Urteil des VG Münster vom 04.05.2007

VG Münster: nachzahlung, besoldung, entscheidungsformel, abgeltung, familie, unterhalt, drucksache, kirchensteuer, beamter, gestaltungsspielraum

Verwaltungsgericht Münster, 4 K 2335/05
Datum:
04.05.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 2335/05
Tenor:
Der Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 15.
Dezember 2004 und des Widerspruchsbescheides vom 15. November
2005 verurteilt, dem Kläger für die Jahre 1999, 2002, 2003, 2004, 2005
und 2006 einen Nettobetrag von insgesamt 1.592,36 € nebst Zinsen in
Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweils geltenden
Basiszinssatz aus 1.187,84 € seit dem 06. Dezember 2005, aus weiteren
183,24 € - mithin aus insgesamt 1.371,08 € - seit dem 01. Januar 2006
und aus weiteren 221,28 € - mithin aus insgesamt 1.592,36 € - seit dem
01. Januar 2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich des Zahlungsausspruchs und wegen der
Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des jeweils
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
T a t b e s t a n d
1
In den Jahren 1999 bis 2006 stand der Kläger als Beamter der Besoldungsgruppe A 12
im Dienst des Beklagten und war für seine drei in den Jahren 1987, 1989 und 1991
geborenen Kinder kindergeldberechtigt.
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Mit Bescheid vom 15. Dezember 2004 teilte der Beklagte dem Kläger mit, für den
Zeitraum nach dem 31. Dezember 1998 habe er Familienzuschläge ab dem dritten Kind
unter dem Vorbehalt der verfassungsrechtlichen Nachprüfung erhalten. Dieser
Vorbehalt werde nunmehr aufgehoben und die Familienzuschlagszahlungen für dritte
und weitere Kinder für die Zeit ab dem 01. Januar 1999 für endgültig erklärt. Den
hiergegen am 11. Januar 2005 erhobenen Widerspruch des Klägers wies der Beklagte
mit Bescheid vom 15. November 2005 hinsichtlich der Jahre 1999 und 2002 bis 2004
zurück. Für den Zeitraum vom 01. Januar 2000 bis zum 31. Dezember 2001 erkannte er
dagegen einen Anspruch auf Nachzahlung in Höhe von 633,96 DM (2000) und 600,24
3
dagegen einen Anspruch auf Nachzahlung in Höhe von 633,96 DM (2000) und 600,24
DM (2001), mithin in Höhe von insgesamt 1.234,20 DM an.
Der Kläger hat am 06. Dezember 2005 Klage erhoben. Er trägt im Wesentlichen vor, die
gesetzlich festgelegte Besoldung sei im streitgegenständlichen Zeitraum hinter den
Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24. November 1998
2 BvL 26/91 u. a. - und des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 17. Juni 2004 - 2
C 34.02 - zurückgeblieben.
4
Der Kläger beantragt,
5
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 15. Dezember 2004 und des
Widerspruchsbescheides vom 15. November 2005 zu verurteilen, an ihn für sein drittes
Kind für die Jahre 1999, 2000, 2001, 2002, 2003 und 2004 familienbezogene
Gehaltsbestandteile in Höhe der Differenz zwischen 115 v.H. des durchschnittlichen
sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes und dem ihm für sein drittes Kind
tatsächlich gezahlten Familienzuschlag nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem jeweils geltenden Basiszinssatz seit dem 06. Dezember 2005 zu zahlen und
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an ihn für sein drittes Kind für die Jahre 2005 und 2006 familienbezogene
Gehaltsbestandteile in Höhe der Differenz zwischen 115 v.H. des durchschnittlichen
sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes und dem ihm für sein drittes Kind
tatsächlich gezahlten Familienzuschlag nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten
über dem jeweils geltenden Basiszinssatz aus dem jährlichen Nachzahlungsbetrag ab
dem 01. Januar des Folgejahres zu zahlen.
7
Der Beklagte beantragt,
8
die Klage abzuweisen.
