Urteil des VG Münster vom 17.10.2007

VG Münster: hundesteuer, rasse, satzung, stadt, halter, steuersatz, kreuzung, anknüpfung, bevölkerung, polizei

Verwaltungsgericht Münster, 9 K 2926/04
Datum:
17.10.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 2926/04
Leitsätze:
Mischlingshunde aus der Rasse "Rottweiler" dürfen entsprechend der
örtlichen Hundesteuersatzung als sogenannte gefährliche Hunde mit
einem erhöhten Hundesteuersatz belegt werden.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin ist Halterin von zwei Hunden, von denen einer ein Mischlingshund
(Kreuzung) aus der Rasse "Rottweiler" mit einer anderen Rasse ist. Mit
Abgabenbescheid vom 30. Januar 2004 setzte der Beklagte für das Jahr 2004 für diesen
Hund die Hundesteuer auf 432,00 Euro fest. Dabei legte er den erhöhten Steuersatz
nach § 2 Abs. 1 d) der Hundesteuersatzung der Stadt C. vom 6. September 2000 in
der Fassung der ersten (richtig: zweiten) Änderungssatzung vom 22. Dezember 2003
(Hundesteuersatzung - HuStS) für einen sogenannten gefährlichen Hund zugrunde,
während der Steuersatz im Übrigen je Hund nach § 2 Abs. 1 a) HuStS lediglich 54 Euro
beträgt.
2
Nach § 2 Abs. 2 S. 1 a) HuStS sind gefährliche Hunde solche Hunde, die auf
Angriffslust oder Kampfbereitschaft oder Schärfe oder andere in der Wirkung
gleichstehende Zuchtmerkmale gezüchtet werden oder die eine Ausbildung zum
Nachteil des Menschen, zum Schutzhund oder einer Abrichtung auf Zivilschärfe
begonnen oder abgeschlossen haben. § 2 Abs. 2 S. 1 b) bis d) HuStS führt weitere Fälle
eines im Einzelfall gefährlichen Hundes auf. Nach Satz 2 des § 2 Abs. 2 HuStS sind
gefährliche Hunde im Sinne der Vorschrift insbesondere Hunde der 14 Rassen
3
Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier, Bullterrier,
Alano, American Bulldog, Bullmastiff, Mastiff, Mastino Espanol, Mastino
Napoletano, Fila Brasileiro, Dogo Argentino, Rottweiler, Tosa Inu
4
sowie deren Kreuzungen untereinander sowie mit anderen Hunden. Die zuerst
genannten vier Hunderassen sind namentlich ebenfalls in § 3 Abs. 2 des
Hundegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - Landeshundegesetz (LHundG) -
vom 18. Dezember 2002 (GV NRW 656) aufgeführt, der die sogenannten gefährlichen
Hunde definiert. Die nachfolgend in Satz 2 des § 2 Abs. 2 HuStS erfassten 10
Hunderassen bezeichnet das Landeshundegesetz in § 10 Abs. 1 als "Hunde bestimmter
Rassen", deren Haltern Verpflichtungen entsprechend dem in § 1 des Gesetzes
genannten Zweck auferlegt sind.
5
Mit ihrem Widerspruch wandte sich die Klägerin gegen den für gefährliche Hunde
erhobenen erhöhten Steuersatz. Zur Begründung legte sie im wesentlichen dar: Nach §
3 LHundG seien "gefährliche Hunde" im Sinne des Gesetzes u. a. solche, die nach
namentlich genannten Rassen aufgeführt seien. Dazu gehöre die Rasse "Rottweiler"
nicht. Von dem von ihr gehaltenen Mischlingshund aus der Rasse "Rottweiler" gehe im
Übrigen keine Gefahr aus.
6
Mit Bescheid vom 24. August 2004 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zur
Begründung führte er aus: Mit der Änderungssatzung vom 22. Dezember 2003 habe er
die Hundesteuersatzung an das Landeshundegesetz angepasst. Neben den
ausdrücklich in § 3 Abs. 2 LHundG genannten 4 Rassen, die als gefährliche Hunde
aufgrund unwiderleglicher Vermutung gelten würden, bestimme nämlich § 10 LHundG
weitere 10 Hunderassen, denen ebenfalls ein erhöhtes Gefährdungspotential unterstellt
werde. Dazu gehöre auch der Rottweiler bzw. ein Mischlingshund aus dieser Rasse. In
der ordnungsrechtlichen Behandlung würden die Hunde dieser Rassen insbesondere
wegen ihrer Beißkraft und ihres genetisch bedingten Schutztriebes denjenigen nach § 3
Abs. 2 LHundG weitestgehend gleichgestellt.
7
Das Landeshundegesetz und die Hundesteuersatzung beträfen im Übrigen
unterschiedliche Gegenstände, nämlich einerseits das Ordnungsrecht und andererseits
das kommunale Steuerrecht. Mit der Steuersatzung dürfe auch eine ordnungspolitische
Zielsetzung und Lenkungsfunktion verfolgt werden. Als ein solcher außerfiskalischer
Zweck der Hundesteuer sei die allgemeine Eindämmung sogenannter gefährlicher
Hunde anerkannt. Mit Blick auf die den in der Hundesteuersatzung genannten
Hunderassen allgemein zugeschriebene Gefährlichkeit komme es nicht darauf an, ob
ein einzelner Hund dieser Rassen den Umständen nach individuell ungefährlich sei. Bei
der Aufzählung der gefährlichen Hunde in der Hundesteuersatzung habe die Stadt C.
demnach keine willkürliche Entscheidung getroffen. Das gelte auch für die Frage, ob
weitere Hunderassen als "gefährlich" in die Satzung aufzunehmen gewesen wären.
Einer weiteren Differenzierung habe es nicht bedurft.
8
Mit ihrer rechtzeitig erhobenen Klage trägt die Klägerin vor:
9
§ 2 Abs. 2 Satz 2 HuStS sei teilnichtig, soweit die Hunderasse "Rottweiler" bzw.
