Urteil des VG Münster vom 31.08.2009

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Verwaltungsgericht Münster, 1 K 172/08
Datum:
31.08.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 172/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung des
beitreibbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet
T a t b e s t a n d :
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Der Kläger wendet sich gegen die Änderung des Nachnamens der Beigeladenen in den
Geburtsnamen ihrer Mutter sowie den Vornamen der Beigeladenen zu 2) in T. .
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Der Kläger heiratete am 27. Februar 1998 in der Türkei die deutsche Staatsangehörige
N. L. . Die Ehe wurde am 6. April 1998 im Standesamt von Lotte registriert. Aus der Ehe
sind 1999 und 2002 zwei Kinder - die Beigeladenen zu 1) und 2) - hervorgegangen.
Durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts Tecklenburg vom 16. November 2004
wurde die Ehe geschieden.
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Unter dem 19. November 2006 beantragte die personensorgeberechtigte Mutter für die
Beigeladenen zu 1) und 2) die Namensänderung. Als Grund führte sie an: Der Kläger
habe am 19. Februar 2006 versucht, sie mit einem Spaten zu erschlagen. Die beiden
Kinder hätten daneben gestanden und die Tat mit ansehen müssen. Zum Wohl der
Kinder sollten sie mit dem Namen des Klägers nicht mehr in Verbindung gebracht
werden können. Gleichzeitig solle der geänderte Nachname dazu dienen, die Kinder
und sie vor Nachstellungen des Klägers zu schützen. Die Änderung des Vornamens der
Beigeladenen zu 2) von T1. in T. sei dem Umstand geschuldet, dass ihre Tochter bei
Behörden und Ärzten wiederholt für einen Jungen gehalten werde.
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Nach vorheriger Anhörung des Klägers und des Jugendamtes des Beklagten gab der
Beklagte der beantragten Namensänderung durch Bescheid vom 14. August 2007 statt.
Die Namensänderung sei zum Wohl der Beigeladenen erforderlich, weil sie durch die
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Straftat des Klägers schwer belastet seien und den Nachnamen immer wieder mit dem
Geschehen gegenüber ihrer Mutter in Verbindung brächten. Bei der Anhängung des
Buchstabens „e" an den Vornamen T1. handele es sich um eine geringfügige Änderung,
die eine eindeutige Geschlechterzugehörigkeit erkennen lasse.
Den dagegen durch Schreiben vom 27. August 2007 erhobenen Widerspruch des
Klägers wies die Bezirksregierung Münster durch Widerspruchsbescheid vom 17.
Dezember 2007 als unbegründet zurück.
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Hiergegen hat der Kläger am 24. Januar 2008 die vorliegende Klage erhoben, zu deren
Begründung er vorträgt: Der Vorfall im Februar 2006 habe sich vor dem Hintergrund von
Umgangsrechtsstreitigkeiten zwischen den Eheleuten ergeben. Durch die
Namensänderung würde der Wiederannäherungsprozess gefährdet. In den Vorjahren
sei es bei der Beigeladenen zu 2) nie zu Verwechselungen hinsichtlich der
Geschlechterzugehörigkeit gekommen. Die Beibehaltung des Nachnamens und des
Vornamens liege im Interesse der Kinder und würde zu einer Normalisierung der
Umgangssituation beitragen.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 14. August 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Münster vom 17. Dezember 2008
aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er tritt dem Vorbringen des Klägers unter Hinweis auf die angegriffenen Bescheide
entgegen.
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Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung führen sie an: Die Beigeladene zu 2) sei in der Vergangenheit
wiederholt mit einem Jungen verwechselt worden. Zuletzt habe sogar die
Bezirksregierung Münster bei der Einschulung der Beigeladenen zu 2) diese als Jungen
angesehen. Die Beigeladenen wie auch die Mutter seien infolge der gefährlichen
Körperverletzung des Klägers erheblich traumatisiert. Insoweit verweisen sie auf ein
Gutachten des Dipl. Psychologen Dr. C. vom 8. September 2006 im
Umgangsrechtsstreit vor dem Amtsgericht Tecklenburg. Ebenso beziehen sie sich für
ihre Traumatisierung auf eine Stellungnahme des Diakonischen Werkes vom 14. Mai
2008 und einen Bericht des Kinder- und Jugendpsychologen Q. - H. vom 9. Mai 2008
betreffend den Beigeladenen zu 1).
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Das Gericht lehnte mit Beschluss vom 22. Juli 2009 die Gewährung von
Prozesskostenhilfe für den Kläger ab. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des
Klägers wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch
Beschluss vom 18. August 2009 - 16 E 1071/09 - zurück.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der
Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den beigezogenen
Verwaltungsvorgang sowie auf die Beiakte zur Prozesskostenhilfe Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
18
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 14. August 2007 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheids der Bezirksregierung Münster vom 17. Dezember 2007 ist
rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 VwGO).
Die Änderung des Familiennamens der Beigeladenen zu 1) und 2) in den
Geburtsnamen der Mutter sowie die Änderung des Vornamens der Beigeladenen zu 2)
durch Anhängung eines „e" wird gemäß § 3 Abs. 1 des Gesetzes über die Änderung von
Familiennamen und Vornamen (NÄG) durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt. Der
Anwendbarkeit der Vorschrift stehen die §§ 1616 bis 1618 BGB nicht entgegen. Sie sind
auf die Namensänderung von Kindern, die - wie die Beigeladenen zu 1) und 2) - den
Ehenamen ihrer Eltern als Geburtsnamen erhalten haben und nach Trennung der Eltern
und Widerannahme des früheren Namens des nicht wiederverheirateten allein
sorgeberechtigten Elternteils dessen Nachnamen erhalten sollen, nicht anwendbar.
Vielmehr ist dem Gefüge der §§ 1616 ff. BGB und den Gesetzesmaterialien zu
entnehmen, dass die Namensänderung der sogenannten Scheidungshalbwaisen nicht
zivilrechtlich geregelt werden und damit weiterhin auf öffentlich-rechtlicher
Rechtsgrundlage möglich sein sollte.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Februar 2002 - 6 C 18/01 -, BVerwGE 116, 28 = NJW 2002,
2406 = Buchholz 402.10 § 3 NÄG Nr. 77.
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Nach § 3 Abs. 1 NÄG darf ein Familienname nur geändert werden, wenn ein wichtiger
Grund die Änderung rechtfertigt. Diese Voraussetzungen liegen vor, da die Änderung
das Wohl der Beigeladenen fördert und überwiegende Interessen an der Beibehaltung
seines Namens nicht bestehen.
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Zur Vermeidung von unnötigen Wiederholungen nimmt das Gericht auf die Gründe in
den angegriffenen Bescheiden sowie auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts
für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. August 2009 über den Antrag des Klägers
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe Bezug. An den dort aufgeführten Gründen hält
das Gericht nach erneuter, nicht nur summarischer Überprüfung der Sach- und
Rechtslage fest.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die
Beigeladenen haben einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit einem eigenen
Kostenrisiko ausgesetzt. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der
Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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