9
Er macht im Wesentlichen geltend, für das Jahr 1999 werde wegen der vom
Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 24. November 1998 2 BvL 26/91 u. a. -
festgelegten Anpassungsfrist kein Gestaltungsspielraum des Dienstherrn gesehen. Die
Nachzahlung für die Jahre 2000 und 2001 entspreche den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts. Die Höhe der für die folgenden Jahre nach dem
Bundesbesoldungsgesetz gezahlten Familienzuschläge ab dem dritten Kind erfülle
bereits die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts, so dass für diesen Zeitraum eine
Nachzahlung nicht mehr in Betracht komme. Durch die kontinuierliche Erhöhung des
Kindergeldes und die Erhöhung der steuerlichen Kinderfreibeträge sowie das Vorziehen
von steuerrechtlichen familienbezogenen Entlastungsmaßnahmen sei der Gesetzgeber
seiner Pflicht zur verfassungskonformen Anpassung der Besoldung nachgekommen.
Auch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2004 - 2 C 34.02 -
rechtfertige keine Nachzahlung. Die Grundannahmen, die das
Bundesverfassungsgericht im genannten Beschluss den Vergleichsberechnungen zu
Grunde gelegt habe, hätten sich zwischenzeitlich verändert, so dass die Berechnungen
nicht unverändert fortgeführt werden könnten.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
11
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
12
Die Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
13
Die - zeitlich von vornherein nicht auf die Jahre 1999 bis 2004 begrenzte - Klage ist
insgesamt zulässig. Das (etwaige) Fehlen eines Vorverfahrens (vgl. § 126 Abs. 3 BRRG
i.V.m. §§ 68 ff. VwGO) hinsichtlich der Jahre 2005 und 2006 ist unschädlich, weil der
Beklagte durch die angefochtenen Bescheide zu erkennen gegeben hat, dass dieses
aussichtslos wäre. Der Zweck des Vorverfahrens hätte daher ohnehin nicht mehr
erreicht werden können, so dass ein entsprechendes Verlangen eine reine, dem Kläger
nicht zumutbare Förmelei wäre.
14
Vgl. BVerwG, Urteile vom 02. September 1983
15
- 7 C 97/81 -, NVwZ 1984, 507, und vom 09. Mai 1985 - 2 C 16/83 -, NVwZ 1986, 374;
VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Februar 2007 - 4 S 2289/05 -, Juris; VG
Münster, Urteil vom 20. Juni 2006 - 4 K 2446/05 -.
16
Die auf die Zahlung erhöhter familienbezogener Gehaltsbestandteile für die Jahre 1999
und 2002 bis 2006 sowie - unter Berücksichtigung der Nachzahlung - für die Jahre 2000
und 2001 gerichtete Klage ist begründet, soweit das Begehren die Jahre 1999 und 2002
bis 2006 betrifft. Für die Jahre 2000 und 2001 steht dem Kläger dagegen kein Anspruch
auf eine (weitere) Nachzahlung zu.
17
Der Anspruch auf Zahlung eines höheren als des gesetzlich festlegten
Familienzuschlags ergibt sich unmittelbar aus dem Tenor der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998.
18
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u.a. -, BVerfGE 99, 300,
314 ff.; OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007 - 1 A 3433/05 -, Juris.
19
Die Entscheidungsformel zu 2. enthält zwei voneinander unabhängige Aussprüche. Im
ersten Teil wird der Gesetzgeber verpflichtet, innerhalb einer bestimmten Frist die in der
Entscheidungsformel zu 1. als verfassungswidrig beanstandete Rechtslage neu zu
ordnen. Der zweite Teil begründet darüber hinausgehend Leistungsansprüche jenseits
gesetzgeberischer Maßnahmen, sofern der Gesetzgeber den zuvor ausgesprochenen
legislatorischen Verpflichtungen nicht nachkommt.
20
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004
21
- 2 C 34.02 -, BVerwGE 121, 91; OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007 - 1 A 3433/05 -,
Juris.
