Urteil des VG Minden vom 02.02.2005

VG Minden: stadt, grundstück, schutz des bodens, treu und glauben, aufschiebende wirkung, grundwasser, zivilrechtliche haftung, gaswerk, gefahr, genehmigung

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Minden, 11 K 7572/03
02.02.2005
Verwaltungsgericht Minden
11. Kammer
Urteil
11 K 7572/03
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der
Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden
Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Sanierung des etwa 6900 m2 großen Grundstückes Flur 43,
Flurstück 30 und 31 in N. . Auf dem heute im Eigentum der Klägerin stehenden Grundstück
wurde in der Zeit von 1867 bis 1927 (nach anderen Angaben in den Akten bis 1933) von
der Stadt N. ein Gaswerk betrieben. Die Belieferung erfolgte seit 1877 über einen
Gleisanschluss der Deutschen Reichsbahn. Im Jahre 1933 wurde das Gaswerk
aufgegeben. Während des Betriebszeitraumes von 1868 bis 1933 wurden jährlich ca. 2,5
bis 3,5 Millionen Kubikmeter Gas abgegeben. Folgende Betriebsteile existierten 1920:
Retortenhaus I und II, Reinigerraum, Masseschuppen, Apparateraum, Ammoniakfabrik,
Traforaum, Kesselhaus, Wassergasanlage und zwei Kohleschuppen. Ein Großteil der
Gebäude wurde in der Zeit zwischen 1933 und 1945 abgerissen. Im Jahre 1938 erwarb die
Deutsche Reichsbahn das streitgegenständliche Grundstück von der Stadt N. . Am
7.9.1949 ging das Eigentum dann auf die Deutsche Bundesbahn über.
Die als Altstandort 8471 erfassten Bahnanlagen im Stadtgebiet N. wurden im August 1997
durch die F. -Umwelt-GmbH einer historischen Erkundung unterzogen. Sämtliche
Teilflächen des Altstandortes - darunter auch 28 Altlasten- verdachtsflächen im Bereich der
Nebenwerkstatt (Teilfläche 1 des Altstandortes) - wurden einer Bewertung dahingehend
unterzogen, ob bzw. mit welcher Priorität sie einer orientierenden Untersuchung
unterzogen werden müssen. Für die Teilfläche 1.1.0.15 - ehemaliges Gaswerk der Stadt N.
- wurde der Handlungsbedarf mit "orientierende Untersuchung mit nachgeordneter Priorität"
festgelegt. Zur Feststellung, ob von diesen Flächen eine akute, konkrete oder latente
Gefährdung ausgehe, schlug der Gutachter für die nachfolgende
Orientierungsuntersuchung ein Untersuchungskonzept vor, das die Beprobung und
chemische Untersuchung der Umweltmedien Boden, Wasser und Luft umfasst. Für den
Bereich des ehemaligen Gaswerkes wurden elf Bohrungen in einer Tiefe bis zu 5 m und
die Entnahme sowie Untersuchung der Bodenproben auf die Inhaltsstoffe PAK, Cyanide,
BTEX, Phenolenindex, KW und Ammonium vorgeschlagen (Seite 53 des Gutachtens).
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Die orientierende Untersuchung erfolgte im Februar 1998 durch die Q. IFEP GmbH. Auf
Grund der durchgeführten orientierenden Untersuchung kam die Q. IFEP GmbH im
Gutachten vom 25.02.1998 zu folgenden Ergebnissen: Die in den Bodenluftproben
ermittelten Konzentrationen lägen weitgehend in einer Größenordnung, die als
unbedenklich zu bezeichnen sei. Lediglich am Sondierungspunkt RKS 8 wurden 30 mg
BTEX/m3 ermittelt (Seite 52 des Gutachtens). Bodenproben im Bereich des ehemaligen
Gaswerkes ergaben demgegenüber insbesondere im Keller des ehemaligen
Apparateraumes (RKS 4) folgende Belastungen: 55.632 mg PAK/kg TR, 1.900 mg KW/kg
TR, 764 mg Cyanide/kg TR und 1.800 mg Phenolindex kg/TR (Seite 64). Die vermutlich
nach dem Gaswerksabbruch flächendeckend aufgebrachte Oberflächenauffüllung wies
darüber hinaus in allen untersuchten Proben einen PAK-Gehalt in der Größe von 70 - 90
mg/kg TR auf (Seite 70). In der im Abstrom des Gaswerkes liegenden
Grundwassermessstelle 4 (GWM 4) wurden leicht erhöhte KW-Konzentrationen und
Cyanid-Gehalte in der Größenordnung von 0,17 mg/l festgestellt (Seite 88).
