Urteil des VG Münster vom 27.06.2003

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Verwaltungsgericht Münster, 1 K 1192/01
Datum:
27.06.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 K 1192/01
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Rechtsstreit durch
übereinstimmende Erklärungen der Beteiligten hinsichtlich des Klägers
zu 1. in der Hauptsache erledigt ist.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Der Kläger zu 1. trägt 28 %, der Kläger zu 2. 72 % der Verfahrenskosten.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweiligen
Kostenschuldner dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden,
wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
T a t b e s t a n d
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Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) ist an verschiedenen privatrechtlich
organisierten Unternehmen beteiligt, die der Kommunalwirtschaft zuzurechnen sind. Je
nach Beteiligungsstruktur und gesellschaftsrechtlicher Organisation der Unternehmen
entsendet der Landschaftsverband auf der Grundlage der Landschaftsverbandsordnung
(LVerbO) Vertreter in Gremien und Organe der Beteiligungsgesellschaften, die vom
Landschaftsausschuss zu bestellen oder vorzuschlagen sind (§ 17 Abs. 3 Satz 1 und
Abs. 4 LVerbO).
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Mit Blick auf die Regelungen des § 17 Abs. 3 und 4 LVerbO forderte die Fraktion
Bündnis 90/Die Grünen in der Landschaftsversammlung in den vergangenen Jahren
umfangreiche Informations- und Auskunftsrechte sowie Weisungsrechte gegenüber den
in die Beteiligungsgesellschaften des LWL entsandten Vertretern ein, zuletzt mit Antrag
vom 11. Oktober 2000 (Drucksache 11/0471), dem u. a. die Kläger als Mitglied des
Kommunalwirtschaftsausschusses beitraten.
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Den Antrag lehnten der Kommunalwirtschaftsausschuss in seiner Sitzung am 31.
Oktober 2000 sowie der Landschaftsausschuss und die Landschaftsversammlung in
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ihren Sitzungen am 23. November 2000 mehrheitlich ab.
Die Kläger haben am 18. Dezember 2000 mit dem Hinweis auf ihre Mitgliedschaft im
Kommunalwirtschaftsausschuss Feststellungsklage erhoben. Mit der Klage verfolgen
sie ihr im Einzelnen dargelegtes Begehren weiter, dass das beklagte Vertretungsorgan
des Landschaftsverbandes auf der Grundlage von § 17 Abs. 3 und 4 LVerbO
vornehmlich Unterrichtungs-, aber auch Weisungsrechte gegenüber den in die Gremien
der Beteiligungsgesellschaften des LWL entsandten Vertretern wahrnehmen solle. Der
Kläger zu 1. ist zwischenzeitlich nicht mehr Mitglied der beklagten
Vertretungskörperschaft des Landschaftsverbandes. Er hat den Rechtsstreit insoweit als
in der Hauptsache für erledigt erklärt. Dieser Erklärung hat sich der Beklagte
angeschlossen.
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Der im Klageverfahren verbliebene Kläger zu 2. trägt im Wesentlichen vor: Die Klage sei
darauf gerichtet, die Mitwirkungsrechte der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen und
deren Mitgliedern in den Vertretungskörperschaften des Landschaftsverbandes
sicherzustellen. Dazu gehörten insbesondere Informationsrechte als wesentliche
Grundlage der Mitwirkung. Auf Grund von § 17 Abs. 3 und 4 LVerbO bestehe ein
Informations- und Auskunftsanspruch gegenüber den gewählten bzw. entsandten
Vertretern des LWL in seinen Beteiligungsgesellschaften. Die Fraktion von Bündnis
90/Die Grünen sei - anders als die Fraktionen der "großen" Parteien von CDU und SPD
- nicht in den Aufsichtsgremien der LWL-Beteiligungsgesellschaften vertreten. Daher
bestehe tatsächlich ein unterschiedliches Informationsniveau ihrer Mitglieder im
Verhältnis zu diesen Fraktionen der Landschaftsversammlung, da diese bereits über die
von ihnen in die Beteiligungsgesellschaften entsandten Vertreter ausreichend informiert
würden. Der geltend gemachte Anspruch ergebe sich nicht allein aus der
Landschaftsverbandsordnung, sondern auch aus § 113 Abs. 5 S. 1 der
Gemeindeordnung (GO)
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Der Kläger zu 2. beantragt,
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1. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, die mit Antrag vom 11.10.2000 (Drs.
