Urteil des VG Münster vom 25.11.2009

VG Münster (kläger, steuerfreie einkünfte, einkünfte, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, england, einkommen, gemeinde, festsetzung, höhe, leistungsfähigkeit)

Verwaltungsgericht Münster, 3 K 2014/08
Datum:
25.11.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
3 K 2014/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Kläger
dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Elternbeiträgen für die
Kindergartenjahre 2006/2007 und 2007/2008. In diesem Zeitraum besuchte der jüngste
Sohn der Kläger eine Kindertageseinrichtung in N. -T. . Der Kläger arbeitete bis Ende
August 2007 für die X. UK in England.
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Der Beklagte setzte den Elternbeitrag für das Kindergartenjahr 2006/2007 erstmals
durch die Bescheide vom 11. August 2006 und vom 5. Januar 2007 auf jeweils
monatlich 115,04 Euro fest. Nachdem der Beklagte die Einkommensverhältnisse der
Kläger durch Rückfragen bei den Klägern und bei dem für diese zuständigen Finanzamt
überprüft hatte, erliess er unter dem 5. August 2008 zwei Elternbeitragsbescheide für
den hier streitigen Zeitraum. Für den Zeitraum vom 1. August 2006 bis 31. Juli 2007
setzte der Beklagte den Elternbeitrag rückwirkend (höher) auf monaltich 151,34 Euro
fest. Für den Zeitraum vom 1. August 2007 bis 31. Juli 2008 setzte der Beklagte den
Elternbeitrag erstmalig auf (ebenfalls) monatlich 151,34 Euro fest, wobei diese
Festsetzung vorläufig war.
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Die Kläger haben gegen die Bescheide vom 5. August 2008 rechtzeitig Klage erhoben.
Sie sind der Auffassung, dass die in England erzielten Einkünfte nicht hätten
berücksichtigt werden dürfen, weil sie auch im Einkommensteuerbescheid 2006 keinen
Niederschlag gefunden hätten. Bei einem eventuellen Ansatz seien aber zumindest
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auch die Werbungskosten und die sogenannte „personal allowance"
(allgemeiner/persönlicher Freibetrag nach englischem Steuerrecht) zu berücksichtigen.
Die Kläger haben ursprünglich beantragt,
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die Bescheide des Bürgermeisters der Gemeinde N. vom 5. August 2008 betreffend die
Zeiträume 1. August 2006 bis 31. Juli 2007 und 1. August 2007 bis 31. Juli 2008
aufzuheben.
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Der Beklagte hat das Einkommen der Kläger aufgrund der vom Kläger vorgelegten
englischen Steuerbescheide neu berechnet und sodann den Bürgermeister der
Gemeinde N. angewiesen, einen geänderten Elternbeitragsbescheid für den streitigen
Zeitraum zu erlassen. Durch Bescheid vom 2. Dezember 2008 wurden folgende
Elternbeiträge festgesetzt: Für den Zeitraum vom 1. August 2006 bis 31. Dezember 2006
monatlich 115,04 Euro, für den Zeitraum 1. Januar 2007 bis 31. Dezember 2007
monatlich 151,34 Euro und für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 31. Juli 2008 weiterhin
monatlich 151,34 Euro, letztere Festsetzung erfolgte jedoch zunächst vorläufig.
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Die Kläger haben diesen Änderungsbescheid zum Gegenstand der Klage gemacht und
beantragen nunmehr,
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die Bescheide des Bürgermeisters der Gemeinde N. vom 5. August 2008 in der Fassung
des Änderungsbescheides vom 2. Dezember 2008 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Auffassung, der Änderungsbescheid vom 2. Dezember 2008 sei rechtmäßig.
Bei dem Einkommen, das der Kläger in England erzielt habe, handele es sich um
steuerfreie Einkünfte, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern erhöht hätten.
Daher seien diese Einkünfte nach § 4 Abs. 1 Satz 3 der Elternbeitragssatzung dem
Einkommen hinzuzurechnen. Die in Form der englischen Steuerbescheide
nachgewiesenen Werbungskosten seien einkommensmindernd berücksichtigt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte einschließlich der von dem Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge
ergänzend Bezug genommen. Der Klageantrag ist im Hinblick auf den Erlass des (Teil-
)Abhilfebescheides vom 2. Dezember 2008 mit dem Kläger und seinem
Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung erörtert worden. Nach
ausdrücklicher Nachfrage des Gerichts, ob eine umfassende Aufhebung der Bescheide
gewollt sei, stellte der Prozessbevollmächtigte der Kläger den oben genannten Antrag.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Anfechtungsklage ist unbegründet. Denn die Bescheide des
Bürgermeisters der Gemeinde N. vom 5. August 2008 in der Fassung des
Änderungsbescheides vom 2. Dezember 2008 sind rechtmäßig und verletzen die Kläger
nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Ermächtigungsgrundlage für den Erlaß der Elternbeitragsbescheide ist § 17 des
Gesetzes über Tageseinrichtungen für Kinder (GTK) in der Fassung vom 23. Mai 2006
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(GV.NRW. S. 197) i.V.m. §§ 1, 2 Abs. 1 und Abs. 3, 3 Abs. 1 bis 3, 8 Abs. 1 der
Elternbeitragssatzung des Kreises T1. vom 21. Juni 2006, veröffentlicht im Amtsblatt des
Kreises T1. Nr. 26/2006, S. 240 ff. (im folgenden: EBS).
