Urteil des VG Münster vom 26.02.2007

VG Münster: vorschuss, akte, rückzahlung, hochzeit, auszahlung, rechtsgrundlage, einverständnis, darlehensvertrag, mietvertrag, unterkunftskosten

Verwaltungsgericht Münster, 13 K 303/05.O
Datum:
26.02.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Disziplinarkammer Land
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
13 K 303/05.O
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt.
Der Dienstherr trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der
notwendigen Auslagen des Beamten.
G r ü n d e :
1
I.
2
Der am 00.00.0000 in I. T. geborene Beamte wurde - nach Abbruch eines 4- jährigen
Studiums an der Pädagogischen Hochschule - 1976 in H. als Stadtinspektor-Anwärter
(Beamter auf Widerruf) in den Vorbereitungsdienst des gehobenen allgemeinen
Verwaltungsdienstes eingestellt. Nach Bestehen der Laufbahnprüfung wurde er am
00.00.0000 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Stadtinspektor zur
Anstellung ernannt. Am 00.00.0000 wurde er zur Stadt D. versetzt. Dort wurde er am
00.00.0000 zum Beamten auf Lebenszeit ernannt und am 00.00.0000 zum
Stadtoberinspektor befördert. Am 00.00.0000 erfolgte seine Versetzung zur Stadt M. .
Dort gehörten Asylbewerberleistungsangelegenheiten zum Schwerpunkt seiner
Aufgaben. Seit dem 00.00.0000 ist der Beamte bei der Gemeinde C. T1. beschäftigt, wo
er bis zum 00.00.0000 im Sozialamt eingesetzt war, zunächst als Sachbearbeiter und
Stellvertretender Leiter und nach dem 00.00.0000 als Abteilungsleiter des Fachbereichs
II „Service", Abt. 2.2 „Soziales". Am 00.00.0000 wurde der Beamte zum
Gemeindeamtmann befördert. Im Zusammenhang mit dem vorliegenden
Disziplinarverfahren wurde er am 00.00.0000 in die Abteilung Bürgerbüro umbesetzt
und mit der Sachbearbeitung „Sicherheit und Ordnung" betraut.
3
Die Stadt D. hat die Leistungen des Beamten zuletzt im Jahre 1982 mit „gut" beurteilt.
Die Gemeinde C. T1. hat am 00.00.0000 ein Dienstzeugnis ausgestellt, in dem dem
Beamten bescheinigt wird, dass er die ihm übertragenen Aufgaben durchdacht,
organisiert und sachgerecht erledigt.
4
Der Beamte ist seit dem 00.00.0000 mit Frau S. I1. in 3. Ehe verheiratet.
5
II.
6
Nach einer fachaufsichtlichen Überprüfung der Sozialhilfeabteilung der Gemeinde C.
T1. wurde gegen den Beamten im Februar 2003 ein Vorermittlungsverfahren eingeleitet.
Als Ergebnis der Vorermittlungen wurde festgestellt, dass der Beamte 12
Hilfeempfängern nach dem AsylbLG insgesamt 40 Darlehen sowie einer
Hilfeempfängerin nach dem BSHG zwei Darlehen ohne Rechtsgrund gewährt habe. Bei
der Darlehensvergabe habe er gegen Form- und Verfahrensvorschriften verstoßen.
Unter dem 00.00.0000 wurde gegen den Beamten eine Einleitungsverfügung erlassen.
Das Disziplinarverfahren wurde gleichzeitig bis zur Beendigung des wegen des
Vorwurfs der Untreue eingeleiteten strafrechtlichen Verfahrens ausgesetzt. Das
strafrechtliche Ermittlungsverfahren endete am 00.00.0000 mit der endgültigen
Einstellung gemäß § 153 a StPO gegen Zahlung einer Schadenswiedergutmachung in
Höhe von 2.400 Euro. Am 00.00.0000 stellte die Gemeinde das Disziplinarverfahren
mangels hinreichender Konkretisierung des Tatvorwurfs in der Einleitungsverfügung
vom 00.00.0000 gemäß § 65 Abs. 1 Nr. 1 DO NRW ein. Am 00.00.0000 wurde dem
Beamten eine neue Einleitungsverfügung zugestellt. Darin wurde ihm - wie bereits im
Vorermittlungsverfahren - vorgeworfen, Darlehen ohne Rechtsgrund bzw. gesetzlichen
Anspruch ausgezahlt und keine Verwendungsnachweise gefordert zu haben. Die
einzelnen Darlehensgewährungen sind nach Bewilligungs- bzw. Auszahlungszeitpunkt
im Einzelnen konkretisiert. Ein Teil der - ebenfalls im Einzelnen benannten - Darlehen
soll ohne Vertrag oder Bescheid ausgezahlt worden sein. In einem Fall fehle die
Aufnahme eines Grundantrages. Über die bereits bekannten Vorwürfe hinaus wurde
dem Beamten mit der Einleitungsverfügung nunmehr auch vorgeworfen, in den Jahren
2001 und 2002 vier Mietverträge abgeschlossen zu haben, ohne dazu befugt gewesen
zu sein. Der Untersuchungsführer dehnte die Untersuchung mit Zustimmung des
Vertreters der Einleitungsbehörde auf den Vorwurf aus, an fünf Hilfeempfänger, bei
denen es sich um Roma aus dem Kosovo gehandelt habe, zu Unrecht auf der
Grundlage von § 2 AsylbLG Leistungen in analoger Anwendung des
Bundessozialhilfegesetzes bewilligt zu haben.
7
In der Anschuldigungsschrift vom 00.00.0000 wird dem Beamten im Tenor zur Last
gelegt,
8
„I. Darlehen ohne Rechtsgrund oder gesetzlichen Anspruch ausgezahlt zu haben:
9
1. Am 00.00.00 bewilligte er in dem Asylbewerberleistungsfall S1. B. einen Vorschuss in
Höhe von 600 Euro.
10
2. Am 00.00.00, 00.00.00, 00.00.0000 und 00.00.00 bewilligte er in dem
Asylbewerberleistungsfall G. K. Darlehen oder Vorschüsse über insgesamt 17.552,66
(gemeint sind offensichtlich 1.752,67) Euro (2.450,00 DM + 500,00 Euro).
11
3. In dem Asylbewerberleistungsfall I2. I1. bewilligte er am 00.00.00 und 00.00.0000
Darlehen über insgesamt 1.738,00 Euro.
12
4. Im Asylbewerberleistungsfall S2. O. bewilligte er im Juni 1999, am 00.00.00, 00.00.00,
im März 2000, am 00.00.00, am 00.00.00 sowie im September 2000 Darlehen über
insgesamt 7.091,22 DM.
13
5. Im Asylbewerberleistungsfall K1. Q. bewilligte er in acht Fällen Darlehen in Höhe von
insgesamt 3.995,82 Euro, und zwar am 00.00.0000, am 00.00.00, im April 2002, im Mai
2002, im August 2002, am 00.00.00 und am 00.00.00.
14
6. Im Asylbewerberleistungsfall I3. S3. bewilligte er insgesamt sieben Darlehen, und
zwar am 00.00.0000, 00.00.00, 00.00.00, 00.00.0000, 00.00.00, 00.00.0000 sowie
00.00.00 über insgesamt 4.070,73 Euro.
15
7. Im Asylbewerberleistungsfall A. T2. bewilligte er im Oktober 1999 ein Darlehen über
1.628,00 DM.
16
8. Im Asylbewerberleistungsfall N. J. D1. bewilligte er am 00.00.0000 und 00.00.00
Darlehen über insgesamt 2.500,00 DM.
17
9. Im Asylbewerberleistungsfall M1. T3. bewilligte er im April 1999 ein Darlehen über
500,00 DM für eine Mietkaution.
18
10. Im Asylbewerberleistungsfall L. I1. bewilligte er insgesamt drei Darlehen in Höhe
von mindestens 1.255,64 Euro, und zwar im Jahr 2001 sowie 25.6.2001.
19
11. Im Asylbewerberleistungsfall C1. I1. bewilligte er am 00.00.00, am 00.00.00 sowie
am 00.00.00 Darlehen/Vorschüsse über insgesamt 2.033,87 Euro.
