Urteil des VG Münster vom 08.04.2009

VG Münster: bvo, fürsorgepflicht, versorgung, körperliche unversehrtheit, beihilfe, ausschluss, implantat, verwaltungsverordnung, eng, pauschalbetrag

Verwaltungsgericht Münster, 11 K 566/08
Datum:
08.04.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 566/08
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage
zurückgenommen hat und die Beteiligten den Rechtsstreit in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben.
Im Übrigen wird das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des
Bescheides des Landesamtes für Besoldung und Versorgung
Nordrhein-Westfalen vom 23. August 2007 und des
Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2008 verpflichtet, dem Kläger
auf die Rechnung des Zahnarztes K. Q. vom 10. Mai 2007 eine weitere
Beihilfe in Höhe von 184,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf
Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinsatz, für die Zeit vom 1.
März 2008 bis zum 2. März 2009 aus einem Betrag von 539,44 Euro und
ab dem 3. März 2009 aus einem Betrag von 184,06 Euro zu gewähren.
Das beklagte Land trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte
Land darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung
in Höhe von 110 v. H. des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Kläger ist S. am P. im Ruhestand und zu einem Bemessungssatz von 70%
beihilfeberechtigt. Mit seiner Klage begehrt er eine weitere Beihilfe zu Aufwendungen
für seine Versorgung mit einem Implantat im Oberkiefer.
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Im Sommer 2006 diagnostizierte der behandelnde Zahnarzt K1. Q. bei dem Kläger eine
irreparable Erkrankung des Zahnes Nr.24 im Oberkiefer und extrahierte diesen. Mit
Schreiben vom 28. November 2006 reichte der Kläger bei dem Landesamt für
Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen (LBV) zwecks Erteilung einer
Kostenzusage zwei alternative Behandlungs- und Kostenpläne für eine
Zahnersatzbehandlung ein. Für die Versorgung mittels Brückenkonstruktion auf der
Basis von Überkronungen der benachbarten Zähne wies der Kostenvoranschlag einen
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Betrag von 2.536,81 Euro auf. Für die Versorgung mittels Implantat lag der bezifferte
Betrag bei 1.735,01 Euro. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2006 wies das LBV den
Kläger darauf hin, dass seit dem 1. April 2004 eine Versorgung mit einem Implantat
nach § 4 Abs. 2 b) BVO nur unter äußerst eingeschränkten Voraussetzungen
beihilfefähig sei. Im Frühjahr 2007 ließ der Kläger die Implantbehandlung durchführen.
Mit Beihilfeantrag vom 16. Mai 2007 machte der Kläger u.a. die Aufwendungen für diese
Behandlung durch Vorlage der zahnärztlichen Rechnung vom 10. Mai 2007 über
1.309,58 Euro geltend. In seinem Beihilfebescheid vom 20. Juni 2007 führte das LBV
aus: Die geltend gemachten Aufwendungen für die Implantatversorgung seien wegen
der fehlenden Indikation nach § 4 Abs. 2 b) der Beihilfeverordnung NRW (BVO) nicht
beihilfefähig. Allerdings könne ein Pauschalbetrag in Höhe von 450 Euro für die ersten
drei durch die Implantatversorgung ersetzten Zähne nach Behandlungsabschluss
gewährt werden. Zur Festsetzung des Pauschalbetrages werde ein aktuelles
Zahnschemas benötigt. Nach Vorlage des betreffenden Befundschemas gewährte das
LBV dem Kläger mit Bescheid vom 23. August 2007 auf die geltend gemachten Kosten
für die Implantatversorgung eine Beihilfe in Höhe von 315 Euro (70% von 450 Euro).
Zudem brachte es als Kostendämpfungspauschale einen Betrag von 62,26 Euro in
Abzug.
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Mit Schreiben vom 29. August 2007 legte der Kläger Widerspruch ein, den er wie folgt
begründete: Die Regelung in der BVO, wonach generell die Kosten einer
Implantatversorgung nur bis zu einer Pauschale von höchstens 450 Euro beihilfefähig
seien, sei gesetzeswidrig. Wie sich aus den eingereichten alternativen
Behandlungsplänen ersehen lasse, hätte eine Versorgung der Gebisslücke mittels
Überbrückung bzw. Überkronung annähernend doppelt so viele Kosten verursacht wie
die tatsächlich stattgefundene Implantatversorgung. Ein Regelwerk, das zu solchen
Ergebnissen führe, verstoße nicht nur gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn
sondern gegen jede Vernunft. Hinzu komme, dass bei der Versorgung mittels
Überbrückung zwei gesunde Zähne hätten beschliffen und beschädigt werden müssen.
Auch diese Zumutung des Verordnungsgebers verstoße gegen althergebrachte
beamtenrechtliche Grundsätze. Da die Implantatversorguung inzwischen eine weltweit
anerkannt fortschrittliche Behandlungsmethode sei, sprächen auch nicht
zahnmedizinisch-wissenschaftliche Gründe gegen diese Behandlung.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2008 wies das LBV den Widerspruch des
Klägers als unbegründet zurück. Die zum 1. Januar 2004 eingeführte Regelung in § 4
Abs. 2 b) BVO sehe nur noch einen sehr engen Indikationsbereich für eine
Implantatversorgung vor. Diese Voraussetzungen lägen beim Kläger nicht vor. Im Falle
einer nicht beihilfefähigen Implantatversorgung werden mit einem Pauschalbetrag
sämtliche Kosten der der zahnärztliche und kieferchirugischen Leistungen abgegolten.