An der formellen Rechtmäßigkeit der angegriffenen Bescheide bestehen keine
Bedenken. Insbesondere war der Bürgermeister der Gemeinde N. zum Erlass der
Bescheide befugt, da der Beklagte von der in § 17 Abs. 4 GTK eröffneten
Delegationsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat (vgl. § 7 Abs. 1 EBS) und die
Aufgabenwahrnehmung auf die Gemeinde(n) übertragen hat.
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Die Heranziehung zum Elternbeitrag in der Fassung des Änderungsbescheides vom 2.
Dezember 2008 ist auch materiell rechtmäßig.
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Soweit die Festsetzung des Elternbeitrages für den Zeitraum 1. August 2006 bis 31.
Dezember 2006 betroffen ist, ergibt sich die Befugnis für die rückwirkende Festsetzung
aus § 8 Abs. 2 EBS. Der Beklagte hat das für die Beitragsfestsetzung zu Grunde zu
legende Einkommen im Kalenderjahr 2006 zutreffend ermittelt und zu Recht der
Einkommensgruppe bis 61.355 Euro zugeordnet. Entgegen der Auffassung der Kläger
ist das in England erzielte Einkommen des Klägers hierbei mit zu berücksichtigen. Denn
insoweit handelt es sich um steuerfreie Einkünfte, die nach § 4 Abs. 1 Satz 3 EBS dem
Einkommen hinzuzurechnen sind. Hinsichtlich der Begriffsbestimmung der steuerfreien
Einkünfte kann zwar nicht ohne Weiteres auf das Steuerrecht, dort insbesondere § 3
EStG, zurückgegriffen werden, denn der Landesgesetzgeber hat bei Schaffung des GTK
vom 29. Oktober 1991 (GTK a.F.) bewusst nur auf § 2 Abs. 1 und 2 EStG Bezug
genommen und durch Hinzurechnungen (z.B. 10 %-Zuschlag bei Beamten und
Mandatsträgern) und Abzugsverbote (z.B. Verlustausgleich) einen eigenständigen
Einkommensbegriff geschaffen. Diesen hat der Beklagte bei Erlass seiner
Elternbeitragssatzung übernommen. Jedenfalls setzt das Vorliegen „steuerfreier
Einkünfte" voraus, dass es sich um private Leistungen handelt, die die wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit der Eltern erhöhen.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. August 2008 -12 A 2866/07-, NWVBl 2009, S. 61 (65)
und Moskal/Foerster, Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder, 18. Aufl. 2006, § 17 II
2 c): Erhöhung der wirtschafltichen Leistungsfähigkeit als ungeschriebenes
Tatbestandsmerkmal. Dies ist bei den vom Kläger in England erzielten Einkünften
unstreitig der Fall. Die in England erzielten Einkünfte wurden vom Kläger dort versteuert,
sind in Deutschland aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerfrei,
unterliegen aber hier dem Progressionsvorbehalt, d. h. sie erhöhen den persönlichen
Steuersatz der Kläger. Aus diesem Grund werden die ausländischen Einkünfte, die in
die Berechnung des Steuersatzes einbezogen wurden, im Regelfall vom Finanzamt im
Einkommensteuerbescheid unter „Erläuterungen" ausgewiesen. Der im Steuerbescheid
ausgewiesene Wert kann daher vom Beklagten bzw. generell von den Gemeinden aus
Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich für Zwecke der
Elternbeitragsfestsetzung übernommen werden. Denn bei diesem Wert handelt es sich
um (Netto-)Einkünfte, d.h. Einnahmen abzüglich Werbungskosten.
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Vgl. Ludwig Schmidt, EStG-Kommentar, 24. Auflage München 2005, § 32 b, Rn 20.
20
Im Fall der Kläger besteht die Besonderheit, dass der Einkommensteuerbescheid 2006
in den Erläuterungen die ausländischen Einkünfte nicht ausweist und ein
Progressionsvorbehalt im Jahr 2006 nicht berücksichtigt wurde, obwohl der Kläger
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unstreitig in diesem Jahr in England gearbeitet und dort Einkünfte erzielt hat. Diese
offensichtlich falsche steuerliche Behandlung kann den Klägern jedoch bei der
Elternbeitragsfestsetzung nicht zum Vorteil gereichen.
