Urteil des VG Münster vom 28.02.2006

VG Münster: beförderung, initiative, gerichtsakte, qualifikation, inhaber, gegenüberstellung, mitbewerber, vollstreckbarkeit, posten, bewährung

Verwaltungsgericht Münster, 4 K 1026/04
Datum:
28.02.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1026/04
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Dezember
2003 und des Widerspruchbescheids vom 1. März 2004 verpflichtet,
über die Bewerbung des Klägers um eine der drei
Wachabteilungsführer- /Lagedienstführerpositionen unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst
tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht zuvor der Kläger
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Der Kläger und die Beigeladenen stehen als Hauptbrandmeister (Besoldungsgruppe A
9 Bundesbesoldungsgesetz) in den Diensten des Beklagten.
2
Der Kläger wurde mit Regelbeurteilung vom 27. März 2001 für den Zeitraum von März
1998 bis zum 27. März 2001 im Amt eines Hauptbrandmeisters mit der Note 4 beurteilt,
wobei in drei Einzelmerkmalen die Note 5 vergeben wurde. Der Beigeladene zu 1.
wurde im Amt eines Brandmeisters mit Bedarfsbeurteilung vom 18. Juli 2000, welche
die Zeit vom 1. April 2000 bis zum 18. Juli 2000 erfasste, - auch in den Einzelmerkmalen
- mit der Note 4 beurteilt. Mit weiterer Bedarfsbeurteilung vom 4. Juni 2002 für den
Zeitraum vom 1. April 2000 bis zum 1. Juli 2002 wurde er im Amt eines
Oberbrandmeisters mit der Note 4 beurteilt; in den Einzelmerkmalen wurde drei Mal die
Note 5 vergeben.
3
Am 11. Juni 2003 schrieb der Beklagte amtsintern mehrere Stellen für die Besetzung
von Wachabteilungsführer-/Lagedienstführerpositionen in der Leitstelle des Kreises aus.
4
Die Bewerber sollten folgendes Profil erfüllen: laufbahnrechtliche Voraussetzungen,
Bereitschaft zur Übernahme umfangreicher Koordinierungsaufgaben, besondere
Belastbarkeit, Kooperations- und Konfliktfähigkeit sowie zeitliche Flexibilität,
Organisationsgeschick und Durchsetzungskraft. In der Ausschreibung wurde darauf
hingewiesen, dass aufgrund des Anforderungsprofils die Gewährung einer
ruhegehaltsfähigen Amtszulage möglich sei. Mit Schreiben vom 24. Juni 2003 bewarb
sich der Kläger - wie auch die Beigeladenen und vier weitere Beamte - auf die
ausgeschriebenen Positionen. Am 19. November 2003 führte der Beklagte ein
Auswahlgespräch mit den Bewerbern durch. Der Beigeladene zu 1. erzielte 10 von 14,
die Beigeladenen zu 2. und 3. jeweils 9 von 14 und der Kläger 8 von 14 Punkten.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift (Bl. I 45 ff., Beiakte Heft 1)
Bezug genommen. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2003 nahm das Dezernat I - Haupt-
und Personalamt - des Beklagten gegenüber dem Personalrat beim Kreis Warendorf
Stellung zum Personalauswahlverfahren. Es wurde darauf hingewiesen, dass gemäß
Art. 33 Abs. 2 Grundgesetz - GG - i. V. m. § 7 Landesbeamtengesetz für das Land
Nordrhein-Westfalen - LBG NRW - die Auslese der Bewerber nach Eignung,
Befähigung und fachlicher Leistung zu erfolgen habe. Bei allen Bewerbern liege die
Eignung vor. Zur Befähigung wurde darauf hingewiesen, dass ein Dienstposten dann
optimal besetzt sei, wenn das Befähigungsprofil des Bewerbers weitgehend mit dem
Anforderungsprofil des Dienstpostens übereinstimme. Alle acht Bewerber würden
grundsätzlich die Befähigung besitzen, sodass ihnen allen grundsätzlich prognostisch
das Leistungsvermögen zur Besetzung der Dienstposten zugesprochen werden könne.