Der Verweis des Klägers auf die Kostengünstigkeit der Implantatversorgung im
Verhältnis zur herkömmlichen Zahnersatzmethode sei beihilferechtlich ohne Belang.
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Am 1. März 2008 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Er trägt weiter vor: Die
maßgebliche Rechtsvorschrift der BVO, auf die die ablehnende Bewilligung der Beihilfe
für eine Implantatversorgung gestützt werde, sei rechtswidrig. Sie erscheine willkürlich.
Ein Verstoß gegen beamtenrechltiche Grundsätze sei insbesondere darin zu sehen,
dass der Dienstherr mit dieser Regelung seine Bediensteten de facto in einzelnen
Fällen zu gesundheitsschädigenden Eingriffen - Beschädigen bzw. Beschleifen
gesunder Zähne - zwinge, ohne dass hierfür ein vernünftiger Grund erkennbar sei. Denn
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bei der Implantatmethode werde in die Zahnlücke eine Basis implantiert, die eine
einfache Überkronung ohne jegliche Beeinträchtigung von Nachbarzähnen ermögliche.
Diese weltweit wissenschaftlich anerkannte Methode sei deshalb in vielen Fällen - wie
auch vorliegend - gesundheitsschonender. Die schon willkürlich anmutende enge
Begrenzung der Beihilfefähigkeit der Implantatmethode durch § 4 Abs. 2 b) BVO auf
sehr wenige ausgewählte Indikationen werde auch nicht durch - allein rechtfertigende -
überragend wichtige fiskalische Ziele gerechtfertigt. Dieses zeige schon der
Kostenvergleich in seinem Fall. Vielfach könne die Implantatmethode im Vergleich zu
der gesundheitsschädlichen herkömmlichen Behandlung sogar kostengünstiger sein.
Nachdem das LBV an den Kläger eine weitere Beihilfe zu den Aufwendungen für die
Suprakonstruktion gezahlt hatte, haben die Beteiligten das Verfahren insoweit
übereinstimmend für erledigt erklärt. Hinsichtlich des als Kostendämpfungspauschale in
Abzug gebrachten Betrages hat der Kläger die Klage zurückgenommen.
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Der Kläger beantragt nunmehr,
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das beklagte Land unter entsprechender Aufhebung des Bescheides des LBV vom 23.
August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2008 zu
verpflichten, ihm auf die Rechnung des Zahnarztes K. Q. vom 10. Mai 2007 eine weitere
Beihilfe in Höhe von 184,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozent über dem
jeweiligen Basiszinssatz, für die Zeit vom 1. März 2008 bis zum 2. März 2009 aus einem
Betrag von 539,44 Euro und ab dem 3. März 2009 aus dem Betrag von 184,06 Euro zu
gewähren.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es bezieht sich zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt
weiter aus: Aus den Urteilen des Oberwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen vom 15. August 2008 (Az.: 6 A 4309/05, 6 A 2861/06 und 6 A 3995/06) könne
der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung sämtlicher implantatbedingter
Aufwendungen als beihilfefähig herleiten. Das Finanzministerium NRW habe lediglich
deshalb die betreffenden Beihilfestellen angewiesen, die Beschwerden gegen die
Nichtzulassung der Revision zurückzunehmen, weil es sich in den o.g. Klageverfahren
um implantatbedingte Aufwendungen gehandelt habe, die vor dem 1. Januar 2007 (also
vor Inkrafttreten der derzeit geltenden BVO-Regelung) entstanden seien. Seit dem 1.
Januar 2007 würden gemäß Nr. 11c der Verwaltungsverordnung zur BVO bei
Nichtvorliegen der in § 4 Abs. 2 b) BVO genannten Indikationen nicht nur für die ersten 3
Implantate 450 Euro und für 5 weitere Implantate 250 Euro pauschal als beihilfefähige
Aufwendungen anerkannt, sondern zusätzlich auch die Aufwendungen für die
Suprakonstruktion. Mit dieser Regelung sei eine völlig neue Rechtslage entstanden, da
ein wesentlicher Teil der Aufwendungen bei Implantatbehandlungen (nämlich die für die
Suprakonstruktion) auch ohne Vorliegen der in § 4 Abs b) BVO genannten Indikationen
beihilfefähig sei. Von einem „vollständigen Ausschluss der Beihilfefähigkeit notwendiger
Aufwendungen" bei der Implantatbehandlung - von der das OVG NRW in seinen
Urteilen ausgehe - könne daher bei der neuen Regelung nicht mehr die Rede sein.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
13
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3
VwGO einzustellen. Gleiches gilt in entsprechender Anwendung der genannten
Vorschrift, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt
haben.
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Im Übrigen hat die zulässige Klage in der Sache Erfolg.
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Der Kläger hat Anspruch auf die Gewährung einer weiteren Beihilfe zu den
entstandenen Aufwendungen für die Implantatversorgung in Höhe des geltend
gemachten Betrages von 184,06 EUR. Soweit der Bescheid des LBV vom 23. August
2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Januar 2008 dem entgegen
steht, ist er rechtwidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 S. 1
VwGO).