Kreuzungen mit dieser Rasse in die Liste der sogenannten gefährlichen Hunde mit der
einhergehenden Erhebung einer erhöhten Hundesteuer aufgenommen worden sei. Das
Gefährdungspotential dieser Hunderasse sei vom Satzungsgeber fehlerhaft beurteilt
worden. Dies folge zunächst aus der Systematik des Landeshundegesetzes, zu dem die
10
Hundesteuersatzung in Widerspruch stehe. Zu den "gefährlichen Hunden" gehörten
nach § 3 Abs. 2 LHundG nur die dort genannten 4 Rassen, während der Rottweiler zu
den "Hunden bestimmter Rassen" nach § 10 LHundG zähle. Die letztgenannte Gruppe
von Hunderassen unterliege aber deutlich geringeren Einschränkungen nach dem
Landeshundegesetz. Insbesondere gelte kein Zuchtverbot, womit der Gesetzgeber den
Fortbestand der sog. gefährlichen Hunde im Sinne des Landeshundegesetzes auf lange
Sicht verhindern wolle. Die Stadt C. habe in der Hundesteuersatzung damit nicht nur
nicht die Typisierungen des Landeshundegesetzes übernommen, sondern sogar
gegenüber diesem Gesetz eine Ausweitung durch Erfassung der in § 10 LHundG
benannten Hunderassen als gefährliche Hunde vorgenommen. Eigene Untersuchungen
zu dem Gefährdungspotential dieser Hunderassen - hier des Rottweiler - fehlten
hingegen. Der Einordnung des Rottweiler in die Kategorie gefährlicher Hunde
widerspreche, dass er allgemein als Gebrauchs- und Wachhund anerkannt und insoweit
privilegiert sei. Daher habe der Beklagte das Gefährdungspotential dieser Hunderasse
in tatsächlicher Hinsicht falsch beurteilt. Gerade bei der maßgeblichen Änderung der
Satzung im Dezember 2003 sei er aber gefordert gewesen, die bereits zuvor aufgestellte
Liste gefährlicher Hunderassen - zu denen der Rottweiler damals nicht gehörte - zu
überprüfen. Daran fehle es jedoch mit der einfachen Übernahme der in § 10 LHundG
genannten Rassen.
Der vom Beklagten behauptete und für die erhöhte Hundesteuer in Anspruch
genommene Lenkungszweck sei verfehlt. Die in der Hundesteuersatzung den
gefährlichen Hunden zugeordneten Rassen würden von den Hundehaltern nicht
bevorzugt und stellten im öffentlichen Leben die Ausnahme dar. Diese Rassen
dominierten eben nicht. Die durch die typisierende Regelung der Hundesteuersatzung
entstehende Ungerechtigkeit, nämlich die Gleichbehandlung von "gefährlichen" Hunden
nach § 3 Abs. 2 LHundG mit den Hunderassen nach § 10 LHundG, stehe daher nicht -
wie aber erforderlich - in einem angemessenen Verhältnis zu den steuerlichen Vorteilen
der Typisierung; die mangelnde Differenzierung sei damit nicht auf einen vernünftigen
Grund zurückzuführen, so dass die Stadt C. die ihr bei Erlass der Satzung
eingeräumte Gestaltungsfreiheit nicht sachgerecht ausgeübt habe. Angesichts des
verfehlten Lenkungszweckes der Hundesteuersatzung sei es geboten, echten Gefahren
mit den Mitteln des Ordnungsrechts zu begegnen. Eine erhöhte Hundesteuer sei nicht
geeignet, diejenigen einschlägigen Kreise, die dafür in Betracht kommende Hunde
unsachgemäß hielten und "scharf" machten, von der Anschaffung solcher Hunde
abzuhalten. Schließlich enthalte die Hundesteuersatzung nicht die Möglichkeit, einen
Entlastungsnachweis bezüglich der Gefährlichkeit des gehaltenen Hundes zu führen,
wie er für das Landeshundegesetz durch die Sachkundeprüfung für den Halter und den
Wesenstest für den Hund vorgesehen sei. Dadurch sei der
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt und die Satzung auch unter diesem
Gesichtspunkt rechtswidrig.
11
Die Klägerin beantragt,
12
den Hundesteuerbescheid vom 30. Januar 2004 des Beklagten in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2004 aufzuheben, soweit die
Hundesteuer für einen gefährlichen Hund in Höhe von 432 Euro erhoben wird.
13
Der Beklagte beantragt,
14
die Klage abzuweisen.
15
Er vertieft die Ausführung seines Widerspruchsbescheides und legt zusätzlich dar: Eine
Differenzierung zwischen den Rasselisten der §§ 3 bzw. 10 LHundG sei in der
Hundesteuersatzung nicht erforderlich gewesen, weil sie in steuerrechtlicher Hinsicht
nicht geboten sei. Im hier einschlägigen Abgabenrecht würden andere Maßstäbe als im
Ordnungsrecht gelten, welches das Recht der Gefahrenabwehr zum Inhalt habe.
Letzteres beziehe sich mit seiner Differenzierung auf eine aktuelle und konkrete
Gefahrenabwehr für gefährliche Hunde, während mit der erhöhten Hundesteuer alle
potentiell gefährlichen Hunde erfasst werden sollten. Nach dem Inhalt des
Landeshundegesetzes gehörten dazu auch die in § 10 LHundG aufgeführten
Hunderassen, die im Übrigen weitgehend den gleichen Regelungen wie den in § 3 Abs.
2 LHundG genannten Hunden unterworfen seien. Angesichts der dem steuerrechtlichen
Satzungsgeber zustehenden Gestaltungsfreiheit sei es diesem dann eingeräumt, ohne
weitere Differenzierung und ohne Verstoß gegen den aus Art. 3 Abs. 1 GG folgenden
Gleichheitsgrundsatz zu typisieren und zu pauschalieren. Der anerkannte
Lenkungszweck der Hundesteuer, die Gefahrenprävention, dürfe verfolgt werden, weil
die in der Hundesteuersatzung aufgezählten Hunderassen - wie bereits aus der
Begründung des Gesetzentwurfs zum Landeshundegesetz hervorgehe - potentiell
gefährlich seien. Es komme daher auch nicht darauf an, ob der einzelne Hund
ungefährlich sei. Ebenso sei es angesichts der Aufnahme des Rottweilers in die Liste
nach § 10 LHundG unbeachtlich, dass andere Hunderassen, wie etwa der von der
Klägerin genannte Deutsche Schäferhund, nicht dort aufgeführt sei, obwohl in der
Allgemeinheit für beide Hunderassen eine soziale Akzeptanz als Wach- und
Gebrauchshund vorhanden sei. Dass die Hundesteuersatzung bezüglich der Frage der
Gefährlichkeit eines Hundes keinen Entlastungsnachweis mit entsprechend niedrigerer
Steuerveranlagung vorsehe, verstoße nach der Rechtsprechung nicht gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zudem stoße es wegen der teilweisen
Unberechenbarkeit des tierischen Verhaltens auf objektive Schwierigkeiten, einen
Nachweis über die potentielle Gefährlichkeit eines Einzeltiers zu erheben.