22
Dieser Teil der Entscheidungsformel ist unmittelbar anspruchsbegründend. Er ist auf die
Durchsetzung des verfassungsrechtlichen Gebots amtsangemessener Alimentation
gerichtet, das nicht nur zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums im
Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG gehört, sondern dem Beamten - Gleiches gilt für den
Richter - auch ein grundrechtsähnliches Individualrecht gegen den Dienstherrn gibt.
Dieser ist daraus verpflichtet, dem Beamten einen amtsangemessenen Unterhalt zu
leisten, der unter anderem die Unterhaltspflichten realitätsgerecht berücksichtigen muss,
die dem Beamten durch seine Familie entstehen. Deshalb muss auch der bei größerer
Kinderzahl entstehende Mehrbedarf gedeckt sein. Zwar steht es dem Gesetzgeber frei,
23
mit welchen Mitteln er das verfassungsrechtliche Ziel amtsangemessener Alimentation
von Beamten mit drei und mehr Kindern erreicht; eine Abweichung von dem Ziel ist ihm
aber verwehrt. Der Gesetzgeber überschreitet demgemäß seinen Gestaltungsspielraum,
wenn er es dem Beamten zumutet, für den Unterhalt seines dritten Kindes und weiterer
Kinder auf die familienneutralen Bestandteile seiner Besoldung zurückzugreifen, um
den Bedarf dieser Kinder zu decken.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 24. November 1998 - 2 BvL 26/91 u.a. -, a.a.O., unter
Bezugnahme auf die Beschlüsse vom 22. März 1990
24
- 2 BvL 1/86 -, BVerfGE 81, 363, und vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. -,
BVerfGE 44, 249; OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007 - 1 A 3433/05 -, Juris.
25
Die Voraussetzungen für einen über den bestehenden gesetzlichen Rahmen
hinausgehenden Anspruch des Klägers auf familienbezogene Besoldungsbestandteile
sind - wie im Weiteren darzulegen ist - bezogen auf die hier geltend gemachten Jahre
1999 bis 2006 erfüllt. Die für den Kläger einschlägige gesetzlich bestimmte Besoldung
entsprach in dieser Zeit nicht den Vorgaben des vorzitierten Beschlusses des
Bundesverfassungsgerichts.
26
Die Kammer ist an der Feststellung der Unteralimentation und an einem
entsprechenden Zahlungsausspruch zulasten des Beklagten nicht gehindert. Die
Fachgerichte sind - weiterhin - auf der Grundlage der Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts,
27
vgl. Beschluss vom 24. November 1998, Entscheidungsformel zu Nr. 2, a.a.O., S. 304
und 332,
28
befugt, eine den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht genügende, nämlich
mit Blick auf das dritte und jedes weitere unterhaltsberechtigte Kind zu niedrige
Besoldung festzustellen, die Differenz nach Maßgabe der Gründe des vorgenannten
Beschlusses zu C.III.3. (a.a.O., S. 321 ff.) selbst zu berechnen und dem
Besoldungsempfänger zusätzliche familienbezogene Gehaltsbestandteile unmittelbar
zuzusprechen.
29
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007
30
- 1 A 3433/05 -, Juris.
31
Die Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts gilt auch für den
gesamten streitgegenständlichen Zeitraum. Sie gewährt den Fachgerichten
insbesondere die Befugnis, auch für das Jahr 1999 die entsprechenden Berechnungen
anzustellen und gegebenenfalls zusätzliche familienbezogene Gehaltsbestandteile
zuzuerkennen. Die Fristsetzung im Tenor zu 2. der Entscheidungsformel des
Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 24. November 1998 ("so gilt mit
Wirkung vom 1. Januar 2000") bezieht sich lediglich auf das Einsetzen der oben
erläuterten Befugnis der Fachgerichte, die entsprechenden Fehlbeträge zu ermitteln und
zuzusprechen. Sie schließt indessen einen - ab dem 1. Januar 2000 gerichtlich
durchsetzbaren - Anspruch des Besoldungsempfängers für das Jahr 1999 nicht aus.
32
Vgl. näher OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007 - 1 A 3433/05 -, Juris.
