Urteil des VG Münster vom 28.07.2004

VG Münster (hund, kläger, landwirtschaftlicher betrieb, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, halten, hundesteuer, 1995, teil, umstände, begründung)

Verwaltungsgericht Münster, 9 K 321/02
Datum:
28.07.2004
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 321/02
Tenor:
Der Abgabenbescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2001 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2002 werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig
vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger ist Landwirt und betreibt eine Bullen-, Kälber- und Geflügelmast. Er ist Halter
eines Hundes der Rasse „Großer Münsterländer". Mit Abgabenbescheid vom 26.
Oktober 2001 setzte der Beklagte die Hundesteuer für das Jahr 2001 auf 27,00 DM fest.
Den Widerspruch des Klägers vom 19. November 2001 wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 14. Januar 2002 mit der Begründung zurück, eine Befreiung
von der Hundesteuer sei nur möglich, wenn das Halten des Hundes Erwerbszwecken
diene. Dieser Nachweis sei vom Kläger nicht erbracht worden. Der Hund bewache zwar
in einem gewissen Umfang die landwirtschaftlichen Einrichtungen, die Hundehaltung
gehöre aber nicht untrennbar zur Erwerbstätigkeit. Eine Steuerbefreiung bei Landwirten
sei nur in den Fällen möglich, wenn der Hund überwiegend zu gewerblichen Zwecken
gehalten werde und der Einkommenserzielung diene. Zu berücksichtigen sei im Fall
des Klägers, dass der Hund seinem persönlichen Schutz und dem seiner Familie sowie
seines Privatvermögens diene. Es gebe somit neben den gewerblichen auch starke
private Gesichtspunkte der Hundehaltung. Die gewerblichen Gesichtspunkte würden
dadurch hinreichend berücksichtigt, dass die Hundesteuersatzung der Stadt Borken für
Hunde, die zur Bewachung eines landwirtschaftlichen Anwesens erforderlich seien,
eine Ermäßigung von 75 % vorsehe. Diese sei dem Kläger gewährt worden.
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Am 06. Februar 2002 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Ansicht, die Befreiung von
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der Hundesteuer hätte gewährt werden müssen, da er den Hund für seine gewerbliche
Tätigkeit halte. Sein Hund diene als Wachhund, um möglicherweise erhebliche
Schäden zu verhindern. Es handele sich nicht um ein Luxustier, sondern um einen
notwendigen Betriebsbestandteil.
Der Kläger beantragt,
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den Bescheid der Stadt Borken vom 26. Oktober 2001 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 14. Januar 2002 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vertiefend vor, dass nicht ersichtlich sei, dass der Erwerbszweck ohne die
Hundehaltung wesentlich erschwert oder gar unmöglich gemacht werde. Eine
gewerbliche Hundehaltung sei nur anzuerkennen, wenn diese ausschließlich zu
gewerblichen Zwecken erfolge. Da der Kläger auf seinem landwirtschaftlichen Hof
wohne, diene der Hund auch dem Schutz des Klägers und seinen
Familienangehörigen.
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Das Gericht hat am 28. Juli 2004 einen Erörterungstermin auf dem Anwesen des
Klägers durchgeführt.
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Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte sowie auf
den vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Das Gericht entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche
Verhandlung (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Die als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 1. Variante VwGO zulässige Klage ist
begründet. Der Abgabenbescheid des Beklagten vom 26. Oktober 2001 ist rechtswidrig
und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für das Jahr
2001 durfte keine Hundesteuer festgesetzt werden.
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Die Voraussetzungen für eine Steuererhebung liegen nicht vor, da das Halten des
Hundes durch den Kläger durch betriebliche Belange veranlasst ist und damit der
Einnahmeerzielung dient. Der Anwendungsbereich der Hundesteuersatzung der Stadt
Borken erstreckt sich auf einen solchen Fall nicht. Die Hundesteuer ist eine örtliche
Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a Grundgesetz - GG -. Mit der
Aufwandsteuer wird die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erfasst, die sich in der
Verwendung von Einkommen für den persönlichen Lebensbedarf äußert.
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- vgl. BVerwG, Urteil vom 27. September 2000 - 11 C 4/00 -, NVwZ 2001, 439; Urteil
vom 12. April 2000 - 11 C 12/99 -, NVwZ 2001, 440, 441 -
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Ist demnach maßgeblich auf die Einkommensverwendung zum persönlichen
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Lebensbedarf abzustellen, ist der Aufwandsbesteuerung nicht die Verwendung von
Einkommen zugänglich, das nicht Ausdruck der in ihr für den persönlichen
Lebensbedarf sichtbaren Leistungsfähigkeit ist.
- vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2001 - 9 C 1/01 -, NVwZ 2002, 728; VGH
Baden-Württemberg, Urteil vom 16. Dezember 2002 - 2 S 2113/00 -; OVG Nordrhein-
Westfalen, Urteil vom 28. März 1996 - 22 A 5055/95 - und Urteil vom 23. Januar 1997 -
22 A 2455/96 -, NVwZ 1999, 318, 319; a. A. HessVGH, Urteil vom 25. Juni 2003 - 5 UE
1174/01 -, KStZ 2003, 218 f. -
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Der Hund des Klägers wird zu erwerbswirtschaftlichen Zwecken und damit zur
Einnahmeerzielung genutzt; dies ist zwischen den Beteiligten dem Grunde nach nicht
streitig. Auch der Beklagte stellt weder die objektive Eignung der Hundehaltung zu
erwerbswirtschaftlichen Zwecken im Rahmen der vom Kläger betriebenen
Landwirtschaft noch die Tatsache, dass das Halten des Hundes auch tatsächlich im
Rahmen der Landwirtschaft des Klägers erfolgt, in Frage.
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Streitig ist allein, ob das Halten des Hundes „ausschließlich" der Erzielung von
Einnahmen dienen muss oder ob Aspekte der Eigennutzung mit einfließen dürfen.
Hinsichtlich der insoweit anzulegenden Maßstäbe nimmt das Gericht auf die
Begründung in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 16.
Dezember 2002 - 2 S 2113/00 - Bezug:
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„...So wird die Möglichkeit der „Eigennutzung", auch wenn sie objektiv gegeben ist, nicht
von vornherein die ausschließliche Einnahmeerzielung ausschließen (so zur „reinen
Kapitalanlage" bei der Zweitwohnungsteuer BVerwG, Urteile vom 10.10.1995, DVBl.
1996, 374 = BVerwGE 99, 303; Urteil vom 6.12.1996, NVwZ 1998, 178; Urteil vom
30.6.1999, BVerwGE 109, 188 und Urteil vom 26.9.2001, aaO; ferner das Urteil des
Senats vom 23.4.1998, VBlBW 1998, 474). Auch wird im Rahmen der
„Ausschließlichkeit" der Einnahmeerzielung zu berücksichtigen sein, ob durch den
Steuergegen-stand erhebliche Einnahmen erzielt werden (dazu BVerwG, Urteil vom
10.10.1995, aaO; ferner das Urteil des Senats vom 14.1.1999 - 2 S 303/98 - n.v.).
Auszugehen ist dabei davon, dass eine Vermutung dafür spricht, der Steuertatbestand
sei erfüllt. Der Betroffene darf indes Umstände vortragen, die diese Vermutung
erschüttern (BVerwG, Urteile vom 10.10.1995, vom 6.12.1996, vom 30.6.1999 und vom
26.9.2001, jeweils aaO; BVerfG, Beschluss vom 29.6.1995, NVwZ 1996, 57). Dabei
kommt es auf objektive Umstände an, die zur Begründung, die Vermutung sei widerlegt,
anzuführen sind (BVerwG, Urteile vom 10.10.1995, 6.12.1996, 30.6.1999 und 26.9.2001,
jeweils aaO.; ebenso das Urteil des Senats vom 14.1.1999 - 2 S 303/98 - n.v.). Bleiben
solche Umstände „unaufklärbar", dann treffen die Folgen dieser „Beweislosigkeit" den
Steuerpflichtigen (dazu der Senat im Urteil vom 5.4.1998 - 2 S 2874/87 -; vgl. auch Urteil
vom 27.4.1993, VBlBW 1993, 436). Diese allein mit Blick auf den Einzelfall
einzubeziehenden Gesichtspunkte gelten auch für die in Rede stehende
Aufwandbesteuerung im Falle der Hundehaltung.