16
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten
im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der vom Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorgänge (1 Heft) und zum Verfahren 9 K 2856/04 eingereichten
Satzungsakten (4 Hefte) Bezug genommen.
17
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18
Die als Anfechtungsklage gem. § 42 Abs. 1, 1. Variante VwGO zulässige Klage ist
unbegründet. Die angefochtene Steuerfestsetzung ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Die Hundesteuer für das
Kalenderjahr 2004 ist zutreffend festgesetzt worden.
19
Die Heranziehung der Klägerin zur erhöhten Hundesteuer für ihren Mischlingshund aus
der Rasse "Rottweiler" ist rechtmäßig.
20
Rechtsgrundlage ist die Hundesteuersatzung der Stadt C. vom 6. September 2000 in
der Fassung der (richtig) zweiten Änderungssatzung vom 22. Dezember 2003. Die
Satzung ist aufgrund der Ermächtigung des § 7 der Gemeindeordnung NRW erlassen
worden und steht im Einklang mit Art. 105 Abs. 2 a GG, da es sich bei der Hundesteuer
um eine zulässige örtliche Aufwandsteuer handelt.
21
Vgl. BVerwG Urteil vom 19. Januar 2000 - 11 C 8.99 -, BVerwGE 110, 265. 268.
22
§ 2 Abs. 2 S. 2 HuStS ist rechtmäßige Grundlage der konkreten Heranziehung zur - im
Verhältnis zu § 2 Abs. 1 a) HuStS - nach § 2 Abs. 1 d) HuStS erhöhten Hundesteuer für
den gehaltenen Mischlingshund (Kreuzung) aus der Rasse "Rottweiler".
23
§ 2 Abs. 2 S. 2 HuStS sieht vor, dass gefährliche Hunde neben den dort ausdrücklich
genannten Rassen auch "deren Kreuzungen untereinander sowie mit anderen Hunden"
sind. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass unter dem Begriff "Kreuzung" jeder
Mischlingshund zu verstehen ist, in dem sich Anteile der - wie hier - besonders in der
Hundesteuersatzung angeführten Hunderassen finden, und er daher mit dem sich aus
Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes ergebenden Bestimmtheitsgebot vereinbar ist.
24
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Dezember 2004 - 10 B 21.04 - , NVwZ 2005,
598 ff. = KStZ 2005, 113 ff.; OVG NRW, Urteil vom 17. Juni 2004 - 14 A 953/02 -,
ZKF 2004, 259 ff. = EStT NW 2005, 27 ff.
25
Da der Mischlingshund der Klägerin eine Kreuzung mit der in § 2 Abs. 2 S. 2 HuStS
ausdrücklich aufgeführten Hunderasse "Rottweiler" ist, unterfällt seine Haltung dem
erhöhten Steuersatz für "gefährliche" Hunde. Gegen die Wirksamkeit im Übrigen dieses
erhöhten Steuersatzes bestehen keine Bedenken.
26
Mit der Hundesteuer als örtliche Aufwandsteuer im Sinne des § 3 des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) darf die
Gemeinde unter anderem auch das Ziel verfolgen, in ihrem Gebiet generell und
langfristig das Halten solcher Hunde zurückzudrängen, die aufgrund ihrer durch
Züchtung geschaffenen typischen Eigenschaften in besonderer Weise die Eignung
aufweisen, ein gefährliches Verhalten zu entwickeln, sei es auch erst nach Hinzutreten
anderer Faktoren.
27
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2000 - 11 C 8.99 -, a.a.O.
28
Die Anknüpfung in einer gesetzlichen oder satzungsrechtlichen Vorschrift an Rassen
bezüglich der Gefährlichkeit eines Hundes ist ebenfalls grundsätzlich nicht zu
beanstanden.
29
Vgl. BVerfG, Urteil vom 16. März 2004 - 1 BvR 1778/01 -, BVerfGE, 110, 141 ff.
30
Dabei bestehen hinsichtlich der in § 3 Abs. 2 LHundG genannten Rassen keine Zweifel,
dass diese Hunde mit Blick auf die Bestätigung in dem vorgenannten Urteil des
Bundesverfassungsgerichts in ordnungs- und steuerrechtlichen Regelungen den
Hunderassen mit erhöhtem Gefährdungspotenzial zuzuordnen sind.
31
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2005 - 10 B 35.05 -, Juris; siehe auch
Beschluss vom 28. Juli 2005 - 10 B 34.05 -, NVwZ 2005, 1325 = KStZ 2006, 32
ff.
32
Nach Maßgabe der vorstehend zitierten Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts darf der örtliche Steuersatzungsgeber, der sich mit
Lenkungsabsicht entscheidet, erhöhte Steuersätze für solche Hunde einzuführen, die
nach den Vorgaben des LHundG gefährlich sind und damit einer vom Landesrecht
33
vorgegebenen Typisierung folgt, solche Regelungen (eines anderen Normgebers) in
seinen Normtext übernehmen, wenn er sich den Wertungen der übernommenen
Normierungen anschließen will.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 2005 - 10 B 34.05 und 10 B 35.05 -
a.a.O.