20
12. Im Asylbewerberleistungsfall O1. I1. bewilligte er Darlehen in Höhe von insgesamt
5.000.00 DM, und zwar am 00.00.00 über 2.000,00 DM und am 00.00.00 über 3.000,00
DM.
21
13. Im Sozialhilfefall C2. E. bewilligte er im September 1999, am 00.00.00 und am
00.00.00 Darlehen in Höhe von insgesamt 27.550,00 DM.
22
II. Abschluss von Mietverträgen ohne Bevollmächtigung
23
1. Im Asylbewerberleistungsfall B1. I1. schloss er am 31.12.2002 einen Mietvertrag mit
der E1. GmbH & Co. KG ab, ohne dazu befugt gewesen zu sein.
24
2. Im Sozialhilfefall O2. C3. schloss er am 00.00.00 einen Mietvertrag mit der E1. GmbH
& Co. KG ab, ohne dazu befugt gewesen zu sein.
25
3. Im Sozialhilfefall X. C3. schloss er am 00.00.00 einen Mietvertrag mit der E1. GmbH &
Co. KG ab, ohne dazu befugt gewesen zu sein.
26
4. Im Sozialhilfefall W. T4. schloss er am 00.00.00 einen Mietvertrag mit der E1. GmbH &
Co. KG ab, ohne dazu befugt gewesen zu sein.
27
III. Fehlerhafte und nachlässige Bearbeitung von Asylbewerberleistungsfällen und
BSHG- Fällen
28
1. In dem Fall Nr. 1 fehlt die Aufnahme eines Grundantrags.
29
2. In den Fällen I Nr. 4-10 sind Darlehen ausgezahlt worden ohne Vertrag oder
Bescheid.
30
3. In den Fällen I Nr. 1-13 sind keine Verwendungsnachweise gefordert bzw. vorgelegt
worden."
31
Aus den weiteren Ausführungen in der Anschuldigungsschrift ergibt sich, dass dem
Beamten ferner vorgeworfen werden soll,
32
Leistungen nach § 2 AsylbLG bewilligt zu haben, ohne dass die Voraussetzungen
vorlagen, und zwar
33
- im Asylbewerberleistungsfall S1. B. ab September 2002, - im
Asylbewerberleistungsfall I4. S3. ab August 2002, - im Asylbewerberleistungsfall L. I1.
ab Juli 2001, - im Asylbewerberleistungsfall C1. I1. ab August 2002 und - im
Asylbewerberleistungsfall O1. I1. ab August 2002.
34
III.
35
Das Gericht geht aufgrund der vorliegenden Akten und nach dem Ergebnis der
Hauptverhandlung von folgendem Sachverhalt aus:
36
1. Anschuldigungskomplex: Auszahlung von Darlehen ohne Rechtsgrund bzw.
gesetzlichen Anspruch (Anschuldigungsschrift A I)
37
a) Darlehensgewährungen nach dem AsylbLG
38
In der Zeit von 1999 bis 2003 hat der Beamte als Sachbearbeiter im Sozialamt in einer
Vielzahl von Fällen Vorschüsse und Darlehen an Empfänger von Leistungen nach dem
AsylbLG gewährt. Teilweise ergibt sich der Verwendungszweck aus der Akte. Teilweise
ist jedoch keinerlei Verwendungszweck aus der Akte erkennbar. In sämtlichen Fällen
der Darlehensgewährung sollte die Rückzahlung dadurch sichergestellt werden, dass
monatliche Raten im Einverständnis mit den Leistungsempfängern von den in der
Folgezeit zu gewährenden Leistungen nach § 3 bzw. § 2 AsylbLG einbehalten werden
sollten. Im Einzelnen handelt es sich um die nachfolgend nach Höhe, erkennbarem
Verwendungszweck, rechtlicher Grundlage und Leistungsempfänger aufgeführten
Leistungen:
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Datum der Be- Verwendungszweck Rechtliche Leistungsempfänger willigung und für
die Grundlage Auszahlungbetrag Rückzahlung
40
1. 18.6.02 600 Euro -- Bescheid v. 18.6.02 S1. B.
41
2. 1.10.99 1.000 DM Geld verloren Bescheid v. 1.10.99 G. K.
42
3. 8.2.01 1.000 DM -- Bescheid v. 8.2.01 G. K.
43
4. 15.11.01 450 DM Möbel Bescheid v. 15.11.01 G. K.
44
5. 1.7.02 500 Euro -- Bescheid v. 1.7.02 G. K.
45
6. 25.6.02 1.000 Euro Hochzeit des Bruders Bescheid v. 25.6.02 I2. I1.
46
7. 11.11.02 738 Euro Reisepässe nach dem Bescheid v. 11.11.02 I2. I1.
Zuwanderungsgesetz
47
8. 8.6.99 1.030 DM Unterkunftskosten Einbehaltungserklärung S2. O. (Mitgliedschaft in
der im Bewilligungsbescheid Wohnungsgenossen- vom 23.6.99 schaft) Auszahlung an
die Genossenschaft unmittel- bar
48
9. 13.1.00 2.000 DM Verkehrsunfall d. Sohnes Bescheid v. 13.1.00 S2. O.
49
10. 31.1.00 1.400 DM Geld verloren Bescheid v. 31.1.00 S2. O.
50
11. 6.3.00 665,91 DM Rechnung Telekom handschriftl. Vermerk S2. O. über mündliche
Dar- lehensvereinbarung; Einbehaltungserkärung in Bewilligungsbescheid v. 24.3.00
51
12. 16.5.00 1.345 DM Stromnachzahlung VEW/ Bescheid v. 16.5.00 S2. O. Auszahlung
an das VEW
52
13. 22.5.00 400 DM -- Bescheid v. 22.5.00 S2. O.
53
14. 11.9.00 250 DM Grundleistungen ver- Bewilligung als A2. O. braucht wg. vorange-
Zuschuss durch (Ehefrau) gangener Einbe- Auszahlung haltungen
54
15. 30.11.00 500 DM Abschlagszahlung Bescheid v.30.11.00 K1. Q. auf Regelsatz für
Dez. 00, weil zu Unrecht Leistungen des Arbeitsamtes ange- rechnet worden waren
55
16. 10.1.01 3.000 DM Hochzeit des Sohnes Bescheid vom 10.1.01; K1. Q. schriftliche
Ein- verständniserklärung des Leistungsempfängers mit der Einbehaltung monatlicher
Raten i.H.v. 250 Euro
56
17. 28.3.02 188,19 Euro Essensgeld für Schule Bescheid v. 28.3.02; K1. Q. handschriftl.
Vermerk über Ratenzahlung durch Einbehaltung
57
18. 22.4.02 250 Euro -- schriftl. Ein- K1. Q. verständniserklärung des
Leistungsempfängers zur Einbehaltung im nächsten Monat
58
19. 6.5.02 200 Euro Vorbereitung/Hochzeit handschriftl. Vermerk über K1. Q.
