Summe DS
21
Stelle in DS
2010/11
2010/11
W3 Universitäts-professor
9
4
36
W2 Universitäts-professor
9
4
36
W1 Junior-Professor
4
2
8
A15 - 13 Akad. Rat mit ständigen
Lehraufgaben
9
5
45
A15 - 13 Akad. Rat ohne ständige
Lehraufgaben
5
3
15
A15 – 13 Studienrat im
Hochschuldienst
13
2
26
A 13 Akad. Rat auf Zeit
4
2
8
TV-L Wiss. Angestellter (befristet)
4
15,5
62
TV-L Wiss. Angestellter (unbefristet)
8
3
24
22
Summe der Stellen und das hieraus folgende Lehrangebot in DS:
40,50 260
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Dieses Gesamtlehrdeputat von (unbereinigt)
260 DS
der Wissenschaftsverwaltung vorgenommenen Berechnung gemäß § 5 Abs. 1 LVV um
insgesamt
3,15
Lehrverpflichtung um 75 v.H. – in Ausnahmefällen um 100 v.H. – für die Wahrnehmung
der Funktion der Dekanin oder des Dekans ermäßigt. Diesen Voraussetzungen folgend
ist in den Kapazitätsberichten der Hochschule für die Übernahme des Amtes des
Dekans des Fachbereichs 12 (Chemie und Pharmazie) durch Professor E. . I. (W 3)
beanstandungsfrei eine Ermäßigung von 3,15 DS bejaht worden. Die durch die Norm
eröffnete Kürzungsmöglichkeit ist damit – kapazitätsgünstig – nicht einmal ausgeschöpft
worden.
24
Weiter ist gemäß § 10 KapVO eine Erhöhung des Lehrdeputats im Umfang von
3,79
vorgenommen worden. Das Gericht geht nach dem Inhalt der vorgelegten Unterlagen
davon aus, dass damit die im maßgeblichen Zeitraum (hier: SS 2009 und WS
2009/2010) im Durchschnitt in der Lehreinheit Pharmazie angefallenen sowie in die
Berechnung einzubeziehenden der Pflichtlehre zugehörigen Lehrauftragsstunden
einschließlich solcher, die ggf. aus Mitteln des Hochschulpaktes finanziert wurden,
erfasst sind. Anhaltspunkte, die Zweifel an dem Ansatz der berücksichtigten – und von
der Antragsgegnerin im Einzelnen bezeichneten - Lehrauftragsstunden wecken
könnten, bestehen nicht. Soweit in die Berechnung für das WS 2009/2010 eine Anzahl
von 3,43 DS Lehrauftragsstunden (und nicht von lediglich 3,34 DS entsprechend der
auch vorgelegten manuellen Auswertung) eingestellt worden ist, ist dies
kapazitätsgünstig.
25
Das Lehrangebot ist weiterhin gemäß § 11 KapVO um die
Dienstleistungen
vermindern, welche die Lehreinheit Pharmazie für drei nicht zugeordnete und im
einzelnen in den Kapazitätsberichten benannte Masterstudiengänge erbringt. Die
insoweit zum Berechnungsstichtag angesetzten und im Verwaltungsverfahren
erläuterten Einsatzwerte (Curricularanteile und die voraussichtlichen
Studienanfängerzahlen), die zu einem Dienstleistungsexport von (1,68 DS + 0,72 DS +
1,32 DS =)
3,72 DS
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Unter Berücksichtigung der individuellen Lehrleistungsermäßigung, der
Lehrauftragsstunden und des Dienstleistungsexports ergibt sich damit ein bereinigtes
Lehrangebot je Semester (Sb) in Höhe von (260 DS – 3,15 DS + 3,79 DS – 3,72 DS =)
256,92
Sb = 2 x 256,92 =)
513,84 DS
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Soweit der Antragsteller aus verschiedenen Gründen, etwa wegen des
Hochschulpaktes 2020 oder wegen der Vereinnahmung von Studiengebühren, über
dieses Lehrangebot hinaus eine Erhöhung des Lehrangebots oder sogar unmittelbar
eine Erhöhung der nach dem Modell der KapVO berechneten Studienplatzkapazität
fordert, folgt das Gericht diesen Ansätzen schon aus Rechtsgründen nicht.