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Anspruchsgrundlage für die begehrte Beihilfe ist § 88 Satz 1, 2 und 4 des
Landesbeamtengesetzes (LBG) iVm den §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 4 Abs. 1 Nr. 1 BVO in der
zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblichen Fassung. Nach diesen
Bestimmungen wird Beihilfe zu den notwendigen und angemessenen Aufwendungen
im Krankheitsfalle gewährt. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
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Zur Versorgung der beim Kläger durch die Extraktion des irreparabel erkrankten Zahnes
Nr. 24 im Oberkiefer entstandenen Zahnlücke erfolgte die Versorgung mit einem
Implantat. Die Aufwendungen für diese Behandlungsmaßnahme sind sowohl notwendig
als auch angemessen. Ob Aufwendungen notwendig sind, bestimmt sich danach, ob sie
medizinisch geboten sind. Dies richtet sich regelmäßig nach der Beurteilung des
behandelnden Arztes.
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Vgl. BVerwG Urteil vom 29. Juni 1995 - 2 C 15.94 - NJW 1996, 801. Dass die
Versorgung der Zahnlücke des Klägers medizinisch geboten war, folgt aus den
Behandlungs- und Kostenplänen des Zahnarztes K. Q. . Nach den Ausführungen des
Klägers, die seitens des beklagten Landes nicht in Abrede gestellt werden, hat ihm sein
Zahnarzt diese Behandlungsmaßnahme empfohlen, weil die Versorgung mit einem
Implantat - im Gegensatz zu einer Brückenkonstruktion - den unstreitbaren Vorteil bietet,
dass die benachbarten gesunden Zähne nicht beschädigt werden müssen. Demnach
stellt nach Einschätzung des Zahnarztes die Implantatversorgung bei dem Kläger die
schonenste und in seinem Fall sogar kostengünstigste Behandlung dar.
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Die dem Kläger mit der Versorgung des Implantats entstandenen Aufwendungen sind
auch angemessen. Hiervon ist, da die Kosten für die Implantatbehandlung gemäß der
Gebührenordnung für Zahnärzte innerhalb des dort vorgesehenen Rahmens berechnet
worden sind, auszugehen. Abgesehen davon belegt auch der Kostenvergleich mit der
„herkömmlichen" Behandlungsmethode die Angemessenheit der geltend gemachten
Aufwendungen.
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Dem Anspruch des Klägers auf Gewährung einer - auf vollumfänglichen Kostenersatz
zielenden - weiteren Beihilfe zu den Aufwendungen für die Implantatversorgung steht
auch nicht die Vorschrift des § 4 Abs. 2 b) Satz 1 BVO entgegen. Zwar ist nach dieser
Bestimmung die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für implantologische Leistungen
22
nach Abschnitt K des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für Zahnärzte auf
eng begrenzte Ausnahmefälle beschränkt, wobei keine der genannten Indikationen im
Falle des Klägers einschlägig ist. Hieraus folgt jedoch keine Anspruchsversagung auf
weitere Beihilfe. Denn die Beihilfefähigkeit zu den Aufwendungen für die
Implantatversorgung wird durch § 4 Abs. 2 b) Satz 1 BVO nicht wirksam
ausgeschlossen. Die Vorschrift verstößt gegen höherrangiges Recht, weil der
weitgehende Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für
Implantatbehandlungen durch § 4 Abs. 2 b) Satz 1 BVO mit der in Art. 33 Abs. 5 GG
verankterten Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht zu vereinbaren ist, insbesondere dem
Gebot eines vertretbaren Ausgleichs zwischen der Fürsorgepflicht und fiskalischen
Erwägungen nicht genügt. Das OVG NRW hat hierzu in seinem Urteil vom 15. August
2008 (6 A 4309/05) Folgendes ausgeführt:
1. Eine Beihilfevorschrift, die wie § 4 Abs 2 lit b) Satz 1 BVO die Beihilfefähigkeit von
notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheitsfällen einschränkt, muss
sich an diesem Gebot messen lassen. Es reicht nicht aus, dass die Einschränkung die
Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern unberührt lässt. Dies ergibt sich aus folgendem:
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Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des
Dienstherrn, die als solche zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums
gemäß Art. 33 Abs. 5 GG gehört. Das Beihilfensystem in seiner gegenwärtigen Gestalt
wird dadurch aber nicht verfassungsrechtlich garantiert. Eine verfassungsrechtliche
Verpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfängern für Krankheitsfälle oder
vergleichbare Belastungen Unterstützung gerade in Form von Beihilfen im Sinne der
Beihilfevorschriften oder gar von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren, besteht
nicht. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 13. November 1990 - 2 BvF
3/88 -, BVerfGE 83, 89, und vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 -, BVerfGE 106,
225; BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, BVerwGE 118, 277. Entscheidet sich
der Dienstherr für ein Beihilfensystem, muss dieses allerdings den Anforderungen
genügen, die dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten
erwachsen. Die Fürsorgepflicht gebietet, für das Wohl und Wehe des Beamten und
seiner Familienangehörigen zu sorgen und Schaden von ihnen abzuwenden. Hat sich
der Dienstherr entschieden, seiner Fürsorgepflicht durch die Zahlung von Beihilfen
nachzukommen, muss er mithin dafür Sorge tragen, dass der Beamte aus Anlass von
Krankheits-, Geburts- und Todesfällen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet
bleibt, die für ihn unabwendbar sind und denen er sich nicht entziehen kann.
