Urteil des VG Minden vom 13.05.2008

VG Minden: vergleich, kostenvoranschlag, kostenbeteiligung, abstimmung, gestaltung, ausführung, gerichtsakte, berechtigung, vorleistungspflicht, zaun

Verwaltungsgericht Minden, 9 M 17/08
Datum:
13.05.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
9 M 17/08
Tenor:
1. Die von dem Gerichtsvollzieher durchgeführte und eine eventuelle
weitere Vollstreckung werden für unzulässig erklärt.
2. Der Erinnerungsgegner trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.
Gründe:
1
Die von dem Schuldner und Erinnerungsführer eingelegte Erinnerung mit dem Antrag,
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die von dem Gerichtsvollzieher durchgeführte und eine in Kürze beabsichtigte weitere
Vollstreckung für unzulässig zu erklären,
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ist nach § 167 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i.V.m. § 766 Abs. 1 der
Zivilprozessordnung - ZPO - zulässig und auch in der Sache begründet. Nach den
genannten Vorschriften entscheidet das Vollstreckungsgericht über Anträge,
Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung
oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen. Der von
dem Gläubiger und Erinnerungsgegner betriebenen Vollstreckung steht der im
Erinnerungsverfahren beachtliche Einwand entgegen, dass die Forderung aus dem
Vergleich vom 21.10.2004, die hier vollstreckt werden soll, noch nicht fällig ist.
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Der zugrunde liegende Vergleich ist von den Beteiligten des vorliegenden Verfahrens
und weiteren Dritten durch Annahme eines Vergleichsvorschlages des Gerichts vom
21.10.2004 gemäß § 106 VwGO im schriftlichen Verfahren zur Beilegung der
baunachbarrechtlichen Rechtsstreitigkeiten in den Verfahren 9 K 3755/02, 9 K 2740/03
und 9 K 7095/03 geschlossen worden.
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Nach Ziffer 5 des Vergleichs beteiligen sich der Schuldner und sein Bruder
gesamtschuldnerisch an den Kosten der Errichtung eines Sichtschutzzaunes mit einem
Betrag in Höhe von 2.230,10 EUR. Die Errichtung des Sichtschutzzaunes an der
gemeinsamen Grundstücksgrenze mit einer Länge von 25,00 m und einer Höhe von
2,80 m durch den Gläubiger ist unter Ziffer 1 des Vergleichs geregelt worden.
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In dem Vergleich ist die Fälligkeit des Kostenbeteiligungsanspruchs nicht ausdrücklich
bestimmt worden, so dass der Vergleich insoweit auslegungsbedürftig, allerdings auch
auslegungsfähig ist.
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Vgl. zur Problematik Nds.OVG, Beschluss vom 02.08.2001 - 1 O 3654/00 -, Juris;
Bay.VGH, Beschluss vom 14.12.2000 - 20 C 00.3286 - Juris.
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Bei der Auslegung ist zu berücksichtigen, dass der Kostenbeteiligung des Schuldners
und seines Bruders mit dem genau bezifferten Betrag von 2.230,10 EUR für alle
Beteiligten erkennbar der dem Gericht von den Beteiligten mitgeteilte überarbeitete
Kostenvoranschlag der Fa. Q. vom 16.10.2004 zugrunde liegt, der seinerseits das
Ergebnis längerer Verhandlungen war.