Zusammenfassend kam das Institut in dem Gutachten zu dem Ergebnis (Seite 110 ff.), dass
im Bereich des ehemaligen Gaswerkes massive Kontaminationen vorlägen und
unabhängig von einer zukünftigen Nutzung von den Fachbehörden Maßnahmen gefordert
werden könnten. Konkrete Gefahren stellten auf dieser Fläche vor allem die unsichere
Situation des bereits einmal bei Auflast eingebrochenen Gebäudekellers und die
oberflächennah, auf unversiegelter Fläche vorgefundene Kontamination am Bohrpunkt
RKS 8 dar. Bevor über Art und Umfang von Sanierungsmaßnahmen entschieden werden
könne, sei es erforderlich, weitere Erkenntnisse zu erlangen über
- die exakte Lage und die Abmaße der verfüllten Keller und die Situation unter den
Kellersohlen - die Belastung der Bodenluft im Keller des ehemaligen Apparateraums mit
leichtflüssigen Schadstoffen die bisher nicht erfasst wurden, - die Ausdehnung der
Kontamination über RKS 8 - die Ursache und Ausdehnung der Kontamination bei RKS 7
- weitere repräsentative Analysedaten über die Schadstoffbelastungen.
Für die Detailuntersuchung schlug das Institut die Niederbringung von weiteren 12
Kleinrammbohrungen im Bereich von RKS 2,4,5,7,8,9 und 12, die Anlage von 4
Baggerschurfen, die Beprobung des Bohr- und Schürfgutes auf PAK, SM, Cyanide, KW
und Phenole sowie Bodenluftproben aus dem Bohrloch im Keller des Apparateraumes und
im Umfeld der Kontamination bei RKS 8 vor (Seite 111 und 112).
Im Rahmen einer Besprechung am 13.7.1998 einigten sich die Beteiligten darauf, dass
Herkunft und Ausmaß der festgestellten Bodenverunreinigungen durch PAK, insbesondere
Naphthalin, im Bereich von RKS 8 und das Ausmaß der festgestellten
Grundwasserverunreinigung durch Errichtung von zwei zusätzlichen
Grundwassermessstellen zu untersuchen seien. Das Grundwasser sei aus allen 6
Messstellen auf die bisher untersuchten Parameter erneut zu untersuchen.
Die Untersuchungen wurden durch die Klägerin - ohne Anerkennung einer Rechtspflicht -
in Auftrag gegeben.
Die Detailuntersuchung durch die Q. IFEP GmbH erfolgte im Oktober 1998 für die südlich
des hier streitigen Gaswerkes liegende ehemalige Nebenwerkstatt (Flur 11 Flurstück 43),
da ein Verkauf dieser Fläche durch die Klägerin beabsichtigt war. In der
Grundwassermessstelle GWM 4 im direkten Abstrom des ehemaligen Gaswerkes wurde
eine Cyanid-Konzentration von 0,45 mg/l gemessen, in der im direkten Anstrom der
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Gaswerksflächen liegenden Grundwassermessstelle GWM 9 waren demgegenüber keine
Cyanide nachweisbar. Im Gegensatz zu den Ergebnissen der orientierenden Untersuchung
wurden in den Grundwassermessstellen keine Belastungen mit PAK nachgewiesen, in den
Grundwassermessstellen GWM 7 und GWM 8 LHKW - Konzentrationen von bis zu 25 mg/l,
deren Ursachen nicht den Schadstoffeinträgen im Bereich der Nebenwerkstatt
zuzurechnen seien. (Seite 56 des Gutachtens). Durch den Austrag von Cyaniden aus den
Gaswerksflächen sei das Schutzgut Grundwasser konkret gefährdet (Seite 68 des
Gutachtens). Für die abschließende Beurteilung der Cyanid- Belastung und zur Ableitung
weiterer Maßnahmen sei die Cyanid-Belastung durch die Beprobung der Messstellen
GWM 4, 5, 6 und 9 in einem Abstand von 6 Monaten erforderlich (Seite 77 des Gutachtens).
In der Folgezeit scheiterten Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Stadt N. als
ehemalige Betreiberin des Gaswerkes über eine anteilige Tragung der Sanierungskosten.