Die Einschätzung der fachlichen Leistung sei primär auf der Grundlage aktueller
dienstlicher Beurteilungen zu vergleichen. Für alle Bewerber lägen aktuelle
Beurteilungen für die Regelbeurteilungsperiode bzw. anlassbezogene Beurteilungen
mit der Gesamtnote vier Punke vor. Der Stellungnahme war eine Übersicht der
Beurteilungsnoten beigefügt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird (Blatt 19 der
Gerichtsakte). Der Beigeladene zu 3. sei nach dieser Aufstellung der Bestbeurteilte und
nach dem Leistungsgesichtspunkt für die Besetzung einer Stelle vorzusehen. Für die
Besetzung der zwei weiteren Stellen kämen grundsätzlich der Kläger sowie die
Beigeladenen zu 1. und 2. sowie der Bewerber H. in Betracht. Nunmehr seien
Hilfskriterien heranzuziehen. Hier sei auf das Ergebnis des strukturierten Interviews vom
19. November 2003 abzustellen, wobei das festgelegte Ranking maßgeblich sei.
Mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass die
Auslese der Bewerber nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung zu erfolgen
habe, welche primär auf der Grundlage aktueller dienstlicher Beurteilungen zu
vergleichen seien. Als weiteres Hilfskriterium sei das Ergebnis des strukturierten
Vorstellungsgesprächs herangezogen worden. Unter Berücksichtigung dieser
Auswahlgrundsätze sei die Entscheidung nach dem Leistungsgesichtspunkt für die
Beigeladenen zu 1., 2. und 3. zu treffen gewesen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2004 wies der Landrat des Kreises Warendorf
den Widerspruch des Klägers vom 19. Dezember 2003 zurück. Den Beigeladenen
wurden die ausgeschriebenen Funktionsstellen kommissarisch übertragen; die
Amtszulage wird bislang nicht gewährt.
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Der Kläger hat am 31. März 2004 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, es hätten
Bedarfsbeurteilungen für alle Bewerber erstellt werden müssen, da der Unterschied von
nahezu drei Jahren zu groß sei, um hierauf eine Auswahlentscheidung stützen zu
können. ilHillf Der Kläger beantragt:
7
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 11. Dezember 2003 in Gestalt
des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2004 verpflichtet, über seine Bewerbung um
eine der drei Wachabteilungsführer-/Lagedienstführerpositionen unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
8
Der Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Der Beklagte ist der Ansicht, die Besetzung der drei Positionen sei rechtmäßig erfolgt.
Gemäß den Richtlinien über die dienstlichen Beurteilungen der Mitarbeiter der
Kreisverwaltung Warendorf vom 10. Juli 1991 werde auf eine Regelbeurteilung
grundsätzlich verzichtet, wenn die letzte Bedarfsbeurteilung nicht älter als ein Jahr sei.
Die Beurteilungen seien hinreichend aktuell gewesen. Der Beigeladene zu 1. habe sich
zum Zeitpunkt der Beurteilung zwar im Statusamt A 8 befunden, habe aber wie alle
anderen Bewerber auch Tätigkeiten ausgeübt, die einheitlich für die Leitstellenbeamten
mit dem Bewertungsergebnis nach der Besoldungsgruppe A 9 m. D. bewertet worden
seien. Es sei in diesem Fall also nicht auf das statusrechtliche, sondern auf das
funktionelle Amt abzustellen. Wäre allein auf das statusrechtliche Amt abgestellt
worden, hätte der Beigeladene zu 1. einwenden können, dass diese Vorgehensweise
weder mit dem Gleichheitsgrundsatz noch mit den beamtenrechtlichen
Fürsorgepflichten in Einklang zu bringen gewesen wäre. Dies gelte insbesondere vor
dem Hintergrund, dass alle Bewerber als Leitstellenbeamte dieselbe Tätigkeit ausüben.