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Vgl. hierzu etwa Beschluss des Gerichts vom 10. Juni 2008 – 9 Nc 181/08 -,
hierzu auch OVG NRW, Beschluss vom 17. September 2008 – 13 C 231/08 –,
ferner jüngst OVG NRW, Beschluss vom 9. Juli 2010 – 13 C 264/10 u.a. -,
sämtlich unter Beteiligung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers.
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2. Lehrnachfrage und Aufnahmekapazität
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Für die Berechnung der jährlichen Aufnahmekapazität ist zur Berücksichtigung der
Lehrnachfrage aller der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge unter Anwendung von
Anteilquoten (§ 12 KapVO) und der auf die Lehreinheit vom Curricularnormwert (CNW)
entfallenden Curricularanteile (CAp) der zugeordneten Studiengänge (§ 13 Abs. 4
KapVO) ein gewichteter Curricularanteil (CA) anzusetzen. Zugeordnet sind der
Lehreinheit Pharmazie zwei Studiengänge, nämlich der Studiengang Pharmazie und
der Masterstudiengang Arzneimittelwissenschaften. Die Hochschule hat zur
Feststellung der Anteilquote für den Studiengang Pharmazie einen CNW von 4,50,
einen Eigenanteil von 4,11 sowie eine vorjährige Bewerberzahl von 426 in ihrer
Kapazitätsberechnung zugrunde gelegt. Für den – voll eingerichteten -
Masterstudiengang Arzneimittelwissenschaften hat sie die dementsprechenden
Parameter ermittelt. Diese Zahlen in das Verhältnis zueinander gesetzt, folgt daraus für
den Studiengang Pharmazie eine Anteilquote von 0,922. Der gewichtete, auf die
Lehreinheit Pharmazie entfallende Curricularanteil aller ihr zugeordneten Studiengänge
beträgt insgesamt 3,97. Ein greifbarer Grund zu Beanstandungen dieser
Eingabeparameter und der hierauf aufbauenden mathematischen Berechnungen der
Hochschule und der Wissenschaftsverwaltung kann das Gericht nicht feststellen.
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Ausgehend von dem bereinigten Jahreslehrangebot in Höhe von 513,84 DS und
dividiert mit dem gewichteten Curricularanteil ergibt sich ein Studienplatzangebot in
Höhe von (513,84 : 3,97 =) 129,43, gerundet 129
32
Nach der Formel (5) der Anlage 1 zu § 6 KapVO ermittelt sich damit eine
jährliche
Aufnahmekapazität Ap von (129 x 0,922 =) 118,93, gerundet
119
Studiengang Pharmazie.
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Die auf Grund des Zweiten Abschnitts der KapVO errechnete jährliche
Aufnahmekapazität von 119 Studienplätzen ist nach den Vorschriften des Dritten
Abschnitts der KapVO zu überprüfen. Das führt auf der Grundlage des nach dem so
genannten Hamburger Modell
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vgl. hierzu etwa aus jüngerer Zeit: OVG NRW, Beschluss vom 2. März 2010 - 13
C 11/10 u.a. -,
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kapazitätsgünstig angesetzten Schwundfaktors von 1/0,89 zu einer Erhöhung im Wege
des
gerundet 134 Studienanfängerplätze. Diese Zahl hat das Ministerium, dem
entsprechenden Vorschlag der Hochschule folgend, um 4 Studienanfängerplätze und
damit auf insgesamt
138
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Von diesen 138 Plätzen sind beanstandungsfrei
71
2010/2011 (und 67 dem SS 2011) zugeordnet worden. Die für das WS 2010 bestimmte
Zahl von 71 entspricht dem Inhalt der ZulassungszahlenVO. Sie ist mit
77
Einschreibungsschluss erfolgten Einschreibungen nicht nur abgedeckt, sondern sogar
deutlich überschritten worden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht
auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG. Sie entspricht der ständigen Praxis des
Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen und des beschließenden
Gerichts in Verfahren der vorliegenden Art.
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