34
Die Aufnahme auch der in § 10 Abs. 1 LHundG bestimmten Hunderassen als
"gefährliche Hunde" bietet insoweit keinen Anlass, einen Verstoß des Satzungsgebers
gegen die Systematik des Landeshundeshundegesetzes anzunehmen. Zutreffend
verweist der Beklagte darauf, dass sich die Verpflichtungen, die den Haltern von
Hunden sowohl der Rasseliste des § 3 Abs. 2 als auch derjenigen des § 10 Abs. 1
LHundG jeweiligen Rasseliste auferlegt sind, jeweils nur in geringem Maße
unterscheiden, so dass es gerechtfertigt ist, diese Hunde unterschiedslos als
"gefährliche Hunde" dem erhöhten Steuersatz zu unterwerfen. Denn für die Haltung der
Hunde der Rasseliste des § 10 LHundG gelten grundsätzlich die gleichen
Anforderungen wie für "gefährliche Hunde" nach § 3 Abs. 2 LHundG. Modifikationen
bestehen lediglich insoweit, als für die Haltung der erstgenannten Hunde kein
Zuchtverbot (§ 9 LHundG) gilt, kein besonderes Interesse für die Haltung erforderlich ist
(§ 4 Abs. 2 LHundG) und die Verhaltensprüfung (§ 5 Abs. 3 S.3 LHundG) wie auch die
Sachkundebescheinigung (§ 6 LHundG) nicht ausschließlich von Tierärzten, sondern
auch von anderen anerkannten Stellen erbracht werden kann (vgl. § 10 Abs. 2 und 3
LHundG). Im Übrigen unterliegen allerdings die Halter der in beiden Rasselisten
genannten Hunde der Pflicht, zur Haltung des Hundes eine behördliche Erlaubnis (§ 4
Abs. 1 S. 1 LHundG) einzuholen und dabei die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 2
LHundG (u. a. Mindestalter des Halters, sichere Unterbringung des Tieres,
Haftpflichtversicherung und fälschungssichere Kennzeichnung des Hundes) erfüllen zu
müssen. Ebenfalls gelten die besonderen Haltungsverpflichtungen (§ 5 LHundG) und
Zuverlässigkeitsanforderungen an den Halter (§ 7 LHundG) wie bei den Hunden der
Rasseliste des § 3 Abs. 2 LHundG. Schließlich haben die Halter von Hunden beider
Rasselisten besondere Anzeige- und Mitteilungspflichten bei Erwerb wie aber auch bei
Abgabe des Hundes.
35
Dagegen ist der Rottweiler bzw. ein Rottweilermischling nicht in die Kategorie der bloß
"großen" Hunde nach § 11 LHundG zu rechnen. Denn den Haltern dieser Hunde - dies
sind Hunde mit entweder einer Widerristhöhe von 40 cm oder einem Gewicht von 20
Kilo (§ 11 LHundG - sog. 20/40-Hund) -, zu denen ein Rottweiler den Körpermaßen
nach regelmäßig zählen würde, sind im Verhältnis zu den oben benannten
"gefährlichen" Hunden und Hunden "bestimmter" Rassen deutlich weniger
einschneidende und belastende Pflichten auferlegt. Insbesondere fallen die
Erlaubnispflicht (§ 5 LHundG) sowie die Anzeige- und Mitteilungspflichten des § 8
LHundG weg. Solche Hunde zählen demgemäß nach der Hundesteuersatzung auch
nicht allgemein zu den "gefährlichen" Hunden.
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Die Gesamtschau der gesetzlichen Bestimmungen des Landeshundegesetzes zeigt
mithin auf, dass der Gesetzgeber im Landeshundegesetz Hunde der Rasselisten der §§
3 Abs. 2 und 10 Abs. 1 LHundG weitgehend gleich behandelt und angesichts der deren
Haltern auferlegten Pflichten ferner ein vergleichbares Gefahrenpotential voraussetzt,
das von diesen Hunden im deutlichen Unterschied zu Verpflichtungen bei der Haltung
sog. großer Hunde ausgeht. Damit ist es weder sachwidrig noch verstößt es gegen den
Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit, wenn der Rat der Stadt C. sowohl
37
die Hunde aus der Rasseliste nach § 3 Abs. 2 wie auch die Hunderasse "Rottweiler"
aus der Liste nach § 10 Abs. 1 LHundG hundesteuerlich gleich behandelt. Denn damit
legt die Hundesteuersatzung angesichts der vom Satzungsgeber als vergleichbar
erkannten Gefährlichkeit der in § 3 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 LHundG genannten
Hunderassen beanstandungsfrei den unterschiedslos gleichen mit der
Hundesteuersatzung verfolgten Lenkungszweck zugrunde. Dem von der Klägerin
hervorgehobenen Gesichtspunkt, der Beklagte habe gegenüber der Typisierung des
Landeshundesgesetzes mit der Aufnahme auch der Hunde der Rasseliste des § 10 Abs.
1 LHundG in die Satzung eine Erweiterung des Begriffs der "gefährlichen" Hunde
vorgenommen, trifft danach nur in höchst eingeschränktem Maße zu. Insoweit ist aber
anerkannt, dass dem kommunalen Steuersatzungsgeber ein beträchtlicher
Einschätzungs- und Prognosespielraum bei der Auswahl der als gefährlich
eingeschätzten Hunde zusteht
BVerwG, Urteil vom 16. März 2004 a.a.O.
38
und dass er hinsichtlich der Typisierungen und Pauschalierungen über eine
weitgehende Gestaltungsfreiheit verfügt.
39
Vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2000 - 11 C 8.99 -, BVerwGE 110, 265 ff.
40
Da für alle der in § 2 Abs. 2 S. 1 der Hundesteuersatzung genannten Hunderassen eine
Befreiung oder Ermäßigung von der erhöhten Hundesteuer nicht vorgesehen ist (vgl. § 3
Abs. 3 und § 4 Abs. 3 HuStS), ist auch unter diesem Gesichtspunkt ein Verstoß gegen
den Grundsatz der steuerlichen Belastungsgleichheit nicht ersichtlich.
41
Auch in der Sache ist es nicht zu beanstanden, dass die Stadt C. die oben genannten
Regelungen des Landeshundegesetzes mit ihrer Hundesteuersatzung übernommen
hat. Der Satzungsgeber braucht die der übernommenen Regelung zugrundeliegenden
Erkenntnisse und Tatsachen nicht notwendig selbst neu zu erheben und auf ihre
sachliche Richtigkeit zu überprüfen, sofern es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass sie
offensichtlich falsch sind. Insbesondere verlangt nicht der allgemeine Gleichheitssatz,
dass jede Gemeinde komplexe und oftmals strittige Tatsachenfragen zum
Gefährdungspotenzial bestimmter Hunderassen je für sich selbst erheben muss, bevor
sie eine hierauf gestützte steuerrechtliche Regelung erlassen darf. Es dient im Gegenteil
der Rechtssicherheit und ist im hohem Maße verfahrensökonomisch, wenn die
Gemeinden sich hierzu der Erkenntnisse des Normgebers auf Landesebene bedienen,
sofern sie davon ausgehen können, dass die der dortigen normativen Konzeption
zugrundeliegenden Annahmen - dort für den ordnungsrechtlichen Umgang mit
gefährlichen Hunden - auch für ihren Regelungszweck - der steuerrechtlichen Lenkung
der Population gefährlicher Hunde - nutzbar gemacht werden können. Ist dies der Fall,
sind die Gemeinden auch nicht gehindert, auf dieser Grundlage vorgenommene
normative Wertungen des Landesgesetzgebers in ihren eigenen Rechtssetzungswillen
aufzunehmen.