Einverständniserklärung des Leistungsempfängers mit Einbehaltung v. Raten
59
20. 8.8.02 200 Euro Vorschuss schriftl. Ein- K1. Q. verständniserklärung des
Leistungsempfängers zur Einbehaltung von monatl. Raten von 100,00 Euro
60
21. 8.1.03 200 Euro Vorschuss Bescheid v. 8.1.03; K1. Q. schrift. Ein-
verständniserklärung des Leistungsempfängers zur Einbehaltung von monatl. Raten von
100,00 Euro
61
22. 31.1.03 1.126,41 Euro Stromnachzahlung Bescheid v. 31.1.03 K1. Q. an RWE
62
23. 28.10.99 2.000 DM Schadensersatz nach Bescheid v. 28.10.99; I4. S3. Fahrradunfall
schriftl. Ein- verständniserklärung des Leistungsempfängers zur Einbehaltung
63
24. 31.1.00 1.000 DM Geld verloren Bescheid v. 31.1.00; I4. S3. schrift. Einver-
ständniserklärung zur Einbehaltung monatlicher Raten von 200,00 DM
64
25. 19.9.00 50 DM Vorschuss schriftl. Einverständnis- I4. S3. erklärung des
65
Leistungsempfängers über Einbehaltung im nächsten Monat
26. 24.11.00 1.000 DM Schuldentilgung Bescheid v. 24.11.00; I4. S3. nach Geburt des
schriftl. Einverständnis- 3. Kindes erklärung des Leistungsempfängers zur Einbehaltung
monatlicher Raten v. 300 DM
66
27. 16.7.02 500 Euro Vorschuss Bescheid v. 16.7.02; I4. S3. schriftl. Einver-
ständniserklärung des Leistungs- empfängers zur Ein- behaltung
67
28. 22.11.02 500 Euro Regelsatzvorschuss Bescheid v. 22.11.02; I4. S3. schriftl.
erklärtes Einverständnis des Leistungsempfängers zur Einbehaltung
68
29. 6.1.03 1.000 Euro Mehraufwendungen Bescheid v. 6.1.03 I4. S3. wegen Krankheit
der Tochter
69
30. August 99 1.628 DM Mietkaution Einbehaltungser- A1. T2. klärung im
Grundleistungsbescheid v. 24.8.99, Vermerk im Protokoll
70
31. 23.12.99 500 DM Familie hatte schriftlicher Antrag auf J. D1. Geld wegen Vorschuss;
Bescheid Mehraufwendungen v. 24.1.00 mit Einbehaltung für Ramadan des Betrages
im Febr. 00 verbraucht
71
32. 23.3.00 2.000 DM Bekleidung (13 Pers.) Bescheid v. 23.3.2000; J. D1. schriftl. Ver-
einbarung der Ein- behaltung
72
33. April 99 500 DM Kaution Einbehaltungs- M1. T3. erklärung im Grund-
leistungsbescheid vom 23.4.99
73
34. Juni 01 600 DM Darlehen/Vorschuss Hinweis auf Ein- L. I1. behaltung im Be-
willigungsbescheid v. 22.6.01
74
35. 1.10.99 1.000 DM Geld verloren Bescheid v. 1.10.99 C1. I1.
75
36. 3.4.01 2.000 DM Regelsatz Bescheid v. 3.4.01 C1. I1.
76
37. 2.7.01 500 Euro Vorschuss Bescheid vom 2.7.02; C1. I1. schriftlich er- klärtes
Einver- ständnis der Leistungsempfängerin mit Einbehaltung
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38. 1.12.99 2.000 DM Geld verloren (im Bescheid v. 1.12.99; O1. I1. Vormonat ist aber
schriftl. erklärtes Einver- nur ein Betrag ständnis des von 1.150 DM
Leistungsempfängers bewilligt worden) mit Einbehaltung;
78
39. 1.2.01 3.000 DM Darlehen Bescheid v. 1.2.01; O1. I1. schriftl. erklärtes Einver-
ständnis des Leistungsträgers mit Einbehaltung
79
Der Vorwurf, die vorgenannten Darlehen seien ohne Rechtsgrund gewährt worden, ist
nur teilweise berechtigt.
80
Der Beamte hat die Geldzahlungen u.a. mit dem Hinweis gerechtfertigt, dass in allen
Fällen der Tatbestand des § 2 AsylbLG vorgelegen hätte. Diese Vorschrift sähe unter
Verweisung auf das Bundessozialhilfegesetz vor, dass auch an Asylbewerber
81
Geldleistungen gewährt werden könnten. Die Gemeinde C. T1. gewähre seit Jahren
Geldleistungen an Asylbewerber, dies insbesondere deshalb, weil sich die Ausgabe
von Gutscheinen als kosten- und arbeitsintensiv erwiesen habe. Geldleistungen
könnten als Beihilfe oder als Darlehen erbracht werden. Die Zahlung von Vorschüssen
entspreche jedenfalls der gängigen Praxis der Sozialämter. Diese Argumentation ist
allerdings nicht geeignet, den Vorwurf, die v. g. Darlehen seien ohne Rechtsgrundlage
gewährt worden, zu entkräften.
Entgegen der Einlassung des Beamten bekamen fast alle Leistungsempfänger im
Zeitpunkt der Darlehensbewilligungen Leistungen nach § 3 AsylbLG. Leistungen nach §
2 AsylbLG erhielten lediglich S1. B. , G. K. und I4. S3. ab August 2002 sowie I2. und L.
I1. ab Juni 2001. Insofern beurteilen sich daher nur die Darlehensgewährungen in den
vorstehend benannten Fällen Nr. 6, 7, 28, 29 und 34 nach den Vorschriften des BSHG.
Auch das BSHG erlaubt aber nicht, Sozialhilfeempfängern Darlehen zu gewähren, für
die es keinen konkreten, im Einzelfall festgestellten sozialhilferechtlichen Bedarf gibt.
Dieser Bedarf lag allerdings vor im Fall Nr. 7 (738 Euro für Reisepässe nach dem
Zuwanderungsgesetz); insofern hatten die Hilfeempfänger nämlich eine
verwaltungsrechtliche Mitwirkungspflicht zu erfüllen. Ein sozialhilferechtlich
anzuerkennender Bedarf fehlt jedoch im Fall Nr. 6 (1.000 Euro für die Hochzeit des
Bruders). Zwar können nach § 21 BSHG grundsätzlich für besondere Anlässe - wie die
Hochzeit des Hilfeempfängers - einmalige Leistungen für eine bescheidene Feier
bewilligt werden. Abgesehen davon, dass schon nicht nachvollziehbar ist, weshalb dem
Hilfeempfänger überhaupt Leistungen für die Hochzeit des Bruders bewilligt wurden,
übersteigt der ausgezahlte Betrag deutlich den nach den Richtlinien des Kreises Soest
für diese Fälle vorgesehenen Betrag von 15 DM bzw. 8 Euro für maximal 10 Personen.
Im Fall Nr. 29 ergibt sich zwar aus der Leistungsakte, dass das Darlehen mit
„Mehraufwendungen wegen der Krankheit der Tochter" des Hilfeempfängers im
Zusammenhang stand. Es sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte ersichtlich, die darauf
schließen lassen, dass der Beamte sich in irgendeiner Weise eine Überzeugung dazu
gebildet hat, aus welchem genauen Grund und in welcher Höhe die Leistungen
erforderlich waren. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass er - aus Gründen der
vereinfachten Handhabung - die Leistungen pauschal als Darlehen bzw. Vorschuss
gewährt hat. Eine solche Art der Leistungsgewährung ist jedoch auch nach dem BSHG
nicht vorgesehen. Zwar wird es in der Rechtsprechung zum Teil für zulässig gehalten,
Leistungen nach dem BSHG auch in anderen als den gesetzlich ausdrücklich
geregelten Fällen - z. B. bei Kann-Leistungen - als Darlehen zu gewähren. Es steht
jedoch außer Frage, dass dies nur dann zulässig sein kann, wenn zuvor der konkrete
sozialhilferechtlich anzuerkennende Bedarf festgestellt worden ist. Dies entspricht
einem elementaren Grundsatz des Sozialhilferechts, wonach ein Anspruch auf Hilfe nur
gegeben ist, wenn eine Notlage besteht, die anders nicht beseitigt werden kann. Die
Gewährung von Leistungen ohne Prüfung des Bedarfs widerspricht diesem Grundsatz
in fundamentaler Weise. Auch die Vergabe eines Darlehens stellt dabei eine
Geldleistung dar, die einen sozialhilferechtlich notwendigen Bedarf voraussetzt. Ist ein
solcher nicht vorhanden, fehlt für die Gewährung des Darlehens die gesetzliche
Grundlage. Denn der Sozialhilfeträger ist kein Kreditinstitut für Sozialhilfeempfänger.
