Urteil des VG Münster vom 21.07.2003

VG Münster: schule, eltern, islam, erlass, wahrscheinlichkeit, unterrichtung, vorverfahren, versicherung, religionsgemeinschaft, verwaltungsgerichtsbarkeit

Verwaltungsgericht Münster, 1 L 1108/03
Datum:
21.07.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 1108/03
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.000 EUR festgesetzt.
G r ü n d e
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I. Das Rubrum hat die Kammer im Hinblick auf die Entscheidungszuständigkeit des
Antragsgegners nach § 5 Abs. 2 ASchO von Amts wegen berichtigt.
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II. Der Antrag der Antragsteller,
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihre Tochter
T. L. vorläufig mit Beginn des Schuljahres 2003/2004 bis zur rechtskräftigen
Entscheidung in der Hauptsache in die 5. Klasse der G.schule Ahaus aufzunehmen,
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hat keinen Erfolg.
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1. Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung steht schon entgegen, dass nicht die
Schülerin, sondern ihre anwaltlich vertretenen Eltern - auch nach der
Eingangsbestätigung des Gerichts vom 26. Juni 2003 zum Verfahren 1 K 1911/03 - als
Antragsteller des Rechtsschutzverfahrens auftreten (§ 82 VwGO), sie aber im Hinblick
auf subjektive (Eltern-)Rechte keine Tatsachen zu einem Anordnungsgrund darlegen.
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2. Ungeachtet dessen haben die Antragsteller auch keinen Anordnungsanspruch im
Sinne von § 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht.
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Einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, die - wie hier -
durch vorläufige Befriedigung des erhobenen Anspruchs die Entscheidung in einem
Hauptsacheverfahren - auch nur zeitweilig - vorwegnehmen, setzen unter anderem
voraus, dass ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für den Erfolg im
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Hauptsacheverfahren spricht. Dies gilt für das vorliegende Verfahren umso mehr, wenn
das minderjährige Kind im Falle des Erlasses einer einstweiligen Anordnung, ohne
dass der beschriebene Grad der Wahrscheinlichkeit erreicht wäre, und einer - dann
möglichen - Abweisung der Klage die G.Schule verlassen und auf eine andere Schule
wechseln müsste. Auf der Grundlage der Darlegungen der Antragsteller dürfte dies nach
ihrer Auffassung für das Kind sogar unzumutbar sein.
Es ist bei summarischer Prüfung jedenfalls nicht mit dem notwendigen hohen Grad
wahrscheinlich, dass die Tochter der Antragsteller einen Anspruch auf Aufnahme in die
G.schule hat.
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a) Ob für den Antragsgegner schon aus einem vom Schulträger für die
Bekenntnisschule festgelegten allgemeinen Rahmen eine dem Antragsbegehren
entgegenstehende Pflicht besteht (§§ 20 Abs. 4 S. 2 SchVG, 5 Abs. 2 S. 1 ASchO), mag
offen bleiben.
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b) Gleichfalls mag hier dahingestellt bleiben, ob Rechte der Antragsteller bzw. ihrer
Tochter durch kollidierende Grundrechte anderer Schülerinnen und Schüler der
G.Schule bzw. deren Eltern begrenzt werden, wenn gleichzeitig der Besuch einer
anderen (Haupt-)Schule möglich ist.
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vgl. dazu z. B. BVerfG, Beschluss vom 17. Dezember 1975 - 1 BvR 63/68 -, BVerfGE 41
S. 29, 50 ff.
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c) Jedenfalls ist das Kriterium der Religionszugehörigkeit bei der Schulaufnahme ohne
weiteres berücksichtigungsfähig, da es sich bei der G.Schule um eine katholische
Bekenntnisschule handelt (vgl. Art. 12 Abs. 6 S. 2 der Landesverfassung, §§ 20, 18 Abs.