42
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 28. Juli 2005 - 10 B 34.05 und 10 B 35.05 -
a.a.O.
43
In Anbetracht dessen ist der als unwiderlegliche Vermutung ausgestaltete
Steuertatbestand für "gefährliche Hunde" nach Maßgabe der in der Hundesteuersatzung
enthaltenen Rasseliste unter Einschließung der Hunderasse "Rottweiler" und
44
Kreuzungen mit dieser Rasse nicht zu beanstanden. Denn nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts zur erhöhten Besteuerung von sogenannten
Kampfhunden in seinem Urteil vom 19. Januar 2000
11 C 8.99 - BVerwGE 110, 265 ff.
45
verfolgt der Hundesteuersatzungsgeber nicht in erster Linie oder gar ausschließlich
einen im engeren Sinne "polizeilichen" Zweck der aktuellen konkreten Gefahrenabwehr,
sondern - wie bereits erwähnt - den Zweck, ganz generell und langfristig im
Gemeindegebiet die Population solcher Hunde zurückzudrängen, die aufgrund
bestimmter Züchtungsmerkmale in besonderer Weise eine "potenzielle Gefährlichkeit"
aufweisen. Da aus der nur potenziellen Gefährlichkeit bei Hinzutreten anderer Faktoren
jederzeit eine akute Gefährlichkeit erwachsen könne, sei es sachgerecht, "bereits an
dem abstrakten Gefahrenpotenzial anzuknüpfen".
46
So BVerwG zur Hundesteuer in seinem erläuternden Beschluss vom 10.
Oktober 2001 - BVerwG 9 BN 2.01 - Buchholz 401.65 Hundesteuer Nr. 7 S. 12 f.
= NVwZ-RR 2002, 140 f.
47
Soweit der - für das Polizei- und Ordnungsrecht zuständige - 6. Senat des
Bundesverwaltungsgerichts mit seinem Urteil vom 3. Juli 2002
48
vgl. Urteil vom 3. Juli 2002 - 6 CN 8.01 - BVerwGE 116, 347 ff.
49
seinerzeit die Niedersächsische Gefahrtierverordnung für nichtig erklärt hat, hat er
ausdrücklich verdeutlicht, die vorstehende Beurteilung des 11. Senats des
Bundesverwaltungsgerichts zu teilen. In seinem Urteil vom 3. Juli 2002 a.a.O. hat das
Bundesverwaltungsgericht daher auch seine Entscheidung darauf gestützt, das
allgemeine Gefahrenabwehrrecht erlaube keine Maßnahmen eines
Verordnungs
Regelungen gehörten zur Gefahrenvorsorge und bedürften - anders als im
Kommunalsteuerrecht und angesichts des dem kommunalen Satzungsgeber dort
eingeräumten anderen sowie größeren normativen Gestaltungsspielraumes - einer
gesetzlichen
50
Diesen Vorgaben der Rechtsprechung entspricht § 2 Abs. 2 S. 2 i. V. m. S. 1 der
Hundesteuersatzung der Stadt C. . Da entsprechend der zitierten Rechtsprechung
der erhöhte Steuersatz nicht an die Gefährlichkeit einzelner Hundeindividuen anknüpft,
sondern an eine rassebedingte potenzielle Gefahrenlage, ist die Zuordnung der
Hunderasse "Rottweiler" in § 2 Abs. 2 S. 2 HuStS zur Gruppe der gefährlichen Hunde
beanstandungsfrei. Denn diese entspricht inhaltlich den Rasselisten der
landesgesetzlichen Vorgaben der §§ 3 Abs. 2 und 10 Abs. 1 LHundG. Speziell die
Aufnahme der Hunderasse "Rottweiler" in diese Liste lässt - anders als die Klägerin
vorträgt - eine (Teil-) Nichtigkeit der Satzung nicht erkennen. Angesichts des dem
kommunalen Steuersatzungsgeber zustehenden beträchtlichen Einschätzungs- und
Prognosespielraums bei der Auswahl der als abstrakt gefährlich eingeschätzten Hunde
51
BVerwG, Urteil vom 16. März 2004 a.a.O.
52
und des Umstandes, dass er hinsichtlich der Typisierungen und Pauschalierungen über
eine weitgehende Gestaltungsfreiheit verfügt
53
vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Januar 2000 - 11 C 8.99 -, a.a.O.,
54
hat der Beklagte im konkreten Fall diesen Einschätzungs- und Prognosespielraum
eingehalten. Zwar bedarf es unter Beachtung des eröffneten Spielraums einer
ermessensgerechten Entscheidung des Satzungsgebers über die Aufnahme der
jeweiligen Rassen in die Satzung, für die eine hinreichende tatsächliche Grundlage
Voraussetzung ist.
55
Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2005 - 10 B 34.05 -, a.a.O.; OVG
NRW, Urteil vom 22. Mai 2006 - 14 A 1819/03 -, NVwZ - RR 2007, 56 f.
56
Eine solche ermessensgerechte Entscheidung hat der Rat der Stadt C. jedoch
getroffen. Dabei ist hervorzuheben, dass der Rat mit den Rasselisten der §§ 3 Abs. 2
und 10 Abs. 1 LHundG gesetzliche und nicht etwa auf einer lediglich
verordnungsrechtlichen Vorgabe beruhende Vorschriften in sein kommunales
Satzungsrecht aufgenommen hat. Insofern unterscheidet sich die rechtliche
Konstellation insbesondere von derjenigen, wie sie noch dem Beschluss des
Bundesverwaltungsgerichts vom 28. Juli 2005
57
- 10 B 34.05 -, a.a.O.; nachgehend OVG NRW, Urteil vom 22. Mai 2006 -14 A
1819/03 -, NVwZ-RR 2007, 56 f.
