Urteil des VG Minden vom 11.07.2000

VG Minden: rücknahme, aufteilung, sozialhilfe, verwaltungsakt, unterhaltsbeitrag, rechtsgrundlage, behörde, betrug, uvg, unterkunftskosten

Verwaltungsgericht Minden, 6 K 2883/99
Datum:
11.07.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 2883/99
Tenor:
Die Bescheide des Beklagten vom 19.02.1999 und 29.04.1999 sowie
der Widerspruchsbescheid des Landrats des Kreises N. vom 20.08.1999
werden aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt;
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die am 00.00.1972 geborene Klägerin zu 2) lebte mit ihren beiden Kindern B. H. , geb.
am 00.00.1994, und W. H. , geb. am 00.00.1997 (Klägerin zu 1)), in
Haushaltsgemeinschaft. Auf den Antrag der Klägerin zu 2) vom 09.02.1996 gewährte
der Beklagte ihr und ihrem Sohn B. Sozialhilfe, u.a. auch Hilfe zum Lebensunterhalt und
pauschaliertes Wohngeld.
2
Am 07.10.1997 legte die Klägerin zu 2) dem Beklagten die Geburtsurkunde der Tochter
W. vor. Der Beklagte berechnete daraufhin die laufende Hilfe zum Lebensunterhalt und
das pauschalierte Wohngeld ab September 1997 unter Berücksichtigung von W. H. neu.
In den hier maßgeblichen Bewilligungsbescheiden vom 20.10.1997, 19.11.1997,
19.12.1997, 19.02.1998, 29.06.1998 und 23.07.1998 wurde pauschaliertes Wohngeld in
Höhe von 344,00 DM monatlich gewährt. Bei der Berechnung der laufenden Hilfe zum
Lebensunterhalt für die Zeit vom 01.10.1997 bis 31.10.1998 ermittelte der Beklagte in
den entsprechenden Berechnungsabschnitten zunächst den Gesamtbedarf der beiden
Klägerinnen und des Kindes B. . Dabei wurden in einem ersten Rechenschritt die
maßgeblichen Regelsätze für diese Personen und Mehrbedarfsleistungen sowie
Krankenkassen/Pflegeversicherungsbeiträge für die Klägerin zu 2) in einer
Zwischensumme zusammengefasst. Danach erfolgte die Berechnung der
anrechenbaren Unterkunftskosten wie folgt:
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Zu berücksichtigende Miete: 600,00 DM + Nebenkosten 100,00 DM + zu
berücksichtigende Heizpauschale 80,00 DM - pauschaliertes Wohngeld 344,00 DM
Summe anzurechnende Unterkunftskosten: 436,00 DM.
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Von dem Gesamtbedarf wurde dann die "Summe bereinigtes Einkommen" abgezogen,
das sich aus den Einkünften B. und dem der Klägerin zu 1) zugeordneten Kindergeld
von 220,00 DM zusammensetzte. Daraus ergab sich die für den betreffenden Monat an
die "Bedarfsgemeinschaft" zu zahlende laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in einem
Gesamtbetrag.
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Mit Schreiben vom 20.10.1997 beantragte der Beklagte beim Jugendamt des Kreises N.
. die Erstattung der W. ab 01.10.1997 gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 104
SGB X in Verbindung mit § 140 BSHG aus einer UVG- Leistungsverpflichtung. Auf die
Rechtswahrungsanzeige vom 27.10.1997 legte der Vater von W. , Herr H. T. , S. -U. -S. ,
H. dem Sozialamt des Beklagten am 27.11.1997 eine Erklärung über seine
persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Dazu gab er in der Spalte "sonstige
Belastungen (z. B. Unterhaltszahlungen-Titel vorl.)" 325,00 DM an und legte eine
Urkunde vom 07.10.1997 über die Anerkennung seiner Vaterschaft und Verpflichtung
zum Unterhalt für W. H. vor, die bis zum vollendeten 6. Lebensjahr 325,00 DM betrug.
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In dem der Klägerin zu 2) vom Sozialamt des Beklagten unter dem 03.03.1998
zugesandten Formblatt "Nachprüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse" erklärte die
Klägerin zu 2) am 28.03.1998 u.a., dass W. neben dem Kindergeld von 220,00 DM auch
Unterhaltsbeiträge von 325,00 DM monatlich als Einkommen erhalte.