33
Der Ausspruch unter 2. der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist bezogen
auf den hier streitgegenständlichen Zeitraum auch nicht erledigt. Zwar gilt er nur so
lange, wie der Gesetzgeber es unterlässt, Maßstäbe zu bilden und Parameter
festzulegen, nach denen die Besoldung der kinderreichen Beamten bemessen und der
Bedarf eines dritten und jedes weiteren Kindes zutreffend ermittelt wird. Im Falle einer
solchen Gesetzgebung entfällt die sich aus dem Beschluss vom 24. November 1998
ergebende Befugnis der Verwaltungsgerichte.
34
Vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 2004
35
- 2 C 34.02 -, a.a.O., Leitsatz und S. 97 f.
36
Jedoch ist der Gesetzgeber der ihm auferlegten Verpflichtung, verfassungskonforme
Verhältnisse herzustellen, im hier zu betrachtenden Zeitraum auch in Ansehung der vom
Beklagten geltend gemachten Änderungen des Besoldungs-, Kindergeld- und
Steuerrechts nicht ausreichend nachgekommen.
37
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007
38
- 1 A 3433/05 -, Juris (für 1999 bis 2004);
39
VG Münster, Urteil vom 25. Januar 2007
40
- 11 K 353/04 -, jeweils mit weiteren Nachweisen.
41
Beim Kläger verbleibt in Anwendung der vom Bundesverfassungsgericht vorgegebenen
Berechnungsmethode ein nicht gedeckter Bedarf für den Unterhalt des dritten Kindes
bezogen auf die Jahre 1999 und 2002 bis 2006 in Höhe von insgesamt 1.592,36 €. Die
ursprünglich auch für die Jahre 2000 und 2001 bestehende Unteralimentation ist durch
die mit Widerspruchsbescheid vom 15. November 2005 festgesetzte und mit den
Bezügen für Dezember 2005 erfolgte Nachzahlung entfallen.
42
Zur Feststellung der Höhe der Unteralimentation sind nach der Anordnung des
Bundesverfassungsgerichts im Beschluss vom 24. November 1998 (a.a.O., S. 323)
115 v.H. des - vom Bundesverfassungsgericht so bezeichneten - sozialhilferechtlichen
Gesamtbedarfs mit dem monatlichen Mehrbetrag des Nettoeinkommens zu vergleichen,
den ein Beamter/Richter der jeweiligen Besoldungsgruppe (hier A 12) mit drei Kindern
gegenüber einem solchen mit zwei Kindern erzielt. Um die Unteralimentation des dritten
Kindes festzustellen, ist die Differenz der pauschalierend und typisierend bezogen auf
ein Kalenderjahr ermittelten Nettoeinkommen mit dem um 15 v.H. erhöhten
sozialhilferechtlichen Gesamtbedarf zu vergleichen.
43
Für diesen - hier hinsichtlich der Jahre 1999 bis 2006 anzustellenden -
Einkommensvergleich zwischen der Familie mit zwei Kindern und der Familie mit drei
Kindern ist auf das jeweilige Jahresnettoeinkommen abzustellen. Auszugehen ist
insoweit vom Bruttogrundgehalt der Endstufe der Besoldungsgruppe, der das Amt des
Beamten zugeordnet ist, und dem Familienzuschlag (Familienzuschlag der Stufe 1 und
kinderbezogene Familienzuschläge) sowie allgemein vorgesehenen
Besoldungsbestandteilen wie die - im Falle des Klägers allerdings nicht in Betracht
kommende und damit auch nicht zu berücksichtigende - allgemeine Stellenzulage nach
44
Nr. 27 der Vorbemerkungen zu den Bundesbesoldungsordnungen A und B.
Hinzuzurechnen sind gegebenenfalls erfolgte Einmalzahlungen, Urlaubsgeld und bis
zum Jahr 2002 die Sonderzuwendungen nach dem Sonderzuwendungsgesetz vom 23.
