Urteil des VG Münster vom 25.07.2006

VG Münster: fristlose kündigung, unwirksamkeit der kündigung, wichtiger grund, behinderung, verfügung, kirche, anhörung, unterliegen, bildschirm, persönlichkeitsrecht

Verwaltungsgericht Münster, 5 K 1808/05
Datum:
25.07.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Münster
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 1808/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden, einschließlich der außergerichtlichen Kosten des
Beigeladenen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 v. H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der
Beklagte bzw. der Beigeladene vor der Vollstreckung Sicherheit in
gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Die Beteiligten streiten darüber, ob die dem beigeladenen Arbeitgeber des Klägers von
dem Beklagten erteilte Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung des
Klägers rechtsmäßig ist.
2
Der im Jahre 1951 geborene Kläger ist Schwerbehinderter mit einem Grad der
Behinderung (GdB) von 50. Er ist verheiratet und hat drei unterhaltsberechtigte Kinder.
Seit dem 1. März 1984 war er bei dem Beigeladenen, dem Caritasverband S e. V., als
Sozialarbeiter in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Er war im
sogenannten ambulanten Dienst tätig. Sein Tätigkeitsschwerpunkt war die Schuldner-
und Insolvenzberatung. Im Rahmen seiner Tätigkeit hatte er Termine mit seinen
Klienten sowohl in seinem Büro als auch in den jeweiligen Familien wahrzunehmen. Es
gehörte ferner zu seinen Aufgaben, Kontakte zu Gläubigern und zu Banken
aufzunehmen, wo er ebenfalls Termine wahrzunehmen hatte. An seinem Arbeitsplatz,
der sich in einem abschließbaren Einzelbüro befand, verfügte der Kläger über einen
eigenen PC mit passwortgeschütztem Zugang.
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Der Arbeitgeber des Klägers verfügt über insgesamt ca. 1.000 Arbeitsplätze und
beschäftigt bei 58 Pflichtplätzen 39 schwerbehinderte Arbeitnehmer.
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Im Zeitraum September/Anfang Oktober 2004 kam es bei dem Arbeitgeber des Klägers
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zu Problemen innerhalb des EDV-Netzwerkes, die durch sogenannte „Computerviren"
entstehen. Nachdem diese Probleme sich häuften, wurde seitens des zuständigen EDV-
Leiters nach der Ursache geforscht. Im Rahmen dieser Ursachenermittlung wurden die
Personalcomputer der Mitarbeiter überprüft. Dabei stellte der zuständige EDV-Leiter auf
dem Personalcomputer des Klägers am 18. Oktober 2004 eine große Anzahl von
Bilddateien mit pornografischem Inhalt fest. Es handelte sich um ca. 20 Dateiordner mit
etwa 15.000 Bilddateien. Die reine Speicherzahl für diese Dateien betrug sieben
Stunden und 28 Minuten. Daraufhin informierte der EDV-Leiter bei dem Beklagten die
Geschäftsführung, die den Kläger zu einem persönlichen Gespräch aufforderte, das am
18. Oktober 2004 im Beisein des Abteilungsleiters, der stellvertretenden Vorsitzenden
der Mitarbeitervertretung und des EDV-Leiters statt fand. Im Beisein des Klägers öffnete
der zuständige Netzwerk-Administrator die Dateien auf dessen Arbeits-PC; dabei stellte
sich heraus, dass die Internetseiten von Januar 2004 bis September 2004 in
sogenannten Cache- Dateien abgelegt worden waren.
Unter Bezugnahme auf diesen Sachverhalt beantragte der Arbeitgeber des Klägers mit
am 29. Oktober 2004 beim Beklagten eingegangenen Antrag die Zustimmung zur
außerordentlichen fristlosen Kündigung, hilfsweise zur ordentlichen fristgerechten
Kündigung des Klägers. Zur Begründung führte er aus, dass die Fortsetzung des
Dienstverhältnisses zwischen dem Arbeitgeber und dem Kläger unzumutbar sei. Der
Umstand, dass der Kläger seit Januar 2004 während der Arbeitszeit in großem Umfang
und regelmäßig Internetseiten und Bildmaterial mit eindeutig pornografischem Inhalt
aufgerufen habe, beinhalte einen Vertragsverstoß, der eine schwerwiegende Verletzung
gegen die Sittengesetze der Kirche darstelle. Allein der Ordner vom 13. August 2004
habe bereits 199 pornografische Abbildungen enthalten. Die Überprüfung habe
ergeben, dass sich auf dem PC keinerlei Manipulationen befänden, z. B. durch Dialer.
Somit sei es technisch völlig auszuschließen, dass die im Cache befindlichen Dateien
ohne jedes Hinzutun des Klägers in den PC gelangt seien. Der Arbeitgeber sei auch
berechtigt, die Dateien auszuwerten; datenschutzrechtliche Verstöße seien nicht
ersichtlich.
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Diesem Antrag auf Erteilung der Zustimmung zur Kündigung wiedersprach der Kläger.
Zur Begründung führte er aus, dass der PC an seinem Arbeitsplatz keinerlei Bilddateien
pornografischen Inhalts enthalte. Der EDV-Mitarbeiter habe lediglich festgestellt, dass in
den Cache-Dateien eine Vielzahl von Bildern dokumentiert seien, die er im Internet
aufgerufen (nicht abgerufen) und daher angesehen haben müsse. Diese Internetseiten
habe er nicht bewusst aufgesucht. Sie seien vielmehr durch unbewusstes Anklicken von
Internetseiten und/oder Links in den Cache-Dateien registriert worden. Richtig sei, dass
er auf Anraten einer Kollegin im Juli bzw. August einige Male unter seinem Namen, dem
Vornamen seiner Ehefrau und auch unter ihrem Beruf das Internet aufgerufen habe. Die
daraufhin erschienenen Links habe er teilweise angeklickt. Infolge dessen sei immer
wieder eine Vielzahl von Bildern plötzlich zur gleichen Zeit erschienen, die nicht zu
stoppen gewesen seien. Sämtliche dieser durch anklicken von Links bewusst bzw.
unbewusst aufgerufenen Bilder seien in der Cache-Datei registriert. Sie seien aber
keineswegs von ihm bewusst aufgerufen oder angeschaut worden. Bei seinem
Arbeitgeber existierten keine Richtlinien über die Internetnutzung zu dienstlichen oder
zu privaten Zwecken. Deshalb habe er auch keine Verpflichtungserklärungen
abgegeben, die Internetnutzung am Arbeitsplatz außerhalb seiner rein dienstlichen
Tätigkeit zu unterlassen. Auch sei ihm nicht bekannt gewesen, dass der Arbeitgeber
trotz Löschung aller Dateien in der Lage sei, im Nachhinein über die Cache-Dateien
seine Verweildauer im Internet zu überprüfen und seine Internetnutzung auszuwerten.