Soweit der Beamte sich dahin einlässt, die Leistungen seien nicht als Darlehen für die
jeweiligen Zwecke sondern nur als Vorschuss zu bewerten, handelt es sich um eine
unvertretbare Rechtsauffassung. Die Eigenschaft als Darlehen verliert die Geldleistung
nicht dadurch, dass sie als Vorschuss auf künftig zu leistende Grundleistungen nach
dem AsylbLG definiert wird. Die Einbehaltung von künftigen Zahlungen stellt vielmehr
nur die Rückzahlungsmodalität für die gewährten Darlehen dar. Bei
82
sozialhilferechtlichen Ansprüchen handelt es sich nicht um rentengleiche
Dauerleistungen, auf die künftig ein sicherer - für die Darlehensrückzahlung
einsetzbarer - Anspruch besteht. Es ist vielmehr monatlich jeweils neu zu prüfen, ob die
Voraussetzungen für die Leistungsbewilligung noch vorliegen. Schon aus diesem
Grund kann die von dem Beamten geübte extensive Darlehensgewährungspraxis mit
einer über mehrere Monate vorgesehenen Rückzahlungspflicht nicht rechtmäßig sein.
Im Übrigen liegt es nahe, dass die Hilfeempfänger durch die Einbehaltungen in
finanzielle Engpässe geraten, die weitere Hilfegewährungen notwendig machen und
infolgedessen die Rückzahlung der Darlehen gefährdet ist. Die Gewährung von
Leistungen ohne Prüfung eines konkreten Bedarfs ist demnach sozialhilferechtlich in
jedem Fall unzulässig. Ausgehend davon, entbehrten die erbrachten Leistungen in den
Fällen Nr. 6 und 29 der gesetzlichen Grundlage. Zur Darlehensgewährung in den Fällen
Nr. 28 und 34 wird weiter unten Stellung genommen.
Soweit der Beamte den übrigen Leistungsempfängern, die ausschließlich Anspruch auf
Leistungen nach dem AsylbLG hatten, Darlehen gewährt hat, spricht zwar angesichts
der ohnehin nur auf das Notwendigste beschränkten Leistungen alles dafür, dass
Darlehensgewährungen nur in Ausnahmefällen in Frage kommen. Für die
disziplinarrechtliche Beurteilung seines Verhaltens ist jedoch entscheidend, ob die
Leistungsgewährung sozialhilferechtlich schlechthin unvertretbar war. Entgegen der von
der Einleitungsbehörde vertretenen Auffassung sind die Darlehensgewährungen in
diesen Fällen aber nicht schon deshalb rechtswidrig, weil die Gewährung von Darlehen
nach dem AsylblG von vornherein nicht in Betracht kommt. Es ist jedenfalls kein
zwingender Grund dafür ersichtlich, BSHG- und AsylbLG-Leistungen insofern
unterschiedlich zu beurteilen. Ein zwingender Unterschied folgt insofern insbesondere
nicht daraus, dass die Darlehensgewährung mit einer Geldleistung verbunden ist, die
nach dem AsylbLG nur ausnahmsweise zulässig sein soll. Aus dem AsylbLG ergibt sich
lediglich, dass der Leistungsempfänger keinen durchsetzbaren Anspruch auf
Gewährung von Geldleistungen hat. Das bedeutet jedoch nicht umgekehrt, dass auch
der Sozialhilfeträger keine Geldleistungen an ihn vergeben darf. Dies mag zwar in
Rechtsprechung und Literatur umstritten sein. Ausweislich der Kommentierungen wird
aber zumindest zum Teil die Auffassung vertreten, dass die Alternativen Sach- und
Geldleistungen gleichwertig nebeneinander stehen; einen Vorrang des
Sachleistungsprinzip soll es danach seit der Novellierung des AsylbLG am 1. Juni 1997
nicht mehr geben.. Dies gilt sowohl für die Grundleistungen nach § 3 AsylbLG wie für
die sonstigen Leistungen nach § 6 AsylbLG.
83
Vgl. Birk in Bundessozialhilfegesetz, Lehr- und Praxiskommentar, 5. Aufl. zu § 3
AsylbLG Rz. 9 und § 6 AsylbLG, Rz. 9 sowie GK - AsylbLG, Bd. 1, III § 3 Rz. 80 m. w. N..
84
Die Gemeinde C. T1. hat sich - wie im Übrigen viele andere Gemeinden auch -
offensichtlich wegen organisatorischer Schwierigkeiten bei der Umsetzung des
Sachleistungsprinzips dafür entschieden, Grundleistungen nach § 3 AsylbLG als
Geldleistungen zu gewähren. Mit Rücksicht darauf kann dem Beamten nicht
unvertretbares Fehlverhalten vorgeworfen werden, wenn er Leistungen nach § 6
AsylbLG ebenfalls in gleicher Weise gewährt. Mangels ausdrücklich gegenteiliger
Anweisungen darf er diese Leistungen als Geldleistungen in Form eines Zuschusses
und - wie bei Leistungen nach dem BSHG - als Darlehen vergeben.
85
Ausgehend von den vorstehenden Überlegungen hält die Kammer den Vorwurf,
Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet zu haben, nicht für erwiesen in den Fällen Nr. 2
86
(Geld verloren), 8 (Unterkunftskosten i. w. S.), 10 (Geld verloren), 12
(Stromnachzahlung), 15 (Abschlagszahlung, weil Zahlungen des Arbeitsamtes zu
Unrecht angerechnet worden waren), 17 (Essensgeld für Schule), 22
(Stromnachzahlung), 24 (Geld verloren), 30 (Mietkaution als Unterkunftskosten i. w. S.),
31 (Geldverbrauch am Monatsende), 33 (Mietkaution als Unterkunftskosten i. w. S.) und
35 (Geld verloren). In all diesen Fällen mag - wie häufig im Sozialhilferecht - im
Einzelnen darüber gestritten werden können, ob wirklich ein Anspruch der
Hilfeempfänger bestand. Sicherlich hätten die Leistungen zum Teil auch mit guten
Gründen abgelehnt werden können. Es geht in diesen Fällen jedoch um die
Befriedigung eines Sonderbedarfs, der unter die in § 6 AsylbLG geregelten Fallgruppen
fällt bzw. mit diesen vergleichbar ist, so dass die Gewährung von sozialhilferechtlichen
Leistungen zumindest nicht von vornherein unvertretbar war. Die Gewährung dieser
Leistungen als Vorschuss bzw. Darlehen ist dem Gericht als gängige Praxis der
Sozialämter bekannt.
In den Fällen Nr. 4, 6, 9, 11, 16, 23, 26 und 38 sieht das Gericht den Vorwurf der
Gewährung von Leistungen ohne gesetzliche Grundlage hingegen als erwiesen an, weil
die angegebenen Verwendungszwecke in keinem dieser Fälle die Leistungsgewährung
nach § 6 AsylbLG rechtfertigen. Es handelte sich hierbei um Leistungen, die beantragt
worden waren zum Schadensausgleich nach Verkehrsunfällen, zur Anschaffung von
Möbeln, zur Begleichung einer Telekomrechnung in Höhe von 665,91 DM, zur
Rückzahlung von Schulden nach der Geburt eines Kindes sowie zur Ausrichtung der
Hochzeit des Sohnes. Der angegebene Verwendungszweck begründete in keinem
dieser Fälle einen Sonderbedarf, der zur Sicherung des Lebensunterhalts unerlässlich
war. Soweit der Standpunkt vertreten werden mag, dass auch Leistungen für die
Ausrichtung von Familienfeiern nach § 6 AsylbLG in das Ermessen des
Sachbearbeiters gestellt sind, gilt dies unzweifelhaft - wie bereits oben zum BSHG
ausgeführt - nur für Leistungen in bescheidenem Umfang, der hier bei Weitem
überschritten worden ist. Ebenso überstieg der für die Anschaffung von Möbeln (Fall Nr.