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Nach einem Aktenvermerk des Beklagten vom 05.11.1998 wurde dort bei Durchsicht der
Sozialhilfeakte erstmals festgestellt, dass der für W. gezahlte Unterhaltsbeitrag von
325,00 DM pro Monat ab dem Zeitpunkt der Geburt nicht als Einkommen bei der
Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt für W. angerechnet worden war. Die
Klägerin zu 2) habe den Unterhalt zunächst nicht angegeben. Später sei angenommen
worden, dass der Unterhalt an die UVG-Stelle gezahlt werde. Dass von dieser Stelle der
Erstattungsanspruch nicht befriedigt wurde, sei nicht bemerkt worden.
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Für die Zeit ab 01.11.1998 wurde daraufhin bei der Berechnung der laufenden Hilfe zum
Lebensunterhalt auch die Unterhaltsleistung für W. in Höhe von 325,00 DM monatlich
als Einkommen berücksichtigt.
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Mit dem an die Klägerin zu 2) als gesetzlicher Vertreterin der Tochter W. H. adressierten
"Rücknahme- und Erstattungsbescheid" vom 19.02.1999 nahm der Beklagte seine
Bescheide vom 20.10.1997, 19.11.1997, 19.12.1997, 19.02.1998, 29.06.1998 und
23.07.1998 über die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt und pauschalierten
Wohngeldes für die Zeit vom 25.09.1997 bis 31.10.1998 im Umfang von 3.965,00 DM
gemäß § 45 SGB X zurück. In dieser Höhe seien der Tochter W. zu Unrecht
Sozialleistungen erbracht worden, weil die für sie gezahlten Unterhaltsbeiträge von
325,00 DM monatlich bei der Berechnung der Hilfe zum Lebensunterhalt nicht
angerechnet worden seien. Auf Vertrauensschutz könne sich die Tochter W. nicht
berufen, weil ihre Mutter, die Klägerin zu 2), die Rechtswidrigkeit der
Bewilligungsbescheide gekannt habe bzw. infolge grober Fahrlässigkeit nicht gekannt
habe (§ 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X). Gesichtspunkte, die im Rahmen der
Ermessensausübung eine Rücknahme der Bescheide rechtfertigen könnten, seien nicht
ersichtlich. Gemäß § 50 Abs. 1 SGB X sei die Überzahlung in Höhe von 3.965,00 DM zu
erstatten.
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Dagegen legte die Klägerin zu 2) unter dem 22.02.1999 Widerspruch ein.
11
Mit dem weiteren Bescheid vom 29.04.1999 forderte der Beklagte die Klägerin zu 2)
nach § 92 a Abs. 4 BSHG auf, für die Zeit vom 25.09.1997 bis 31.10.1998 der Tochter
W. zu Unrecht erbrachte Sozialhilfeleistungen in Höhe von 3.965,00 DM bis zum
26.05.1999 zurückzuzahlen. Es handele sich dabei um den nicht als Einkommen
berücksichtigten Unterhaltsbeitrag des Kindesvaters in Höhe von 325,00 DM monatlich.
Die entsprechenden Bewilligungsbescheide seien gegenüber der Tochter W. gemäß §
45 SGB X zurückgenommen worden. Die Klägerin zu 2) habe die rechtswidrige
Leistungsgewährung zumindest grob fahrlässig verursacht. Eine Härte im Sinne § 92 a
Abs. 1 Satz 2 BSHG, die einer Heranziehung zum Kostenersatz entgegenstehen
könnte, liege nicht vor.
12
Dagegen legte die Klägerin zu 2) mit Schreiben vom 07.05.1999 Widerspruch ein und
trug vor, sie habe darauf vertraut, dass der Beklagte die Leistungen ordnungsgemäß
berechnet habe. Auch wenn sie eine Ausbildung als Reno-Gehilfin habe, sei es ihr nicht
zuzumuten zu überblicken, ob von dort ordnungsgemäße Berechnungen erfolgten. Im
Übrigen sei sie im Sinne von § 818 Abs. 3 BGB entreichert.
13
Der Landrat des Kreises N. wies die Widersprüche vom 22.02.1999 und 07.05.1999
gegen die Bescheide des Beklagten vom 19.02.1999 und 29.04.1999 durch seinen
Widerspruchsbescheid vom 20.08.1999 zurück. Auf den Inhalt wird Bezug genommen.