Nehme man hinzu, dass dem Beigeladenen zu 1. von vornherein zugesagt worden sei,
zeitnah in die Besoldungsgruppe A 9 aufzusteigen, wäre es als bloße Förmelei
angesehen worden, wenn der Beklagte den Beigeladenen zu 1. allein im Hinblick auf
sein statusrechtliches „Durchgangsamt" unberücksichtigt gelassen hätte. Da sowohl die
Bedarfsbeurteilung des Beigeladenen zu 1. hinreichend aktuell als auch das
Beurteilungsergebnis mit 4 Punkten vergleichbar mit der Beurteilungsnote des Klägers
gewesen sei, habe der Beklagte in Absprache mit den zu beteiligenden Gremien
rechtmäßig nach pflichtgemäßem Ermessen entschieden, als weiteres Hilfskriterium das
strukturierte Auswahlgespräch durchzuführen und das Ergebnis in die
Auswahlentscheidung mit einfließen zu lassen. Selbst wenn der Regelbeurteilung des
Klägers allein aufgrund seines formal höheren Statusamtes größeres Gewicht
zukommen müsse, als der Bedarfsbeurteilung des Beigeladenen zu 1., müsse in den
Blick genommen werden, dass diese beiden Bewerber aus der Sicht des Beklagten
jedenfalls im Wesentlichen gleich geeignet gewesen seien, was aus der Tatsache
resultiere, dass sie unter Addition aller Punktewerte aus der Beurteilung jeweils 31
Punkte erreicht hätten, der Beigeladene zu 1. in einem maßgeblichen Punkt für das
Anforderungsprofil der ausgeschriebenen Funktion - Entschlusskraft - etwas besser als
der Kläger abgeschnitten habe, der Beigeladene zu 1. sich aber zum
Beurteilungszeitpunkt noch im Durchgangsstatusamt A 8 befunden habe. Insofern sei
unter Zugrundelegung von wesentlicher Eignungsgleichheit nach einem Hilfskriterium
zu entscheiden. Diesbezüglich sei zu Recht auf das Auswahlgespräch zurückgegriffen
worden.
11
Der Beklagte verweist ergänzend darauf, dass es sich bei der amtsinternen
Stellenausschreibung nicht um eine Beförderung im Rechtssinne handele. Vielmehr
gleiche die beabsichtigte Zuweisung der Funktion eines Wachabteilungs-
/Lagedienstführers einer Umsetzung, die als Ausfluss der Organisationshoheit des
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Dienstherrn zu verstehen sei und dem Dienstherrn weitgehendes Ermessen
dahingehend einräume, ob und in welcher Weise er seine Beamten einsetze und damit
auch umsetze. Interessenten für einen Dienstposten, auf den sie ohne
Statusveränderung eingesetzt oder versetzt werden wollten, hätten grundsätzlich keinen
Bewerbungsverfahrensanspruch gemäß Art. 33 Abs. 2 GG. Mit der Annahme der
zusätzlichen Funktion eines Wachabteilungs-/Lagedienstführers ändere sich die
Amtsbezeichnung nicht. Etwas anderes folge auch nicht aus dem Umstand, dass mit der
Zuweisung der Funktion ein höheres Endgrundgehalt verbunden sei. Hierzu zählten
zwar auch Amtszulagen im Sinne des § 42 BBesG. Mit Annahme der zusätzlichen
Funktion sei jedoch die Gewährung einer Amtszulage nicht zwingend verbunden. Allein
der Umstand, dass eine Amtszulage zukünftig möglich sei, gebe der Übertragung der
Funktion keinen beförderungsähnlichen Charakter. Es müsse daher zumindest
entsprechend auf die Rechtsgrundsätze einer Umsetzung rekurriert werden.
Diesbezüglich habe der Beklagte sein Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, den vom
Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang und die beigezogenen Personalakten des
Klägers und der Beigeladenen Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15
Die als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Var. Verwaltungsgerichtsordnung -
VwGO - zulässige Klage hat Erfolg. Die Ablehnung des Begehrens des Klägers ist
rechtswidrig und verletzt ihn in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger
hat Anspruch auf Neubescheidung seines Antrags (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
16
Ein Beamter hat nach geltendem Dienstrecht auch bei Erfüllung aller
laufbahnrechtlichen Voraussetzungen grundsätzlich keinen Rechtsanspruch auf
Übertragung eines Beförderungsamtes. Er kann vielmehr nur verlangen, in seinem
beruflichen Fortkommen nicht aus sachwidrigen Erwägungen des Dienstherrn
beeinträchtigt zu werden,
17
vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Juni 1986 - 2 C 41.84 -, DVBl. 1986, 1156 ff. m. w. N.; OVG
NRW, Urteil vom 5. Februar 1986 - 1 A 852/84 -, ZBR 1986, 276 -.