4) von der Hilfeempfängerin beantragte Betrag offensichtlich auch nach Einschätzung
des Beamten den selbst einem BSHG-Hilfeempfänger als einmalige Beihilfe für die
beantragte Anschaffung des Hausrates zuzubilligenden Betrag. Ausweislich seiner
handschriftlichen Aufzeichnungen hielt er nur 850 DM für erforderlich. Damit lag er
bereits deutlich über der als Orientierungshilfe gedachten Preisliste des Kreises Soest
in der Arbeitshilfe zur Gewährung einmaliger Hilfe nach § 21 BSHG. Die - auch
darlehensweise - höhere Bewilligung ist jedenfalls nicht nachvollziehbar. Im Fall Nr. 38
hat der Beamte ein Darlehen in Höhe von 2.000 DM bewilligt, weil der Hilfeempfänger
angegeben hat, sein Geld für Dezember 1999 verloren zu haben. Jedoch war ihm für
diesen Monat nur ein Betrag von 1.150 DM ausgezahlt worden. Es wurde ihm daher ein
höherer Betrag als ihm für diesen Monat sozialhilferechtlich zustand als Darlehen
bewilligt. Mit Rücksicht darauf, dass ein sozialhilferechtlich anerkannter Bedarf in den
vorgenannten Fällen - jedenfalls in der gewährten Höhe - nicht vorlag, gibt es auch für
die Gewährung eines Darlehens zu diesem Zweck keine Rechtsgrundlage.
87
In den Fällen Nr. 1, 3, 5, 27, 36, 37 und 39 ist aus der Akte nicht ersichtlich, dass ein
Verwendungszweck angegeben wurde. Zwar hat sich der Beamte in der
Hauptverhandlung dahin eingelassen, dass er insofern wahrscheinlich nur vergessen
habe, einen solchen in der Akte zu dokumentieren. Mangels substantiierter Angaben zu
einem in diesen Fällen vorliegenden sozialhilferechtlich anerkennenswerten Bedarf,
muss die Kammer jedoch zu seinen Lasten davon ausgehen, dass er eine
Bedarfsprüfung nicht vorgenommen und die Leistungen ohne Rechtsgrund erbracht
88
worden sind.
Die Fälle Nr. 13, 14, 18, 19 sind erkennbar eine Folge aus vorangegangenen
Darlehensgewährungen. Die Familien S2. O. und K1. Q. waren auf weitere Vorschüsse
bzw. sogar Zuschüsse angewiesen, weil sie aufgrund der anschließenden monatlichen
Einbehaltungen mit den zum Teil sogar nach § 1 a AsylbLG gekürzten Grundleistungen
nicht mehr ihr Existenzminimum sichern konnten. Insofern sind diese Leistungen zwar
bedingt durch frühere rechtsgrundlose Leistungen, selbst aber nicht ohne Rechtsgrund
erfolgt.
89
Bei den verbleibenden Fällen Nr. 20, 21, 25 und 32 und den nach dem BSHG zu
beurteilenden Fällen 28 und 34 spricht einiges dafür, dass ein konkreter Bedarf (z. B.
Sonderbedarf für Bekleidung der Kinder bzw. Lebensunterhalt kurz vor Monatsende
oder nach vorangegangener Einbehaltung) vorgelegen hat, so dass die Gewährung von
Vorschüssen durchaus in Betracht gekommen sein mag. Dies kann jedoch offen
bleiben. Für die disziplinarrechtliche Bewertung bedarf es insofern keiner
abschließenden Beurteilung, weil das Ergebnis - wie aus den nachfolgenden
Darlegungen ersichtlich - dadurch nicht beeinflusst wird. Es wird insofern zu Lasten des
Beamten unterstellt wird, dass die Leistungen zu Unrecht gewährt worden sind.
90
Die gesamten Darlehen sind zum überwiegenden Teil durch die Einbehaltungen
zurückgezahlt worden. In einigen Fällen ist die Rückzahlung zwar aus den vorgelegten
Leistungsakten nicht vollständig nachvollziehbar. Das erklärt sich jedoch zum einen
daraus, dass dieser Akteninhalt nur die Zeit bis etwa Februar 2003, d. h. bis zur
hausinternen Prüfung erfasst. Zu diesem Zeitpunkt war die Einbehaltung der kurz zuvor
gewährten Darlehen jedoch nicht abgeschlossen. Zum anderen sind nicht für jeden
Monat Berechnungsprotokolle abgedruckt bzw. abgeheftet worden. Es gibt jedoch
keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Darlehen in diesen Fällen tatsächlich nicht
zurückgezahlt worden sind bzw. durch weitere Einbehaltung von den dem Beamten in
seinem Amt nachfolgenden Sachbearbeitern nicht hätten zurückgefordert werden
können. Fest steht jedoch, dass die an S2. O. und A. T2. sowie J. D1. gewährten
Darlehen wegen Ausreise bzw. Einstellung der Leistungen nicht vollständig
zurückgezahlt wurden. Im Fall O. ist ein Betrag von 3.591,22 DM, im Fall D1. 500 DM
und im Fall T2. sind 228 DM offen geblieben (wobei zu berücksichtigen ist, dass die
Kautionszahlung an Herrn T2. grundsätzlich nicht zu beanstanden war).
91
b) Leistungen nach § 30 BSHG (Fall E2. )
92
Der Vorwurf, der Beamte habe Frau E2. Darlehen in Höhe von insgesamt 27.550 DM
ohne Rechtsgrundlage und ohne Prüfung von Verwendungsnachweisen bewilligt, wird
nur als erwiesen unterstellt, soweit es um die Bewilligung des Darlehens am 00.00.0000
in Höhe von 1.200 DM ohne ausreichende Bedarfsprüfung geht.
93
Dieses Darlehen hat er in Vertretung für die an sich zuständige Sachbearbeiterin der
Hilfeempfängerin C2. E2. zum Zwecke der Reparatur eines Kraftfahrzeugs gewährt.
Frau E2. hatte angegeben, das Fahrzeug für die Arbeitsuche zu benötigen. Sie habe
Arbeitsstellen in Aussicht. Laut handschriftlichem - von ihr unterzeichneten - Vermerk
hat sie sich bereit erklärt, das Darlehen in monatlichen Raten von 200 DM
zurückzuzahlen. Rechtsgrundlage für diese Darlehensgewährung ist grundsätzlich § 30
BSHG. Nach dieser Vorschrift kann auf entsprechenden Antrag Hilfe gewährt werden
zum Aufbau einer Lebensgrundlage durch selbstständige oder unselbständige Arbeit.
94
Als Leistungen kommen dabei durchaus auch die Übernahme von Reparaturkosten für
ein Kraftfahrzeug in Betracht, das zur Arbeitssuche erforderlich ist. Aus der Akte ist nicht
nachvollziehbar, ob und inwieweit der Beamte die konkrete Erforderlichkeit des
Kraftfahrzeugs zur Arbeitsplatzsuche, die Höhe der Reparaturkosten und die
Verwendung des Geldes für diesen Zweck überprüft hat. Auch hier sind weitere
Feststellungen entbehrlich, weil sie für die disziplinarrechtliche Beurteilung nicht von
ausschlaggebender Bedeutung sind. Es wird daher zu Lasten des Beamten unterstellt,
dass er die Darlehensvoraussetzungen insofern nicht hinreichend nachgeprüft hat.
Soweit es um die Gewährung des Existenzgründungsdarlehens geht, betrachtet das
Gericht den Vorwurf nicht als erwiesen.
95
Am 00.00.0000 schloss der Beamte mit Frau E2. einen Darlehensvertrag ab,
aufgrunddessen ihr zum Aufbau einer Existenz als Immobilienmaklerin ein
unverzinsliches Darlehen in Höhe von 25.000 DM gewährt werden sollte. Die
Rückzahlung des Betrages sollte nach Erhalt der ihr aus künftigen Maklerverträgen
zustehenden Provisionen beginnen; spätestens ab 00.00.0000 sollten jedoch monatlich
mindestens 250 DM zurückgezahlt werden. Neben dem Darlehensvertrag erließ der
Beamte am selben Tag einen entsprechenden Bewilligungsbescheid. Auch in diesem
Fall findet die Darlehensgewährung ihre Rechtsgrundlage grundsätzlich in § 30 BSHG.
Soweit die Einleitungsbehörde in der Anschuldigungsschrift unter Berufung auf die
Stellungnahme der IHK die Auffassung vertritt, der Beamte hätte die Gewährung des
Darlehens ganz ablehnen müssen, weil es Frau E2. an der erforderlichen Eignung für
die geplante Tätigkeit fehlte, folgt die Kammer dieser Ansicht nicht. Die IHK hat zwar in
ihrer Stellungnahme vom 00.00.0000 durchaus Vorbehalte wegen der aktuellen
fachlichen und persönlichen Qualifikation von Frau E2. zum Ausdruck gebracht.