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Dementsprechend sind - ausgehend von der genannten Vermutungsregel - sämtliche
Umstände zu berücksichtigen, mithin auch persönliche, soweit sie sich als objektivierbar
erweisen, etwa weil sie sich in einer äußerlich feststellbaren Art und Weise der
Hundehaltung zeigen. So kann etwa durchaus für die Zuordnung zum persönlichen
Lebensbereich - und damit die ausschließliche Einnahmeerzielung ausschließend - von
Bedeutung sein, dass ein Hund im Wohnhaus gehalten wird, für die Kinder einer
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Familie angeschafft worden ist oder ersichtlich anderen Zwecken dient, wie etwa der
Jagd oder der Begleitung zum Personenschutz. Eine demnach festzustellende „private"
Nutzung ist aber bei der Frage, ob es um eine Hundehaltung „ausschließlich zur
Erzielung von Einnahmen" geht, jedenfalls dann nicht zu Lasten des Betroffenen als
ausschlaggebend zu behandeln, wenn die Möglichkeit der privaten Nutzung von völlig
untergeordneter Bedeutung gegenüber einem ganz überwiegenden betrieblichen
Zweck ist (vgl. dazu BFH, Urteil vom 10.9.1990, BFH/NV 1991, 234). Von einer solchen
lediglich völlig am Rande liegenden Bedeutung kann etwa ausgegangen werden bei
dem für die Betreuung des Hundes unabdingbaren Aufwand."
Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht an. Unter Zugrundelegung
dieser Maßstäbe dient die Hundehaltung des Klägers nahezu vollständig der
Einnahmeerzielung. Sein Vorbringen, er halte einen Großen Münsterländer zur
Bewachung seines Hofs zum Teil in einem Zwinger, zum Teil freilaufend, ist vom
Beklagten nicht in Zweifel gezogen worden. Auch der vom Gericht durchgeführte
Erörterungstermin vor Ort hat den klägerischen Vortrag bestätigt. Anhaltspunkte dafür,
dass der Kläger oder seine Familienangehörigen den Hund zu anderen,
außerbetrieblich veranlassten Zwecken nutzen, sind nicht erkennbar und werden vom
Beklagten auch nicht substantiiert geltend gemacht. Auch aus sonstigen tatsächlichen
Umständen lässt sich im vorliegenden Falle nichts für die Annahme herleiten, der
Kläger halte den Hund vornehmlich oder zumindest zu einem weit überwiegenden Teil
zum persönlichen Schutz. Derartiges folgt nicht schon daraus, dass sich die von der
Hundehaltung ausgehende Schutzwirkung auf das lediglich durch den Betrieb bedingte
und nur im Hinblick hierauf gemäß § 35 BauGB baurechtlich zulässige Wohnen im
Betriebsbereich erstreckt. Dem Landwirt kann steuerrechtlich nicht zum Vorwurf
gemacht werden, dass er auf seinem landwirtschaftlichen Anwesen wohnt.
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Nichts anderes gilt im Hinblick darauf, dass ein landwirtschaftlicher Betrieb nicht bereits
von sich aus auf Hundehaltung angewiesen ist. Nur Indiz, nicht aber maßgebliches
Entscheidungskriterium kann es bei der Abgrenzung einer hundesteuerpflichtigen
Hundehaltung zu privaten Zwecken von einer nicht der Hundesteuerpflicht
unterfallenden Hundehaltung aus gewerblichen Gründen sein, darauf abzustellen, ob
der Betrieb, hinsichtlich dessen die gewerbliche Hundehaltung geltend gemacht wird,
auch ohne die Haltung eines Hundes geführt werden kann oder nicht. Entscheidend ist
nur, ob der Hund zu betrieblichen Zwecken gehalten wird. Denn die umfangreiche
Tierhaltung außerhalb des im Zusammenhang bebauten Ortsteils lässt die
Entscheidung, zu ihrem Schutz und damit betriebsbedingt einen Hund zu halten, ohne
weiteres nachvollziehbar erscheinen. Es ist von - hier nicht vorliegenden - Fällen
offensichtlicher Ungeeignetheit abgesehen nicht die Aufgabe des Gerichts, die
betriebswirtschaftlich begründete, nachvollziehbare Entscheidung des Klägers, zur
Bewachung der Stallungen und Lagerhallen einen Hund zu halten, zu kontrollieren. Die
Frage, ob eine Bewachung des landwirtschaftlichen Anwesens auch mit anderen Mitteln
(Alarmanlagen u. ä.) möglich wäre, stellt sich mithin erst gar nicht. Die Entscheidung
über die Art und Weise der Bewirtschaftung des landwirtschaftlichen Anwesens obliegt
allein der Entscheidungsfreiheit des Klägers.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil
die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Die Entscheidung über die vorläufige
Vollstreckbarkeit bestimmt sich nach §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2
Zivilprozessordnung - ZPO -.
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