18
Die Entscheidung über eine Beförderung liegt nach Maßgabe des Personalbedarfs und
des Vorhandenseins freier besetzbarer Planstellen im pflichtgemäßen Ermessen des
Dienstherrn. Dieser hat sich bei seiner Ermessensausübung gemäß Art. 33 Abs. 2
Grundgesetz - GG - i. V. m. § 25 Abs. 6 Satz 1, § 7 Abs. 1 Landesbeamtengesetz NRW -
LBG NRW - am Leistungsgrundsatz zu orientieren und ein Beförderungsamt
demjenigen zu übertragen, der nach Bewertung von Eignung, Befähigung und
fachlicher Leistung für die Wahrnehmung der betreffenden Dienstaufgaben am besten
qualifiziert ist.
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist die im Auswahlverfahren getroffene Entscheidung
des Beklagten, dem Kläger nicht die Funktion eines Wachabteilungs-
/Lagedienstführers zu übertragen, rechtswidrig.
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Bei der vom Beklagten amtsintern ausgeschriebenen Funktionsstelle handelt es sich um
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eine Beförderungsstelle, die nach Maßgabe des Leistungsgrundsatzes zu vergeben ist.
Beförderung ist u. a. die Übertragung eines anderen Amtes mit höherem
Endgrundgehalt bei gleicher Amtsbezeichnung (§ 3 Abs. 3 Nr. 2 Laufbahnverordnung
NRW - LVO NRW -). Zum Endgrundgehalt zählt gemäß § 42 Abs. 2
Bundesbesoldungsgesetz - BBesG - auch die Amtszulage. Die Gewährung einer
Amtszulage ist für die ausgeschriebene Funktion nach Anlage IX zum BBesG (Amtl.
Anmerkung 3 zur Besoldungsgruppe A 9) möglich.
Die Tatsache, dass die Gewährung der Amtszulage nur „möglich" ist, aber im
Augenblick noch nicht erfolgt, steht dem nicht entgegen. Diesbezüglich verhält es sich
wie bei der Besetzung eines Beförderungsdienstpostens; hier ist ebenfalls nicht
hinreichend absehbar, wann und ob überhaupt - z. B. aus
Stellenbewirtschaftungsgründen - eine Beförderung erfolgt. Gleichwohl hat sich der
Dienstherr bei der Besetzung eines solchen Beförderungsdienstpostens am
Leistungsprinzip zu orientieren. In solchen Fällen ist die Auslese regelmäßig
vorverlagert auf die Auswahl unter den Bewerbern um „Beförderungsdienstposten".
22
Vgl. BVerwG, Urteil vom 16. August 2001 - 2 A 3/00 -, DÖD 2001, 279; OVG NRW,
Beschluss vom 24. Mai 2002 - 1 B 751/02 -, Juris.
23
Die Grundsätze der Bestenauslese waren damit bereits auf der Stufe der
Dienstpostenübertragung anzuwenden.
24
Die Besetzung der ausgeschriebenen Funktionsstelle hat sich - unabhängig von den
vorigen Überlegungen und unter der vom Beklagten vertretenen Annahme, es handele
sich lediglich um eine Umsetzung - auch deshalb am Leistungsprinzip zu orientieren,
weil der Beklagte sein dann dementsprechend bestehendes Organisationsermessen
dahingehend ausgeübt hat, den bestgeeigneten Bewerber auszuwählen. Denn aus der
Organisationsfreiheit des Dienstherrn folgt zwar sein Recht, zwischen Umsetzung,
Versetzung und Beförderung zu wählen. Die Ausübung dieses Rechts steht allerdings
in seinem pflichtgemäßen Ermessen,
25
vgl. BVerwG, Urteil vom 25. November 2004 - 2 C 17/03 -, BVerwGE 122, 237 ff. m. w.
N.
26
Dem korrespondiert ein entsprechender Anspruch des Klägers, dass über seinen Antrag
frei von Ermessensfehlern entschieden wird. Bereits der Text der Ausschreibung lässt
erkennen, dass der Bewerber ein bestimmtes Anforderungsprofil erfüllen musste. Die
dort aufgeführten Kriterien wie Belastbarkeit, Kooperations- und Konfliktfähigkeit,
Organisationsgeschick und Durchsetzungskraft sind leistungs- und eignungsbezogene
Kriterien. Dass der Beklagte eine Auswahl an Hand dieser Maßstäbe vornehmen wollte,
wird auch an dem internen Schreiben des Haupt- und Personalamts des Beklagten an
den Personalrat, das ausdrücklich auf Eignung, Leistung und Befähigung abstellt, sowie
an dem Ablehnungsschreiben gegenüber dem Kläger vom 11. Dezember 2003 und dem
entsprechenden Widerspruchsbescheid des Landrats des Kreises Warendorf vom 1.