Nach vorheriger Anhörung gab der Beklagte der Klägerin deshalb mit Ordnungsverfügung
vom 10.03.2000 auf, die durch die orientierende Untersuchung vom 25.02.1998 und die
Detailuntersuchung vom 15.10.1998 festgestellten Verunreinigungen des Bodens und des
Grundwassers auf dem Grundstück Gemarkung N. , Flur 43, Flurstücke 30 und 31 auf der
Grundlage einer von der Klägerin noch in Auftrag zu gebenden ergänzenden
Gefährdungsabschätzung und einer darauf basierenden Sanierungsuntersuchung zu
sanieren. Die Ergebnisse der Gefährdungsabschätzung und der Sanierungsuntersuchung
sowie der von einem Gutachter aufzustellende Sanierungsplan seien ihm vor Aufnahme
der Sanierungsarbeiten - spätestens innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft der
Verfügung - vorzulegen. Zur Begründung der Verfügung führte der Beklagte aus: Zur
Vorlage der ergänzenden Gefährdungsabschätzung, der Sanierungsuntersuchung sowie
des Sanierungsplanes sei die Klägerin nach § 13 BBodSchG verpflichtet. Die
Verantwortlichkeit der Klägerin ergebe sich aus ihrer Stellung als Grundstückseigentümerin
und damit Zustandsstörerin i.S.d. § 18 OBG. Zwar handele es sich um gaswerkstypische
Verunreinigungen, die eindeutig aus der Vornutzung des Grundstückes als Gaswerk
resultierten und wofür die Stadt N. bzw. die Stadtwerke N. GmbH als Handlungsstörerin
i.S.d. § 17 OBG NW verantwortlich sei. In tatsächlicher Hinsicht sei aber ungeklärt, welche
betrieblichen Vorgänge eventuell die Verunreinigungen ausgelöst hätten. In rechtlicher
Hinsicht sei deshalb ebenfalls ungeklärt, ob die Stadt N. als Verhaltensstörerin in Anspruch
genommen werden könne, wenn der Betrieb des Gaswerkes sich im Rahmen der ihr
erteilten Genehmigung gehalten habe. Die Beantwortung dieser Fragen könne jedoch
dahingestellt bleiben, weil die Inanspruchnahme der Stadt N. unverhältnismäßig i.S.d. § 15
OBG NRW und deshalb ermessensfehlerhaft sei. Es sei zu berücksichtigen, dass die hier
entstehenden Kosten erheblich seien und die die Gefahr verursachenden Handlungen
mehr als 90 Jahre zurücklägen.
Gegen diesen ihr am 17.03.2000 zugestellten Bescheid legte die Klägerin am 10.04.2000
Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Im aktuellen Zeitpunkt könne der Beklagte
nicht die geforderten Maßnahmen, sondern allenfalls eine abschließende
Gefährdungsabschätzung verlangen. Das Bundesbodenschutzgesetz sehe ein gestuftes
Verfahren vor, von dem der Beklagte nicht abweichen könne. Sanierungsuntersuchungen
sowie Sanierungsplanungen kämen erst in Betracht, wenn eine vollständige
Detailuntersuchung vorliege, die eine bewertende Erforderlichkeit von
Sanierungsmaßnahmen überhaupt erst ermögliche. Die bisher vorliegende
Detailuntersuchung beziehe sich nicht auf den Gaswerksbereich und sei selbst nach den
Einschätzungen des Beklagten unzureichend. Die Ordnungsverfügung genüge auch nicht
dem Bestimmtheitsgrundsatz. Der Klägerin werde aufgebürdet, zu erraten, nach welchen
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Kriterien eine Sanierungsuntersuchung durchzuführen sei. Die nähere Bestimmung von Art
und Umfang von Sanierungsuntersuchungen sei Aufgabe des Beklagten. Die Auswahl des
Verantwortlichen sei ebenfalls ermessensfehlerhaft erfolgt. Nach dem BBodSchG sei eine
vorrangige Inanspruchnahme des Verhaltensstörers geboten. Das gelte jedenfalls dann,
wenn die Effektivität der Sanierungsmaßnahme nicht in Frage gestellt sei. Hiervon sei auch
bei einer Inanspruchnahme der Stadt N. auszugehen. Der Gedanke der
Legalisierungswirkung von Genehmigungen greife zu Gunsten der Stadt N. nicht ein.
Ebenfalls sei unerheblich, dass die die Gefahr verursachenden Handlungen
möglicherweise mehr als 90 Jahre zurücklägen.
Mit Bescheid vom 04.05.2000 ordnete der Beklagte die sofortige Vollziehung des
Bescheides vom 10.03.2000 und führte zur Begründung aus: Die festgestellten
gaswerkstypischen Verunreinigungen des Bodens und des Grundwassers erforderten eine
Sanierung des Geländes. Bisher sei er auf Grund des in der Sache bestehenden
Einvernehmens von einer zeitnah stattfindenden Sanierung des Altstandortes
ausgegangen. Dies sei durch die Einlegung des Widerspruches nicht mehr gewährleistet,
sodass die Anordnung der sofortigen Vollziehung geboten sei, um eine weitere
Ausbreitung der Schadstoffe und somit eine erhöhten Sanierungsaufwand zu vermeiden.
Auf den Antrag der Klägerin vom 24.05.2000 stellte das erkennende Gericht mit Beschluss
vom 20.11.2000 die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen die
Ordnungsverfügung des Beklagten vom 10.3.2000 wieder her (11 L 720/00).