Die vom Beklagten vorgenommene Berechnung der ausländischen Einkünfte (s. Blatt
29 des Verwaltungsvorganges, Beiakte Heft 2) ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat
im Kalenderjahr 2006 in England unstreitig Einnahmen in Höhe von 48.940,00 Euro
erzielt. Die durch Vorlage des englischen Steuerbescheides nachgewiesenen
tatsächlichen Werbungskosten in Höhe von 10.253,00 Pfund für den Zeitraum 6. April
2006 bis 5. April 2007 (= in England abweichendes Steuerjahr) hat der Beklagte
zeitanteilig auf die Kalenderjahre 2006 und 2007 verteilt und entsprechend dem vom
Kläger genannten Umrechnungsfaktor von Pfund in Euro umgerechnet. Entgegen der
Auffassung der Kläger kann der im englischen Steuerbescheid ausgewiesene
Freibetrag, die sogenannte „personal allowance", bei der Elternbeitragsfestsetzung nicht
berücksichtigt werden. Denn in § 4 EBS i.V.m. § 2 Abs. 1 und 2 EStG ist geregelt, wie
das Einkommen zu ermitteln ist und welche Abzüge vorgenommen werden dürfen. Über
den Abzug der Werbungskosten hinaus (ersatzweise des Arbeitnehmerpauschbetrages,
sofern keine Werbungskosten nachgewiesen wurden) ist ein Abzug weiterer Freibeträge
im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nicht vorgesehen. Diese in § 4
EBS geregelte Art der Einkommensermittlung folgt dem Vorbild des § 17 GTK a.F. Der
Inhalt der letztgenannten Vorschrift ist mehrfach Gegenstand der
verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gewesen. Es entspricht der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts für
das Land Nordrhein-Westfalen, dass die Bestimmungen zur Einkommensermittlung
nicht gegen Verfassungsrecht, insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art.
3 Abs. 1 GG verstoßen.
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Vgl. nur OVG NRW, Urteil vom 19. August 2008 -12 A 2866/07- NWVBl. 2009, 61 (62)
mit zahlreichen w.N.
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Auch die Beitragsfestsetzung für das Kalenderjahr 2007 ist nicht zu beanstanden. Der
Beklagte hat das Einkommen der Kläger zutreffend in die Einkommensgruppe über
61.355 Euro eingestuft. Ausweislich des Einkommensteuerbescheides 2007 hat der
Kläger in diesem Jahr ausländische Einkünfte in Höhe von 45.066,00 Euro erzielt.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diesbezüglich allein auf den
Einkommensteuerbescheid 2007 abzustellen ist und die Kläger hinsichtlich der Klärung
der Frage, ob es sich bei dem ausgewiesenen Betrag um Einkünfte oder Einnahmen
handelt, auf das steuerrechtliche Rechtsbehelfsverfahren zu verweisen sind.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19. August 2008 -12 A 2866/07-, NWVBl 2009, 61 (65)
m.w.N.: „... bei der -nachträglichen- Feststellung der zu versteuernden Einkünfte
regelmäßig auf die Festsetzungen im Einkommensteuerbescheid abzustellen und der
Beitragspflichtige hinsichtlich der Klärung etwaiger steuerrechtlicher Fragen auf das
Einspruchs- bzw. finanzgerichtliche Verfahren verwiesen ist."
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Denn auch unter Berücksichtigung der vom Kläger nachgewiesenen Werbungskosten
kommt jedenfalls die Zuordnung in eine niedrigere Einkommensgruppe nicht in
Betracht. Der Beklagte hat zugunsten der Kläger angenommen, dass es sich bei dem
Betrag von 45.066,00 Euro um die erzielten Einnahmen handelt und von diesem Betrag
die vom Kläger durch Vorlage der englischen Steuerbescheide nachgewiesenen
tatsächlichen Werbungskosten abgezogen. Hierbei hat er aus dem englischen
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Steuerbescheid 2006/2007 zutreffend zeitanteilig umgerechnet 3.789,40 Euro
berücksichtigt. Der englische Steuerbescheid 2007/2008 weist keine Werbungskosten
aus. Mangels Nachweises hat der Beklagte für diesen Zeitraum somit zu Recht keine
Werbungskosten berücksichtigt. Die sogenannte „personal allowance" musste auch im
Kalenderjahr 2007 außer Ansatz bleiben. Insofern wird auf die obigen Ausführungen
zum Kalenderjahr 2006 verwiesen.
Schließlich bestehen -entsprechend den vorstehenden Ausführungen- auch keine
Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der -im Übrigen zunächst vorläufigen-
Elternbeitragsfestsetzung für den Zeitraum 1. Januar bis 31. Juli 2008.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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