Urteil des VG Münster vom 29.10.2010

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Verwaltungsgericht Münster, 7 K 482/09
Datum:
29.10.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 482/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird
nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung des beizutreiben-den Betrages abzuwenden, wenn nicht
die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Abfallbeseitigungsgebühren in
Höhe von 123,06 EUR durch den Abgabenbescheid der Beklagten vom 30. Januar
2009.
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Der Kläger ist Eigentümer des zu Wohnzwecken genutzten Grundstücks C.--------straße
in E. -C1. . Im Haushalt des Klägers leben vier Personen. Zur Abfallentsorgung ist für
das Grundstück ein 80-Liter-Restmüllgefäß mit 4-wöchentlicher Leerung vorgesehen,
wofür nach der Satzung der Beklagten jährlich Gebühren in Höhe von 123,06 EUR
erhoben werden. Daneben stehen dem Kläger eine 240 Liter-Papiertonne und eine 240
Liter-Biotonne gebührenfrei zur Verfügung.
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Mit Schreiben vom 10. Dezember 2008 beantragte der Kläger mit Wirkung zum 1.
Januar 2009 die Bereitstellung eines kleineren Abfallbehälters mit einem Umfang von
60 Litern für Restmüll mit ebenfalls 4-wöchiger Leerung. Diesen Antrag lehnte die
Beklagte unter Hinweis auf § 11 Abs. 2 der Abfallsatzung der Stadt E. ab, wonach das
gesetzlich vorgesehene Minimum für den Kläger bereits erreicht sei.
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Unter dem 30. Januar 2009, dem Kläger am 10. Februar 2009 zugegangen erließ die
Beklagte den streitgegenständlichen Abgabenbescheid.
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Hiergegen hat der Kläger am 10. März 2009 Klage erhoben.
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Er ist der Auffassung, dass es an einer wirksamen Rechtsgrundlage für die
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Heranziehung zu Abfallbeseitigungsgebühren fehle. Die Satzungsregelung der
Beklagten verstoße gegen § 9 Abs. 1 Satz 3 des Landesabfallgesetzes NRW, da das
festgeschriebene Mindestbehältervolumen für Restmüll pro Einwohner und Woche nicht
dazu führe, dass der Abgabenpflichtige den auf seinem Grundstück anfallenden Abfall
möglichst gering halte. Insbesondere entfalle der Anreiz zur Abfallvermeidung bei
Haushalten, die nur von einer Person geführt würden, da diese gezwungen seien,
regelmäßig mindestens 15 Liter wöchentlich pro Person vorzuhalten. Dies stehe nicht in
Einklang mit der von der Wirtschaftsbetriebe Kreis Coesfeld GmbH vorgelegten
Abfallbilanz für die Jahre 2008 und 2009. Ein Vergleich mit anderen Kommunen zeige,
dass eine optimalere Anreizwirkung durch die Satzung möglich sei. Die Satzung der
Beklagten enthalte ferner keine proportionale Gebührenerhebung, da sich eine
Volumenreduzierung nicht im selben Verhältnis auf die Gebührenhöhe auswirke.
Der Kläger beantragt,
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den Abgabenbescheid der Beklagten vom 30. Januar 2009 aufzuheben, soweit darin
Abfallbeseitigungsgebühren in Höhe von 123,06 EUR festgesetzt worden sind.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie ist der Auffassung, dass die satzungsrechtlichen Bestimmungen mit höherrangigem
Recht vereinbar seien. Den Einwohnern der Stadt E. werde ein sog. Entsorgungspaket
angeboten, wonach durch die jährliche Abfallgebühr für die Entleerung des
Restmüllbehälters gleichzeitig auch die Dienstleistungen für die Papier-und Biotonne,
die zweimal im Jahr stattfindende Sperrgutabfuhr, die einmal im Jahr stattfindende
Straßensammlung für Gartenabfälle, die Nutzung des Wertstoffhofes sowie die
Abholung der Weihnachtsbäume abgegolten sei. Diese gebührenfreien
Sonderleistungen der Beklagten seien als ausreichender Anreiz für eine sparsame
Müllproduktion anzusehen. Überdies werde dem Kläger bereits eine
Mindestvolumengröße von 5 Litern zugestanden. Den nach der Satzung erforderlichen
Nachweis, dass er durch persönliches umweltbewusstes und ökonomisches Verhalten
noch weniger Restmüll erzeugt habe, habe der Kläger nicht erbracht. Die von ihm
vorgelegte Abfallbilanz sei dafür nicht ausreichend, da der Kläger von der (falschen)
Annahme ausgehe, dass die Abfallmengen in Kilogramm eins zu eins in Liter
umgerechnet werden könnten. Dies sei jedoch nicht der Fall, da immer der sog.