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, a.a.O., OVG NRW, Urteil
vom 13. August 2005 - 1 A 801/04 -, RiA 2006, 282. Dem Dienstherrn steht bei der
Konkretisierung des Fürsorgeprinzips durch die Beihilfevorschriften ein weiter
Gestaltungsspielraum zu. Dabei fordert die Fürsorgepflicht nicht den Ausgleich jeglicher
krankheitsbedingter Aufwendungen und auch nicht deren Erstattung in vollem Umfang.
Insbesondere muss Beihilfe nicht für solche Behandlungen gewährt werden, die eine
über das notwendige und angemessene Maß hinausgehende optimale medizinische
Versorgung gewährleisten.
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vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. November 1990 - 2 BvF 3/88 -, a.a.O.; BVerwG, Urteil
vom 31. Januar 2002 - 2 C 1.01 -, DVBl. 2002, 1216.
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Bei der Wahrnehmung seines Gestaltungsspielraums hat der Dienstherr jedoch die
Wertentscheidung des Art. 33 Abs. 5 GG zugunsten der Fürsorgepflicht ebenso wie das
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grundrechtsgleiche Recht, das diese Verfassungsnorm dem Beamten in Bezug auf die
Fürsorgepflicht verleiht, angemessen zu berücksichtigen. Dem in der Norm enthaltenen
Regelungsauftrag genügt es nicht, wenn sich der Dienstherr bei weitreichenden
Begrenzungen der Beihilfe zu Aufwendungen im Krankheitsfall in Anlehnung an die
(grundrechtsbezogene) Wesensgehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 GG auf die Wahrung
eines nur schwer bestimmbaren, sehr eng begrenzten Wesenskerns der Fürsorgepflicht
und damit auf die Einhaltung einer äußersten Grenze beschränkt. Vielmehr ist dem
Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als übergreifender Leitregel allen staatlichen
Handelns Rechnung zu tragen. Dieser Grundsatz ergibt sich u.a. aus dem
Rechtsstaatsprinzip und bindet jede staatliche Gewalt, sofern eine geschützte
Rechtsposition des Bürgers beeinträchtigt wird.
vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 -, BVerfGE 76, 256 (in
Bezug auf Art. 33 Abs. 5 GG), vom 4. Februar 1975 - 2 BvL 5/74 -, BVerfGE 38, 348, und
vom 5. März 1968 - 1 BvR 579/67 -, BVerfGE 23, 127; Grzeszick in:
Maunz/Dürig/Herzog, Grundgesetz, Band III, Art. 20 Rdnr. 108, Stand: November 2006;
Jarass in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 8. Aufl. 2006, Art. 20 Rdnr. 81. Er begrenzt damit
den Gestaltungsspielraum des Verordnungsgebers, der - wie hier - mit dem Ausschluss
der Beihilfe zu notwendigen und angemessenen Aufwendungen im Krankheitsfall
nachteilig auf durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützte Rechtspositionen des Beamten
einwirkt. Eine derartige Regelung muss einem legitimen Zweck dienen und sich als
vertretbarer Ausgleich zwischen diesem Zweck und der Fürsorgepflicht darstellen.
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vgl. zum Erfordernis eines "Kompromisses" OVG NRW, Urteil vom 24. Mai 2006 - 1 A
3633/04 - und Beschluss vom 6. Mai 2004 - 1 A 1160/03 -. 2. Der weitgehende
Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Implantatbehandlungen durch §
4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO wird diesen Anforderungen nicht gerecht.
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Die Regelung verfolgt allerdings einen legitimen Zweck. Sie beruht auf der - auch von
der Zahnärzteschaft gesehenen - Notwendigkeit, einer durch die im Allgemeinen
kostenintensivere Behandlungsart der Implantatversorgung bedingten Ausuferung der
für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten angemessen entgegenzutreten.
Maßgeblich ist dabei der Gesichtspunkt, dass neben der Einbringung von Implantaten
regelmäßig die Möglichkeit einer kostengünstigeren Alternativversorgung auf
"herkömmliche" Art und Weise, etwa mit einer Brücke, gegeben ist.
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vgl. OVG NRW. Urteil vom 24. Mai 2006 - 1 A 3633/04 - Dieser Zweck einer Vermeidung
ausufernder Kosten ist vor dem Hintergrund des auch im Beihilferecht zu beachtenden
Grundsatzes der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel legitim. Er steht jedoch im
vorliegenden Zusammenhang unter der Einschränkung, dass die Gefahr einer
Ausuferung der Kosten gerade auf den Mehraufwand zurückzuführen ist, der durch die
Inanspruchnahme einer Implantatversorgung an Stelle einer "herkömmlichen"
Versorgung von Zahnlücken hervorgerufen wird. Ein darüber hinausgehender
Ausschluss von Kosten, die bei der medizinisch gebotenen Behandlung einer
Zahnlücke unabhängig von der Art der Behandlung anfallen, würde durch den als
legitim zu betrachtenden Zweck nicht mehr gedeckt.
