Urteil des VG Minden vom 15.08.2008

VG Minden: general, flughafen, reisekosten, studiengebühr, verkehrsmittel, studienjahr, wohnung, vollstreckung, bahn, klagebegehren

Verwaltungsgericht Minden, 6 K 1428/08
Datum:
15.08.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 1428/08
Tenor:
Der Beklagte wird unter Änderung des Bescheides vom 24.9.2007 und
des Widerspruchsbescheides vom 3.4.2008 verpflichtet, der Klägerin für
den Zeitraum August 2007 bis Mai 2008 monatlich weitere 9 EUR,
insgesamt also weitere 90 EUR als Ausbildungsförderung zu bewilligen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50 EUR
abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin schloss mit der Fachhochschule für Touristik- und Hotelmanagement C. I.
GmbH (FH) einen "Unterrichtsvertrag Tourismusmanagement" für die Zeit von
September 2005 bis Juli 2009. Die jährlichen Studiengebühren betragen 7.350 EUR, für
deutsche Studenten zahlbar vor Beginn jedes Studienjahres. Gemäß Nr. 5.1 des
Vertrags sieht der Studiengang ein zwingendes Auslandsjahr vor, zu dessen Ableistung
im dritten Ausbildungsjahr Gelegenheit zu geben sich die FH verpflichtet hat. Nach Nr.
5.2 des Vertrags sind etwaige von der Auslandsuniversität berechnete Studiengebühren
mit den an die FH zu zahlenden Gebühren nicht abgegolten, sondern vom Studenten
zusätzlich über die FH zu leisten. Die Klägerin absolvierte ihr Auslandsjahr von August
2007 bis Mai 2008 an der O. B. University (NAU) in G. /USA. Die FH stellte der Klägerin
am 10.4.2007 für das Studienjahr September 2007 bis August 2008 die Studiengebühr
von 7.350 EUR in Rechnung. Die Klägerin zahlte die Gesamtstudiengebühren für das 5.
und 6. Semester an die FH, die davon den Anteil, den die NAU in Höhe von 3.446 $ pro
Semester als Studiengebühren ("Tuition") verlangte, an die NAU weiterleitete. Die
Klägerin überwies Mitte Juli bzw. Ende November 2007 die von der NAU gesondert
berechneten Gebühren ("General fees") von 125 $ für das Herbstsemester bzw. 124 $
für das Frühjahrssemester unmittelbar an die NAU.
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Für den Zeitraum August 2007 bis Mai 2008 beantragte die Klägerin Ende März 2007
beim Beklagten Auslandsförderung und machte dazu u.a. die Übernahme der
Studiengebühren für den Besuch der NAU sowie Hin- und Rückreisekosten (darunter
Kosten für PKW-Fahrten von ihrer elterlichen Wohnung in F. zum Flughafen L. /C1. und
zurück) geltend. Zu letzterem erklärte sie später, sie habe für die Hinreise zum
Flughafen die Benutzung der Bahn angesichts einer frühen Abfahrtzeit, der Menge ihres
Gepäcks und der Notwendigkeit eines mindestens zweimaligen Umsteigens als
unzumutbar empfunden, zumal sie zu der fraglichen Uhrzeit nicht mit einem öffentlichen
Verkehrsmittel von ihrer elterlichen Wohnung zum Abreisebahnhof C2. hätte gelangen
können.