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Eine solche heimliche Überprüfung des Internetsverhaltens eines Arbeitnehmers an
seinem Arbeitsplatz sei nach seiner Überzeugung rechtlich unzulässig, deshalb
widerspreche er einer Verwertung dieser Dateien ausdrücklich. Die Auswertung der auf
seinem PC gespeicherten Cache-Dateien verstoße gegen das
Bundesdatenschutzgesetz. Nach § 33 dieses Gesetzes sei der Betroffene von einer
Datenspeicherung zu benachrichtigen, wenn erstmals personenbezogene Daten über
ihn gespeichert würden bzw. erstmals an Dritte übermittelt würden. Ihm stünde daher ein
Berichtigungs- und ein Löschungsanspruch, sowie ferner ein Anspruch auf Sperrung zu.
Ohne die Einwilligung des Betroffenen dürften die Daten nicht übermittelt oder genutzt
werden. Jegliche Art der Datenverarbeitung, die unter Verletzung der Beteiligungsrechte
der Mitarbeitervertretung geschehe, sei unzulässig und daher rechtswidrig. Sein
Persönlichkeitsrecht umfasse die Befugnis, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb
welcher Grenzen er persönliche Lebenssachverhalte offenbare. Durch die Auswertung
durch den Arbeitgeber sei dieses Persönlichkeitsrecht verletzt worden. Damit sei die
Auswertung und Überprüfung der Cache-Dateien rechtswidrig, weshalb die Ergebnisse
gerichtlich nicht verwertet werden dürfen. Schließlich sei eine rechtlich unzulässige
geheime Überwachung zwecks Erforschung seines Verhaltens im Internet zur
Überprüfung seiner Gesinnung nicht mit den Grundsätzen des § 1 der Richtlinien für
Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR) in
Einklang zu bringen.
Die Schwerbehindertenvertretung bei dem Beklagten führte anlässlich ihrer Anhörung
aus, dass das Ansehen pornografischen Bildmaterials am Arbeitsplatz schon für sich
und erst recht bei einem kirchlichen Träger ein grobes Fehlverhalten darstelle. Der von
dem Kläger dargestellte Zusammenhang hinsichtlich des Bildmaterials sei gedanklich
nachvollziehbar und technisch möglich. Das private Surfen im Internet sowie die vom
Kläger vorgenommenen Einkäufe privater Natur im Internet komplettierten sein
Fehlverhalten. Da dieser Vorgang insgesamt nicht im Zusammenhang mit der
Behinderung des Klägers stehe und der Kläger den Sachverhalt an sich eingeräumt
habe, schließe man sich nach derzeitigem Informationsstand der Entscheidung der
Geschäftsführung an.
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Auch die Mitarbeitervertretung erhob gegen die außerordentliche Kündigung des
Klägers keine Einwendungen. Die stellvertretende Vorsitzende der Mitarbeitervertretung
führte aus, dass sie an allen Gesprächen zwischen den Vertretern des Arbeitgebers und
dem Kläger teilgenommen habe. Darüber hinaus habe sie ein persönliches Gespräch
und mehrere Telefonate mit dem Kläger geführt. Dabei habe der Kläger in allen
Gesprächen eingeräumt, dass er mehrfach im Internet auf pornografische Seiten gelangt
sei und sich diese auch angesehen habe. Zur weiteren Erläuterung habe er angegeben,
dass auch Angaben seiner Klienten dazu, wie leicht es sei, im Internet auf
pornografische Seite zu gelangen, ihn dazu veranlasst hätten, in Erfahrung zu bringen,
ob dies zutreffend sei.
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Daraufhin erteilte das Integrationsamt bei dem Beklagten mit Bescheid vom 12.
November 2004 die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung des Klägers durch
den beigeladenen Arbeitgeber. Hiergegen legte der Kläger am 23. November 2004
Widerspruch ein. Daraufhin begründete das Integrationsamt die zustimmende
Entscheidung mit Bescheid vom 13. Januar 2005 im Wesentlichen damit, dass ein
Zusammenhang zwischen den vom Arbeitgeber vorgetragenen Kündigungsgründen
und der Schwerbehinderung des Klägers nicht bestehe. Das Integrationsamt habe
daher im Rahmen eines nur sehr eingeschränkten Ermessens zu entscheiden. Eine
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versagende Entscheidung sei allenfalls dann gerechtfertigt, wenn offensichtlich kein
eine außerordentliche Kündigung rechtfertigender Grund vorliege; hiervon sei indes
nicht auszugehen.