2 SchOG) und die Kammer nicht feststellen kann, dass keine andere öffentliche
Hauptschule vorhanden ist (Art. 13 der Landesverfassung). Eine unterschiedliche
Behandlung von Religionsgemeinschaften ist damit nicht verbunden. Die Schaffung von
Gemeinschaftsschulen, aber auch von Bekenntnisschulen anderer als christlicher
Religionsgemeinschaften ist in Art. 12 Abs. 6 S. 2 der Landesverfassung ausdrücklich
zugelassen. Ein Verfahren nach § 1 Abs. 4 der Vierten Verordnung zur Ausführung des
Ersten Gesetzes zur Ordnung im Schulwesen NRW (4. AVOzSchOG) ist bisher nicht mit
dem Ergebnis abgeschlossen, dass die G.schule in eine andere Schulart umgewandelt
wird.
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Dass die Tochter die damit erforderlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in die
katholische Bekenntnisschule erfüllt, ist nicht ohne weiteres festzustellen. Es ist nicht
offensichtlich, dass das Kind nach den Grundsätzen des katholischen Bekenntnisses
unterrichtet werden soll.
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Wenn die Antragsteller im Vorverfahren haben vortragen lassen, dass allein ihre
Erklärung vom 04. März 2003 maßgebend sei, trifft dies nicht zu. Wegen der
Zustimmung zum Inhalt des Unterrichts kommt es zwar maßgeblich auf den Willen der
Antragsteller an. Der Bestand einer Erklärung allein muss jedoch nicht ausreichend
sein. Die streitige Frage betrifft keine Formvoraussetzung, sondern die inhaltliche Frage
nach der Zustimmung der Antragsteller zu einer Unterrichtung ihrer Tochter nach den
Grundsätzen eines bestimmten Bekenntnisses.
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Der Erklärung der Antragsteller vom 04. März 2003, dass ihre Tochter im Sinne des
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katholischen Bekenntnisses unterrichtet werden solle, ist (jedenfalls) nicht mit dem
notwendigen Grad der Überzeugung zu entnehmen, dass die Antragsteller einen
solchen Willen haben. Gleiches gilt für die im Rechtsschutzverfahren vorgelegte
eidesstattliche Versicherung. In einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren auf Erlass
einer einstweiligen Anordnung können bestehende Zweifel an dem Bestand von
Tatsachen nicht aufgelöst werden. Soweit eine Beweisaufnahme notwendig sein sollte,
ist sie dem Hauptsacheverfahren vorbehalten.
Zweifel an der Tatsache, dass die Antragsteller eine Erziehung ihrer Tochter nach den
Grundsätzen des katholischen Bekenntnisses wünschen, folgen aus dem Umstand,
dass der Inhalt der Erklärung dem sonstigen Verhalten der Antragsteller widerspricht.
Die Antragsteller und ihre Tochter gehören der muslimischen Religionsgemeinschaft an.
Die Antragsteller erziehen ihre Tochter daher nach den Lehren des Islam. Es liegt die
Annahme nahe, dass die Erziehung eines Kindes muslimischen Glaubens nach den
Grundsätzen des katholischen Bekenntnisses Lehren des Islam widerspricht.
Entgegenstehendes haben die Antragsteller nicht dargelegt. Die Kammer verkennt nicht
die Möglichkeit, dass sich ein Religionsanhänger - selbst auch nur aus praktischen
Gründen - gegen die Lehrmeinungen seiner Religion entscheidet. Sie vermag aber zu
Lasten der Antragsteller nicht mit dem notwendigen Überzeugungsgrad ohne weiteres
die Feststellung treffen, dass sie ihren religiösen Glaubensüberzeugungen nicht nahe
stehen.
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III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung
folgt aus §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und orientiert sich in ihren Höhe an den Vorgaben
des Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 1996
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vgl. Abschnitt I, Ziffer 7, II, Ziffer 37.4, NVwZ 1996 S. 563 = AnwBl. 1996 S. 393; auch
abgedruckt in Hartmann, Kostengesetze, zu § 13 GKG
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