März 2004 deutlich. Wenn sich der Beklagte selbst aber im Rahmen einer
Umsetzungsentscheidung durch Wahl und Ausgestaltung des Verfahrens zur
Besetzung von vakanten Stellen verbindlich darauf festgelegt hat, den
Leistungsgrundsatz nach Art. 33 Abs. 2 GG zu beachten, muss er sich auch gegenüber
dem Kläger als Bewerber daran festhalten lassen. Ein unter den Bedingungen des Art.
33 Abs. 2 GG in Gang gesetztes Auswahlverfahren darf nachträglichen
27
Einschränkungen nur aus Gründen unterworfen werden, die den Anforderungen des Art.
33 Abs. 2 GG gerecht werden.
BVerwG, Urteil vom 25. November 2004 - 2 C 17.03 -, NVwZ 2005, 702 (703).
28
Die Entscheidung über den Antrag des Klägers weist jedoch Rechtsfehler auf. Für eine
am Bestenausleseprinzip orientierte Auswahlentscheidung sind grundsätzlich die
letzten dienstlichen Beurteilungen der Konkurrenten ausschlaggebend. Zeitnahe und
aussagekräftige dienstliche Beurteilungen sollen verlässlich Auskunft geben über die
maßgeblichen Beförderungskriterien Befähigung, fachliche Leistung und Eignung.
Dabei bedarf es grundsätzlich nicht der Erstellung von Bedarfsbeurteilungen, wenn die
in die Auswahlentscheidung einzubeziehenden Bewerber in der letzten, an einen
datumsmäßig fixen Stichtag anknüpfenden Beurteilungsperiode regelbeurteilt worden
sind und die letzte Regelbeurteilung im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung jedenfalls
nicht mehr als drei Jahre zurückliegt.
29
Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 19. September 2001 - 1 B 704/01 -.
30
So verhält es sich im vorliegenden Fall allerdings nicht, da bereits der Beigeladene zu
1., aber auch die Mitbewerber H. und U. (vgl. Klageerwiderungsschriftsatz des
Beklagten vom 19. Mai 2004, S. 3) nicht in der letzten, an einen Stichtag anknüpfenden
Beurteilungsperiode regelbeurteilt worden sind.
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Hinzu kommt Folgendes: Der dienstlichen Beurteilung des Inhabers eines
höherwertigen Amtes kommt gegenüber der gleichlautenden dienstlichen Beurteilung
eines Mitbewerbers im Allgemeinen ein größeres Gewicht zu,
32
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2004 - 6 B 1212/04 - m. w. N.; Beschluss vom
21. Dezember 2004 - 6 B 2587/04 -, Juris.
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Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass der Maßstab für die dienstlichen
Anforderungen im Blick auf das innegehaltene Amt im statusrechtlichen Sinne zu
bestimmen ist. Die Leistungsbeurteilung darf sich daher nicht darin erschöpfen, die
Frage zu beantworten, wie der Beamte die Aufgaben seines konkreten Dienstpostens
erfüllt hat. Mit diesen rechtlichen Vorgaben steht die Auffassung nicht im Einklang, der
Umstand, dass der Kläger im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt - wobei offen bleiben
kann, ob auf den 18. Juli 2000 oder auf den 4. Juni 2002 abzustellen ist - als
Hauptbrandmeister (BesGr. A 9) ein höheres Statusamt als der Beigeladene zu 1.
(BesGr. A 7 bzw. A 8) innegehabt hat, sei für den Qualifikationsvergleich ohne Belang,
weil die Beurteilten in dem einschlägigen Zeitraum im selben Arbeitsgebiet tätig
gewesen seien. Eine solche auf das funktionelle Amt abstellende Sicht lässt rechtsirrig
außer Acht, dass die Maßstäbe, die bei der Beurteilung des Inhabers des höheren
statusrechtlichen Amtes zugrunde gelegt werden, andere - nämlich strengere - sind als
die, die hinsichtlich des in dem niedrigeren Amt befindlichen Beamten zur Anwendung
kommen. Die Leistungen des Beamten werden grundsätzlich jeweils mit denen der im
selben statutsrechtlichen Amt befindlichen Beamten verglichen.