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Die Beteiligten hatten sich zuvor in den damals anhängigen Verfahren, in denen der
Gläubiger u.a. Beeinträchtigungen durch den Busabstellplatz und die Werkstatthalle des
Schuldners und seines Bruders geltend gemacht hatte, nach einer mündlichen
Verhandlung der Kammer am 11.03.2004 in einem längeren Schriftwechsel über Art und
Umfang einer Abschirmung entlang der gemeinsamen Grundstücksgrenze (Sicht- und
Schallschutzwand oder Sichtschutzzaun) und den dafür erforderlichen Kostenaufwand
ausgetauscht. In diesem Zusammenhang wurden von den Beteiligten
Kostenvoranschläge der Fa. Q. Garten- und Landschaftsbau vom 08.04.2004 und
13.04.2004 über verschiedene Varianten eingeholt und bewertet. Nach einem ersten
gerichtlichen Vergleichsvorschlag vom 25.05.2004 wurde der Schriftwechsel mit
wechselseitigen Forderungen und Angeboten weitergeführt. Schließlich legten die
Beteiligten als Ergebnis einer außergerichtlichen Abstimmung den o.g. überarbeiteten
Kostenvoranschlag der Fa. Q. vom 16.10.2004 vor. Das Angebot sah die Errichtung
einer 25,00 m langen und 2,80 m hohen Sichtschutzwand aus Nadelholzbohlen,
beidseitig glattgehobelt, druckimprägniert braun, 400 cm lang, 14,5 cm breit, 2,6 cm dick,
in waagerechter Stülpschalung mit 2 cm Überlappung an Pfosten aus Bangkirai-Holz
der Größe 9 x 9 x 400 cm vor. Die Kosten von 4.460,20 EUR sollten nach einem
handschriftlichen Zusatz von dem Schuldner und dem Gläubiger jeweils zur Hälfte
getragen werden.
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Auf der Basis dieser außergerichtlichen Abstimmung wurde der gerichtliche
Vergleichsvorschlag vom 21.10.2004 formuliert, der dann schließlich von den
Beteiligten angenommen wurde. Zwar enthält der Vergleich nicht den ausdrücklichen
Zusatz, dass der Sichtschutzzaun gemäß dem überarbeiteten Kostenvoranschlag der
Fa. Q. vom 16.10.2004 errichtet werden soll, dies ergibt sich jedoch unter
Berücksichtigung der Vorgeschichte schon aus der Cent-genauen Bezifferung des
Beteiligungsbetrages.
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Der von dem Gläubiger errichtete Zaun entspricht ausweislich der vorgelegten
Lichtbilder nicht der in dem Kostenvoranschlag beschriebenen Gestaltung. Unabhängig
von der abweichenden Errichtung aus Zaunelementen statt aus Holzbohlen handelt es
sich auch nicht um einen Sichtschutzzaun mit der vereinbarten Höhe von 2,80 m, weil
der obere Bereich mit einer Höhe von ca. 0,90 m nicht mit blickdichten Zaunelementen,
sondern mit Rankgitterelementen ausgeführt wurde. Diese führen zwar zu einer
Beeinträchtigung der Sicht, stellen aber keinen Sichtschutz dar, wie er Gegenstand der
vorangegangenen Verhandlungen war.
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Soweit der Gläubiger im vorliegenden Verfahren behauptet, dass über die genaue Art
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der Ausführung in den Verhandlungen nie gesprochen worden sei (Schriftsatz vom
02.05.2008), wird dies bereits durch den oben skizzierten Inhalt des in der Gerichtsakte
befindlichen Schriftwechsels wiederlegt.
Entgegen der Ansicht des Gläubigers trifft den Schuldner hinsichtlich der
Kostenbeteiligung auch keine Vorleistungspflicht. Der Zeitpunkt der Errichtung des
Sichtschutzzaunes durch den Gläubiger ist in Ziffer 1 des Vergleiches nicht festgelegt
worden. Dies erfolgte vor dem Hintergrund, dass mit dieser Regelung dem Gläubiger
lediglich eine Berechtigung eingeräumt werden sollte, jedoch dem Schuldner kein
vollstreckbarer Anspruch (vgl. Beschluss der Kammer vom heutigen Tage im Verfahren
9 M 77/07). Hieraus ergibt sich aber auch, dass die Verpflichtung des Schuldners zur
Kostenbeteiligung erst Zug um Zug nach Errichtung eines (vereinbarungsgemäßen)
Sichtschutzzaunes durch den Gläubiger fällig werden sollte.
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Da diese bislang nicht erfolgt ist, ist der Anspruch des Gläubigers auf Beteiligung des
Schuldners noch nicht fällig geworden. Eine Vollstreckung ist daher noch nicht zulässig,
so dass die gleichwohl durchgeführte und eventuelle weitere
Vollstreckungsmaßnahmen für unzulässig zu erklären sind.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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