11/0471) beantragten Informations- und Auskunftsrechte einzufordern und ihre
Weisungsrechte entsprechend wahrzunehmen.
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2.
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3. Der Beklagte hat nach Maßgabe des vorgenannten Antrags darauf hinzuwirken, dass
die in Drittorganisationen entsandten Vertreter die Mitglieder des Beklagten über alle
Angelegenheiten von besonderer Bedeutung frühzeitig unterrichten.
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4.
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5. Zudem hat der Beklagte darauf hinzuwirken, dass den Mitgliedern des Beklagten die
Einladungen nebst Tagesordnungen sowie die Niederschriften und Protokolle der
Sitzungen von Aufsichtsgremien der Beteiligungsgesellschaften des
Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe zur Kenntnis gestellt werden.
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6.
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7. Auf Wunsch des Klägers werden auch einzelne Sitzungsunterlagen der vorgenannten
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Gremiensitzungen zugestellt.
8.
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9. Ferner wirkt der Beklagte darauf hin, dass die Vertreter des Landschaftsverbandes in
den Aufsichtsgremien der Beteiligungsgesellschaften auf Antrag über die Beratungen
und Beschlüsse dieser Gremien in den Sitzungen des Beklagten berichten.
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10.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor: Die Klageanträge seien überwiegend schon deswegen unzulässig, weil der
Kläger weder aus § 17 Abs. 3 und 4 LVerbO noch aus § 113 Abs. 5 GO ein eigenes
wehrfähiges Recht ableiten könne. Berichtsadressat der Unterrichtungsverpflichtungen
sei nur das kommunale Vertretungsorgan, nicht jedoch dessen einzelnes Mitglied. Das
beklagte Organ entscheide demnach selbst, notfalls mit Mehrheitsentscheidung, ob es
über die regelmäßig bereitgestellten Unterlagen hinaus weitere Informationen zur
Verfügung gestellt haben möchte. Daneben seien die Klageanträge auch unbegründet,
weil die zur Feststellung gestellten Ansprüche nicht bestünden.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf die Gerichtsakten, die eingereichten Verwaltungsvorgänge (1 Heft)
sowie die beigezogene Verfahrensakte 1 K 4512/94 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Soweit der Rechtsstreit hinsichtlich des Klägers zu 1. von den Beteiligten
übereinstimmend als in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, war das
Klageverfahren in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen.
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Die Klage des Klägers zu 2. (Kläger), die als Kommunalverfassungsstreitverfahren
zulässig ist, hat keinen Erfolg.
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Die Klage ist als Feststellungsklage im Sinne des § 43 VwGO hinsichtlich des in Rede
stehenden Rechtsverhältnisses statthaft. Insoweit geht die Kammer davon aus, dass mit
dem das geltend gemachte Begehren einleitenden und umfassenden Klageantrag zu 1.,
der als Feststellungsantrag formuliert ist, ebenfalls die nachfolgenden Klageanträge zu
2. bis 5. als Feststellungs- und nicht als Leistungsanträge verstanden werden sollen.
Dieses Verständnis der Klageanträge zu 2. bis 5. liegt auch deshalb nahe, weil dem
Kläger dadurch kein Rechtsnachteil erwächst. Denn die Subsidiaritätsklausel des § 43
Abs. 2 VwGO schließt die Statthaftigkeit der Feststellungsklage nicht aus. Insbesondere
braucht sich der Kläger nicht auf den in Betracht zu ziehenden Weg einer
Leistungsklage verweisen zu lassen, wie für das Kommunalverfassungsstreitverfahren
anerkannt ist.
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Vgl. dazu OVG NW, Urteil vom 2. September 1997 - 15 A 2770/94 -, NWVBl. 1998, 149
ff. = NuR 1998, 166 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung.