Hiergegen hat der Kläger am 14. Februar 2005 Widerspruch eingelegt. Zur Begründung
beruft er sich auf die bereits bei seiner Anhörung vorgetragenen Ausführungen, wonach
die Überprüfung seines am Arbeitsplatz genutzten PC und die Auswertung und
Verwendung der dabei gefundenen Dateien rechtswidrig sei. Das Verhalten des
Arbeitgebers laufe auf eine totale heimliche Überwachung zum Zwecke der
Gesinnungsüberprüfung hinaus. Zudem sei der Arbeitgeber nicht in der Lage, auch nur
ein einziges Bild pornografischen Inhalts, das sich in den Cache- Dateien befinde, zu
bezeichnen, welches er sich auf dem Bildschirm angesehen haben müsse. Vielmehr
handele es sich lediglich um Vermutungen und Unterstellungen. Dieses sowie das
Beweisverwertungsverbot und ferner die Tatsache, dass die Cache-Dateien
automatisch erstellt würden, ohne dass er davon Kenntnis gehabt habe, führe dazu,
dass die Feststellungen nicht ausgewertet werden dürften. Zwar habe er zuvor seine
Zustimmung zur Überprüfung seines PC erteilt. Das beinhalte jedoch nicht die
Erlaubnis, für ihn geheime, automatisch gespeicherte Dateien auszuspähen und sein
Surf-Verhalten auszuwerten. Ihm sei nicht vorab offenbart worden, dass man
ausschließlich dieses sichten wolle. Im Übrigen betone er wiederholt, dass er die
entsprechenden Seiten im Internet nicht absichtlich aufgerufen habe. Neben alldem sei
ferner zu berücksichtigen, dass er eine außergewöhnlich lange Betriebszugehörigkeit
aufweisen könne, sowie weiter, dass ein ausdrückliches Verbot privater Internetnutzung
bei seinem Arbeitgeber nicht bestehe und er auch nicht entsprechend abgemahnt
worden sei. Schließlich liege ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung
auf Grund eines Verstoßes gegen § 16 Abs. 1 Satz 2 AVR nur bei schweren Vergehen
gegen Sittengesetze der katholischen Kirche vor. Soweit der Arbeitgeber diesbezüglich
einen Verstoß gegen den katholischen Katechismus geltend mache, sei die
Mitarbeitervertretung hierzu nicht angehört worden.
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Der Arbeitgeber des Klägers führte hierzu aus, dass mehrere wichtige Gründe für eine
außerordentliche Kündigung vorgelegen hätten. Insoweit sei zunächst darauf
abzustellen, dass der Kläger den ihm dienstlich zur Verfügung gestellten PC an seinem
Arbeitsplatz privat genutzt habe sowie, dass dies durchgängig während seiner
Arbeitszeit geschehen sei. Schließlich stelle das Aufrufen einer erheblichen Menge
pornografischen Bildmaterials einen Verstoß gegen die Glaubens- und Sittenlehre der
katholischen Kirche und damit zugleich gegen die allgemeinen Dienstpflichten des
Klägers dar. Gemäß § 4 Abs. 3 AVR würden sich die Mitarbeiter in den Einrichtungen
des Deutschen Caritasverbandes dazu verpflichten, ihre persönliche Lebensführung
nach der Glaubens- und Sittenlehre sowie den übrigen Normen der katholischen Kirche
einzurichten. Pornografie sei allerdings nach dem katholischen Katechismus auch beim
Betrachter eine schwere Verfehlung. Die festgestellten Pflichtverstöße durch den Kläger
in Bezug auf seine PC- und Internet- Nutzung seien auch ohne Weiteres verwertbar und
unterlägen weder einem allgemeinen Verwertungsverbot noch einem
Verwertungsverbot nach dem Bundesdatenschutzgesetz. Beweisverwertungsverbote
ergäben sich regelmäßig daraus, dass tatsächliche Vorgänge, insbesondere
Datenübertragungsvorgänge, in nicht zulässiger Weise mitverfolgt würden. Hingegen
würden solche Daten einem Verwertungsverbot nicht unterliegen, die bereits auf einem
Datenträger des Arbeitgebers gespeichert und erst danach festgestellt und gesichtet
worden seien. So liege der Fall aber hier, da der PC des Klägers erst wegen der
aufgetretenen technischen Probleme überprüft worden sei. Zudem habe der Kläger die
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Pflichtverletzungen im Rahmen seiner Anhörung am 18. Oktober 2004 auch
eingestanden; auch der Sichtung des Dateiordners hab er mit keinem Wort
widersprochen. Schließlich liege ein Verstoß gegen § 4 des
Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) auch schon deshalb nicht vor, da dieses im
vorliegenden Falle keine Anwendung finden würde; der Arbeitgeber sei nämlich eine
karitative kirchliche Einrichtung, für die die sogenannte Anordnung über den kirchlichen
Datenschutz (KDO) Geltung habe. Diese entspreche allerdings unter Berücksichtigung
der Besonderheiten der kirchlichen Einrichtungsträger in weiten Zügen dem BDSG. Der
Schutzbereich des § 3 Abs. 1 KDO sei aber nicht verletzt, weil die im Cache abgelegten
Bilddateien keine sogenannten personenbezogenen Daten darstellten. Schließlich
käme ein Verwertungsverbot auch deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger weder im
Antragsverfahren auf Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung noch im
Schlichtungsverfahren bei dem Arbeitgeber noch im Kündigungsschutzverfahren vor
dem Arbeitsgericht bestritten habe, dass sich die festgestellten pornografischen
Bilddateien im Cache seines Dienst-PC befunden hätten.
Das zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen durchgeführte Schlichtungsverfahren
blieb erfolglos.
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Am 12. November 2004 hat der Beigeladene die außerordentliche fristlose Kündigung
ausgesprochen. Hiergegen hat der Kläger ein arbeitsgerichtliches
Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht in S anhängig gemacht.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2005 wies der Beklagte den Widerspruch des
Klägers als unbegründet zurück. Diese Entscheidung war darauf gestützt, dass das
Integrationsamt die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung eines
schwerbehinderten Arbeitnehmers gemäß § 91 Abs. 4 des Sozialgesetzbuches (SGB)
IX erteilen soll, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgen soll, der nicht im
Zusammenhang mit der Behinderung steht. Die Voraussetzungen dieser Norm seien
vorliegend erfüllt, da ein Zusammenhang zwischen den vom Arbeitgeber geltend
gemachten Kündigungsgründen und den anerkannten Behinderungen des Klägers nicht
ersichtlich sei. Ein derartiger Zusammenhang sei auch vom Kläger selbst nicht geltend
gemacht worden. Dem Wesen dieser Vorschrift als einer Sollvorschrift entsprechend
dürfe das Integrationsamt im Regelfall keine andere Entscheidung treffen, als die vom
Arbeitgeber beantragte Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung zu erteilen, wenn
ein Zusammenhang zwischen Behinderung und Kündigungsgründen nicht bestehe.