Mai 1975 (Neubekanntmachung: BGBl I 1998, 3642) - in der jeweils gültigen Fassung -
unter Berücksichtigung des vom Bundesministerium des Innern festgesetzten
Bemessungsfaktors und ab dem Jahr 2003 die Sonderzahlungen nach dem
Sonderzahlungsgesetz NRW vom 20. November 2003 (GV. NRW, Seite 696), zuletzt
geändert durch Art. 2 des Haushaltsbegleitgesetzes 2006 (GV. NRW, Seite 204).
Zur Höhe des Bemessungsfaktors gemäß § 13 SoZuwG (Bund) vgl. Runderlasse des
Finanzministeriums NRW vom 2. April 1997 - B 2104 - 34.2 - IV A 2 -, MBl. NRW 1997,
448; vom 30. Dezember 1999 - B 3135 - 5.2.2 - IV A 2 -, MBl. NRW 2000, 50; vom 20.
November 2000
45
- B 2104 - 46.1 - IV A 2; B 3135 - 5.2.2 -
46
IV A 2 -, MBl. NRW 2000, 1614; vom 18. Mai 2001 - B 2104 - 46.2 - IV A 2 -, MBl. NRW
2001, 863, sowie Stegmüller/Schmalhofer/Bau-er, Beamtenversorgungsgesetz, Erl. 2.1
zu
47
§ 57, Ziffer 4.2.7 ff.
48
Die Nettobezüge ergeben sich nach Abzug der Lohn- bzw. Einkommensteuer (nach
Maßgabe der im Bundesanzeiger veröffentlichten besonderen Lohnsteuertabellen), des
Solidaritätszuschlags (soweit dieser im maßgeblichen Jahr erhoben wurde) und der
Kirchensteuer. Letztere ist mit einem pauschalen Kirchensteuersatz von 8 v.H.
anzusetzen, ohne Rücksicht darauf, ob der Beamte in einem Bundesland mit einem
abweichenden Steuersatz wohnt.
49
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007
50
- 1 A 3433/05 -, Juris.
51
Die Kinderfreibeträge (§ 32 Abs. 6 EStG) in der für das jeweilige Jahr anzusetzenden
Höhe sind nur bei der Berechnung der Kirchensteuer und des Solidaritätszuschlags zu
berücksichtigen, weil sie sich nur dort auswirken. Hinzuzurechnen ist letztlich, weil nicht
der Lohn- bzw. Einkommensteuer unterworfen, das Kindergeld. Individuelle
Gehaltsbestandteile sind ebenso wie individuelle Umstände und Steuerfreibeträge -
etwa individuell auf der Lohnsteuerkarte eingetragene Freibeträge oder an besondere,
einzelfallbezogene Voraussetzungen anknüpfende Freibeträge -, die zu einer
Verringerung des Brutto- oder Nettoeinkommens führen, außer Betracht zu lassen.
52
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007
53
- 1 A 3433/05 -, Juris.
54
Nach diesen Grundsätzen ergibt sich in den Jahren 1999 bis 2006 die aus den
nachfolgenden Tabellen abzulesende Einkommenssituation für Beamte der
Besoldungsgruppe A 12 (ohne allgemeine Stellenzulage) mit zwei und mit drei Kindern:
55
56
Einkommen
1999
2000
2001
2002
2 Kinder
Jahresbrutto
88.315,79 DM
88.981,44 DM
90.462,31 DM
47.194,31 €
Abzüge (Steuern)
-17.455,51 DM -16.763,64 DM -15.692,93 DM -8.175,80 €
Kindergeld
6.000,00 DM
6.480,00 DM
6.480,00 DM
3.696,00 €
Jahresnetto
76.860,28 DM
78.697,80 DM
81.249,38 DM
42.714,51 €
Monatsnetto
6.405,02 DM
6.558,15 DM
6.770,78 DM
3.559,54 €
3 Kinder
Jahresbrutto
93.687,60 DM
94.383,55 DM
95.954,09 DM
50.059,27 €
Abzüge (Steuern)
-19.073,63 DM -18.415,70 DM -17.302,28 DM -8.950,93 €
Kindergeld
9.600,00 DM
10.080,00 DM
10.080,00 DM
5.544,00 €
Jahresnetto
84.213,97 DM
86.047,85 DM