14
Am 10.09.1999 haben die Klägerinnen daraufhin Klage erhoben, zu deren Begründung
sie im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholen.
15
Sie beantragen,
16
die Bescheide des Beklagten vom 19.02.1999 und 29.04.1999 sowie den
Widerspruchsbescheid des Landrates des Kreises N. vom 20.08.1999 aufzuheben.
17
Der Beklagte beantragt,
18
die Klage abzuweisen.
19
Zur Begründung verweist er auf die Gründe der angefochtenen Bescheide.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
21
Die Kammer hat das Verfahren durch Beschluss vom 21.06.2000 auf den
Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
22
Entscheidungsgründe:
23
Die Klage ist als Anfechtungsklage im Sinne § 42 Abs. 1 VwGO zulässig und auch
begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die
Klägerinnen in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der die Klägerin zu 1)
betreffende Bescheid des Beklagten vom 19.02.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20.08.1999 enthält zwei selbstständige als
Verwaltungsakt im Sinne § 31 SGB X erlassene Entscheidungen, nämlich zum einen
24
die Rücknahme der der Klägerin zu 1) für den Zeitraum vom 25.09.1997 bis 31.10.1998
gewährten Hilfe zum Lebensunterhalt und pauschalierten Wohngeldes in Höhe von
insgesamt 3.965,00 DM, zum anderen das Erstattungsbegehren bezüglich der - nach
Auffassung des Beklagten - zu Unrecht in dieser Höhe gewährten Leitungen.
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der in Frage stehenden Bewilligungsbescheide für
die Zeit vom 25.09.1997 bis 31.10.1998 in Höhe von 3.965,00 DM ist § 45 SGB X.
25
Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich
erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt),
soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den
Einschränkungen der Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die
Vergangenheit zurückgenommen werden.
26
Bei den hier in Frage stehenden Bewilligungsbescheiden handelte es sich um
begünstigende Verwaltungsakte, deren Rücknahme gegenüber der Klägerin zu 1) nur
insoweit in Betracht kommt, als sie selbst dadurch begünstigt worden ist und damit als
Empfängerin der Hilfeleistung anzusehen ist.
27
BVerwG, Urteil vom 22.10.1992 - 5 C 65.88 -, FEVS 43, 268; BVerwG, Urteil vom
30.04.1992 - 5 C 29.88 -, FEVS 43, 441; OVG NW, Urteil vom 11.12.1997 - 8 A 5182/95
-, FEVS 48, 352; OVG Hamburg, Urteil vom 26.02.1993 - Bf IV 22/92 -, FEVS 44, 429.
28
Das Erstattungsverhältnis im Sinne von §§ 45, 50 SGB X ist lediglich die Umkehrung,
das "Spiegelbild" des Leistungsverhältnisses und setzt deshalb das Bestehen eines
wirklichen oder vermeintlichen sozialhilferechtlichen Leistungsverhältnisses voraus, aus
dem die jeweiligen Adressaten des Rücknahme- und des Erstattungsverlangens
unmittelbar vom Träger der Sozialhilfe etwas erhalten haben. Empfänger der Hilfe ist
deshalb derjenige, der sachlich-rechtlich Inhaber der Forderung gegen den
Sozialhilfeträger ist, also der Hilfe Suchende, dem die Leistung zugedacht ist. Für diese
Feststellung ist maßgeblich, wem die Leistung tatsächlich erbracht wird, d. h. wem sie
als wirklichen oder vermeintlichen Sozialhilfeberechtigten zufließt, wessen
Hilfebedürftigkeit der Träger der Sozialhilfe durch die Bemessung der Hilfeleistung
steuern wollte.
29
Bei mehreren in einer Familie zusammenlebenden sozialhilfebedürftigen Personen -
wie im vorliegenden Fall - ist als sozialhilfeberechtigt und damit als Empfänger der Hilfe
nicht die "Bedarfsgemeinschaft" anzusehen. Nach § 11 Abs. 1 BSHG hat vielmehr jeder
Hilfe Suchende einen eigenen höchstpersönlichen Anspruch auf Sozialhilfe. Dies macht
eine Konkretisierung der individuellen Leistungsansprüche eines jeden Mitglieds der
"Bedarfsgemeinschaft" gesondert erforderlich. Eine Klarstellung, welchem einzelnen
Hilfeempfänger gegenüber eine tatsächliche Bewilligung von Leistungen erfolgt sowie
eine Aufteilung auf die einzelnen Hilfeempfänger bereits auf der Leistungsebene ist
Voraussetzung, wenn später die Rücknahme und Rückforderung gegenüber dem
jeweils Begünstigten ausgesprochen werden soll. Die Aufteilung der individuellen
Leistung für jeden Hilfeempfänger muss deshalb bereits bei der Leistungserbringung
stattfinden, denn nur um die Rückgewährung dieser Leistungen kann es später gehen.