Diese drastische Einschränkung des Abwägungsermessens zu Lasten des
schwerbehinderten Arbeitnehmers entspreche nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts sowohl dem Zweck als auch der Entstehungsgeschichte
des Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Arbeitnehmer. § 91 Abs. 4 SGB IX
beruhe auf der gesetzlichen Wertung, dass dem Kündigungsinteresse des Arbeitgebers
grundsätzlich der Vorrang vor dem Interesse des schwerbehinderten Menschen an der
Erhaltung seines Arbeitsplatzes einzuräumen sei, wenn der behinderte Arbeitnehmer
einen Grund für die außerordentliche Kündigung gegeben habe, der nicht im
Zusammenhang mit seiner Behinderung stehe. Bei einem solchen fehlenden
Behinderungszusammenhang dürfe die Zustimmung nur ausnahmsweise dann versagt
werden, wenn sachliche Gründe ein Abweichen von der Sollvorschrift des § 91 Abs. 4
SGB IX rechtfertigten. Die Behörde könne nur dann anders als im Gesetz vorgesehen
verfahren und nach eigenem pflichtgemäßen Ermessen entscheiden, wenn Umstände
vorlägen, die den Fall als atypisch erscheinen ließen. Das sei dann der Fall, wenn die
außerordentliche Kündigung den schwerbehinderten Menschen in einer die
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Schutzzwecke des SGB IX berührenden Weise besonders hart treffe, ihm also im
Vergleich zur der der Gruppe der schwerbehinderten Arbeitnehmer im Falle einer
außerordentlichen Kündigung allgemein zugemuteten Belastungen ein Sonderopfer
abverlange. Nicht zu prüfen sei im Rahmen des besonderen Kündigungsschutzes nach
dem SGB IX dem gegenüber, ob wichtige Gründe für eine außerordentliche Kündigung
im Sinne des § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorlägen. Eine solche
Überprüfung müsse der Arbeitsgerichtsbarkeit vorbehalten werden, da sie über den
Schutzzweck des SGB IX, der in erster Linie behinderungsbedingte Nachteile
ausgleichen wolle, hinausgehe. Allerdings sei in der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts bislang nicht entschieden, ob ausnahmsweise dann etwas
anderes zu gelten habe, wenn die vom Arbeitgeber herangezogenen Gründe eine
außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht zu rechtfertigen vermöchten. Dies
bedürfe indes auch im vorliegenden Fall keiner Entscheidung, da eine offensichtliche
Unwirksamkeit der Kündigung nur dann angenommen werden könne, wenn sie ohne
jeden vernünftigen Zweifel in rechtlich und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liege
und sich jedem Kundigen geradezu aufdränge. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Dem
Kläger werde durch seinen Arbeitgeber vorgeworfen, während der Arbeitszeit in
erheblichem Umfang privat im Internet gesurft zu haben und dabei auch pornografische
Inhalte aufgerufen zu haben. Unstreitig seien die entsprechenden Bilddateien im Cache
des Browsers seines Arbeitsplatz-PC gespeichert gewesen, was beim Download
solcher Internetseiten geschehe. Dies werde vom Kläger auch nicht bestritten. Er
bestreite lediglich, die betreffenden Internetseiten mit Absicht aufgesucht zu haben. Ein
unabsichtliches Anklicken der Pornoseiten könne aber nicht zweifelsfrei angenommen
werden. Zweifel an einem solchen unabsichtlichen Aufrufen der fraglichen Seiten
ergäben sich schon auf Grund des festgestellten langen Zeitraums dieser Aktivitäten
von Januar bis September 2004. Auf Grund dessen könne nicht davon ausgegangen
werden, dass es offensichtlich an einem wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des §
626 BGB mangele. Denn in der jüngeren Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts
sei entschieden worden, dass auch dann, wenn der Arbeitgeber die Privatnutzung nicht
ausdrücklich verboten habe, der Arbeitnehmer mit einer intensiven zeitlichen Nutzung
des Internets während der Arbeitszeit zu privaten Zwecken seine arbeitsvertraglichen
Pflichten verletze. Das gelte insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer auf
Internetseiten mit pornografischem Inhalt zugreife. Eine solche Pflichtverletzung könne
ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung sein. Da danach das Surfen auf
pornografischen Internetseiten eine außerordentliche Kündigung in jedem
Arbeitsverhältnis begründen könne, brauche auf die Frage, inwieweit ein solcher
Sachverhalt bei einem katholisch-kirchlichen Arbeitgeber auf Grund der besonderen,
dem Arbeitgeber nach § 16 Abs. 1 Satz 2 AVR auferlegten Pflichten erst recht eine
außerordentliche Kündigung rechtfertigen könne, nicht eingegangen werden. Die
Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung könne schließlich auch deshalb nicht
versagt werden, weil der Arbeitgeber etwa gegen Datenschutzgesetze und damit gegen
Persönlichkeitsrechte des Klägers verstoßen hätte. Nach der arbeitsgerichtlichen
Rechtsprechung spreche alles dafür, dass allenfalls eine Interessenabwägung
zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denen des Arbeitnehmers vorzunehmen
sei. Eine solche Interessenabwägung sei allerdings von den Arbeitsgerichten
vorzunehmen und nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Andere sachliche
Gründe, die den Fall als atypisch erscheinen ließen und ausnahmsweise ein
Abweichen von der Sollvorschrift des § 91 Abs. 4 SGB IX rechtfertigten, seien ebenfalls
nicht ersichtlich.