58
zugrunde gelegen hat und in der seinerzeit von einem Abwägungsdefizit des
Verordnungsgebers (und damit des Satzungsgebers) bezüglich der Frage der
Gefährlichkeit einer dort in die Rasseliste einer Hundesteuersatzung als gefährliche
Hunde aufgenommenen Hunderasse ausgegangen werden musste. Während
Grundlage der übernommenen Rasselisten damals die Anlagen 1 und 2 der
Landeshundeverordnung vom 30. Juni 2000 (GV NRW S. 518 b) - LHV - waren, einer
allgemeinen ordnungsbehördlichen Verordnung zur Gefahrenabwehr, steht vorliegend
nämlich die Anknüpfung an eine mit hervorgehobenem Geltungsanspruch ausgestattete
gesetzgeberische Entscheidung, das Landeshundegesetz, in Rede, die durch das
Gesetzgebungsverfahren unter Einbindung eines besonderen Sachverstandes geprägt
ist, das der Satzungsgeber als Tatsachengrundlage inzident ebenfalls zugrundelegt:
59
Für die Aufnahme u. a. der Hunderasse "Rottweiler" in die Rasseliste des § 10 LHundG
war ausweislich des Gesetzentwurfes der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis
90/die Grünen vom 11. März 2002 (LT-Drs. 13/2387) maßgeblich, dass die dort
genannten Hunderassen rassespezifische Merkmale aufweisen, die ein besonderes
Gefährdungspotenzial begründen und die unter präventiven Gesichtspunkten
besondere Anforderungen an den Umgang mit diesen Hunden erfordern. Dazu werden
beispielsweise niedrige Beißhemmung, herabgesetzte Empfindlichkeit gegen Angriffe,
Kampfinstinkt oder ein genetisch bedingter Schutztrieb genannt (Seite 29 der
Drucksache). Grundlage der gesetzlichen Entscheidung, die Hunderassen
einschließlich des Rottweiler in § 10 LHundG aufzunehmen, war neben allem anderen
auch eine - wenn auch nicht lückenlose - landesweite Abfrage für das Jahr 2001 über
registrierte Vorkommnisse mit Hunden in Nordrhein-Westfalen (vgl. Antwort der
Landesregierung auf die Kleine Anfrage 1275 des Abgeordneten Dr. Stefan M. Grühl -
Drucks. 13/3891 vom 18. Juni 2003), in der unter anderem die Rasse Rottweiler mit 76
Vorfällen genannt wird, in der ein Mensch durch einen Hund dieser Rasse verletzt
wurde.
60
Beleg für die Einbindung besonderen Sachverstandes und die Einbeziehung (weiterer)
tatsächlicher Grundlagen in das Gesetzgebungsverfahren ist vornehmlich jedoch die
umfangreiche Behandlung der Frage der Aufnahme von Rasselisten in das
Landeshundegesetz überhaupt und der Einfügung bestimmter Rassen in diese Listen in
den die gesetzgeberische Entscheidung vorbereitenden Sitzungen der Ausschüsse, in
die der Gesetzentwurf nach der 1. Lesung am 22. März 2002 im Landtag verwiesen
worden war.
61
In der maßgeblichen öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Ernährung,
Landwirtschaft, Forsten und Naturschutz am 19 April 2002 (Ausschussprotokoll 13/562)
wurden unter Beteiligung geladener Sachverständiger und Vertreter einschlägiger
Spitzenverbände, die sich bereits zuvor schriftlich geäußert hatten, diese Fragen
kontrovers diskutiert (vgl. Ausschussprotokoll 13/562, Seite 30 ff.) und die zahlreichen
Zuschriften verwertet. Dabei wurde allerdings unter Verwendung weiteren Materials
auch hervorgehoben (Öffentlich bestellter Sachverständiger im Hundewesen Franz
Breitsamer), dass es aufgrund Jahrtausende langer Domestikation und gezielter Zucht
disponierte Hunderassen gibt, die eher als andere Rassen zur Aggressivität neigen
und/oder aufgrund ihrer Größe, ihres Gewichts und ihrer Beißkraft für den Menschen
oder ein Tier besonders gefährlich werden können. Dazu zählt der Sachverständige
ebenfalls Gebrauchshunde und nennt insoweit die Hunderasse "Rottweiler" (S. 38, 39
des Ausschussprotokolls).
62
Auch in der 3. Lesung des Gesetzentwurfs im Landtag am 18, Dezember 2002 war die
Frage der Aufnahme der Hunderasse "Rottweiler" Gegenstand der parlamentarischen
Debatte. In diesem Zusammenhang verwies die Ministerin für Umwelt und Naturschutz,
Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Plenarprotokoll 13/79, Seiten 8010und 8011)
darauf, dass Rottweiler die Beißstatistiken anführten und deshalb diese Hunderasse auf
die Rasseliste des § 10 LHundG gesetzt und mit Auflagen belegt worden sei.
63
Wenn sich der Gesetzgeber auf dieser Grundlage für die Aufnahme von Rasselisten mit
Einbeziehung - u. a. - der Hunderasse Rottweiler in das Landeshundegesetz
entschieden hat, hat er damit - anders als bei der vom Bundesverwaltungsgericht in
seinem Beschluss vom 28. Juli 2005 - 10 B 34.05 - a.a.O. (vgl. dazu das nachgehende
Urteil des OVG NRW vom 22. Mai 2006 -14 A 1819/03 - a.a.O.). behandelten Sachlage -
eine Ermessensentscheidung auf tragfähiger Tatsachengrundlage getroffen.
Anschließend daran durfte daher der Rat der gesetzgeberischen Wertung, wie sie mit
der Aufnahme der Hunderasse "Rottweiler" einschließlich ihrer Kreuzungen in die
Rasseliste des Landeshundegesetzes erfolgt ist, bei seiner eigenen Entschließung als
örtlicher Steuersatzungsgeber wesentliches Gewicht beimessen.
64
Das gilt desto mehr, als der Rat der Stadt C. selbst als Satzungsgeber eigene
Vorstellungen hinsichtlich der Aufnahme der Rassen aus der Liste des § 10 LHundG in
die Hundesteuersatzung eingebracht und entsprechende Überlegungen angestellt hat.