30
BVerwG, Urteil vom 22.10.1992 - 5 C 65.88 -, a.a.O.; OVG NW, Urteil vom 11.12.1997 -
8 A 5182/95 -, a.a.O.; OVG Hamburg, Urteil vom 26.02.1993 - BF IV 22/92 -, a.a.O.; VG
Minden, Urteil vom 23.07.1996 - 6 K 5884/94 - VG Minden, Urteil vom 03.12.1996 - 6 K
31
2641/95 -; VG Minden, Urteil vom 30.03.1998 - 6 K 2890/97 -.
Ist die in den Bewilligungsbescheiden getroffene Regelung bezüglich der Aufteilung der
Leistungen auslegungsbedürftig, richtet sich die Auslegung in entsprechender
Anwendung der §§ 133, 157 BGB nach den für empfangsbedürftige Willenserklärungen
entwickelten Grundsätzen. Entscheidend ist danach nicht der innere Wille der Behörde,
d. h. das, was die Behörde mit der Erklärung gewollt hat, sondern deren erklärter Wille,
wie ihn der Empfänger des Bescheides bei objektiver Würdigung aller ihm bekannten
und erkennbaren Umstände des Einzelfalls verstehen durfte und musste.
32
BVerwG, Urteil vom 07.02.1986 - 4 C 28.84 -, NJW 1986, 2267; BSG, Urteil vom
08.12.1993 - 10 Rkg 19/92 -, DVBl. 1994, 1245; OVG Hamburg, Urteil vom 28.04.1995 -
Bf IV 34.93 -, FEVS 46, 323; Schroeder-Printzen, SGB X, 3. Aufl. 1996, Rdnr. 22, 23 zu §
31; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz, 7. Aufl. 2000, Rdnr. 17 zu § 35.
33
Bei Anwendung dieser Grundsätze ist die in dem Bescheid vom 19.02.1999 gegenüber
der Klägerin zu 1) geregelte Rücknahmeentscheidung rechtswidrig. Den
zurückgenommenen Bewilligungsbescheiden vom 20.10.1997, 19.11.1997, 19.12.1997,
19.02.1998, 29.06.1998 und 23.07.1998 ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob bzw. in
welcher Höhe der Klägerin zu 1) für die Zeit vom 25.09.1997 bis 31.10.1998
pauschaliertes Wohngeld und Hilfe zum Lebensunterhalt gewährt worden ist.
34
Die durchweg an die Klägerin zu 2) adressierten Bewilligungsbescheide lassen
zunächst nicht erkennen, dass die Klägerin zu 1) Empfänger des pauschalierten
Wohngeldes sein sollte. Die in allen Bewilligungsbescheiden im Berechnungsabschnitt
I enthaltene Formulierung "nach §§ 31 ff. WoGG ... bewillige ich Ihnen pauschaliertes
Wohngeld in Höhe von 344,00 DM" ist vom objektiven Erklärungswert aus der Sicht der
Klägerin zu 2) als Adressatin eher so zu verstehen, dass diese Leistung ihr zustehen
sollte. Die Bewilligungsbescheide enthalten ferner keine eindeutige Aufteilung und
Zuordnung der jeweils mit einem Gesamtbetrag berechneten monatlichen Hilfe zum
Lebensunterhalt auf die einzelnen Mitglieder der "Bedarfsgemeinschaft" und damit auf
die Klägerin zu 1).