3
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 24.9.2007 Ausbildungsförderung
für die Zeit von August 2007 bis Mai 2008, wobei er im Rahmen der Bedarfsfestsetzung
als Studiengebühren nur die von der NAU für das Herbstsemester gesondert
berechneten Gebühren von 125 $ - nach Umrechnung mit 9,10 EUR monatlich
berücksichtigt - und als Reisekosten nur die Flugkosten anerkannte; die Kosten für die
PKW-An- und Abreise zum bzw. vom Flughafen in Deutschland seien nicht notwendig
gewesen, eine Erstattung fiktiver Reisekosten (für öffentliche Verkehrsmittel) sei nicht
möglich. Mit ihrem Widerspruch wandte die Klägerin sich u.a. gegen die
Nichtberücksichtigung der PKW-Kosten und des weit überwiegenden Teils ihrer
Studiengebühren. Der Beklagte wies den Widerspruch durch Bescheid vom 3.4.2008
zurück mit der Begründung, die für den USA- Aufenthalt gezahlten, von der FH
weitergeleiteten Studiengebühren seien ein geringerer Betrag als die 7.350 EUR, die an
die FH zu zahlen gewesen seien, weshalb es an einem im Ausland entstandenen
erhöhten konkreten Bedarf fehle, und die Klägerin habe die streitigen Reisekosten nicht
belegt, ganz abgesehen davon, dass die Benzinkosten für die Fahrt vom Heimatort zum
Flughafen von ihren Eltern zu tragen seien.
4
Am 2.5.2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung meint sie, aus
verfassungsrechtlichen Gleichheitsgründen müssten Studenten staatlicher und privater
Hochschulen bei Absolvierung eines Auslandssemesters hinsichtlich der Erstattung von
Studiengebühren gleich gestellt sein. Die FH habe von den 7.350 EUR an
Studiengebühren, die sie für das Studienjahr 2007/08 an die FH gezahlt habe, einen
Betrag von 6.892 $ an die NAU weitergeleitet. In § 3 der Auslandszuschlagsverordnung
sei nicht zu lesen, dass ein konkret bemessener erhöhter Auslandsbedarf vorliegen
müsse. Im Übrigen verweist die Klägerin (erneut) pauschal auf das Urteil des VG
Arnsberg zum Verfahren 10 K 2401/05.
5
Die Klägerin stellt keinen ausdrücklichen Klageantrag.
6
Der Beklagte beantragt unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid,
7
die Klage abzuweisen.
8
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung
einverstanden erklärt.
9
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten verwiesen.
10
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Im Einverständnis der Beteiligten konnte die Kammer ohne mündliche Verhandlung
entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
12
Die Klage hat nur teilweise Erfolg.
13
Das Klagebegehren ist ausweislich der Klagebegründung sinngemäß (vgl. § 88 VwGO)
- anders als der Widerspruch nur noch - darauf gerichtet, den Beklagten unter Änderung
des Bescheides vom 24.9.2007 und Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom
3.4.2008 zu verpflichten, der Klägerin Ausbildungsförderung für den streitbefangenen
Zeitraum vom 1.8.2007 bis zum 31.5.2008 unter voller Berücksichtigung der insgesamt
an die NAU gezahlten Studiengebühren zu bewilligen.
14
Die objektiv in diesem Sinne zu verstehende zulässige Verpflichtungsklage ist nur zu
einem sehr geringen Teil begründet. Die Klägerin hat für die Zeit von August 2007 bis
Mai 2008 einen über die bisherige Bewilligung hinaus gehenden Anspruch lediglich auf
zusätzliche Leistungen wegen der von ihr an die NAU für das Frühjahrssemester
gezahlten "General fees".
15
Nach § 13 Abs. 4 BAföG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1 der BAföG-
Auslandszuschlagsverordnung (BAföG-AZV) in der hier maßgebenden, bis zum
31.7.2008 gültig gewesenen Fassung wird bei einer Auslandsausbildung i.S.d. § 5 Abs.
2 BAföG - wie im Falle der Klägerin - für die nachweisbar notwendigen
Studiengebühren ein Zuschlag zum Bedarf bis zur Höhe von 4.600 EUR je Studienjahr
geleistet. Die Berücksichtigung solcher Gebühren setzt nach dem Sinn und Zweck des
Gesetzes allerdings zwingend voraus, dass der Auszubildende selbst sie zu tragen und
im Ausland einen entsprechenden erhöhten konkreten Bedarf hat.
16
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.12.1994 - 16 A 2880/92 -, unter Bestätigung des
erstinstanzlichen Urteils des VG Düsseldorf vom 3.7.1992 - 13 K 4691/91 -.