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Die Ausschlussregelung des § 4 Abs. 2 lit. b) Satz 1 BVO stellt sich in Ansehung des
oben beschriebenen Ziels schon als nicht erforderlich, jedenfalls aber als nicht
verhältnismäßig im engeren Sinne dar. Sie bringt dieses Ziel mit der Fürsorgepflicht
nicht in einen vertretbaren Ausgleich, sondern stellt das Interesse an einer
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Kostenbegrenzung einseitig über die durch das Fürsorgeprinzip geschützten Interessen
der Beihilfeberechtigten.
§ 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO beinhaltet mit seiner Beschränkung der Beihilfefähigkeit der
Aufwendungen für eine Implantatversorgung auf wenige sehr eng gefasste Indikationen
einen völligen Ausschluss der Beihilfe auch und gerade in Fällen, in denen diese
Aufwendungen notwendig und angemessen sind. Ein derartiger vollständiger
Ausschluss ist jedoch nicht erforderlich, um den durch die Inanspruchnahme einer
Implantatbehandlung an Stelle einer "herkömmlichen" Versorgung entstehenden (Mehr-
) Aufwand zu vermeiden. Denn als milderes, gleich geeignetes Mittel bietet sich an, die
Beihilfefähigkeit für Implantatbehandlungen quantitativ auf die Kosten zu begrenzen, die
bei einer konventionellen Versorgung der Zahnlücke ebenfalls anfallen würden. Dem
kann nicht entgegen gehalten werden, dass aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität
derartige Alternativbetrachtungen nicht tunlich sind. Die Systematik der BVO belegt,
dass der Dienstherr in anderen Fallgestaltungen an fiktiven Sachverhalten orientierte
Obergrenzen als praktikables Mittel der Kostendämpfung verwendet. So finden sich
namentlich in § 4 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3, Nr. 5 Sätze 5 und 6 und Nr. 6 Satz 5 sowie in § 10
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BVO Regelungen, welche die Beihilfefähigkeit von
Aufwendungen für bestimmte Leistungen auf die Höhe der Kosten beschränken, die im
Falle einer anderen Leistung entstanden wären.
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Auch der Grundsatz, dass zu fiktiven Aufwendungen eine Beihilfe nicht gewährt werden
kann,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 6. Mai 2004, a.a.O., und Urteil vom 23. August 1993 - 12
A 1031/91 -; OVG Meckl.- Vorp., Beschluss vom 4. Juni 2003, a.a.O., steht einer
kostenbegrenzenden Regelung im vorstehenden Sinne nicht entgegen, denn Beihilfe
würde auf ihrer Grundlage zu tatsächlich entstandenen Aufwendungen einer
Implantatbehandlung gewährt. Dass diese nur bis zu einer an fiktiven Aufwendungen
orientierten Obergrenze beihilfefähig wären, macht sie nicht selbst zu fiktiven
Aufwendungen.
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Die Ausschlussregelung des § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO wird darüber hinaus dem
Gebot der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne nicht gerecht. Die mit ihr
einhergehende Beeinträchtigung der im Rahmen der Fürsorgepflicht zu
berücksichtigenden Interessen der Beihilfeberechtigten steht außer Verhältnis zu dem
mit der Vorschrift verfolgten Zweck der Kostenbegrenzung.
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Mit der Fürsorgepflicht sind Lenkungsmaßnahmen unvereinbar, die den
Beihilfeberechtigten dazu verleiten, von notwendigen medizinischen Behandlungen aus
finanziellen Überlegungen abzusehen.
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vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Juli 2003 - 2 C 36.02 -, a.a.O. Die Fürsorgepflicht gebietet es,
im Rahmen des Beihilferechts vor allem solche Behandlungsmöglichkeiten zu eröffnen,
welche die Betroffenen möglichst gering belasten. Bei zahnärztlichen Behandlungen
gehört dazu namentlich, die Substanz vorhandener gesunder Zähne nach Möglichkeit
zu schonen.
38
vgl. OVG NRW, Urteil vom 14. Mai 2004- 1 A 1171/07 -, ferner Urteil vom 24. Mai 2006,
a.a.O.; OVG Nds., Beschluss vom 15. September 2006 - 2 LA 956/04 -, DÖD 2007, 34.
39
Das Ziel der sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel würde einseitig über die durch
die Fürsorgepflicht geschützten Interessen gestellt , wenn ein Beihilfeberechtigter auf
derartige Vorteile einer dem medizinischen Fortschritt entsprechenden Heilbehandlung
nur aus Kostengründen verzichten müsste. Wird dem Beihilfeempfänger durch eine
"moderne", aber kostenaufwändigere Heilbehandlung ein weitergehender Eingriff in die
körperliche Unversehrtheit erspart oder werden andere gesundheitliche Nachteile
vermieden, so müssen Fürsorgepflicht und fiskalische Erwägungen in einen dem
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht werdenden Ausgleich miteinander gebracht
werden. Das zwingt den Dienstherrn, auch die kostenaufwändigere Heilbehandlung zu
unterstützen, wenn die höheren Behandlungskosten noch in einem angemessenen
Verhältnis zu der "herkömmlichen", aber kostengünstigeren Heilmethode stehen.