Mit Widerspruchsbescheid vom 19.9.2001 gab die Bezirkregierung dem Widerspruch der
Klägerin teilweise, soweit über die Gefährdungsabschätzung hinausgehende Maßnahmen
angeordnet wurden, statt. Hinsichtlich des Untersuchungsumfanges wurde auf ein Protokoll
vom 13.7.1998 über eine Sitzung der Arbeitsgruppe Altlasten vom 2.7.1998 Bezug
genommen. Hiervon ausgenommen wurde die in der Sitzung vom 2.7.1998 geforderte
Errichtung von zwei Grundwassermessstellen und die Untersuchung des Grundwassers,
da diese von der Klägerin bereits erfüllt seien. Die Ergebnisse der
Gefährdungsabschätzung seien spätestens innerhalb einer Frist von drei Monaten nach
Bestandskraft der Ordnungsverfügung vorzulegen.
Der im sich anschließenden Klageverfahren (11 K 2578/01) geschlossene
Widerrufsvergleich sah die Aufhebung der streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vom
10.3.2000 vor, zugleich aber auch die nähere Bestimmung des Umfangs der nach wie vor
nach Ansicht des Beklagten erforderlichen Detailuntersuchung. Nachdem die Klägerin
fristgerecht den Vergleich widerrufen hatte, hob der Beklagte die Ordnungsverfügung vom
10.3.2000 auf. Das Verfahren wurde durch Erledigungserklärung der Beteiligten beendet.
Mit Ordnungsverfügung vom 17.6.2003 gab der Beklagte der Klägerin die Durchführung
einer Detailuntersuchung auf, die der abschließenden Gefährdungsabschätzung
hinsichtlich der auf dem o.g. Grundstück festgestellten Bodenbelastungen dienen soll. Als
durchzuführende Untersuchungsmaßnahmen wurden im Einzelnen benannt:
" 1.) Bodenpfad a) Im Umfeldbereich der Rammkernsondierung (RKS) 4 und RKS 8 (siehe
Lageplan I) sind mittels je 15 Einstichen 2 Oberbodenproben aus dem Horizont 0,0 bis 0,10
m unter GOK zu entnehmen.
b) Zusätzlich sind bei der RKS 4 und RKS 8 je 5 Rammkernsondierung mit je einem
Durchmesser von 36 mm und einer Teufe von 10 m vorzunehmen. Je nach
organoleptischer Ansprache (z.B. Boden gefärbt, Geruch) sind mindestens zwei
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Bodenproben zu entnehmen, sodass eine vertikale Eingrenzung erfolgen kann.
c) Die Oberbodenproben und die Bodenproben der Rammkernsondierungen sind auf die
Parameter PAK nach EPA, Cyanide und Mineralölkohlenwasserstoffe zu untersuchen.
2.) Grundwasserpfad
a) Errichtung einer Grundwassermessstelle mit einem Durchmesser von 2'' (Zoll) und einer
Teufe von 12 m westlich der RKS 4 (siehe Lageplan I/II)
b) Beprobung der neu angelegten und schon bestehenden neun Grundwassermessstellen
in zwei Reihen zum Zeitpunkt des Grundwasserhöchststands im März und des
Grundwassertiefstandes im Oktober auf die Parameter PAK nach EPA, Cyanide, LHKW
(inklusiv Abbauprodukte), Phenole und BTEX (siehe Lageplan II)."
Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass auf Grund der vorliegenden Gutachten
Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Altlast bestünden. Die auf dem Grundstück
vorgefundenen PAK-Gehalte im Boden von bis zu 3.015 mg/kg TR aus dem Horizont 0,0 -
0,5 m (RKS 8) seien geeignet, auf dem Grundstück befindliche Menschen durch direkte
Aufnahme von Schadstoffen zu gefährden. Auf Grund der im Boden im Bereich der RKS 4
festgestellten PAK-Konzentrationen von 55.632 mg/kg TR sei eine Beeinträchtigung des
Grundwassers zu befürchten. Grundwasseruntersuchungen hätten bereits erhebliche
Überschreitungen der Prüfwerte für Cyanide und LHKW ergeben, sodass auch eine
konkrete Gefährdung des Grundwassers und der Allgemeinheit vorliege. Die
Inanspruchnahme der Klägerin sei rechtmäßig. Unbestritten sei, dass die bei dem Betrieb
des Gaswerkes anfallenden Reststoffe in den dafür vorgesehenen Teer- und
Ammoniumgruben gelagert wurden. Da diese Gruben seitlich gemauert und an der Sohle
abgedichtet gewesen seien, könne hierdurch keine Gefahr entstanden sein.