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Im Übrigen gilt Folgendes:
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1. Ob der Klageantrag zu 1. mit seiner Bezugnahme auf den im
Kommunalwirtschaftsausschuss von dem Kläger gestellten parlamentarischen Antrag
(Drucksache 11/0471) hinreichend bestimmt ist, soweit es um die Geltendmachung von
Informations- und Auskunftsrechten geht, mag auf sich beruhen. Der Kläger hat mit den
Klageanträgen zu 3. bis 5. die Forderungen des parlamentarischen Antrages fast
wortgetreu wiederholt. Da er danach mit seinem Klageantrag zu 1. bezüglich der
Informations- und Auskunftsrechte denselben Streitgegenstand wie mit den
Klageanträgen zu 3. bis 5. verfolgt, wird auf die Ausführungen des Urteils zu diesen
Klageanträgen verwiesen.
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Das im Klageantrag zu 1. weiterhin enthaltene Begehren festzustellen, dass der
beklagte Ausschuss verpflichtet sei, seine Weisungsrechte gegenüber den in Gremien
der Beteiligungsgesellschaften entsandten Vertretern des LWL entsprechend
wahrzunehmen, ist wegen mangelnder Klagebefugnis des Klägers unzulässig. Nach §
17 Abs. 3 und 4 LVerbO sind die Vertreter des LWL nur an Beschlüsse der
Landschaftsversammlung und des Landschaftsausschusses gebunden.
Dementsprechend kann der Kommunalwirtschaftsausschuss gemäß § 10 der
Zuständigkeitsordnung für die Ausschüsse der Landschaftsversammlung Westfalen-
Lippe vom 21. Dezember 2001 (ZuständigkeitsO) auch lediglich in beratender Befugnis
in Angelegenheiten der Beteiligungsunternehmen tätig werden. Nichts anderes ergibt
sich aus § 23 Abs. 2 LVerbO i.V.m. § 113 Abs. 1 Satz 2 GO. Soweit mit der
letztgenannten Vorschrift auf die Bindung an Beschlüsse des Rates und seiner
Ausschüsse verwiesen wird, muss bei entsprechender Anwendung dieser Regelung
gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2 bzw. Abs. 4 LVerbO und der ZuständigkeitsO auf die
Weisungsgebundenheit an Beschlüsse der Organe "Landschaftsversammlung und
Landschaftsausschuss" Bezug genommen werden. Der Kläger kann mithin keine
Rechtsposition geltend machen, die dem Organ "Kommunalwirtschaftsausschuss" oder
ihm selbst als Mitglied dieses Organs als wehrfähiges subjektives Organrecht zur
eigenständigen Wahrnehmung zugewiesen sein könnte; angesichts dessen fehlt ihm
die notwendige Klagebefugnis.
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2. Mit den Klageanträgen zu 2. bis 5. macht der Kläger sowohl aus den Vorschriften des
§ 17 Abs. 3 und 4 LVerbO als auch aus § 113 Abs. 5 S. 1 GO, der hier über § 23 Abs. 2
LVerbO anwendbar ist, umfangreiche Informations- und Auskunftsrechte zur
Feststellung durch das Gericht geltend. Es kann offenbleiben, ob die beiden
erstgenannten Regelungen, die lediglich (Weisungs-)Rechte der
Landschaftsversammlung und des Landschaftsausschusses vorsehen, überhaupt die
hier bezüglich des Kommunalwirtschaftsausschusses geltend gemachten Rechte
begründen können. Unabhängig davon bleiben die Klageanträge zu 2. bis 5., auch
soweit sie auf § 113 Abs. 5 S. 1 GO gestützt sind, jedenfalls aus den Gründen der
Urteile der Kammer vom heutigen Tage in den Verfahren 1 K 3763/00, 1 K 1190/01
sowie 1 K 1191/01 ohne Erfolg. In diesen Verfahren, in denen gleichlautende Anträge
wie im vorliegenden Verfahren gestellt worden sind und die den gleichen Sachverhalt
zum Gegenstand haben, hat die Kammer im Einzelnen dargelegt, dass die
Klageanträge entweder unzulässig oder jedenfalls unbegründet sind. Die Kammer
nimmt daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die den Beteiligten bekannten
Urteile Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Urteilsgründe ab.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung
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über deren Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO
durch das Verwaltungsgericht sind nicht ersichtlich.
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