34
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 21. Dezember 2004 - 6 B 2587/04 -, Juris.
35
Dies wurde bei der Auswahlentscheidung durch den Beklagten nicht berücksichtigt. Der
Beklagte ist sich bei der Gegenüberstellung der Qualifikation der Bewerber im Rahmen
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des Auswahlverfahrens dieser Differenzierung offensichtlich nicht bewusst gewesen.
Auch daraus, dass der Grundsatz, bei gleichlautender Beurteilung komme dem Inhaber
eines höherwertigen Amtes ein Qualifikationsvorsprung zu, nicht ausnahmslos gilt,
vielmehr im Einzelfall ein Ausgleich durch die besondere Eignung des Mitbewerbers -
hier des Beigeladenen zu 1. - für das angestrebte Amt möglich ist,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29. Juli 2004 - 6 B 1212/04 - m. w. N.,
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ergibt sich vorliegend nichts zugunsten der Rechtsansicht des Beklagten. Denn
derartige Gegebenheiten sind im Rahmen des Auswahlverfahrens gerade nicht geltend
gemacht worden; vielmehr ist - worauf auch immer wieder, wenn auch rechtsirrig
hingewiesen worden ist - von einem Eignungsgleichstand ausgegangen worden. Diese
Erwägung ist auch nicht durch den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten des
Beklagten vom 21. Februar 2006 (dort S. 5) nachgeholt worden. Denn der Beklagte hat
im Auswahlvorgang die gleiche Eignung des Klägers und des Beigeladenen zu 1. nur
unter der irrigen Vorstellung angenommen, ihre Beurteilungen seien, obwohl sich der
Kläger im höheren statusrechtlichen Amt befunden hat, unmittelbar miteinander
vergleichbar. Dass der Beigeladene zu 1. im für den ausgeschriebenen Posten
wesentlichen Merkmal „Entschlusskraft" besser als der Kläger beurteilt worden ist, fällt
angesichts der Tatsache, dass der Kläger dafür im Merkmal „Initiative" besser beurteilt
worden ist, nicht ins Gewicht. Auch das Merkmal „Initiative" wurde ausweislich der
Stellungnahme des Haupt- und Personalamts des Beklagten vom 1. Dezember 2003 als
entscheidendes Kriterium für die Dienstpostenübertragung angesehen.
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Daneben erweist sich der zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen zu 1.
vorgenommene Qualifikationsvergleich - einen Qualifikationsgleichstand nach den
aktuellen dienstlichen Beurteilungen als gegeben unterstellt - auch deshalb als
fehlerhaft, weil der Beklagte dabei die älteren dienstlichen Beurteilungen der
Konkurrenten nicht in den Blick genommen hat. Zwar sind für Auswahlentscheidungen
in erster Linie aktuelle dienstliche Beurteilungen maßgebend, die den gegenwärtigen
Leistungsstand wiedergeben. Ältere dienstliche Beurteilungen können daneben als
zusätzliche Erkenntnismittel berücksichtigt werden. Sie stellen keine Hilfskriterien für die
Auswahlentscheidung dar. Es handelt sich vielmehr um Erkenntnisse, die über Eignung,
Befähigung und fachliche Leistung des Beurteilten Aufschluss geben und die deswegen
gegenüber Hilfskriterien vorrangig heranzuziehen sind. Zwar verhalten sie sich nicht
zum aktuell erreichten Leistungsstand im gegenwärtigen statusrechtlichen Amt.
Gleichwohl können sie Rückschlüsse und Prognosen über die zukünftige Bewährung in
einem Beförderungsamt ermöglichen. Sie können im Rahmen einer Gesamtwürdigung
der vorhandenen dienstlichen Beurteilungen positive oder negative
Entwicklungstendenzen aufzeigen. Das gilt auch für in früheren Beurteilungen
enthaltene Einzelaussagen über Charaktereigenschaften, Kenntnisse, Fähigkeiten,
Verwendungen und Leistungen. Die zusätzliche Berücksichtigung vorangegangener
dienstlicher Beurteilungen bei der Auswahl ist deswegen mit Blick auf Art. 33 Abs. 2 GG
geboten, wenn eine Stichentscheidung unter mehreren aktuell im Wesentlichen gleich
beurteilten Beamten zu treffen ist.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Dezember 2002 - 2 C 31.01 -, DÖD 2003, 200; Urteil vom
27. Februar 2003 - 2 C 16.02 -, DÖD 2003, 202; OVG NRW, Beschluss vom 17.
Dezeber 2003 - 6 B 2172/03 -; Beschluss vom 21. Februar 2005 - 6 B 1946/04 -.