Andererseits hat die IHK die begründete Aussicht gesehen, dass Frau E2. aufgrund
ihrer Zielstrebigkeit bemüht sein wird, die fachlichen Defizite schnellstmöglich
auszugleichen. In Würdigung der Gesamtumstände ist die IHK zu dem Fazit gekommen,
dass die geplante Immobilientätigkeit geeignet sein kann, eine ausreichende
Lebensgrundlage zu schaffen. Auch die 000 GmbH hat sich der Stellungnahme der IHK
angeschlossen und die Darlehensgewährung grundsätzlich befürwortet. Die
Darlehensgewährung ist auch nicht deshalb völlig unvertretbar, weil der Beamte sich
nicht auf einen Betrag von 6.000 DM beschränkt hat. Bei diesem Betrag handelt es sich
um die von der Antragstellerin veranschlagten und von der IHK als angemessen
bestätigten Investitionskosten für die Einrichtung des Büros. Es liegt auf der Hand, dass
die Antragstellerin, die über keine eigenen finanziellen Mittel verfügte, für ihre vor allem
in Polen geplante Maklertätigkeit noch weitere Hilfe benötigte, um ihre Existenz
aufzubauen und ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Sie selbst hatte dazu ein
Darlehen in Höhe von 70.000 DM beantragt, ausgehend von einer erforderlichen
Vorlaufzeit von 6 Monaten und monatlichen Betriebskosten von ca. 10.690 DM sowie
der Beschaffung der erforderlichen Büroeinrichtung. Sie war zumindest darauf
angewiesen, ihren eigenen Lebensunterhalt bestreiten und auch z. B. Fahrtkosten und
andere Betriebskosten aufbringen zu können. Aus der aus der Akte ersichtlichen
Korrespondenz ergibt sich, dass der Beamte zur Ermittlung der Höhe des zu
bewilligenden Darlehens mehrfach Kontakt mit der 000 GmbH (dort mit Herrn Vorberg)
aufgenommen hat. Er hat Herrn Vorberg dabei offensichtlich zunächst so verstanden,
dass dieser die Bewilligung eines Darlehens in Höhe von monatlich 1.000 DM anrate
zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten zuzüglich der Fahrtkosten.
Dementsprechend hat der Beamte mit Bescheid vom 24. Januar 2000 den
Darlehensantrag auf Bewilligung von 70.000 DM abgelehnt und nur die Bereitschaft
96
erklärt, ein Darlehen über 4.000 DM zu gewähren. Dieser am selben Tag an die
Hilfeempfängerin ausgehändigte Bescheid hat diese veranlasst, ihrerseits nochmals ein
Gespräch mit Herrn W1. zu führen. Nach der von ihr dazu festgehaltenen und im
Schreiben vom 00.00.0000 nachgetragenen „Anmerkung von Herrn W1. vom 24.1.2000"
hat Herr W1. sich für einen Kredit in Höhe ihrer mit dem Darlehensantrag vorgelegten
Aufstellung ausgesprochen. Das Schreiben von Herrn W1. am 00.00.0000 belegt, dass
es nach dem Ablehnungsbescheid nochmals eine telefonische Unterredung zwischen
ihm und dem Beamten über die Höhe des zu gewährenden Kredits gegeben hat. Herr
W1. unterstreicht in seiner Stellungnahme zumindest, dass Frau E2. zusätzlich ein
Kredit über die Büroeinrichtung in Höhe von 6.000 DM gewährt werden sollte. Ob er in
dem Telefonat mit dem Beamten darüber hinaus entsprechend der vorerwähnten
Anmerkung von Frau E2. für die sonstigen monatlichen Aufwendungen einen höheren
Kredit als ursprünglich befürwortet hat, lässt sich aus der Akte nicht unmittelbar ableiten.
Mit Rücksicht darauf, dass sich der Beamte - wie insbesondere der ablehnende
Bescheid deutlich macht - erkennbar an den Empfehlungen von Herrn W1. orientieren
wollte, ist dies jedoch nicht ausgeschlossen. Zumindest sind keine Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass der Beamte sich hinsichtlich der in das Ermessen der Behörde
gestellten Höhe des zu gewährenden Darlehens von sachfremden und unvertretbaren
Überlegungen hat leiten lassen. Die Kammer geht daher zu seinen Gunsten davon aus,
dass jedenfalls die in der Anschuldigungsschrift genannten Gründe nicht den Vorwurf
rechtfertigen, dass das Darlehen ohne Rechtsgrund gewährt worden ist. Ob die
Anspruchsvoraussetzungen für die Darlehensgewährung aus anderen Gründen hätten
abgelehnt werden müssen, ist weder ersichtlich noch Gegenstand der Anschuldigung.
Letzteres gilt auch für die unzweifelhaft unvollständige Aktenführung, aus der nicht
nachzuvollziehen ist, aus welchen Gründen der Beamte zur Bewilligung eines für eine
Gemeinde wie C. T1. immerhin beträchtlichen Betrages in Höhe von 25.000 DM
gekommen ist.
2. Anschuldigungskomplex: Fehlerhafte und nachlässige Bearbeitung von AsylbLG- und
BSHG-Fällen (Anschuldigungsschrift A III)
97
a) Fehlende Aufnahme eines Grundantrages im Asylbewerberleistungsfall S1. B.
98
Der Grundantrag ist der Leistungsakte B. vorgeheftet. Der Vorwurf ist daher nicht
gerechtfertigt.
99
b) Auszahlung von Darlehen ohne Vertrag oder Bescheid in den Fällen der
Anschuldigungsschrift A I Nr. 4 bis 10.
100
Der Vorwurf, der Beamte habe diese Darlehen (nach der hier zum Anschuldigungspunkt
1 vorgenommenen Auflistung in den Fällen Nr. 8 bis 34) ohne Vertrag oder Bescheid
ausgezahlt, ist im Ergebnis nicht haltbar. In der überwiegenden Zahl der Fälle hat der
Beamte gesonderte Bescheide über die Bewilligung der Leistungen als Vorschüsse
bzw. Darlehen erlassen. In diesen Bescheiden ist jeweils festgelegt, dass die
Rückzahlung durch Einbehaltung in monatlichen Raten erfolgen soll. Im Fall Nr. 14
(Zahlung von 250 DM an Frau Q. ) handelte es sich um die Bewilligung eines
Zuschusses durch tatsächliche Auszahlung, da die Familie aufgrund der vorherigen
Darlehenseinbehaltungen nicht mehr genügend Geld hatte, um die
Lebenshaltungskosten für die letzte Woche vor ihrer Ausreise in die Heimat zu
bestreiten. Ein ausdrücklicher Bescheid bzw. Darlehensvertrag fehlt zwar in den Fällen
Nr. 8, 11, 18, 19, 20, 25, 30, 31 und 34. In diesen Fällen hat der Beamte jedoch eine von
101
den jeweiligen Antragstellern unterzeichnete Erklärung bzw. einen Vermerk in der Akte
aufgenommen, aus der sich ergibt, dass die Rückzahlung der geleisteten Beträge im
Einverständnis mit den Antragstellern durch anschließende Einbehaltungen erfolgen
sollen. Zumindest ist in den Bescheiden über die Bewilligung von Grundleistungen
geregelt, dass die gewährten Leistungen ratenweise einbehalten werden. Es kann hier
dahinstehen, ob damit - etwa durch Auslegung - den sozialhilferechtlichen
Anforderungen an eine Darlehensgewährung durch Bescheid oder Darlehensvertrag
genüge getan worden ist. Jedenfalls hat sich der Beamte durch entsprechende
Dokumentation in der Akte hinreichend darum bemüht, für eine Rechtsgrundlage zur
Rückforderung der erbrachten Leistungen Sorge zu tragen.
c) Fehlende Vorlage und Forderung von Verwendungsnachweisen in den Fällen der
Anschuldigungsschrift A I Nr. 1 bis 13
102
In den Fällen, in denen die Darlehensgewährungen als sozialhilferechtlich vertretbar
gewertet wurden, hat sich der Beamte die Verwendung der Leistungen im Rahmen der
Möglichkeiten hinreichend nachweisen lassen. Er hat sich Rechnungen vorlegen lassen
bzw. die Zahlungen unmittelbar an die Gläubiger überwiesen. Soweit die
Hilfeempfänger angegeben hatten, Geld verloren zu haben, ist der
Verwendungsnachweis ohnehin eine Frage des Vertrauens, das nachträglich nicht
mehr in Zweifel gezogen werden kann. Abgesehen davon ist das Verlangen von
Verwendungsnachweisen bei der Bewilligung von Leistungen nicht zwingend in einer
bestimmten Art und Weise vorgeschrieben. Wie bereits oben ausgeführt, ist es
sozialhilferechtlich lediglich geboten, dass der Beamte sich eine Überzeugung davon
verschafft, ob tatsächlich ein Bedarf besteht. In welcher Weise er dies tut, ist nicht
geregelt. Je nach den besonderen Umständen kann dies z. B. auch durch mündliche
Erklärungen der Hilfeempfänger oder sonstige dem Sachbearbeiter zur Verfügung
stehende Erkenntnismöglichkeiten erfolgen.