Daraufhin hat der Kläger am 19. September 2005 die vorliegende Klage erhoben, mit
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der er sein auf Aufhebung der Zustimmung zur außerordentlichen fristlosen Kündigung
gerichtetes Begehren unter Wiederholung und Vertiefung seines
Widerspruchsvorbringens weiter verfolgt. Insbesondere beruft er sich auf ein
Datenverwertungsverbot aus arbeitsrechtlichen und datenschutzrechtlichen Gründen
und bestreitet überdies, die fraglichen Bilddateien mit pornografischem Inhalt bewusst
bzw. absichtlich aufgerufen und angesehen zu haben. Hintergrund sei vielmehr, dass er
den PC und auch die Möglichkeiten des Internets im Rahmen seiner Tätigkeit habe
nutzen müssen, um seine Klienten besser beraten zu können. Allerdings habe es
seitens des Arbeitgebers nie eine Einweisung in die Internetnutzung gegeben. Er habe
mehrfach um eine solche Schulung gebeten, man habe ihn aber darauf verwiesen, sich
das selbst beizubringen. Teilweise hätte seine Familie ihm Anleitungen gegeben, im
Übrigen habe er, den Ratschlägen seiner Kollegen entsprechend, versucht, durch
Übung selbst darauf zu kommen, wie das Internet sinnvoll zu nutzen sei. Im Rahmen
dieser Übung habe er das Internet auch privat genutzt. Dabei sei er davon
ausgegangen, dass dies zulässig sei, um so mehr, als es kein entsprechendes Verbot
seines Arbeitgebers gegeben habe und es auch bei den Kollegen allgemein üblich
gewesen sei, die Personalcomputer am Arbeitsplatz privat zu nutzen.
Zur weiteren Begründung hat der Kläger ein Gutachten des öffentlich bestellten und
vereidigten Sachverständigen Diplominformatiker N vom 4. August 2005 vorgelegt, das
im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens angefordert worden ist. Darin heißt es
zu der Beweisfrage, es solle Beweis erhoben werden über die Behauptung des
Arbeitgebers des Klägers, die Bilddateien könnten nur dadurch in den „Cache" des
Dienst-PC des Klägers gelangt sein, dass sie von diesem PC aus im Internet aufgerufen
wurden:
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„Es gibt im Bereich des Betriebssystems zahlreiche Caches, die Daten temporär
speichern. Im Zusammenhang mit diesem Verfahren wurde nur der Bereich der
temporären Internetdaten betrachtet. Dieser Bereich dient dem Internetexplorer, der zum
Surfen im Internet verwendet werden kann, Daten temporär abzuspeichern. Bei einem
weiteren Besuch der Internetseiten werden diese gespeicherten Daten benutzt, um die
Seite schneller aufbauen zu können. Das Speichern der Daten findet automatisch statt.
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Dieser Bereich ist nicht für den Benutzer des Computers gedacht. Mit den
Standardeinstellungen des Betriebssystems sind die Verzeichnisse versteckt.
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Da es sich hier aber technisch um normale Verzeichnisse handelt, können dort auch
Dateien manuell gespeichert werden. Da die Verzeichnisse tief verzweigt liegen und
wenig sinnvolle Verzeichnisnamen besitzen, ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein
Benutzer dort Daten direkt ablegt, sehr gering."
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Weiter ist in dem Gutachten ausgeführt, dass die Internethistorie des Computers
rekonstruiert worden ist. Es konnten Daten vom 8. Juli 2003 bis zum 5. November 2004
verwendet werden; die Einträge sind nach der Anzahl der gespeicherten Zugriffe auf die
Internetseiten sortiert worden. Diese Auswertung wurde ausgedruckt und dem
Gutachten beigefügt. Diese Anlage legte der Vertreter des Beigeladenen zusammen mit
dem Urteil des Arbeitsgerichts Rheine vom 8. Februar 2006 vor. Dieser Auflistung ist
eine Vielzahl von Internetzugriffen zu entnehmen, bei denen alles dafür spricht, dass sie
nicht dienstlichen, sondern vielmehr privaten Zwecken des Klägers dienten; u. a. sind
viele Zugriffe auf Firmen wie „Tchibo", „Aldi" und „Miele" festzustellen, ferner wurde
häufig auf „ebay", „amazon" und beispielsweise Kinoprogramme Zugriff genommen.
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Daneben sind Internetadressen wie: „www.loveline.de", „www.gratis- ficken.org",
„www.lesben-lesbien.com", „www.pornolounge.de" oder „www.internetsex.de",
„www.pornocash.tv" und Ähnliches zu finden, wobei die Häufigkeit der Zugriffe auf die
jeweils einzelnen dieser Adressen im Wesentlichen zwischen 5 Mal und 45 Mal liegt,
einige allerdings auch häufiger, „www.loveline.de" beispielsweise sogar 246 Mal,
aufgerufen worden sind.
Ausweislich des vorgelegten Urteils des Arbeitsgerichts Rheine wurde festgestellt, dass
das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die fristlose Kündigung des
Beklagten beendet worden ist. Dieses Urteil ist noch nicht rechtskräftig; das Verfahren
ist derzeit beim Landesarbeitsgericht anhängig.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 12. November 2004 in der Fassung seines
Widerspruchsbescheides vom 22. Juli 2005 aufzuheben.
24
Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung nimmt er auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid Bezug.
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Der Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
29
Zur Begründung nimmt er Bezug auf die Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid
des Beklagten vom 22. Juli 2005. Ergänzend führt er aus, dass durch die Sichtung der in
dem „Cache" des PC des Klägers gespeicherten Dateien weder ein
Persönlichkeitsrecht noch die Intimsphäre noch sonstige Rechte des Klägers verletzt
worden seien. Darüber hinaus habe der Kläger seine Arbeitspflichten dadurch in
erheblichem Umfang verletzt, dass er den dienstlich zur Verfügung gestellten PC in
erheblichem Umfang privat genutzt habe. Selbst wenn er von einer stillschweigenden
Duldung einer privaten Nutzung habe ausgehen können, sei die von ihm
vorgenommene Nutzung weit über das hinaus gegangen, was ein Arbeitgeber dulden
könne. Insgesamt sei die ausgesprochene fristlose Kündigung deshalb nicht
offensichtlich unsachlich, willkürlich oder fehlerhaft. Etwas anderes sei im vorliegenden
Verfahren - neben der Frage, inwieweit die Kündigung den Kläger in seiner Eigenschaft
als Schwerbehinderter in besonderem Maße betreffe - nicht zu überprüfen.