35
Eine solche Aufteilung und Zuordnung ergibt sich insbesondere auch nicht aus den
entsprechenden Berechnungsabschnitten der Bescheide. Sie scheitert daran, dass der
Beklagte dort die Unterkunfts- und Heizkosten abzüglich des gewährten pauschalierten
Wohngeldes als Gesamtbetrag in die Bedarfsberechnung für die "Bedarfsgemeinschaft"
eingesetzt hat. Der allein maßgebliche objektive Erklärungswert dieser Verfahrensweise
aus der Sicht der Klägerin zu 2) als Adressatin der Bescheide lässt auch nicht eine
Auslegung zu, dass die Unterkunfts- und Heizkosten in Wirklichkeit für die einzelnen
Mitglieder der "Bedarfsgemeinschaft" anteilig, z. B. nach Kopfteilen zu je 1/3
berücksichtigt worden seien.
36
So aber offenbar OVG NW, Urteil vom 11.12.1997 - 8 A 5182/95 -.
37
Eine solche Aufteilung entspricht zwar bei der Prüfung der Frage, ob einem Hilfe
Suchenden ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt zusteht, der ständigen
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - vgl. Urteil vom 21.01.1988 - 5 C
68.85 - in FEVS 37, 272 (275) - und des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen - vgl. Urteil vom 10.03.1992 - 24 A 1240/89 -, Urteil vom
11.12.1997 - 8 A 5182/95 -, der auch das erkennende Gericht folgt.
38
Diese Rechtsprechung und eine sich dahin etwa entwickelte ständige
Verwaltungsübung des Beklagten könnte bei der Auslegung der hier in Frage
stehenden Bewilligungsbescheide jedoch nur berücksichtigt werden, wenn sie der
Klägerin zu 2) bekannt waren. Dafür ist allerdings nichts vorgetragen worden und auch
sonst nichts ersichtlich. Dass der Beklagte selbst bei der Ermittlung anteilmäßiger
Unterkunfts- und Heizkosten nicht einheitlich verfuhr, zeigt seine nachträgliche
Berechnung in dem an die Klägerin zu 2) gerichteten Kostenersatzbescheid vom
29.04.1999. Der dort zugrundegelegte Gesamtbedarf der Klägerin zu 1) an monatlicher
laufender Hilfe zum Lebensunterhalt ab September 1997 in Höhe von 556,00 DM
enthält einen 1/3- Anteil aus den reinen Unterkunfts- und Heizkosten von 260,00 DM
(780,00 DM : 3 = 260,00 DM), ohne dass dort - wie in den Bewilligungsbescheiden - das
gewährte pauschalierte Wohngeld abgezogen worden wäre.
39
Werden die Unterkunfts- und Heizkosten in Bewilligungsbescheiden für eine
"Bedarfsgemeinschaft" nicht ausdrücklich den einzelnen Hilfeempfängern anteilmäßig
zugeordnet - wie hier - liegt aus der Sicht der Hilfeempfänger die Annahme näher, dass
diese Kosten demjenigen als Bedarf zugeordnet werden, der den Mietvertrag
abgeschlossen hat und deshalb zivilrechtlich zur Zahlung verpflichtet ist.
40
Bezüglich der durch den Bescheid vom 19.11.1997 im Berechnungsabschnitt 3 für den
Monat Dezember 1997 der Frau C. H. gewährten einmaligen Weihnachtsbeihilfe und
der durch die Bescheide vom 19.12.1997, 19.02.1998 und 29.06.1998 ebenfalls der
Frau C. H. gewährten Bekleidungsbeihilfen ist ebenfalls eine genaue Aufteilung auf die
Mitglieder der "Bedarfsgemeinschaft" nicht erfolgt.
41
Ist damit nicht bestimmbar, ob die Klägerin zu 1) in der Zeit vom 25.09.1997 bis
31.10.1998 pauschaliertes Wohngeld gewährt und in welchem Umfang ihr Hilfe zum
Lebensunterhalt zugewendet worden ist, muss die Rücknahmeentscheidung im
Bescheid vom 19.02.1999 insgesamt als rechtswidrig angesehen werden.
42
Vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 26.02.1993 - Bf 22.92 -, FEVS 44, 429.
43
Selbst wenn man die Auffassung vertreten würde, bei einer jedenfalls teilweisen
Bestimmbarkeit der Begünstigung auf der Leistungsebene komme eine entsprechende
teilweise Rücknahme der Bewilligung gemäß § 45 SGB X in Betracht, führte dies im
vorliegenden Fall nicht zu einem anderen Ergebnis.