88.731,81 DM
46.652,34 €
Monatsnetto
7.017,83 DM
7.170,65 DM
7.394,32 DM
3.887,70 €
Einkommen
2003
2004
2005
2006
2 Kinder
Jahresbrutto
46.624,46 €
47.320,68 €
47.646,50 €
46.884,97 €
Abzüge (Steuern)
-7.985,44 €
-7.466,95 €
-7.197,73 €
-6.957,81 €
Kindergeld
3.696,00 €
3.696,00 €
3.696,00 €
3.696,00 €
Jahresnetto
42.335,02 €
43.549,73 €
44.144,77 €
43.623,16 €
Monatsnetto
3.527,92 €
3.629,14 €
3.678,73 €
3.635,26 €
3 Kinder
Jahresbrutto
49.443,72 €
50.205,75 €
50.554,31 €
49.746,66 €
Abzüge (Steuern)
-8.728,25 €
-8.214,24 €
-7.927,45 €
-7.666,80 €
Kindergeld
5.544,00 €
5.544,00 €
5.544,00 €
5.544,00 €
Jahresnetto
46.259,47 €
47.535,51 €
48.170,86 €
47.623,86 €
Monatsnetto
3.854,96 €
3.961,29 €
4.014,24 €
3.968,66 €
57
Der so berechneten monatlichen Einkommensdifferenz - dem tatsächlich gezahlten
Mehrbetrag der Besoldung für das dritte Kind - ist der alimentationsrechtliche
Gesamtbedarf des dritten Kindes gegenüberzustellen. Er errechnet sich auf der
Grundlage des durchschnittlichen sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs eines Kindes,
der um 15 v.H. zu erhöhen ist. Zu berechnen ist danach, getrennt für die Vergleichsjahre
und bezogen auf die alten Bundesländer, der bundes- und jahresdurchschnittliche
Regelsatz für Minderjährige, die mit beiden Elternteilen zusammenleben, im Alter ab der
Geburt bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Unberücksichtigt bleiben -
58
entsprechend der Berechnung der Dienstbezüge - die (ebenfalls abgesenkten)
Regelsätze in den neuen Bundesländern.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007
59
- 1 A 3433/05 -, Juris.
60
Nach dem Außer-Kraft-Treten des - für die Jahre 1999 bis 2004 maßgebenden -
Bundessozialhilfegesetzes ist der auf der Bedarfsseite festzustellende durchschnittliche
gewichtete Sozialhilfesatz ab dem Jahr 2005 unter Zugrundelegung des
Sozialgesetzbuches (SGB) Zwölftes Buch (XII) zu berechnen. Ausgehend von § 28 SGB
XII sowie der Verordnung zur Durchführung des § 28 SGB XII (Regelsatzverordnung) in
der Fassung vom 03. Juni 2004 (BGBl. I, 1067 f.) und unter Beachtung der vom
Bundesverwaltungsgericht konkretisierten Vorgaben ergibt sich für die Jahre 2005 und
2006 ein gewichteter Durchschnittsregelsatz in Höhe von 222,13 €.
61
Vgl. OVG Saarland, Urteil vom 23. Februar 2007 - 1 R 27/06 -, Juris.
62
Der zunächst seitens der Kammer der Bedarfsberechnung für das Jahr 2005 zu Grunde
gelegte gewichtete Durchschnittsregelsatz von 225,96 €,
63
vgl. u.a. VG Münster, Urteil vom 20. Juni 2006
64
- 4 K 2446/05 -,
65
erweist sich nach erneuter Überprüfung mit Blick auf den gewählten Gewichtungsfaktor
als nicht tragfähig.
66
Zur Abgeltung einmaliger Leistungen ist in den Jahren 1999 bis 2004 ein Zuschlag von
20 v.H. hinzuzurechnen. Weil die Regelsätze seit dem 01. Januar 2005 einen
Mehrbetrag zur Abgeltung einmaliger Bedarfe in Höhe von etwa 20 v.H. enthalten,
entfällt hier der vom Bundesverfassungsgericht vorgesehene Zuschlag von 20 v.H. zur
Abgeltung einmaliger Leistungen.