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Das Gericht hat am 27. Juni 2006 einen Termin zur Erörterung der Streitsache
durchgeführt und den Kläger zu seiner Tätigkeit bei dem Beigeladenen und
insbesondere zu den Erfordernissen der Nutzung eines PC im Rahmen dieser Tätigkeit
befragt. Wegen der Einzelheiten insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge des Beklagten (Beiakte Heft 1)
sowie der beigezogenen Gerichtsakte des Arbeitsgerichts Rheine (- 1 Ca 2070/04 -)
zum arbeitsgerichtlichen Verfahren des Klägers gegen den Beigeladenen Bezug
genommen.
32
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
33
Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO zulässig; sie hat jedoch in
der Sache keinen Erfolg. Die Zustimmung des Beklagten zur Kündigung des Klägers
durch Bescheid vom 12. November 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides
des Beklagten vom 22. Juli 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen
Rechten.
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Nach § 85 des Sozialgesetzbuches (SGB) IX bedarf die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der
vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes. Der Kläger gehört - unstreitig - zu dem
durch § 85 SGB IX geschützten Personenkreis, weil er mit einem Grad der Behinderung
(GdB) von 50 schwerbehindert ist. Die danach erforderliche Zustimmung ist gemäß § 87
Abs. 1 SGB IX vom Arbeitgeber schriftlich zu beantragen. Dieses Antragsverfahren nach
§ 87 SGB IX ist durchgeführt worden und die Formvorschriften der §§ 87 und 88 SGB IX
sind eingehalten worden.
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Die angegriffene Entscheidung ist auch im Übrigen rechtlich nicht zu beanstanden.
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Nach § 85 SGB IX hat das Integrationsamt - wie bereits die Hauptfürsorgestelle auf der
Grundlage der Vorgängervorschrift des § 15 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG)
nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes
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vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 5. Juni 1975 - V C 57.73 -, FEVS
24, 7 bis 14 -
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über die Zustimmung zur Kündigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden;
Gleiches gilt für den Widerspruchsausschuss. Als Ermessensentscheidung unterliegt
die Zustimmung nur eingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle; das Gericht
prüft gemäß § 114 VwGO lediglich, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens
überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht
entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Dazu ist zu untersuchen, ob die Behörde
von einem ausreichend ermittelten und zutreffenden Sachverhalt ausgegangen ist und
ob sie in ihre Ermessenserwägungen all das eingestellt hat, was nach Lage der Dinge
zu berücksichtigen ist, und ob die sodann vorgenommene Gewichtung sachgerecht war.
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Im Rahmen der Entscheidung nach § 85 SGB IX hat das Integrationsamt die
widerstreitenden Interessen des Schwerbehinderten und die des Arbeitgebers unter
Berücksichtigung des fürsorgerischen Schutzzweckes des Gesetzes gegeneinander
abzuwägen. Dabei ist zum einen das Interesse des Arbeitgebers an der Erhaltung
seiner Gestaltungsmöglichkeiten und zum anderen das Interesse des behinderten
Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes zu berücksichtigen. Der
Schwerbehindertenschutz gewinnt an Gewicht, wenn die Kündigung des
Arbeitsverhältnisses auf Gründe gestützt wird, die in der Behinderung selbst ihre
Ursache haben. In diesen Fällen sind an die Zumutbarkeitsgrenze für den Arbeitgeber
besonders hohe Anforderungen zu stellen, um den im Schwerbehindertenrecht zum
Ausdruck gekommenen Schutzgedanken der Rehabilitation verwirklichen zu können.
Beruhen die Kündigungsgründe dagegen auf Umständen, die in keinem
Zusammenhang mit der Behinderung stehen, tritt der Behindertenschutz in den
Hintergrund. Diese Vorschrift gilt gemäß § 91 Abs. 1 SGB IX auch bei einer
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außerordentlichen Kündigung, soweit sich aus den Bestimmungen des § 91 SGB IX
nichts anderes ergibt. Dabei soll das Integrationsamt nach § 91 Abs. 4 SGB IX die
Zustimmung erteilen, wenn die Kündigung aus einem Grund erfolgt, der nicht im
Zusammenhang mit der Behinderung steht.