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Das trifft hier lediglich für die von der Klägerin nachgewiesenermaßen zusätzlich an die
NAU gezahlten "General fees" für ihre beiden Auslandssemester zu. Da der Beklagte
bislang nur die für das Herbstsemester, nicht aber die für das Frühjahrssemester
gezahlten "General fees" bedarfserhöhend berücksichtigt hat, kann die Klägerin
zusätzliche Förderungsleistungen von monatlich 9 EUR nach folgender Berechnung
beanspruchen:
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"General fees" von 125 $ am 16.7.2007 gezahlt zum damaligen Bankkurs von 1,380999
$/EUR = 90,51 EUR "General fees" von 124 $ am 30.11.2007 gezahlt zum damaligen
Bankkurs von 1,4724 $/EUR = + 84,22 EUR 174,73 EUR Bedarfszeitraum 10 Monate :
10 = monatlich 17,47 EUR
19
daraus resultierender monatlicher Gesamtbedarf laut Bescheid vom 24.9.2007 756,17
EUR abzgl. berücksichtigte Studiengebühr ("General fees") - 9,10 EUR zzgl. tatsächlich
gezahlte "General fees" + 17,47 EUR 764,54 EUR abzgl. Elterneinkommen laut
Bescheid vom 24.9.2007 - 168,76 EUR monatlicher Förderungsanspruch 595,78 EUR
aufgerundet gem. § 51 Abs. 3 BAföG 596,00 EUR abzgl. bewilligter Förderungsbetrag -
587,00 EUR verbleibender zusätzlicher monatlicher Förderungsbetrag 9,00 EUR
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Die Studiengebühren ("Tuition") von 3.446 $ (damals ca. 2.500 EUR) pro Semester
wirken sich demgegenüber nicht bedarfserhöhend aus. Denn diese Gebühren sind nicht
von der Klägerin selbst, sondern von der FH getragen worden, indem diese
entsprechende Beträge als Teil der Studiengebühr von jährlich 7.350 EUR, die sie
gemäß Nr. 4.1 des geschlossenen Unterrichtsvertrags von der Klägerin erhebt, an die
NAU weitergeleitet hat. Die Zahlung der Studiengebühr von 7.350 EUR pro Jahr
ihrerseits (vgl. Rechnung vom 10.4.2007 für das Studienjahr 2007/08) beruht auf einer
Inlandsverpflichtung der Klägerin aus dem Studienvertrag, der insoweit nicht zwischen
Zeiten des Inlands- und Auslandsstudiums und insbesondere nicht danach differenziert,
ob und gegebenenfalls in welcher Höhe während des Auslandsstudiums dortige
Studiengebühren (vgl. im vorliegenden Fall Informationsschreiben der FH "Bachelor
Abroad" vom 18.8.2006 und "Tuition Fees" zu "Bachelor Abroad 2007 - 2008" …["All
fees are paid to the FH"]: für die NAU = "Home tuition") anfallen.
21
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 19.12.1994 - 16 A 2880/92 -; VG Koblenz, Gerichtsbescheid
vom 17.5.1993 - 5 K 1930/92.KO -; VG Köln , rkr. Urteil vom 17.7.2007 - 22 K 4687/05 -.
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Gerade dadurch unterscheidet sich im vorliegenden Fall die "Tuition" von den "General
fees", die gemäß Nr. 5.2 des Unterrichtsvertrags der Klägerin mit der FH als von der
Auslandsuniversität berechnete Studiengebühren mit den Gebühren gem. Nr. 4 des
Unterrichtsvertrags nicht abgegolten, sondern vom Studenten zusätzlich zu leisten sind;
dass diese zusätzlichen Gebühren ("General fees") laut Vertrag über die FH geleistet
werden sollten, tatsächlich aber von der Klägerin unmittelbar an die NAU überwiesen
wurden, ist insoweit unerheblich.