103
Soweit der Beamte die Darlehen nach den vorstehenden Ausführungen vergeben hat,
ohne dass ein sozialhilferechtlich anzuerkennender Bedarf bestand bzw. ohne dass ein
solcher genau geprüft wurde, spricht alles dafür, dass er sich auch nicht hinreichend um
einen Verwendungsnachweis bemüht hat (z. B. wer in welcher Höhe tatsächlich durch
Verschulden des Hilfeempfängers einen Schaden durch einen Verkehrsunfall erlitten
hat, wer die Hochzeit im Fall I1. (Nr. 6) ausgerichtet hat, weshalb Frau E2. für die
Arbeitsplatzsuche ein Kraftfahrzeug benötigt hat usw.). Einer Klärung von Einzelheiten
bedarf es insofern jedoch nicht; die Kammer ist mit dem Vertreter der
Einleitungsbehörde der Auffassung, dass diesem Vorwurf neben der rechtswidrigen
Bewilligung dieser Darlehen ohne anerkennenswerten sozialhilferechtlichen Bedarf bei
der disziplinarrechtlichen Würdigung keine eigenständige Bedeutung zukommt.
104
Bei der Gewährung des Existenzgründungsdarlehens an Frau E2. geht es um den
Vorwurf, dass der Beamte sich die Verwendung des Darlehens nach dessen
Auszahlung nicht hat nachweisen lassen. Es gibt jedoch keine generelle Pflicht des
Sachbearbeiters, in jedem Fall - ohne Anhaltspunkte für etwaige Zweifel - nach
Auszahlung einer Leistung zu prüfen, ob sie tatsächlich bedarfsentsprechend verwendet
worden ist. Eine solche Prüfung wäre zwar - wie der Fall E2. deutlich macht -
wünschenswert gewesen. Sie ergibt sich jedoch nicht aus zwingend zu beachtenden
Vorschriften bzw. Grundsätzen bei der Bearbeitung von Sozialhilfefällen. Sie folgt
insbesondere auch nicht aus den Empfehlungen des Kreises T5. unter T 10 Anm.
3.8.4.1. Diese Vorschrift fordert nur, dass bei der Bewilligung mit dem Hilfeempfänger zu
105
regeln ist, dass zweckwidrig verwendete Darlehensleistungen zurückzuzahlen sind.
Damit soll eine Rechtsgrundlage für die Rückforderung in diesen Fällen geschaffen
werden. Der Beamte musste diese Regelung aber nicht notwendig als Anweisung zum
ausnahmslosen Verlangen von Verwendungsnachweisen verstehen. Unabhängig
davon hat der Beamte das Darlehen nur als Vertreter für die seinerzeit krankheitsbedingt
fehlende - an sich zuständige - Sachbearbeiterin, Frau I5. -E3. , bewilligt. Die weitere
Bearbeitung des Falles gehörte jedenfalls nach deren Rückkehr nicht mehr zu seinem
Aufgabenbereich.
3. Anschuldigungskomplex: Abschluss von Mietverträgen ohne Bevollmächtigung
(Anschuldigungsschrift A II)
106
In den Jahren 2001 und 2002 hat der Beamte insgesamt 4 Mietverträge unterzeichnet, in
denen die Gemeinde C. T1. als Wohnungsmieter verpflichtet werden sollte. Der
monatliche Mietzins lag bei 995 DM, 817 DM, 814 DM und 425 Euro. Es kann
dahinstehen, ob es sich bei Abschluss von Mietverträgen zugunsten von
Hilfeempfängern für den Abteilungsleiter des Sozialamtes um ein Geschäft der
laufenden Verwaltung handelte. Jedenfalls war der Beamte nicht berechtigt, diese
Verträge allein zu unterzeichnen. Aus Ziff. 2.3 der für den maßgeblichen Zeitraum
geltenden Geschäftsanweisung zur Regelung der Unterschriftsbefugnis in der
Gemeindeverwaltung C. T1. (Unterschriftsordnung) vom 00.00.0000 bzw. 00.00.0000
ergibt sich, dass Abteilungsleiter Verpflichtungserklärungen bei Geschäften der
laufenden Verwaltung nur allein unterschreiben dürfen, wenn die Gemeinde nicht über
einen Umfang von 2.000 DM bzw. 1.000 Euro hinaus verpflichtet wird. Dieser Betrag ist
bei allen vier Mietverträgen überschritten. Zwar ist fraglich, ob bei Mietverträgen für den
Verpflichtungsumfang auf den Jahresmietzins abzustellen ist, weil alle Mietverträge
innerhalb von drei Monaten kündbar waren. Auch wenn der Verpflichtungszeitraum nur
mit drei Monaten angenommen wird, war der Beamte vorliegend jedoch nicht berechtigt,
die Mietverträge allein zu unterzeichnen.
107
4. Anschuldigungskomplex: Bewilligung von Leistungen nach § 2 AsylbLG, ohne dass
die Voraussetzungen vorlagen (Anschuldigungsschrift B II 4.)
108
Der Beamte hat an S1. B. , I4. S3. , L. I1. , C1. I1. und O1. I1. , bei denen es sich jeweils
um Roma aus dem Kosovo handelte, Leistungen nach § 2 AsylbLG gewährt, nachdem
diese über eine Dauer von 36 Monaten Grundleistungen nach dem AsylbLG erhalten
hatten. Diese Entscheidung ist sozialhilferechtlich zumindest nicht unvertretbar. Der
Beamte beruft sich insofern zu Recht auf Entscheidungen des OVG Lüneburg und des
VG Braunschweig, die ebenfalls die Auffassung vertreten haben, dass eine freiwillige
Ausreise von Roma aus dem Kosovo aus humanitären Gründen nicht als zumutbar
anzusehen sei, so dass ihnen Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren seien.
109
Vgl. Nieders. OVG, Beschluss vom 1. Juli 2002 - 4 ME 207/02 - und VG Braunschweig,
Beschluss vom 29. Oktober 2002 - 3 B 73/02 -.
110
Der Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG ist auch nicht - wie in der
Anschuldigungsschrift zum Ausdruck kommt - ausgeschlossen, wenn die
Leistungsberechtigten keinen Asylanspruch geltend gemacht haben. Selbst wenn sie in
den 36 Monaten nur gekürzte Leistungen nach § 1 a AsylbLG erhalten haben, steht dies
der Leistungsgewährung nach § 2 AsylbLG nicht entgegen.
111
Vgl. VG Hannover, Urteil vom 13. November 2000 - 7 A 4673/00 -; GK - AsylbLG, Bd. 3,
VII zu § 2 Abs. 1 (VG - Nr. 1b).
112
Zusammenfassend wird danach zu Lasten des Beamten als fehlerhafte
Sachbearbeitung festgestellt, dass er in der Zeit von 1999 bis 2003 in insgesamt 19
Fällen in sozialhilferechtlich unvertretbarer Weise - ohne anzuerkennenden
Verwendungszweck - Darlehen an Hilfeempfänger ausgezahlt und in 4 Fällen
Mietverträge ohne gemeinderechtliche Vertretungsbefugnis abgeschlossen hat.