Gaswerkspezifische Abfallprodukte seien auch außerhalb der Grube gefunden worden.
Zwar seien die bei der Gasproduktion entstandenen Abfallprodukte fortlaufend aus den
Gruben zur Verwertung abgepumpt und abgefahren worden. Es sei aber möglich, dass zum
Zeitpunkt der Übergabe des Grundstückes an die Deutsche Reichsbahn einige Gruben
noch befüllt gewesen seien, aber nicht beschädigt waren und der Schaden erst später
durch bauliche Änderungen seitens der Reichsbahn oder auf Grund einer Alterung der
Bausubstanz der Gruben eingetreten sei. Eine Aufklärung dieser Vorgänge sei nicht mehr
möglich, eine Verhaltensverantwortlichkeit der Stadt N. deshalb nicht auszumachen. Eine
Inanspruchnahme der Klägerin als Grundstückseigentümerin sei unter diesen Umständen
sachgerecht.
Gegen dieser Ordnungsverfügung legte die Klägerin am 24.7.2003 Widerspruch ein und
führte zur Begründung aus: Es stehe fest, dass die Stadt N. für die festgestellte Boden- und
Grundwasserverunreinigung verantwortlich sei. Zum Zeitpunkt des Grundstückserwerbes
durch die Deutsche Reichsbahn - 1938 - seien die für die Gasproduktion wesentlichen
Gebäude - die Retortenfabrik, das Apparategebäude und der Kohleschuppen - nicht mehr
vorhanden gewesen. Der Abbruch sei bereits 1934 erfolgt. Zum Zeitpunkt des
Grundstückserwerbes im Jahre 1938 seien nur noch die Werkstatt, das Kesselhaus und
das ehemalige Verwaltungsgebäude vorhanden gewesen.
Mit Bescheid vom 4.12.2003 wies die Bezirksregierung den Widerspruch der Klägerin
zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus: Selbst wenn man von einer
Verhaltensverantwortlichkeit der Stadt N. ausgehe, sei die Inanspruchnahme der Klägerin
nicht ermessensfehlerhaft. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Beseitigung
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von Störungen, die lange zurücklägen und nicht eindeutig aufklärbar seien, tendenziell
eher in die Verantwortlichkeit des Zustandspflichtigen fielen.
Die Klägerin hat daraufhin am 22.12.2003 Klage erhoben und ergänzend vorgetragen: Es
sei davon auszugehen, dass die gaswerkstypischen Verunreinigungen durch
Handhabungsverluste bei der Entleerung der Teer- und Ammoniakgruben entstanden
seien. Zum Zeitpunkt des Betriebes des Gaswerks sei es üblich gewesen, die Gruben mit
einfachsten Pumpen und Schöpfgeräten, teilweise sogar per Hand, zu entleeren. Selbst
wenn ein derartiger Nachweis nicht erbracht werden könne, sei die Stadt N.
ordnungspflichtig. Für die Annnahme einer Verhaltensverantwortlichkeit genüge nach der
Rechtsprechung, wenn objektive Faktoren vorhanden seien, die den Schluss rechtfertigten,
dass zwischen dem Verhalten der in Anspruch genommenen Person und der eingetretenen
Störung ein Ursachenzusammenhang bestehe. Hierfür reiche schon der Betrieb mit
einschlägig gefahrenträchtigen Anlagen und der Umgang mit entsprechenden
Schadstoffen aus. Eine Ablehnung der Störereigenschaft der Stadt N. unter Hinweis auf die
Theorie der rechtswidrigen Verursachung scheide schon deshalb aus, weil diese Theorie
erst in den 60er-Jahren entwickelt worden sei. Die Ermessensentscheidung des Beklagten
bei der Auswahl der in Betracht kommenden Sanierungspflichtigen sei fehlerhaft, weil der
Beklagte von vornherein eine Verantwortlichkeit der Stadt N. ausgeschlossen habe. Diese
fehlerhafte Ermessensentscheidung sei auch nicht durch die Hilfserwägungen der
Widerspruchsbehörde - für den Fall einer Verursacherhaftung der Stadt N. - geheilt worden.