44
Den in Frage stehenden Bewilligungsbescheiden könnte zwar entnommen werden,
dass der Klägerin zu 1) zumindest laufende Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe des für
sie maßgeblichen Regelsatzes von 296,00 DM bzw. 297,00 DM abzüglich des ihr
zugeordneten Einkommens von 220,00 DM Kindergeld, d. h. 76,00 DM bzw. 77,00 DM
monatlich gewährt worden ist. Diese Leistungen hätte sie jedoch rechtmäßig erhalten,
denn ihr stand zumindest in dieser Höhe ein Anspruch auf laufende Hilfe zum
Lebensunterhalt gemäß § 11 Abs. 1 BSHG zu. Der monatliche Bedarf der Klägerin zu 1)
betrug 556,00 DM, ab 01.07.1998 557,00 DM und setzte sich aus den
Regelsatzleistungen von 296,00 DM bzw. 297,00 DM zuzüglich des auf sie entfallenden
1/3-Anteils an den Unterkunfts- und Heizkosten von 260,00 DM zusammen. Das von
dem Beklagten gewährte pauschalierte Wohngeld von 344,00 DM monatlich war dabei
nicht als Abzugsposition zu berücksichtigen.
45
Vgl. dazu Lutter in ZfSH 1997, 387 (394, 395).
46
Auf diesen Bedarf der Klägerin zu 1) von 556,00 DM bzw. 557,00 DM durften nur die von
ihrem Vater für sie gezahlten Unterhaltsleistungen von 325,00 DM monatlich gemäß §
76 angerechnet werden. Das Kindergeld und das pauschalierte Wohngeld waren
demgegenüber ausschließlich auf den sozialhilferechtlichen Bedarf der für diese
Leistungen anspruchsberechtigten Klägerin zu 2) anzurechnen, die selbst hilfebedürftig
war und das Kindergeld und pauschalierte Wohngeld benötigte, um ihren eigenen
sozialhilferechtlichen Bedarf zu decken.
47
Vgl. BVerwG, Urteil vom 08.02.1980 - 5 C 61.78 -, FEVS 28, 265; OVG NW, Urteil vom
17.10.1995 - 8 A 3699/92 - m.w.N.; Lutter, a.a.O., S. 391.
48
Bei dieser Sachlage kommt es auf die Frage, ob die übrigen Voraussetzungen des § 45
Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 und 3; Abs. 4 SGB X für die in dem Bescheid vom 19.02.1999
erfolgte Rücknahme der Bewilligungsbescheide vorliegen, nicht an.
49
Die Voraussetzungen des § 50 Abs. 1 SGB X für die in dem Bescheid vom 19.02.1999
weiter geregelte Verpflichtung der Klägerin zu 1) zur Erstattung von 3.965,00 DM sind
ebenfalls nicht erfüllt, denn die erfolgte Aufhebung der Bewilligungsbescheide für die
Zeit vom 25.09.1997 bis 31.10.1998 hat aus den oben dargestellten Gründen keinen
Bestand.
50
Rechtsgrundlage für den die Klägerin zu 2) betreffenden Bescheid vom 29.04.1999 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.08.1999 ist §§ 92 a Abs. 4 BSHG.
51
Danach ist zum Ersatz der Kosten zu Unrecht erbrachter Leistungen der Sozialhilfe (§
50 SGB X) in entsprechender Anwendung der Abs. 1 bis 3 verpflichtet, wer die
Leistungen durch vorsätzliches oder grob fahrlässiges Verhalten herbeigeführt hat (§ 92
a Abs. 4 Satz 1).
52
Diese Kostenersatzpflicht Dritter besteht jedoch nur, wenn die Bewilligung der
Sozialhilfe gegenüber dem Empfänger der Hilfe aufgehoben worden ist.
53
So BVerwG, Urteil vom 20.11.1997 - 5 C 16.97 -, FEVS 48, 243.
54
Daran fehlt es hier. Die im Bescheid vom 19.02.1999 auf § 45 SGB X gestützte
Aufhebung der Bewilligungsbescheide für die Zeit vom 25.09.1997 bis 31.10.1998
bezüglich der der Klägerin zu 1) erbrachten Leistungen in Höhe von 3.965,00 DM hat
aus den oben dargestellten Gründen keinen Bestand.
55
Der Klage war daher insgesamt mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2
VwGO stattzugeben. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §
167 Abs. 2 VwGO.
56