"Schüttdichtefaktor" zu berücksichtigen sei. Im übrigen müsse der Gemeinde auch bei
der Abfallentsorgung ein gewisses Organisationsermessen zugestanden werden, das
sich am Normalfall der Abfallbeseitigung zu orientieren habe. Die Überprüfung eines
jeden Haushalts auf die jeweils anfallende Restmüllmenge sei weder realisierbar noch
praktikabel. Dass bei der satzungsrechtlichen Regelung eine gewisse Benachteiligung
von 1-Personenhaushalten gegenüber großen Haushalten bestehe, sei vor dem
Hintergrund einer effizienten Abfallentsorgung hinzunehmen. Die Gemeinde könne nicht
gezwungen werden, jede denkbare Behältergröße für alle in Betracht kommenden
Einzelfälle vorzuhalten. Ein proportionales Sinken der Gebühren komme bei einer
Volumenreduktion nicht in Betracht, da für alle Gefäßgrößen ein gleicher Fixkostenanteil
bestehe.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt
der Verwaltungsvorgänge sowie der Gerichtsakten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlagen für die streitgegenständliche Abfallentsorgungsgebühr sind §§ 21, 11
Abs. 2 der Satzung über die Abfallentsorgung in der Stadt E. vom 14. November 2008
(AES) i.V.m. § 3 Abs. 1, Abs. 2 c) der Gebührensatzung vom 19. Dezember 2008 zur
AES. Danach beträgt die Jahresgebühr für jedes Abfallgefäß für Restmüll mit einem
Fassungsvermögen von 80 Litern für die 4-wöchentliche Entleerung einschließlich der
Kosten für die Gestellung des Gefäßes 123,06 EUR.
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Gemäß § 11 Abs. 2 AES ist jeder Grundstückseigentümer verpflichtet, bei Grundstücken
mit privaten Haushaltungen ein Mindest-Restmüll-Gefäßvolumen von 10 Litern pro
Person und Woche vorzuhalten (bei 14-tägiger Abfuhr 20 Liter pro Person für 14 Tage).
Die Zuteilung des Gefäßvolumens bei dem Restmüllgefäß erfolgt auf der Grundlage des
festgesetzten Mindest-Restmüll-Gefäßvolumens pro Person und Woche. Abweichend
kann auf Antrag ein geringeres Mindest-Restmüll-Gefäßvolumen von 5 Litern pro
Person/Woche zugelassen werden, wenn der Abfallbesitzer/-erzeuger nachweist, dass
durch Abfallvermeidung weniger Abfälle anfallen.
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Diese satzungsrechtlichen Bestimmungen stellen eine wirksame Rechtsgrundlage für
die Gebührenheranziehung dar. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen die Vorschrift
des § 9 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz und Abs. 2 Satz 3 des Abfallgesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen (LAbfG) vor. Danach sollen mit dem Gebührenmaßstab wirksame
Anreize zur Vermeidung von Abfällen geschaffen werden. Das bedeutet, dass der
Gebührenmaßstab so zu gestalten ist, dass die Benutzer der öffentlichen Einrichtung im
Sinne einer Verhaltenssteuerung veranlasst werden sollen, den in ihrem Haushalt oder
auf ihrem Grundstück anfallenden Abfall möglichst gering zu halten.