Die Klägerin beantragt,
die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 17.6.2003 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 4.12.2003 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
Er trägt zur Begründung ergänzend vor: Nach den vorliegenden Gutachten spreche nur
einiges dafür, dass die Belastungen aus den Verfüllungen der ehemaligen Kellergebäude
resultieren. Ein Nachweis sei hierfür nicht erbracht. Der bloße Betrieb einer
gefahrenträchtigen Anlage reiche für die Annahme einer Verhaltenshaftung nicht aus.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf
die Gerichtsakte, die beigezogenen Gerichtsakten 11 K 2578/01 und 11 L 720/00 sowie die
beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e : Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Die
Ordnungsverfügung des Beklagten vom 17.6.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
der Bezirksregierung E. vom 4.12.2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
I. Sie ist hinreichend bestimmt i.S.d. § 37 Abs. 1 VwVfG. Beinhaltet eine
ordnungsbehördliche Verfügung - wie hier - ein auf Vollstreckung im Wege des
Verwaltungszwanges angelegtes Gebot, muss die Regelung so präzise sein, dass sie
vollstreckt werden kann, damit objektiv die Feststellung möglich ist, ob eine bestimmte
Maßnahme die zu vollstreckende Anordnung erfüllt oder nicht. Das verlangt bei einer
Ordnungsverfügung zur Abwehr der von einer Bodenverunreinigung ausgehenden
Gefahren im Allgemeinen die Angabe sowohl des zu ergreifenden Mittels als auch des zu
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erreichenden Zieles.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 2.4.1998 - 20 A 5217/96 -, und vom 11.6.1992 - 20 A
2485/89 -, NVwZ 1993, 1000 = NWVBl. 1993, 154; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6.
Auflage, 2001, § 37 Rdnr. 23 ff. m.w.N.
Maßgebend ist hierfür der objektive Erklärungswert, wie er nach Treu und Glauben unter
verständiger Auslegung des Entscheidungssatzes und den sonstigen Begleitumständen
aufgefasst werden darf und muss.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 19.10.1995 - 20 A 709/91 -, und vom 11.6.1992, a.a.O.
Die unter I 1 und I 2 der Ordnungsverfügung aufgeführten und von der Klägerin im Rahmen
der Gefährdungsabschätzung durchzuführenden Boden- und Grundwasseruntersuchungen
sind nach Art, Anzahl und Örtlichkeit hinreichend bestimmt. Zwar wird die Lage der
durchzuführenden Untersuchungen teilweise im Text und in der Begründung der
Ordnungsverfügung nur vage - "im Umfeld der (vorhandenen) Rammkernsondierungen
(RKS) 4 und 8 (I 1 a), westlich der RKS 4 (I 2 a)" - beschrieben. Die Ordnungsverfügung
nimmt jedoch auf einen ihr beigefügten Lageplan Bezug (Bl. 10 - 13 d.A.), aus dem sich
auch die Lage der Grundwassermessstellen und die Probenahmepunkte für die
Bodenuntersuchungen hinreichend deutlich ergeben.
II. Die Ordnungsverfügung unterliegt auch in materiell-rechtlicher Hinsicht keinen
durchgreifenden Bedenken.
1. Sie findet ihre Rechtsgrundlage in § 9 Abs. 1 und 2 des Gesetzes zum Schutz des
Bodens vom 17.3.1998 (BGBl. I 502 - im Folgenden BBodSchG -) sowie in der in
Ausführung des § 8 Abs. 1 BBodSchG ergangenen Bundes-Bodenschutz- und
Altlastenverordnung vom 12.7.1999 (BGBl I 1554) - im Folgenden: BBodSchV - und dem
Gesetz zur Ausführung und Ergänzung des Bundesbodenschutzgesetzes in Nordrhein-
Westfalen vom 9.5.2002 (GVBl. 2000, 439) - im Folgenden: LBodSchG NRW -.
Nach § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG kann die zuständige Behörde anordnen, dass die in § 4
Abs. 3, 5 und 6 BBodSchG genannten Personen die notwendigen Untersuchungen zur
Gefährdungsabschätzung durchzuführen haben. Voraussetzung hierfür ist, dass auf Grund
konkreter Anhaltspunkte der hinreichende Verdacht einer schädlichen Bodenveränderung
oder einer Altlast besteht. Konkrete Anhaltspunkte liegen nach § 3 Abs. 4 Satz 1
BBodSchV vor, wenn Untersuchungen eine Überschreitung von Prüfwerten ergeben haben
oder wenn auf Grund einer Bewertung nach § 4 Abs. 3 BBodSchV eine Überschreitung von
Prüfwerten zu erwarten ist.