40
vgl. OVG Nds., Beschluss vom 15. September 2006 - 2 LA 956/04 -, a.a.O. Damit wird
das Fürsorgeprinzip nicht in der Weise überdehnt, dass Beihilfe auch für solche
Behandlungen zu gewähren wäre, die eine über das notwendige und angemessene
Maß hinausgehende optimale medizinische Versorgung gewährleisten.
41
vgl. jedoch VGH BW, Urteil vom 17. September 2003 - 4 S 1869/02 -. Denn die
kostenaufwändigere Behandlung ist unter den genannten Voraussetzungen die
notwendige und angemessene medizinische Versorgung. Die vollständige
Verweigerung der Unterstützung für diese Behandlung ist nicht etwa deshalb
unverhältnismäßig, weil sie dem Beihilfeberechtigten eine optimale medizinische
Versorgung vorenthalten würde. Unverhältnismäßig ist sie vielmehr, weil sie ihn einem
finanziellen Zwang aussetzt, eine mit weitergehenden Eingriffen in seine körperliche
Unversehrtheit und gesundheitlichen Nachteilen verbundene Behandlung in Kauf zu
nehmen. Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, dem Beamten sei es
zuzumuten, durch den Abschluss einer privaten Zusatzversicherung derartige finanzielle
Risiken abzuwenden.
42
vgl. aber OVG Meckl.-Vorp., Beschluss vom 4. Juni 2003 - 2 L 165/02 -. Mit diesem
Einwand könnte sich der Dienstherr der Bindung an die aus der Fürsorgepflicht
folgenden Anforderungen, denen er durch seine Entscheidung für ein Beihilfensystem
unterworfen ist, beliebig entziehen, da prinzipiell jedes Krankheitsrisiko durch eine
private Vollversicherung abgedeckt werden kann.
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Entgegen den genannten Vorgaben führt die Ausschlussregelung in § 4 Abs. 2 lit b)
Satz 1 BVO dazu, dass Beihilfeempfänger allein aus Kostengründen auf die Vorteile
einer medizinisch notwendigen Implantatbehandlung verzichten müssen und in diesem
Bereich vom medizinischen Fortschritt unter Zumutung weitergehender Eingriffe in ihre
körperliche Unversehrtheit ausgeschlossen werden. Die Vorschrift zwingt die
Betroffenen, eine "herkömmliche" Versorgung mit Brücke oder Zahnprothese und damit
insbesondere in den Fallgestaltungen der Einzelzahnlücke mit gesunden
Nachbarzähnen sowie der einseitigen Freiendlücke bei Fehlen der Zähne acht, sieben
und sechs erhebliche Eingriffe in gesunde Zahnsubstanz und weitere gesundheitliche
Nachteile wie das erhöhte Risiko von Knochenabbau und Karies hinzunehmen. Denn
die Entscheidung, trotz des völligen Ausschlusses der Beihilfefähigkeit der
Implantatversorgung diese Behandlung in Anspruch zu nehmen, kann dem
Beihilfeempfänger angesichts der Höhe der hierfür anfallenden Kosten nicht zugemutet
werden. Diese Lenkungswirkung bedeutet nach dem eingangs genannten Maßstab eine
Belastung der Beihilfeempfänger, die zu dem verfolgten Ziel der Kostenbegrenzung in
einem nicht zu rechtfertigenden Missverhältnis steht.
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Die Typisierungsbefugnis des Dienstherrn bei der Ausgestaltung der
Beihilfevorschriften rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Dass
Beihilfeberechtigte auch in den Fällen von einer Implantatbehandlung ausgeschlossen
werden, in denen diese aus Gründen der Substanzschonung medizinisch notwendig
und angemessen ist, stellt nicht lediglich eine Härte im Einzelfall dar, die aufgrund des
pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften hinzunehmen
wäre. Wie nämlich die für die Rechtslage bis zum 31. Dezember 2003 maßgebliche Nr.
5.5 der Verwaltungsverordnung zur Ausführung der BVO (VV) in der seinerzeit
geltenden Fassung belegt, handelt es sich insbesondere bei den Fällen der
Einzelzahnlücke mit gesunden Nachbarzähnen sowie der einseitigen Freiendlücke bei
Fehlen der Zähne acht, sieben und sechs um regelmäßig vorkommende
Fallgestaltungen, die dem Dienstherrn bekannt waren.
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Der Dienstherr kann sich auch nicht auf eine veränderte Einschätzung der
medizinischen Problematik dieser Sachverhalte durch die Zahnärzteschaft berufen.
Zwar beruhen die in § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO aufgeführten Indikationen auf
Stellungnahmen der Zahnärztekammern Nordrhein und Westfalen sowie der
Bundeszahnärztekammer. Diese Stellungnahmen hatten nach der Darstellung des
beklagten Landes indes Fallgestaltungen zum Gegenstand, in denen es keine
Alternative zur Lösung der damit verbundenen zahnmedizinischen Probleme außerhalb
adäquater Implantatversorgung gibt, diese mithin die einzige zahnmedizinisch mögliche
Behandlung darstellt. § 4 Abs 2 lit b) Satz 1 BVO beschränkt sich mit der Orientierung an
diesen Ausnahmefällen auf die Zielsetzung, den Wesensgehalt der Fürsorgepflicht
unangetastet zu lassen. Wie ausgeführt, ist dieser Maßstab jedoch zu eng, um den
verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine Begrenzung der Fürsorgepflicht zu
genügen.