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Da im Landesabfallgesetz nicht präzisiert wird, auf welche Weise entsprechende
Anreize geschaffen werden sollen, ist es den Gemeinden überlassen, die Einzelheiten
der Ausgestaltung des Anreizgebotes zu regeln. Dieser satzungsrechtliche
Gestaltungsspielraum ist allerdings durch § 9 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz LAbfG auf
Grund der Pflicht zur Beachtung des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG eingeschränkt.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 2. Februar 2000 - 9 A 3915/98 -; VG Aachen, Urteil vom 19.
März 2004 - 7 K 1252/01 -.
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Aus § 9 Abs. 1 Satz 3, 2. Halbsatz LAbfG folgt, dass ein in einer Satzung
festgeschriebenes Mindestbehältervolumen für Restmüll pro Bewohner und Woche im
unteren Bereich der Mengen liegen muss, die je Bewohner anfallen können. Das vom
Gesetzgeber postulierte Vermeidungsverhalten muss sich auch und im Zweifel gerade
für solche Personen "lohnen", die entsprechend den gesetzlichen Zielvorgaben in
überdurchschnittlicher Weise Abfall vermeiden. Ein Behältervolumenmaßstab bietet
allein keinen Anreiz zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung. Die Anreizwirkung
stellt sich erst ein, wenn eine Möglichkeit zur Wahl eines möglichst kleinen Behälters
besteht, für den nach dem Fassungsvermögen entsprechend weniger Gebühren zu
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zahlen sind.
Ausgehend hiervon enthält die Abfallentsorgungssatzung der Stadt E. durch die
Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 3 AES einen durchschlagenden Anreiz zur
Restmüllvermeidung. Demnach kann ein Mindestgefäßvolumen von 5 Litern pro
Person/Woche zugelassen werden, wenn der Abfallerzeuger nachweist, dass durch
Abfallvermeidung weniger Abfälle anfallen. Dadurch wird demjenigen, der sparsam mit
der Produktion von Restmüllabfällen umgeht, die Möglichkeit gegeben, ein kleineres
Abfallbehältnis zu erhalten und damit auch weniger Gebühren zu zahlen.
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Bei der Zuteilung des Behältervolumens kann die Stadt im Rahmen ihres
Organisationsermessens allgemeine Durchschnittswerte sowohl für den Ansatz eines
durchschnittlichen Abfallaufkommens als auch für die Bereithaltung von Behältergrößen
zu Grunde legen und ist nicht verpflichtet, den Müllanfall in jedem Haushalt zu ermitteln
und diesem konkreten Müllanfall ein individuelles Behältervolumen zuzuweisen. Alles
andere wäre vor dem Hintergrund einer effizienten Abfallentsorgung nicht praktikabel,
zumal bei einem Haushalt nie exakt vorhergesagt werden kann, wie groß der anfallende
Abfall tatsächlich sein wird. Bei dem Maßstab nach der Zahl der Personen für
Wohnhausgrundstücke handelt es sich um einen anerkannten
Wahrscheinlichkeitsmaßstab i.S.d. § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW.
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Die Beklagte muss auch nicht in jedem Fall die optimale Anreizwirkung wählen. Sie hat
bezogen auf das Stadtgebiet schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, auf welchen
Ermittlungen das satzungsrechtlich festgelegte Mindestvolumen basiert. Dabei hat sie
anhand der durchschnittlichen Restmüllmenge aus dem Vorjahr und unter
Berücksichtigung des sog. Schüttdichtefaktors den Mindestvorhalteumfang bestimmt.
Dafür, dass die von der Beklagten genannten Zahlen zum Restmüllaufkommen (115,53
kg/Einwohner pro Jahr) überhöht sind, bestehen keine Anhaltspunkte.
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Der von der Beklagten angenommene Schüttdichtefaktor von 0,16 erweist sich ebenfalls
als sachgerecht. Auch wenn in den Urteilen des Verwaltungsgerichts Aachen, aaO. und
des Verwaltungsgerichts Köln, Urteil vom 17. Juni 2008, 14 K 1025/07, ein
Schüttdichtefaktor von 0,25 angenommen wurde, rechtfertigt sich hier die geringere
Festsetzung aus dem Umstand, dass feuchte und nasse Bioabfälle nicht über die
Restmülltonne eingesammelt werden. Denn in diesen Fällen ist der Abfall entsprechend
leichter und füllt mit weniger Gewicht mehr Volumen aus.
