Urteil des VG Minden vom 05.03.2009
VG Minden: wiedereinsetzung in den vorigen stand, bundesamt für migration, gesetzliche frist, klagefrist, behandlung, irak, zustellung, verschulden, vollstreckung, psychiatrie
Verwaltungsgericht Minden, 1 K 1356/08.A
Datum:
05.03.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 1356/08.A
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht
erhoben werden.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor
der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger ist irakischer Staatsangehörigkeit arabischer Volks- und muslimisch-
schiitischer Religionszugehörigkeit. Seinen eigenen Angaben zufolge reiste er am
24.05.2002 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am
28.05.2002 einen Asylantrag.
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Der Asylantrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge, jetzt Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden:
Bundesamt) vom 25.02.2003 abgelehnt. Weiterhin wurde festgestellt, dass die
Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG und Abschiebungshindernisse nach § 53
AuslG nicht vorliegen. Zugleich wurde die Abschiebung in den Nordirak
(Sicherheitszone) angedroht. Hiergegen legte der Kläger kein Rechtsmittel ein.
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Am 14.12.2007 stellte der Kläger einen Antrag auf Durchführung eines weiteren
Asylverfahrens und trug zur Begründung vor: In seinem Heimatland herrsche
Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten. Er wisse nicht mehr, wo sich seine Familie
aufhalte, so dass er in den Irak nicht zurückkehren könne. Außerdem sei er stationär in
der Psychiatrie behandelt worden.
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Mit Bescheid vom 12.03.2008 lehnte das Bundesamt den Asylfolgeantrag des Klägers
und den Antrag auf Abänderung der Feststellung zu § 53 Abs. 1 bis 6 AuslG ab. Zur
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Begründung führte es aus, dass es keine Gruppenverfolgung der Schiiten im Irak gebe.
Die Angaben zu einer Krankheit des Klägers seien völlig unsubstantiiert. Der Bescheid
wurde dem Kläger ausweislich der Zustellungsurkunde am 14.03.2008 zugestellt. Im
Bescheid wurde der Kläger über das Rechtmittel der Klage innerhalb von zwei Wochen
nach Zustellung belehrt.
Der Kläger hat am 24.04.2008 Klage erhoben, die er wie folgt begründet: Im Irak
herrsche Krieg zwischen Sunniten und Schiiten. Die Regierung und die ausländischen
Sicherheitskräfte seien nicht in der Lage, den Terror zu beherrschen. Außerdem sei er in
psychiatrischer stationärer Behandlung gewesen und bedürfe noch immer einer
psychiatrischen Behandlung.
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Nach Hinweis der Beklagten mit Schriftsatz vom 05.05.2008 auf die Verfristung der
Klage hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 06.06.2008 Wiedereinsetzung in
die versäumte Klagefrist beantragt und zur Begründung vorgetragen: Die Muttersprache
des Klägers sei Arabisch, so dass er den Bescheid und insbesondere die
Rechtsmittelbelehrung nicht verstanden habe. Der Kläger sei erstmalig am 10.04.2008
beim Prozessbevollmächtigten vorstellig geworden, an die Zustellung des Bescheides
könne sich der Kläger nicht erinnern. Der Kläger habe sich in der Zeit vom 29.03.2005
bis zum 05.04.2005 in stationärer Behandlung des Westfälischen Zentrums für
Psychiatrie und Psychotherapie Paderborn befunden. Er sei dort wegen
Anpassungsstörungen mit depressiver Symptomatik behandelt worden. Zuletzt hat der
Kläger mit Schreiben vom 16.02.2009 eine ärztliche Bescheinigung vom 30.01.2009
vorgelegt, wonach er sich weiterhin in ambulanter Behandlung befindet und seine
psychische Verfassung instabil ist.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.03.2008 zu verpflichten,
festzustellen, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG
vorliegen,
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hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 7 AufenthG
vorliegen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie beruft sich auf die Unzulässigkeit der Klage wegen der Versäumung der Klagefrist.
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Mit Beschluss vom 07.05.2008 ist das Verfahren der Berichterstatterin als Einzelrichterin
zu Entscheidung übertragen worden. Mit Beschluss vom 14.01.2009 ist der Antrag auf
Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (2 Hefter)
Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unzulässig.
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Der Kläger hat die Klagefrist von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides der
Beklagten versäumt (vgl. § 74 Abs. 1 AsylVfG).
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Der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung im Sinne von § 58 Abs. 1
VwGO versehene Bescheid vom 12.03.2008 wurde dem Kläger ausweislich der
Zustellungsurkunde am 14.03.2008 wirksam zugestellt (§ 3 Abs. 2 VwZG). Die
zweiwöchige Klagefrist gemäß § 74 Abs. 1, 1. Halbsatz AsylVfG endete damit gemäß §
57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187, 188 Abs. 1, 3 BGB am
28.03.2008. Spätestens an diesem Tage hätte die Klage erhoben werden müssen.
Tatsächlich ist die Klageschrift vom 23.04.2008 erst am 24.04.2008 und damit verfristet
bei Gericht eingegangen.
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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO kann dem Kläger nicht
gewährt werden. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine
gesetzliche Frist einzuhalten. Anhaltspunkte dafür, dass die Versäumung der Klagefrist
unverschuldet gewesen sein könnte, hat der Kläger innerhalb der Frist des § 60 Abs. 2
VwGO nicht glaubhaft gemacht und sind auch nicht ersichtlich. An einem Verschulden
i.S.v. § 60 Abs. 1 VwGO fehlt es, wenn dem Antragsteller nicht zum Vorwurf gemacht
werden kann, dass die Klagefrist verstrichen ist. Verschuldet ist die Versäumung einer
Frist, wenn der Antragsteller die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die für einen
gewissenhaften und sachgemäß Prozessführenden geboten ist und die ihm subjektiv
nach den gesamten Umständen des konkreten Falles zuzumuten war.
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Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar 15. Auflage 2007, § 60, Rdnr. 9.
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Es ist nicht dargetan und entspricht auch nicht der Lebenserfahrung, dass der Kläger
nicht in der Lage gewesen ist, in der Zeit bis zum Ablauf der Klagefrist sich hinreichende
Kenntnis vom Inhalt des Bescheides zu verschaffen. Auch wenn er nicht ausreichend
Deutsch sprechen und lesen können sollte, ist es dem Kläger möglich und auch
zumutbar gewesen, Personen oder Einrichtungen für eine Übersetzung zu finden. So
hätte der Kläger beispielsweise Nachbarn, Verwandte, Dolmetscherbüros,
Beratungsdienste oder auch sein zuständiges Ausländeramt aufsuchen können, um
vom Inhalt des Bescheides Kenntnis zu erlangen. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür
ersichtlich, dass all diese Möglichkeiten für den Kläger, der sich bereits seit mehr als
sechs Jahren in Deutschland aufhält, nicht bestanden haben.
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Die Klage hätte auch bei fristgerechter Erhebung keinen Erfolg gehabt, da diese zudem
unbegründet ist. Zur weiteren Begründung wird insofern nach § 77 Abs. 2 AsylVfG auf
die Gründe des angefochtenen Bescheides vom 12.03.2008, die das Gericht für
überzeugend hält, Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG. Die
Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit und zur Abwendungsbefugnis
beruhen auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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