In der Vorlage für die Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 9. Dezember
2003 zur Vorbereitung der (zweiten) Änderung der Hundesteuersatzung wird ausgeführt,
dass mit dem erhöhten Steuersatz für gefährliche Hunde bisher u. a. nicht Halter von
Hunden dieser Rasseliste belastet werden konnten, weil die dort genannten Rassen
nicht in den Listen der inzwischen außer Kraft getretenen Landeshundeverordnung
genannt gewesen seien. Nunmehr würden in der Liste des § 10 LHundG Hunderassen
aufgeführt - darunter die Hunderasse Rottweiler -, denen wie den Hunden der Rasse
65
des zu § 3 LHundG ebenfalls ein erhöhtes Gefährdungspotenzial unterstellt werde.
Weiter heißt es in der Vorlage:
"Diese Hunde werden den unwiderleglich als gefährlich eingestuften Rassen in
der ordnungsrechtlichen Behandlung weitestgehend gleichgestellt. Hier ist von
Bedeutung, dass die Hunde dieser Rassen wegen ihrer besonderen
Eigenschaften, insbesondere wegen ihrer Beißkraft oder ihres genetisch
bedingten Schutztriebes, als potentielle Gefahr für Mensch und Tier eingestuft
und durch das Landeshundegesetz größtenteils den gleichen strengen
Verhaltensanforderungen unterworfen sind wie die gefährlichen Hunde nach § 3
Abs. 2 Satz 1 des Landeshundegesetzes, die unwiderleglich als gefährlich
gelten."
66
Mit Blick darauf hat der Beklagte auch eigene tragfähige und nachvollziehbare
Erwägungen zur Aufnahme der Rasse Rottweiler in die Rasseliste seiner
Hundesteuersatzung angestellt.
67
Angesichts des dem Steuersatzungsgeber - wie bereits erwähnt - zustehenden weiten
Spielraums ist eine Anknüpfung an die Rasseliste des § 10 LHundG in Verbindung mit
solchen Vorgaben nicht zu beanstanden. Das gilt auch, soweit - insofern entsprechend
der Bestimmung des § 22 LHundG, die eine Überprüfung der Auswirkungen des
Gesetzes nach einem Erfahrungszeitraum von 5 Jahren vorsieht - ebenfalls der
steuerrechtliche Satzungsgeber gehalten sein mag, die erlassene Regelung gleichsam
"unter Kontrolle zu halten", indem er sowohl die Auswirkungen der Regelung als auch
den Erkenntnisfortschritt in tatsächlicher Hinsicht beobachtet und daraus
gegebenenfalls die erforderlichen Konsequenzen zieht. Denn insoweit kann er sich
etwaigen Reaktionen des anderen Normgebers - hier des Gesetzgebers des
Landeshundegesetzes - auf mögliche neuere Erkenntnisse und Entwicklungen
anschließen.
68
Vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 28. Juli 2005 - 10 B 35.05 -, a. a. O.
69
Gemessen daran ist jedoch festzustellen, dass nach den Auswertungen der Berichte
über in Nordrhein-Westfalen behördlich erfasste Hunde in den Jahren 2003 bis 2006
einschließlich (sog. Beißstatistik) die Rasse Rottweiler - bezogen auf v. H. der jährlich
gemeldeten Population dieser Rasse - bei Beißvorfällen mit Verletzungen am
Menschen regelmäßig im oberen Drittel der auffällig gewordenen Hunderassen der
Listen des § 3 Abs. 2 wie aber auch § 10 Abs. 1 LHundG vorzufinden ist. Auch dieser
Umstand belegt - rückschauend - die Sachgerechtigkeit der Listung der Hunderasse
Rottweiler als "gefährlicher Hund" in der Hundesteuersatzung.
70
Danach kann von einer generellen Ungefährlichkeit von Hunden der Rasse Rottweiler
nicht ausgegangen werden. Aufgrund der vorgenannten Erkenntnisse ist vielmehr -
umgekehrt - ein hinreichend hohes abstraktes Gefahrenpotential bei dieser Hunderasse
nachgewiesen, das eine Aufnahme in die Rasseliste des § 2 Abs. 2 S. 2 HuStS
rechtfertigt.
71
Das gilt auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin vorgetragenen Einwands, der
Rottweiler sei allgemein als Gebrauchs- und Wachhund anerkannt und insoweit
privilegiert. Daher habe der Beklagte das Gefährdungspotential dieser Hunderasse in
tatsächlicher Hinsicht falsch beurteilt. Zwar trifft es zu - worauf die Klägerin ebenfalls
72
verweist - , dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 19. Januar 2000 -
11 C 8.99 - a.a.O. zu einer Hundesteuersatzung, in der u.a. der Rottweiler nicht als
gefährlicher Hund (Kampfhund) genannt ist, folgendermaßen formuliert hat:
"Dass auch andere Züchtungen Hunderassen hervorgebracht haben, die mit einem
nicht zu unterschätzenden Aggressionspotential ausgestattet sind, hat der
Satzungsgeber rechtsfehlerfrei dadurch berücksichtigt, dass er sonstige gefährliche
Hunde über § 4 Abs. 3 Satz 1 HStS ebenfalls mit einer erhöhten Hundesteuer
belegt. Dass diese Rassen nicht ausnahmslos als Kampfhunde erfasst sind, ist
eine Privilegierung, die sachgerechte Gründe hat. Zugunsten der Halter dieser
Hunde wirkt sich die größere soziale Akzeptanz aus, die sog. Wach- und
Gebrauchshunde in der Bevölkerung genießen. Dieses positive "Vorurteil" ist auch
nicht völlig unberechtigt. Die Bevölkerung ist mit diesen Hunden vertraut und billigt
deren Verwendung bei der Polizei und anderen Ordnungsdiensten sowie als
Wach-, Such- und Blindenhunde. Bei Züchtern und Haltern dieser Hunde besteht
zudem eine größere Erfahrung bezüglich der Eigenschaften dieser Hunde, deren
Gefährlichkeit dadurch eher beherrschbar erscheint (vgl. BayVerfGH, a.a.O., S.
81)."