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Auf das mehrfach in Bezug genommene rechtskräftige Urteil des VG Arnsberg vom
24.10.2007 - 10 K 2401/05 - (abrufbar unter www.nrwe.de) kann die Klägerin ihr
Klagebegehren nicht stützen. Denn der jenem Urteil zu Grunde liegende Sachverhalt
war insoweit wesentlich anders gelagert, als dort an die inländische Hochschule das
von ihr festgelegte Studienentgelt nur für diejenigen Ausbildungsabschnitte zu zahlen
war, die tatsächlich im Inland absolviert wurden; diesen entscheidungserheblichen
Unterschied hebt das VG Arnsberg selbst hervor.
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Auch das rechtskräftige Urteil des VG München vom 16.2.2006 - M 15 K 05.5559 -
(abrufbar bei juris), das dem dortigen Kläger einen Auslandszuschlag für eine
nachweisbar notwendige Studiengebühr zusprach, unterscheidet sich vom vorliegenden
Fall entscheidungserheblich. Denn im Verfahren vor dem VG München handelte es sich
um einen integrierten Studiengang (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BAföG), von dem im
vorliegenden Fall nach den der Kammer zur Verfügung stehenden Unterlagen keine
Rede sein kann. Sollte das VG München im Übrigen seine Auffassung auch auf
Fallkonstellationen wie die hier vorliegende verstanden wissen wollen, könnte die
Kammer dem aus den oben genannten Gründen nicht folgen.
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Zur Information insbesondere der Klägerin merkt die Kammer ergänzend an, dass eine
Klage mit dem im Widerspruchsverfahren noch verfolgten zusätzlichen Begehren auf
Berücksichtigung der Reisekosten für PKW-Fahrten von der elterlichen Wohnung der
Klägerin in F. zum Flughafen L. /C1. und zurück unbegründet gewesen wäre. § 4 Abs. 1
Nr. 2 BAföG-AZV in der bis zum 31.7.2008 gültig gewesenen Fassung sah eine
Leistung (lediglich) der nachweisbar notwendigen Aufwendungen für eine Hin- und
Rückreise zu bzw. von einem Ausbildungsort außerhalb Europas vor. Notwendige
Reisekosten wären jedoch nur solche mit öffentlichen Verkehrsmitteln gewesen, wie der
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Beklagte sie hinsichtlich der Flugkosten auch anerkannt und bedarfserhöhend
berücksichtigt hat. Kosten für Fahrten der Klägerin im elterlichen PKW zum bzw. vom
deutschen Flughafen, die in der von der Klägerin angesetzten Höhe deutlich über den
Kosten für öffentliche Verkehrsmittel (Bahn) lagen, waren nicht notwendig, weil der
Klägerin die Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln ohne weiteres zumutbar gewesen
wären. Unbequemlichkeiten wegen der Notwendigkeit mehrfachen (hier: zweimaligen)
Umsteigens machen die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel selbst bei Mitführung
mehrerer Gepäckstücke nicht unzumutbar. Gegebenenfalls hätte die Klägerin besonders
sperriges oder schweres Gepäck auch zur eigenständigen Beförderung aufgeben und
für die Fahrt zum Abreisebahnhof ein Taxi benutzen können. Die Anerkennung fiktiver
Kosten für Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln, die der Klägerin tatsächlich nicht
entstanden sind, als bedarfserhöhende notwendige Reisekosten schied aus, weil fiktive
Kosten keine "Aufwendungen" i.S.d. § 4 BAföG- AZV sein können; von Aufwendungen
kann begriffsnotwendig nur gesprochen werden, wenn tatsächlich Kosten entstanden
sind.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO; der Anteil des Obsiegens
der Klägerin (90 EUR gegenüber 6.892 $ [seinerzeit ca. 5.000 EUR]) ist derart gering,
dass der Klägerin nach billigem Ermessen die gesamte Kostenlast auferlegt wird. Die
Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 188 Satz 1, Satz 2 Halbs. 1 VwGO. Die
Anordnungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruhen auf §
167 Abs. 1 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.
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