67
Vgl. VG Münster, Urteile vom 20. Juni 2006
68
- 4 K 2446/05 - und vom 25. Januar 2007
69
- 11 K 353/04 -.
70
Die bei der Ermittlung des sozialhilferechtlichen Gesamtbedarfs zu berücksichtigenden
gewichteten Regelsätze betragen dementsprechend für das Jahr 1999 351,04 DM nebst
dem Zuschlag für einmalige Leistungen in Höhe von 70,21 DM, für das Jahr 2000
354,32 DM nebst dem Zuschlag für einmalige Leistungen in Höhe von 70,86 DM, für das
Jahr 2001 358,83 DM nebst dem Zuschlag für einmalige Leistungen in Höhe von 71,77
DM, für das Jahr 2002 187,32 € nebst dem Zuschlag für einmalige Leistungen in Höhe
von 37,46 €, für das Jahr 2003 190,19 € nebst dem Zuschlag für einmalige Leistungen in
Höhe von 38,04 €, für das Jahr 2004 191,04 € nebst dem Zuschlag für einmalige
Leistungen in Höhe von 38,21 € und für die Jahre 2005 und 2006 222,13 €.
71
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007
72
- 1 A 3433/05 -, Juris (für 1999 bis 2004);
73
OVG Saarland, Urteil vom 23. Februar 2007
74
- 1 R 27/06 -, Juris.
75
In Rechnung zu stellen sind weiterhin die Kosten der Unterkunft ausgehend von einem
Wohnbedarf von 11 m² für das Kind sowie ein Zuschlag von 20 v.H. der anteiligen
Durchschnittsmiete (durchschnittliche Netto-Kaltmiete) zur Abgeltung der auf das Kind
entfallenden Energiekosten.
76
Hinsichtlich des Mietanteils ist als Basiswert für die Jahre 1999 bis 2001 von dem
Mietenbericht 1998 (BT-Drucksache 14/3070) auszugehen, dessen Wert mit den
jährlichen Steigerungsraten der Verbraucherpreisindizes, welche in dem Mietenbericht
2002 (BT-Drucksache 15/2200) wiedergegeben sind, fortzuschreiben ist. Ab dem Jahr
2002 wird der Mietwert aus dem Mietenbericht 2002 mit den Steigerungsraten der vom
Statistischen Bundesamt ermittelten Ver-braucherpreisindizes fortgeschrieben, mithin in
Höhe von 1,1 v.H. von 2002 auf 2003, jeweils in Höhe von 0,9 v.H. von 2003 auf 2004
und von 2004 auf 2005 sowie in Höhe von 1,1 v.H. von 2005 auf 2006.
77
Vgl. Statistisches Bundesamt, Preise - Verbrau-cherpreisindizes für Deutschland -
Monatsberichte Dezember 2006 und Januar 2007;
78
OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007
79
- 1 A 3433/05 -, Juris (für 1999 bis 2004).
80
Unter Berücksichtigung dessen ergeben sich für den Gesamtbedarf eines Kindes in den
Jahren 1999 bis 2006 die in den nachfolgenden Tabellen dargestellten Werte:
81
Sozialhilfebedarf Kind
1999
2000
2001
2002
Gewichteter Durchschnittsregelsatz (einschl.
Einmalleistungen)
421,25
DM
425,18
DM
430,60
DM
224,78
Anteilige Mietkosten für 11 m²
123,31
DM
124,79
DM
126,16
DM
66,99
Anteilige Energiekosten
24,66
DM
24,96
DM
25,23
DM
13,40
Gesamtbedarf
569,22
DM
574,93
DM
581,99
DM
305,17
115% des Gesamtbedarfs
654,60
DM
661,17
DM
669,29
DM
350,95
82
Sozialhilfebedarf Kind
2003
2004
2005
2006
83
Gewichteter Durchschnittsregelsatz (einschl.