73
Der daraus von der Klägerin gezogene Schluss, die Hunderasse "Rottweiler" - ihre
Verwendung als Gebrauchs- und Wachhunde hier vorausgesetzt - dürfe daher nicht in
die Liste der "gefährlichen Hunde" der Hundesteuersatzung aufgenommen werden, trifft
allerdings nicht zu. Vielmehr macht das Bundesverwaltungsgericht hier deutlich, dass
trotz Vorliegens der Eigenschaft "gefährlicher Hund" der Satzungsgeber mit solchen
sachgerechten Gründen eine Ausnahme von der erhöhten Besteuerung vorgenehmen
kann und eine dadurch betroffene Hunderasse zulässigerweise nicht in die Rasseliste
aufnimmt. Eine Verpflichtung, dermaßen vorzugehen, besteht jedoch nicht, zumal -
worauf das Bundesverwaltungsgericht im darauf folgenden Absatz des zitierten Urteils
in anderem Zusammenhang hinweist - bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen
die Aufnahme oder Nichtaufnahme einer bestimmten Hunderasse in die Rasseliste
durch die dem Satzungsgeber zustehende Gestaltungsfreiheit gedeckt ist. Das gilt
vorliegend desto mehr, als für alle der in § 2 Abs. 2 S. 1 der Hundesteuersatzung
genannten Hunderassen - und damit auch für den Rottweiler - eine Befreiung oder
Ermäßigung von der erhöhten Hundesteuer nicht vorgesehen ist (vgl. § 3 Abs. 3 und § 4
Abs. 3 HuStS).
74
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist es nicht unverhältnismäßig, dass die
Hundesteuersatzung keinen Entlastungsnachweis bezüglich der Gefährlichkeit des
gehaltenen Hundes vorsieht. Der anerkannte Lenkungszweck der erhöhten Steuer, die
Population von Hunden, die als potenziell gefährlich eingeschätzten Rassen
angehören, im Gemeindegebiet generell zurückzudrängen, zielt mit den potentiellen
Haltern solcher Hunde von vornherein auf einen deutlich größeren Adressatenkreis als
die nach dem Landeshundegesetz bestehende gefahrenabwehrrechtliche Pflicht zur
Eignungsprüfung und zum Wesenstest. Diese Pflicht trifft nämlich nur die Halter, die sich
ungeachtet der erhöhten Besteuerung zur Anschaffung eines nach Maßgabe der
Rasseliste als gefährlich vermuteten Hundes entschlossen haben. Hierin werden
zugleich die Lenkungsfunktion der erhöhten Hundesteuer und ihr Zusammenspiel mit
dem Recht der Gefahrenabwehr deutlich. Die erhöhte Steuer soll die Zahl der nach ihrer
Rasse als gefährlich geltenden Hunde im Gemeindegebiet minimieren. Es liegt im
Wesen jeder Verhaltenslenkung durch Besteuerung, dass es dem Adressaten von
Gesetzes wegen frei steht, sich unter Inkaufnahme der erhöhten Steuer gegen deren
75
Lenkungszweck zu entscheiden und einen nach Maßgabe der Rasseliste der
Hundesteuersatzung gefährlichen Hund zu halten. Tut er dies, greift das Recht der
Gefahrenabwehr mit dem Erlaubnisvorbehalt und den Geboten des Zuverlässigkeits-
und Sachkundenachweises für den Halter sowie des Wesenstests für den Hund. An der
Verwirklichung des Steuertatbestandes ändert es indessen nichts, wenn der Halter die
erforderlichen Nachweise erbringt und der Hund den Wesenstest besteht. Entginge der
Halter in diesem Fall der erhöhten Besteuerung, verlöre die Steuer ihre generelle
Lenkungswirkung. Die Begrenzung der Zahl der nach Rassemerkmalen als gefährlich
vermuteten Hunde würde nur mit dem ordnungsrechtlichen Instrumentarium erfolgen
können, das jedenfalls mit seinem Erlaubnisverfahren für das Halten gefährlicher Hunde
hierauf aber nicht abzielt
BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 2005 - 10 B 22.05 -, NVwZ - RR 2005, 844
[845]; HessVGH, Urteil vom 6. Dezember 2006 - 5 UE 3545/04 -, ZKF 2007, 92 f.
= KStZ 2007, 109 ff..
76
Mit Blick darauf kann auch die von der Klägerin behauptete Verfehlung des
Lenkungszwecks der erhöhten Hundesteuer nicht erkannt werden, zumal nicht erwartet
werden kann und wird, dass mit diesem Instrument das Halten gefährlicher Hunde
vollständig zum Erliegen gebracht wird. Insoweit greift dann - wie vorstehend bereits
ausgeführt - neben dem Steuerrecht das Ordnungsrecht ein.
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Auch im Übrigen sind zur Unwirksamkeit der Satzung führende Gesichtspunkte nicht
erkennbar. Die Steuer für gefährliche Hunde hat keine erdrosselnde Wirkung und stellt
damit auch kein mittelbares Verbot der Haltung der in der Satzung als gefährlich
bezeichneten Hunde dar. Davon wäre nur auszugehen, wenn die Hundehalter in aller
Regel und nicht nur in Ausnahmefällen durch den erhöhten Steuersatz wirtschaftlich an
der Haltung eines Hundes gehindert wären.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Januar 1998 - 8 B 228/97 -, NVwZ - RR 1998,
672, für die Spielautomatensteuer; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 26.
November 2002 - 6 C 10609/02. OVG -, KStZ 2003, 56, 57 f.
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Angesichts eines jährlich um 378 Euro höheren Betrages im Vergleich zur Steuer für
sonstige Hunde bzw. um 31,50 Euro monatlich erhöhten Betrages ist nicht davon
auszugehen, dass die höhere Hundesteuer in der Regel die Haltung der als gefährlich
eingestuften Hunde hindert. Der Steuersatz mag geeignet sein, jemanden davon
abzuhalten, einen solchen "gefährlichen Hund" zu halten. Wenn dieser Fall eintritt,
erfüllt die Satzung jedoch gerade ihren Lenkungszweck. Demjenigen, der sich dennoch
entscheidet, einen solchen Hund zu halten, wird dies aber nicht wegen der zusätzlichen
steuerlichen Belastung unmöglich gemacht.
80
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
81
Gründe für eine Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 1 VwGO durch das
Verwaltungsgericht sind nicht ersichtlich.
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