Ausgehend hiervon ist die angegriffene Zustimmung des Integrationsamtes des
Beklagten zur Kündigung des Klägers nicht zu beanstanden. Ermessensfehler sind
nicht ersichtlich. Das Integrationsamt ist insbesondere von einem zutreffenden
Sachverhalt ausgegangen. Auch die Voraussetzungen des § 91 Abs. 4 SGB IX sind
vorliegend erfüllt, weil ein Zusammenhang zwischen den vom Arbeitgeber geltend
gemachten Kündigungsgründen und den bei dem Kläger anerkannten Behinderungen
nicht erkennbar ist und auch vom Kläger im Übrigen nicht behauptet wird. Hinsichtlich
der Würdigung im Einzelnen kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die
ausführliche, zutreffende und überzeugende Begründung des Widerspruchsbescheides
des Beklagten vom 22. Juli 2005 verwiesen werden, der das Gericht folgt (vgl. § 117
Abs. 5 VwGO). Lediglich ergänzend ist Folgendes bestätigend anzumerken: Ebenso
wie der Beklagte geht das Gericht davon aus, dass die von der Beigeladenen
vorgetragenen Kündigungsgründe keinesfalls derart sind, dass sie eine
außerordentliche Kündigung offensichtlich nicht rechtfertigen könnten. Wie der Beklagte
zutreffend ausgeführt hat, kann eine offensichtliche Unwirksamkeit der Kündigung nur
dann angenommen werden, wenn sie ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher
und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt; dies trifft auf den vorliegenden
Sachverhalt gerade nicht zu. Der von dem Beigeladenen erhobene Vorwurf, der Kläger
habe während seiner Arbeitszeit (- in erheblichem Umfange -) mit dem ihm für die Arbeit
zur Verfügung gestellten PC das Internet zu privaten Zwecken genutzt und dabei auch
Internetseiten mit pornographischem Inhalt aufgerufen, ist vielmehr zweifellos geeignet,
eine außerordentliche Kündigung zu begründen. Dabei hat das Gericht ganz erhebliche
Zweifel an der Darstellung des Klägers, die dieser im gerichtlichen Verfahren
hinsichtlich dieser Vorgänge gegeben hat. Soweit der Kläger sich zunächst darauf
berufen hat, dass es bei seinem Arbeitgeber keine Regelung hinsichtlich der privaten
Nutzung der zur Verfügung gestellten PC´s gegeben habe, diese mithin nicht verboten
gewesen sei, weshalb er zumindest von einer stillschweigenden Duldung der privaten
Nutzung - auch des Internetzuganges - habe ausgehen können, ist dem
entgegenzuhalten, dass es jedem Arbeitnehmer bewusst sein muss, dass er sich
selbstverständlich während seiner Arbeitszeit seinen entsprechenden arbeitsmäßigen
Verpflichtungen zu widmen hat und private Angelegenheiten auf ein Minimum zu
beschränken sind. Daraus folgt ohne Weiteres selbstverständlich, dass auch eine
etwaige private Internetnutzung eine Ausnahme bleiben muss und auf ein Minimum zu
beschränken ist. Dem gegenüber ergibt sich aus dem Anhang zum Gutachten des
öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Diplom-Informatiker N vom 4.
August 2005, dass im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens erstellt worden und
von den Beteiligten im vorliegenden Verfahren eingeführt worden ist, dass der Kläger in
erheblichem Umfang Zugriff auf Internetseiten zu privaten Zwecken genommen hat. So
wurde in dem untersuchten Zeitraum vom 8. Juli 2003 bis zum 5. November 2004 allein
676 Mal die Internetadresse der Firma „Tchibo" aufgerufen. Darüber hinaus sind
zahlreiche Zugriffe auf „Ebay", „Aldi", Kinoprogramme und Reiseangebote feststellbar.
Selbst wenn man ausgehend von der Tätigkeitsbeschreibung, die der Kläger über seine
Arbeit gegeben hat, annimmt, dass möglicherweise einige diese Internetzugriffe im
Rahmen seiner Tätigkeit erfolgt sind und der Beratung seiner Klienten dienen sollten,
verbleibt gleichwohl eine erhebliche Anzahl von privaten Nutzungen. Bei Anwendung
der erforderlichen, von einem Arbeitnehmer zu erwartenden Sorgfalt musste dem Kläger
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auch ohne entsprechendes ausdrückliches Verbot klar sein, dass eine derart häufige
und intensive private Nutzung des ihm von seinem Arbeitgeber zur Verfügung gestellten
PC und des Internetanschlusses mit seinen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen nicht in
Einklang zu bringen war. Wenn er sich selbst dieses nicht bewusst gemacht hat,
sondern davon ausgegangen ist, seine privaten Angelegenheiten in beliebigem Umfang
auch während seiner Arbeitszeit erledigen zu können, so vermag ihn dieses nicht zu
entlasten.
Erst Recht bestehen erhebliche Zweifel hinsichtlich der Richtigkeit seiner Behauptung,
er habe die Seiten pornographischen Inhaltes nicht absichtlich aufgesucht, sondern
entsprechende Bilder bzw. „Links" seien ohne sein Zutun auf dem Bildschirm
aufgetaucht. Er habe diese „weggeklickt" und nicht gewusst, dass auch dabei eine
Speicherung vorgenommen werde. Zwar geht das Gericht davon aus, dass tatsächlich
gelegentlich zu Werbezwecken Bilder und Links ungewollt auf dem Bildschirm
erscheinen, die zu einem Aufsuchen bestimmter Internetseiten mit sexuellen und auch
pornographischen Angeboten auffordern sollen. Die Vielfalt der in dem Cache des
Browsers im PC des Klägers festgestellten verschiedenen Adressen, die auf Seiten mit
pornographischen Inhalten schließen lassen, die Häufigkeit, mit der einige dieser
Internetadressen gespeichert sind, sowie schließlich die sich daraus ergebende
zeitliche Dauer lassen sein Vorbringen aber als unglaubhaft erscheinen. Würde man
sein Vorbringen als zutreffend unterstellen, würde dies bedeuten, dass jeder
Internetnutzer in vergleichbarer Häufigkeit durch derartige, zu Werbezwecken dienende
Bilder zum entsprechenden Aufsuchen derartiger Seiten aufgefordert werden würde;
dies entspricht allerdings nicht der allgemeinen Lebenserfahrung. Die Angaben des
Klägers dazu, wie es zu dem Auftauchen dieser Dateien gekommen sein soll, nämlich,
dass er versucht habe, sich die richtige Nutzung des Internet durch Übung selbst
beizubringen, sind ebenfalls nicht plausibel. Dabei zeigen bereits die in der Anlage zu
dem vorgenannten Gutachten aufgeführten, von dem Kläger aufgerufenen
Internetadressen, dass er in dem fraglichen Zeitraum offenbar bereits durchaus in der