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Im Übrigen spricht Nr. 11c) der VV (zu § 4 Abs. 2 lit b) BVO) dafür, dass der Dienstherr
selbst die Unverhältnismäßigkeit des völligen Ausschlusses der Beihilfefähigkeit einer
notwendigen Implantatbehandlung erkannt hat. Durch die Bestimmung, dass
Pauschalbeträge von derzeit 450,- EUR je Implantat als beihilfefähige Aufwendungen
anzuerkennen seien, soll offenbar die übermäßige Belastung der Beihilfeempfänger
abgemildert werden. Ein vertretbarer Ausgleich zwischen der Fürsorgepflicht und dem
Zweck der Kostenbegrenzung ist mit dieser Verwaltungsvorschrift jedoch schon deshalb
nicht zu erzielen, weil sie in § 4 Abs. 2 lit b) BVO keine Grundlage hat (vgl. dazu
sogleich unter 3.).
47
3. Rechtsfolge der Unvereinbarkeit von § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO mit der
Fürsorgepflicht des Dienstherrn ist die Unwirksamkeit der Vorschrift. Eine
verfassungskonforme, mit der Fürsorgepflicht vereinbare Auslegung der Norm ist nicht
möglich. Insbesondere lässt sich die Vorschrift nicht so verstehen, dass sie außerhalb
des Bereichs der genannten Indikationen Raum für eine Beihilfefähigkeit der
Aufwendungen für implantologische Leistungen - wenn auch nur im Umfang etwa der
fiktiven Kosten der herkömmlichen Versorgung einer Zahnlücke - lässt.
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Das Gebot der verfassungskonformen Auslegung besagt, dass von mehreren
Auslegungsergebnissen, zu denen eine Interpretation nach den allgemeinen
Auslegungsmethoden führt, diejenige maßgeblich ist, die mit der Verfassung
übereinstimmt. Nach den allgemeinen Auslegungsmethoden ist jedoch nur die
Interpretation möglich, dass § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO bei Nichtvorliegen einer der in
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der Vorschrift genannten Indikationen die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine
Implantatversorgung vollständig ausschließt. Das ergibt schon der Wortsinn der Norm.
Zwar bestimmt sie nicht ausdrücklich, dass die Aufwendungen für eine
Implantatbehandlung nicht beihilfefähig sein sollen, wenn keine der genannten
Indikationen vorliegt. Wenn jedoch eine Rechtsfolge (hier: die Beihilfefähigkeit) von
bestimmten Voraussetzungen (hier: den aufgeführten Indikationen) abhängig gemacht
wird, soll sie in der Regel nicht eintreten, wenn diese Voraussetzungen nicht gegeben
sind. Wollte der Normgeber einen solchen Umkehrschluss - etwa zugunsten einer
eingeschränkten Rechtsfolge (hier: einer begrenzten Beihilfefähigkeit) - vermeiden,
würde er dies in der Vorschrift kenntlich machen. Die Systematik des § 4 BVO bestätigt
dieses durch den Wortlaut vorgegebene Verständnis. Die Norm hat die Funktion,
beihilfefähige Aufwendungen von nicht beihilfefähigen Aufwendungen abzugrenzen.
Dort, wo die Beihilfefähigkeit lediglich eingeschränkt werden soll, wird dies ausdrücklich
bestimmt durch Begrenzung auf pauschale Höchstbeträge oder die Höhe der Kosten,
die auch bei einer alternativen Leistung entstanden wären. Hätte der Normgeber
außerhalb des Bereichs der aufgeführten Indikationen für eine Implantatversorgung
lediglich eine Einschränkung der Beihilfefähigkeit gewollt, hätte er eine entsprechende
Regelung getroffen. § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO wäre zudem funktionslos, wenn kein
(vollständiger) Ausschluss der Beihilfefähigkeit bei Nichtvorliegen einer der genannten
Indikationen bezweckt wäre. Mangels einer nur vom Verordnungsgeber festzulegenden
Obergrenze würde nämlich ansonsten zur Ermittlung des Umfangs der beihilfefähigen
Aufwendungen uneingeschränkt die allgemeine Bestimmung des § 3 Abs. 1 Nr. 1 BVO
zum Tragen kommen. Es ist jedoch gerade Sinn und Zweck des § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1
BVO, für den Bereich der implantologischen Leistungen eine Ausnahmeregelung zu
treffen.