41
Zwar muss bei einer Auswahlentscheidung nicht immer ein chronologisch rückwärts
gerichteter Vergleich älterer dienstlicher Beurteilungen zwingend den Ausschlag geben.
Dem Dienstherrn ist vielmehr bei der Auswertung früherer Beurteilungen ein
Entscheidungsspielraum zuzugestehen, innerhalb dessen er sich schlüssig zu werden
hat, ob und inwieweit aus den früheren Beurteilungen Erkenntnisse für den
Qualifikationsvergleich gewonnen werden können. Dem korrespondiert angesichts des
Verfassungsprinzips effektiver Rechtsschutzgewährung (Art. 19 Abs. 4 GG)
notwendigerweise eine - u. U. erhöhte - Begründungs- und Substantiierungspflicht des
Dienstherrn, wenn er früheren Beurteilungen für den Qualifikationsvergleich keine
Bedeutung beimessen will. Andernfalls liefe die gerichtliche Kontrolle, die angesichts
des Entscheidungsspielraums des Dienstherrn zwangsläufig nur in eingeschränktem
Umfang stattfinden kann, praktisch ins Leere. Die dem Dienstherrn obliegende
Begründung und Substantiierung seiner Entscheidung muss insbesondere die Prüfung
ermöglichen, ob er seinen Entscheidungsspielraum erkannt und ausgeübt, dabei die
Grundsätze der Bestenauslese und Willkürfreiheit beachtet und auch sonst den
rechtlichen Rahmen einschließlich der dabei bedeutsamen Begrifflichkeiten eingehalten
hat. Hierzu gehört insbesondere die Erkenntnis, dass auf Hilfskriterien nur dann
abgestellt werden kann, wenn der gebotene Qualifikationsvergleich zu keinem die
Auswahlentscheidung präjudizierenden Ergebnis geführt hat.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 17. Dezember 2003 - 6 B 2172/03 -.
43
Vorliegend hat der Beklagte keine tragfähige Begründung dafür geboten, warum er den
früheren Beurteilungen des Klägers und insbesondere des Beigeladenen zu 1. keine
Beachtung geschenkt hat. Eine derartige Begründung war aber erforderlich, denn die
Auswertung von deren Vorbeurteilungen drängte sich jedenfalls insoweit auf, als der
Kläger mit Regelbeurteilung vom 27. März 2001 für den Zeitraum von März 1998 bis
zum 27. März 2001 im Amt eines Hauptbrandmeisters mit der Note 4 beurteilt worden ist,
wobei in drei Einzelmerkmalen die Note 5 vergeben worden ist. Über einen Teil
desselben Beurteilungszeitraums verhält sich auch die Bedarfsbeurteilung des
Beigeladenen zu 1. im Amt eines Brandmeisters vom 18. Juli 2000, welche die Zeit vom
1. April 2000 bis zum 18. Juli 2000 erfasst; hier wird ausnahmslos lediglich die Note 4
vergeben. Bereits die Vorbeurteilung des Klägers im Amt eines Oberbrandmeisters vom
19. Juni 1997 fiel mit zweimal 5 Punkten in den Einzelmerkmalen besser aus. Dass der
Kläger damit offensichtlich bereits über einen längeren Zeitraum besser beurteilte
Leistungen erbracht hat als der Beigeladene zu 1., der sich zudem in demselben
Zeitraum zum Teil in niedrigeren statusrechtlichen Ämtern befunden hat, durfte vom
Beklagten nicht ohne tragfähige Begründung außer Acht gelassen werden.
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Auf die Frage der korrekten Durchführung des Auswahlgesprächs als Hilfskriterium für
die Auswahlentscheidung kommt es nach dem oben Gesagten nicht mehr an.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, Abs. 3 VwGO, die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2
VwGO.
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