Lage war, das Internet zielstrebig und sinnvoll einzusetzen und für seine Zwecke zu
nutzen. Denn er hat die von ihm gewünschten Internetadressen - von „amazon" über
„ebay" und „Sparkasse Rheine" bis hin zu „Tchibo" offenbar problemlos jederzeit
aufrufen können. Zudem ist auch nicht ersichtlich, wieso ihm beispielsweise die
Eingabe seines Nachnamens in die Suchmaschine „google" beim Erlernen der
Internetnutzung hätte helfen sollen. Schließlich ist auch kaum erklärbar, weshalb alleine
auf Grund der Eingabe seines Nachnamens eine derartige Vielzahl verschiedener
Internetadressen mit pornographischen Angeboten erschienen sein soll. Das Gericht
hält diese Erklärung deshalb - ebenso wie die Behauptung, da andere Kollegen seinen
PC ebenfalls genutzt hätten, könnten auch sie die fraglichen Seiten aufgerufen haben -
für reine Schutzbehauptungen. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang
schließlich auch, weshalb der Kläger, die Richtigkeit seines Vorbringens unterstellt,
dass die fraglichen Internetadressen durch Bilder und Links zu Webezwecken ohne sein
Zutun auf den PC gelangt seien, sich nicht jedenfalls bei einer derartigen Häufung, wie
sie festgestellt worden ist, an den zuständigen Mitarbeiter gewandt und dieses
angezeigt hat. Seine im Termin zur mündlichen Verhandlung hierzu geäußerte
Begründung, er habe die entsprechenden Bilder „weggeklickt", stimmt jedenfalls nicht
mit seinem Vortrag überein, es seien - ohne sein Zutun und von ihm nicht gesteuert -
immer mehr Bilder dieser Art erschienen. Zumindest angesichts dessen wäre es
jedenfalls naheliegend und von einem Mitarbeiter auch zu erwarten gewesen, dass er
derartige Vorgänge seinen Vorgesetzten bzw. einem EDV-Beauftragten meldet. Im
Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger in den ersten Gesprächen mit anderen
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Mitarbeitern des Beigeladenen auch eingeräumt hat, Bilddateien mit pornographischen
Inhalten jedenfalls angesehen, wenn auch nicht gezielt aufgesucht zu haben.
Dies alles bedarf indes keiner abschließenden Würdigung, weil, wie dargelegt, bereits
die umfangreiche private Nutzung des ihm für seine Arbeit zur Verfügung gestellten PC
während seiner Arbeitszeit ausreicht, um einen nicht von der Hand zu weisenden
Kündigungsgrund zu bieten, der die Kündigung jedenfalls nicht offensichtlich unwirksam
macht. Diese Würdigung der intensiven privaten Nutzung des Internets während der
Arbeitszeit entspricht auch, worauf auch bereits der Beklagte in dem angegriffenen
Widerspruchsbescheid hingewiesen hat, der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung.
43
Die festgestellten Daten sind nach Auffassung des Gerichts auch verwertbar. Das
Gericht ist nicht der von der Klägerseite vertretenen Auffassung, dass diese aus
datenschutzrechtlichen Gründen einem Verwertungsverbot unterliegen. Auch insofern
folgt das Gericht vollumfänglich den Ausführungen in dem angegriffenen
Widerspruchsbescheid, die es für zutreffend erachtet und auf die deshalb gemäß § 117
Abs. 5 VwGO verwiesen wird. Das Gericht teilt insoweit insbesondere die Auffassung
des Arbeitsgerichts Hannover
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vgl. Urteil vom 1. Dezember 2000 - 1 Ca 504/00B, NJW 2001, 3500 f.,
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wonach festgestellte Pflichtverstöße in Bezug auf eine PC- und insbesondere Internet-
Nutzung verwertbar sind und keinem Verwertungsverbot unterliegen, weil sich ein
Beweisverwertungsverbot bestimmter durch den Arbeitgeber gewonnener Erkenntnisse
im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens daraus herleitet, dass
der Übertragungsvorgang durch den Arbeitgeber in nicht zulässiger Weise abgehört
worden ist. Dies war im Falle des Klägers - ebenso wie bei dem vom Arbeitsgericht
Hannover zu entscheidenden Fall - jedoch nicht vorgenommen worden, da der
Arbeitgeber den Kläger nicht beim Surfen im Internet oder beim Herunterladen von
Daten beobachtet, sondern die auf den Datenträgern des Beklagten gespeicherten
Daten gesichtet hatte. Von einem „Ausspähen" seines Verhaltens kann dabei nicht die
Rede sein. Im Übrigen entbehrt die Behauptung des Klägers, dem Beigeladenen sei es
um eine „Ausforschung" seines Internet- Verhaltens gegangen, mangels erkennbarer
Anhaltspunkte insoweit nach Überzeugung des Gerichts jeglicher Grundlage. Die
Verwertung der in den Cache- Dateien gespeicherten Daten wäre angesichts dessen
selbst dann nach Auffassung des Gerichts zulässig gewesen, wenn man dem Vortrag
des Beigeladenen nicht folgte, wonach die Überprüfung der PC der Mitarbeiter erfolgt
ist, weil nach dem Ursprung von Computerviren gesucht worden sei, sondern der
Beigeladene den PC des Klägers - entsprechend dessen Vermutung - gezielt wegen
des Verdachts einer unrechtmäßigen Internetnutzung durch den Kläger überprüft hätte,
weil auch eine solche Überprüfung zur Wahrung der Interessen des Arbeitgebers
grundsätzlich zulässig ist.
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Inwieweit der Kläger schließlich aus Gründen des sozialen Kündigungsschutzes einen
Anspruch auf Weiterbeschäftigung bei dem Beigeladenen hat, ist im vorliegenden
Verfahren nicht zu entscheiden. Die dahingehende Prüfung ist den Gerichten der
Arbeitsgerichtsbarkeit vorbehalten.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 11. November 1999 - 5 C 23.99 -, BVerwGE 110, 67.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO; gemäß § 188 Satz 2 werden
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Gerichtskosten nicht erhoben. Im Hinblick darauf, dass der Beigeladene einen eigenen
Sachantrag gestellt und sich damit am Kostenrisiko beteiligt hat, waren dem Kläger
auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, da dieser mit
seinem Klageantrag im vorliegenden Verfahren obsiegt hat (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt
sich aus § 167 VwGO i. V. m. den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).
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