Wie das Gericht bereits im
Beschluss vom 20.11.2000 - 11 L 720/00 -; ebenso OVG Berlin, Beschluss vom 19.1.2001 -
2 S 7/00 - NVwZ 2001, 582; VGH München, Beschluss vom 15.1.2003 - 22 CS 02.3223 -,
ZfW 2004, 111,
ausgeführt hat, geht das BBodSchG bei der Untersuchung und Sanierung einer
schädlichen Bodenveränderung (§ 2 Abs. 3 BBodSchG) oder Altlast (§ 2 Abs. 4
BBodSchG) von einzelnen, aufeinander aufbauenden und von der zuständigen Behörde im
Regelfall einzuhaltenden Verfahrensschritten aus. Bestehen Anhaltspunkte für das
Vorliegen einer schädlichen Bodenveränderung oder Altlast, soll die Fläche zunächst einer
orientierenden Untersuchung unterzogen werden (§ 3 Abs. 3 BBodSchV); ergibt diese die
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Überschreitung von Prüfwerten oder ist eine solche zu erwarten, soll eine
Detailuntersuchung durchgeführt werden (§ 3 Abs. 4 Satz 2 BBodSchV). Steht auf Grund
der Detailuntersuchung fest, dass eine Sanierung des Geländes durchzuführen ist, schließt
sich hieran eine Sanierungsuntersuchung (§ 6 Abs. 1 BBodSchV). Welche Maßnahmen im
Rahmen dieser Verfahrensschritte vom Betroffenen gefordert werden können, ergibt sich
ebenfalls hinreichend deutlich aus dem BBodSchG und der BBodSchV: Orientierende
Untersuchungen dienen im Wesentlichen der Feststellung, ob ein hinreichender Verdacht
im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG besteht oder nicht (§ 2 Nr. 3 BBodSchV).
Detailuntersuchungen treffen als vertiefte abschließende Gefährdungsabschätzung
Aussagen über Menge und räumliche Verteilung der angetroffenen Schadstoffe, die Gefahr
ihrer Ausbreitung in Boden, Gewässer und Luft sowie die Möglichkeit der Aufnahme durch
Menschen, Tiere und Pflanzen (§ 2 Nr. 4 BBodSchV). Sanierungsuntersuchungen legen -
bei einem auf Grund der Gefährdungsabschätzung ermittelten Sanierungsbedarf - fest,
welche Sanierungsmaßnahmen geeignet, erforderlich und angemessen sind (§ 6 Abs. 3
BBodSchV i.V.m. Anlage 3 Nr. 1).
Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Beklagte die Klägerin zu Recht
aufgefordert, zur abschließenden Gefährdungsabschätzung auf den Flurstücken 30 und 31
eine Detailuntersuchung durchzuführen.
Die im Februar 1998 durchgeführte orientierende Untersuchung ergab im Bereich des
ehemaligen Apparateraumes (RKS 4) Bodenbelastungen mit PAK (55.632 mg/kg TR), KW
(1.900 mg/kg TR), Cyaniden (764 mg//kg TR) und Phenolindex (1.800 mg kg/TR) (Seite
64), sowie im Bereich der ehemaligen Masseschuppens (RKS 8) Bodenbelastungen mit
PAK (3.015 mg/kg TR).
Soweit es den Wirkungspfad Boden-Mensch (Anhang 2 Nr. 1.4 der BBodSchV) betrifft,
ergibt sich zwar aus den vorliegenden Untersuchungsergebnissen keine Überschreitung
von Prüfwerten, die eine direkte Aufnahme von Schadstoffen durch den Menschen
erwarten lassen. Bezüglich der Schadstoffparameter PAK, KW und Phenolindex enthält die
BBodschV keine Prüfwerte (Anhang 2 Nr. 1.4 der BBodschV), bezüglich des
Schadstoffparameters Cyanide zwar einen Prüfwert (100 mg/kg), der hier bei RKS 4 auch
mit 764 mg/kg TR deutlich überschritten wurde. Für den Wirkungspfad Boden-Mensch ist
dieser Wert jedoch unbeachtlich, da insoweit bei Untersuchungen eine Beprobungstiefe
von 0 - 10 cm zu Grunde zu legen ist (Anhang 1 Nr. 1 2.1 der BBodschV). Die festgestellten
Cyanid-Konzentrationen bei RKS 4 wurden jedoch in einer Tiefe von 2,00 - 4,00 m
angetroffen. Für eine Überschreitung von Prüfwerten hinsichtlich des Schadstoffparameters
Cyanide im oberflächennahen Bereich liegen keine Werte vor.
Es ist jedoch auf Grund der vorliegenden Untersuchungsergebnisse des Bodens davon
auszugehen, dass eine Gefährdung des Grundwassers vorliegt und die vorliegenden
Untersuchungsergebnisse zu einer abschließenden horizontalen und vertikalen
Eingrenzung der Schadensbereiche nicht ausreichen, mithin die angeordneten
Maßnahmen im Rahmen einer Gefährdungsabschätzung erforderlich sind.