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Vgl. VG Arnsberg, Urteil vom 31. August 2009, - 14 K 3906/08 -, juris.
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Ausgehend davon liegt das hieraus errechnete durchschnittliche Abfallvolumen für den
Restmüll (115,53 kg : 52 Wochen : 0,16 Schüttdichte) bei 13,89 Litern pro Person und
Woche. Das satzungsrechtlich festgelegte Mindestvolumen von 10 Litern pro
Person/Woche liegt deutlich unterhalb dieses Durchschnittswerts. Dem Anreizgebot des
§ 9 Abs. 1 Satz 3 LAbfG NRW ist damit ausreichend Rechnung getragen.
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Ein gegenteiliger Standpunkt lässt sich auch nicht aus dem Urteil des
Verwaltungsgerichts Aachen, aaO. entnehmen, wonach bereits eine in der Satzung
festgeschriebene Mindestmüllmenge von 7,5 Litern pro Person und Woche für
unzulässig erachtet wurde. Zum einen sah die der Entscheidung zugrunde liegende
Satzung für sich genommen schon keine Anreize zur Müllvermeidung vor, da anders als
im vorliegenden Fall beispielsweise keine gesonderte Entsorgung von Bioabfall in
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Biotonnen vorgesehen war. Zum anderen enthielt sie keine Regelung über die
Herabsetzung des Mindestvolumens in besonderen Fällen, wie dies hier durch § 11
Abs. 2 Satz 3 EAS geschehen ist.
Die Satzungsregelungen der Beklagten verstoßen auch nicht gegen den
Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 GG. Zwar wäre für auf einem Grundstück
befindliche Einpersonenhaushalte bei der 4-wöchentlichen Abholung von Restmüll ein
von § 11 Abs. 2 AES abweichendes Mindestvolumen von 15 Liter/Woche und Person
vorzuhalten, so dass eine leichte Abweichung vom ermittelten Durchschnittsvolumen
vorläge. Diese Unterschiede sind jedoch hinzunehmen. § 11 Abs. 2 AES legt nur ein
Mindestvolumen für den Verbrauch fest. Im Rahmen seines Ermessens ist der
Satzungsgeber aber nicht gehalten, den jeweils gewählten Maßstab derart
auszudifferenzieren, dass jedem Einzelfall entsprochen wird. Denn die Satzung der
Beklagten ist keine individuell-konkrete Regelung und kann damit keine
Einzelfallgerechtigkeit herbeiführen. Es ist daher sachlich nicht zu beanstanden, wenn
sich die Beklagte vom Gesichtspunkt der Praktikabilität leiten lässt. Letztlich ist es jedem
Wahrscheinlichkeitsmaßstab systemimmanent, dass er lediglich eine Annäherung an
die Lebenswirklichkeit leisten kann, ohne diese in all ihren Einzelheiten wiederzugeben.
Da die Sachverhalte sich in der Lebenswirklichkeit nie völlig gleichen, müssen gewisse
Verschiedenheiten stets vernachlässigt werden.
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Der Abgabenbescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte dem Kläger
antragsgemäß ein geringeres Mindestrestmüllvolumen hätte zuweisen müssen. Denn
der Kläger hält pro Woche pro Person ohnehin schon nur die von der Satzung als
absolutes Minimum vorgesehenen 5 Liter vor (80-Liter-Tonne: 4 Wochen = 20 Liter pro
Woche : 4 Personen = 5 Liter/Woche/Person). Ein weitergehende Reduzierung im
Einzelfall ist nach dem oben Gesagten unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt
erforderlich.
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Schließlich führt auch der Einwand des Klägers, die Gebührenstaffelung sei bei
verschiedenen Behältergrößen nicht proportional ausgestaltet, nicht zu einem anderen
Ergebnis: Da für alle Gefäßgrößen ein gleich hoher Anteil an den Fixkosten besteht, der
den überwiegenden Teil der kalkulierten Kosten darstellt, kann sich die konkrete Wahl
des Volumens der Restmülltonne nur marginal auf die konkret zu entrichtende Gebühr
auswirken.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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