113
IV.
114
Die in dieser Weise festgestellten Mängel der Dienstleistung stellen nicht automatisch
auch ein disziplinarrechtlich zu ahndendes Dienstvergehen dar. Nicht jede fehlerhafte
Arbeitsweise ist disziplinarrechtlich relevant. Eine Verletzung der dienstlichen Pflicht
eines Beamten, sich mit voller Hingabe seinem Beruf zu widmen, ist nach ständiger
disziplinargerichtlicher Rechtsprechung vielmehr nur dann als schuldhaftes
Dienstvergehen anzusehen, wenn mehrere Mängel mit erheblichem Gewicht vorliegen,
die über das normale Versagen eines durchschnittlichen Beamten eindeutig
hinausgehen und sich als echte Schuld von bloßem Unvermögen abgrenzen lassen, d.
h. zumindest fahrlässig sind,
115
so BVerwG, Beschluss vom 9. November 2000 - 1 D 87.96 -
116
bzw. sogar auf vorsätzlichem Verhalten oder bewusster Gleichgültigkeit beruhen.
117
So OVG NRW, Beschluss vom 19. November 1998 - 12d A 1550/98.O - sowie VG
Münster, Urteil vom 2. Dezember 2002 - 13 K 3281/00.O -, jew. m. w. N.
118
Ob vorliegend die Voraussetzungen erfüllt sind, um die fehlerhafte Sachbearbeitung
durch den Beamten als Dienstvergehen zu qualifizieren, bedarf keiner abschließenden
Entscheidung. Auch wenn man die Mängel der Dienstleistung des Beamten als
Dienstvergehen bewertet, kommt die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nicht
mehr in Betracht. Nach den Gesamtumständen des Falles ist vielmehr die Einstellung
des Disziplinarverfahrens gemäß § 75 Abs. 3 i. V. m. § 63 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 DO NRW
wegen Ablaufs der Verfolgungsfrist (§ 4 Abs. 1 und 3 DO NRW) geboten.
119
Bei der Bemessung des Disziplinarmaßes ist zu Gunsten des Beamten zu
berücksichtigen, dass es sich bei der Sozialhilfeverwaltung um ein Massengeschäft
handelt, das eine Vielzahl von in Rechtsprechung und Literatur umstrittener und daher
für einen Sachbearbeiter oft nicht leicht lösbarer Rechtsfragen aufwirft, über die er häufig
unter großem Zeitdruck zu entscheiden hat. Der Beamte war dabei zum Teil alleiniger
Sachbearbeiter für die dem AsylbLG unterliegenden Fälle. Den Fall E2. hatte er - wie
oben bereits erwähnt - nur als Vertreter zu bearbeiten, obwohl er in der Regel nicht mit
der Bearbeitung von BSHG-Fällen befasst war. Jedenfalls hatte er in der Bearbeitung
von ohnehin eher selten anstehenden Anträgen auf Gewährung von
Existenzgründungsdarlehen keine Erfahrung. Mit der festgestellten
Darlehensgewährungspraxis hat er zwar eine Reihe von Fällen fehlerhaft bearbeitet.
Dem lag jedoch im Wesentlichen immer derselbe Fehler zu Grunde, nämlich die
Überzeugung, bei der Vergabe von Darlehen mit anschließender Einbehaltung des
Geldes nicht so strenge Prüfungsmaßstäbe anlegen zu müssen. Auch wenn der Beamte
hätte erkennen müssen, dass bei dieser Vorgehensweise ein Schaden der Gemeinde
120
ohne Weiteres hätte eintreten können, glaubte er offensichtlich, damit einen praktikablen
Weg gefunden zu haben, um einerseits seine Arbeit in diesem Massengeschäft zu
bewältigen und dabei andererseits ein befriedigendes Ergebnis herbeizuführen.
Ihm ist insofern außerdem zugute zu halten, dass er - abgesehen von den Leistungen an
S2. O. , K1. Q1. und S3. I4. - vielfach nur vereinzelt bzw. erst nach größerem Zeitabstand
Darlehen ausgezahlt hat. In diesen Fällen hat seine Vorgehensweise in der Regel nicht
zu Problemen geführt. Er konnte damit rechnen, dass die meisten Leistungsempfänger
auch künftig noch Leistungen über einen langen Zeitraum beziehen würden und somit
die Rückzahlung durch die Einbehaltung gewährleistet werden konnte. Der bei seiner
Vorgehensweise festgestellte Schaden ist - bezogen auf einen Zeitraum von 1999 bis
2003 - eher relativ gering geblieben. Zugunsten des Beamten ist zudem zu
berücksichtigen, dass er im Rahmen des Strafverfahrens einen Schadensausgleich an
die Gemeinde geleistet hat, der in etwa dem seinerzeit festgestellten Schaden
entsprach.
121
Das Strafverfahren ist auch deshalb für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme von
beachtlicher Bedeutung, als die dort ausgesprochene Einstellung nach § 153 a StPO
nach dem auch auf Altverfahren anwendbaren § 14 LDG NRW voraussichtlich zur
Einstellung des Disziplinarverfahrens geführt hätte, wäre nicht über die
Darlehensgewährungspraxis hinaus die mehrfache Überschreitung der
Vertretungsbefugnis bei Abschluss der Mietverträge angeschuldigt worden. Die
gesetzgeberische Wertung, nach der eine Doppelmaßregelung unzulässig ist, kann bei
der Maßnahmebemessung indes nicht unberücksichtigt bleiben, wenn es - wie hier -
wegen einer zusätzlichen Pflichtverletzung nicht zu einer Einstellung nach § 14 DO
NRW bzw. § 14 LDG NRW kommt. Der Abschluss der Mietverträge ohne
Vertretungsbefugnis ist nach Auffassung der Kammer bei der Gesamtwürdigung aber
eher von untergeordneter disziplinarrechtlicher Bedeutung und würde - für sich
genommen - allenfalls einen Verweis rechtfertigen. Insoweit ist auch zu berücksichtigen,
dass der Beamte nicht mit dem Eintritt eines Schadens zu Lasten der Gemeinde
rechnen musste, weil die Gemeinde an die Verträge - sofern sie nicht damit
einverstanden war - nicht gebunden war (§ 64 Abs. 4 GO NRW).
122
Für den Beamten spricht schließlich auch, dass er bis zu dem hier in Rede stehenden
Zeitraum über lange Jahre unbeanstandet seinen Dienst ausgeübt und gute dienstliche
Beurteilungen erhalten hat. Die Kammer ist davon überzeugt, dass sein Fehlverhalten
nicht als Ausdruck einer gleichgültigen Einstellung gegenüber seinen dienstlichen
Pflichten zu deuten ist. Vielmehr geht das Gericht davon aus, dass der Beamte beim
Einsatz seiner Arbeitskraft die Prioritäten insofern falsch gesetzt hat, als er sich im
Interesse der schnelleren Erledigung der vielen ihm zugewiesenen Aufgaben und
vielleicht auch im fehlerhaft bewerteten Interesse der Hilfeempfänger zu Lasten der
Rechtsgenauigkeit entschieden und daher die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften
vernachlässigt hat. Er hat in der Hauptverhandlung überzeugend den Eindruck
vermittelt, seine Fehler einzusehen und darauf bedacht zu sein, seine Arbeit
gewissenhaft zu erledigen.
123
Unter Berücksichtigung all dieser Umstände erscheint - auch wenn das Verhalten des
Beamten nach den vorstehenden Darlegungen als Dienstvergehen zu werten sein sollte
- eine Maßnahme unterhalb der Gehaltskürzung als schuldangemessene und
persönlichkeitsgerechte Ahndung des - unterstellten - Dienstvergehens. Da für ein
Dienstvergehen, das höchstens eine Geldbuße gerechtfertigt hätte, eine Verfolgung
124
nach Ablauf von mehr als zwei Jahren nicht mehr zulässig ist (§ 4 Abs. 1 DO NRW), war
das Verfahren einzustellen.
V.
125
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 113 Abs. 3, 115 Abs. 1 DO NRW.
126
127