Diesen Ausführungen schließt sich das erkennende Gericht vollinhaltich an. Eine
andere Bewertung der Rechtslage ergibt sich - entgegen der Auffassung des beklagten
Landes - nicht aus dem Umstand, dass aufgrund der Änderungen der Nr. 11c) der
Verwaltungsverordnung zu § 4 Abs. 2 b) BVO seit dem 1. Januar 2007 auch bei
Nichtvorliegen der in der Vorschrift genannten Indikationen über den Pauschalbetrag
von 450 Euro je Implantat hinaus zusätzlich die Aufwendungen für die
Suprakonstruktion als beihilfefähig anerkannt werden. Zwar hat die Ausdehnung der
Leistungsgewährung zu den Aufwendungen für die Implantatversorgung auf der
Grundlage der Verwaltungsverordnung in tatsächlicher Hinsicht zur Folge, dass auf
diesem Wege ein wesentlicher Teil der Kosten für eine Implantatbehandlung durch die
Beihilfe auch ohne Vorliegen der in § 4 Abs. 2 b) BVO genannten Indikationen
abgedeckt wird, so etwa auch im Falle des Klägers. Allerdings kann daraus nicht - wie
dies Auffassung des beklagten Landes ist - der Schluss gezogen werden, dass dadurch
eine völlig neue Rechtslage entstanden ist und von einem „vollständigen Ausschluss
der Behilfefähigkeit notwendiger Aufwendungen" bei der Implantatbehandlung und
damit von einem Verstoß gegen Fürsorgepflicht des Dienstherrn nicht mehr die Rede
sein kann. Eine solche Betrachtungsweise lässt nämlich unbeachtet, dass allein mit den
auf Nr. 11c) der Verwaltungsverordnung zu § 4 Abs. 2 b) BVO basierenden
tatsächlichen Beihilfezuwendungen für eine grundsätzlich - eben wegen § 4 BVO - als
nicht beihilfefähig anerkannte Implantatversorgung ein vertretbarer Ausgleich zwischen
der Fürsorgepflicht und dem Zweck der Kostenbegrenzung schon deshalb nicht erzielt
werden kann, weil es der Verwaltungsverordnung wegen der Unwirksamkeit der
Vorschrift des § 4 Abs. 2 b) BVO an einer wirksamen Grundlage mangelt. Hierauf hat
das OVG NRW bereits in den genannten Urteilen vom 15. August 2008 - aa0, s. unter
II.2.b) am Ende und unter II.2.c) - hingewiesen. Wie der oben im Auszug
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wiedergegebenen Entscheidung entnommen werden kann, ist die Bestimmung des § 4
Abs. 2 b) BVO nur dahin zu verstehen, dass diese bei Nichtvorliegen einer der in der
Vorschrift genannten Indikationen die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für eine
Implantatversorgung vollständig ausschließt. Eine verfassungskonforme, mit der
Fürsorgepflicht vereinbare Auslegung der Norm ist nicht möglich. Hätte der Normgeber
außerhalb des Bereichs der aufgeführten Indikationen für eine Implantatversorgung
lediglich eine Einschränkung der Beihilfe gewollt, hätte es einer entsprechenden
Regelung in der BVO bedurft. Allein die in Teilbereichen erfolgte Leistungsgewährung
auf der Grundlage der Verwaltungsverordnung genügt diesen Vorgaben mangels
rechtlicher Rückbindung in der BVO nicht.
Der demnach bestehende Anspruch des Klägers auf weitere Beihilfe zu den
Aufwendungen für die Implantatbehandlung ist schließlich nicht in der Höhe durch § 4
Abs. 1 Nr. 1 Satz 6 BVO begrenzt. Eine Versorgung mit einem Implantat ist keine
Versorgung mit Zahnersatz im Sinne dieser Vorschrift. Dies legt schon die medizinische
Funktion des Implantats nahe. Danach handelt es sich nicht um den Zahnersatz selbst,
sondern um eine künstliche Wurzel, die den Zahnersatz trägt bzw. verankert. Jedenfalls
belegt § 4 Abs. 2 lit c) BVO, dass der Begriff des Zahnersatzes in der BVO Implantate
nicht erfasst. Diese Bestimmung unterscheidet nämlich zwischen Aufwendungen für
Zahnersatz nach Abschnitt F des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung für
Zahnärzte und solchen für implantologische Leistungen nach Abschnitt K dieses
Gebührenverzeichnisses. Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte ist zugrunde zu
legen, dass § 4 BVO in Abs. 1 Nr. 1 den Begriff des Zahnersatzes in demselben Sinne
verwendet wie in Abs. 2 lit c).
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Vgl.: OVG NRW, Urteile vom 15. August 2008, - 6 A 4309/05 - und 6 A 2861/06 -. Dem
Kläger stehen Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
seit dem Tag der Klageerhebung gemäß § 291 BGB analog zu.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 S. 3, 161 Abs. 2 S. 1 VwGO.
Hinsichtlich des streitig entschiedenen Teils des Verfahrens trifft das beklagte Land
wegen seines Unterliegens die Kostentragungspflicht. Ebenso entspricht es billigem
Ermessen hinsichtlich des übereinstimmend für erledigt erklärten Teils des Verfahrens
das beklagte Land mit den Kosten zu belasten, weil es durch die weitere
Beihilfegewährung dem Begehren des Klägers insoweit Rechnung getragen hat. Da
sich ferner der vom Kläger zurückgenommene Teil der Forderung kostenmäßig nur
geringfügig auswirkt und damit nicht ins Gewicht fällt, sieht es das Gericht als
sachgerecht an, von einer Kostenquotelung abzusehen und dem beklagten Land
insgesamt die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.
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