Einmalleistungen)
228,23
229,25
222,13
222,13
Anteilige Mietkosten für 11 m²
67,76
68,42
69,08
69,85
Anteilige Energiekosten
13,55
13,68
13,82
13,97
Gesamtbedarf
309,54
311,35
305,03
305,95
115% des Gesamtbedarfs
355,97
358,05
350,78
351,84
Die Vergleichsberechnung des Gesamtbedarfs mit der Besoldungsdifferenz führt zu
folgendem Ergebnis:
84
Vergleichsberechnung
1999
2000
2001
monatliche Besoldungsdifferenz 3. Kind
612,81 DM 612,50 DM 623,54 DM
Abstand zu 115% Gesamtbedarf (Monat)
-41,79 DM
-48,67 DM
-45,75 DM
Abstand zu 115% Gesamtbedarf (Jahr/DM)
-501,48 DM -584,04 DM -549,00 DM
Nachzahlung
633,96 DM 600,24 DM
Abstand zu 115% Gesamtbedarf (Jahr/€)
-256,40 €
-
-
85
Vergleichsberechnung
2002
2003
2004
2005
2006
monatliche Besoldungsdifferenz 3.
Kind
328,16
327,04
332,15
335,51
333,40
Abstand zu 115% Gesamtbedarf
(Monat)
-22,79 € -28,93 € -25,90 € -15,27 € -18,44 €
Abstand zu 115% Gesamtbedarf
(Jahr/€)
-273,48
-347,16
-310,80
-183,24
-221,28
86
Es ergibt sich somit ein Gesamtanspruch von 1.592,36 €.
87
Der Anspruch auf Prozesszinsen beruht auf der entsprechenden Anwendung der
§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB. Da es sich um eine Zahlungs- und nicht um eine
Feststellungsklage als Vorstufe von Zahlungsansprüchen handelt,
88
vgl. dazu OVG NRW, Urteil vom 21. April 2005 - 1 A 3099/03 -, Juris,
89
ist ein der Höhe nach nicht zutreffend oder gar nicht bezifferter Klageantrag nicht zu
90
unbestimmt, um als Grundlage für Prozesszinsen dienen zu können. Denn der Anspruch
lässt sich jederzeit rechnerisch unzweifelhaft ermitteln. Es ist indes Aufgabe des
Beklagten bzw. der Fachgerichte, die erforderlichen Berechnungen vorzunehmen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. Januar 2007
91
- 1 A 3433/05 -, Juris.
92
Hinsichtlich der auf die Jahre 2005 und 2006 entfallenden Ansprüche auf
Mehrbesoldung (183,24 € bzw. 221,28 €) ist zu berücksichtigen, dass auch diese
frühestens zum 01. Januar des Folgejahres, mithin erst zum 01. Januar 2006 bzw. zum
01. Januar 2007 geltend gemacht und insoweit Zinsen erst ab diesen Zeitpunkten
beansprucht werden können. Unter Zugrundelegung der hier maßgeblichen
jahresweisen Betrachtung steht frühestens mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres
fest, ob mangels gesetzgeberischer Aktivität ein Anspruch auf eine höhere Besoldung
auf der Grundlage der Vollstreckungsanordnung des Bundesverfassungsgerichts
besteht.
93
Vgl. VG Münster, Urteil vom 18. Januar 2007
94
- 11 K 382/05 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 26. Januar 2005 - 11 K 3647/04 -, Juris;
VG München, Urteil vom 27. September 2005
95
- M 5 K 04.5689 -, Juris.
96
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Da sich das
Klagebegehren hinsichtlich der Jahre 2000 und 2001 nur auf die Differenz zwischen der
seitens des Beklagten bzw. des Fachgerichts zu berechnenden Un-teralimentation und
der für diese Jahre geleisteten Nachzahlung bezieht, unterliegt der Kläger unter
Zugrundelegung der angestellten Berechnungen nur zu einem geringen Teil.
97
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO
i.V.m. § 709 ZPO.
98