Soweit es den Wirkungspfad Boden-Grundwasser betrifft, enthält die BBodSchV
hinsichtlich der Schadstoffparameter LHKW (10 ?g/l), Cyanide (50 ?g/l), PAK (0,2 ?g/l) und
Phenole (20 ?g/l) Prüfwerte (Anhang 2 Nr. 3.1. zur BBodschV). Die Prüfwerte sind im
Regelfall auf Grund einer Sickerwasserprognose im Bereich des Überganges von der
ungesättigten in die gesättigte Zone zu ermitteln (§ 4 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1
BBodSchV). An einer Ermittlung der Schadstoffe im Übergangsbereich von der
ungesättigten zur gesättigten Zone fehlt es hier. Die bei RKS 4 und RKS 8 festgestellten
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Bodenbelastungen wurden in einer Tiefe bis zu 4,00 m festgestellt, mithin in der
ungesättigten Bodenzone, denn nach den vorliegenden Untersuchungsergebnissen wurde
Grundwasser erst in einer Tiefe von 7,00 - 9,00 m angetroffen (vgl. IFEP GmbH, Gutachten
vom 25.2.1998, Blatt 42 und Gutachten vom 15.10.1998, Blatt 20).
§ 4 Abs. 3 Satz 2 BBodSchV i.V.m. Anhang 1 Nr.3.3 erlaubt jedoch an Stelle einer
Beprobung am Ort der Beurteilung auch eine Abschätzung der Stoffkonzentrationen, wenn
vorliegende Messergebnisse im Grundwasseranstrom und Grundwasserabstrom einen
Rückschluss auf die Stoffkonzentrationen am Ort der Beurteilung zulassen. Hinsichtlich der
Schadstoffe Cyanide und LHKW wurden im Grund-wasserabstrom der Gaswerkes bei
GWM 4 bis 6 im Rahmen der orientierenden Untersuchung die Prüfwerte nach Anlage 2 Nr.
3.1. überschreitenden Werte von max. 0,45 mg/l für Cyanide (> 50 ?g/l) bzw. 0,043 mg/l für
LHKW (> 10 ?g/l) festgestellt, im unmittelbaren Grundwasseranstrombereich des
ehemaligen Gaswerkes bei GMW 9 dagegen keine die Prüfwerte überschreitenden
Belastungen. Danach muss davon ausgegangen werden, dass vom ehemaligen Gaswerk
aus Schadstoffeinträge in das Grundwasser vorliegen (vgl. IFEP-GmbH, Gutachten vom
15.10.1998, Seite 56) und die Prüfwerte für Cyanide und LHKW nach Anhang 2.3.1. der
BBodSchV auch am Ort der Beurteilung überschritten werden.
Auch soweit eine Überschreitung von Prüfwerten anhand der BBodSchV hinsichtlich der
Schadstoffparameter PAK, Mineralölkohlenwasserstoffe (MKW), Phenole und BTEX nach
den vorliegenden Untersuchungsergebnissen nicht festgestellt werden kann, war der
Beklagte gleichwohl berechtigt, die mit der angefochtenen Ordnungsverfügung geforderte
Gefährdungsabschätzung auf diese Schadstoffparameter zu erstrecken.
Das Gericht hat bereits im
Urteil vom 4.12.2002 - 11 K 91/01 - unter Bezugnahme auf OVG Lüneburg, Beschlüsse
vom 3.5.2000 - 7 M 550/00 - NVwZ 2000, 1194 = DÖV 2000, 825 = NuR 2000, 646 = ZfW
2000, 247 = NdsVBl. 2001, 14,
ausgeführt, dass in Fällen, in denen die BBodSchV keine Prüf- und Maßnahmenwerte
enthält, weiterhin zur Beurteilung von schädlichen Bodenbelastungen und
Grundwasserschäden auf die bisher anerkannten und in der Rechtsprechung auch
angewandeten allgemeinen Regelwerke,
vgl. u.a. LAWA, Empfehlungen für die Erkundung, Bewertung und Behandlung von
Grundwasserschäden, Tabelle 3 - Orientierungswerte für Bodenbelastungen; LAGA -
Länderarbeitsgemeinschaft Abfall, Anforderungen an die stoffliche Verwertung von
mineralischen Reststoffen/Abfällen Technische Regeln, Stand: 5.9.1995; Leitraad
Bodensanering v. 4.11.1988 - sog. "Hollandliste -; Fischer/Köchling, Praxisratgeber
Altlastensanierung,
zurückgegriffen werden darf. Legt man diese Regelwerke zu Grunde, so sind mit den im
Rahmen der orientierenden Untersuchung (vgl. IFEP-GmbH, Gutachten vom 25.2.1998,
Seite 64 und Anlage 1.5) festgestellten Bodenbelastungen bei RKS 4 und RKS 8 mit PAK
(in Höhe von 55.632 mg/kg TR), MKW (in Höhe von 1.900 mg/kg TR) und Phenolindex (in
Höhe von 1800 mg/kg/TR) bei weitem Werte erreicht, die zu weiteren
Untersuchungsschritten Anlass geben mussten.
Vgl. hinsichtlich Kohlenwasserstoffe: LAWA, a.a.O: 1000 bis 5000 mg/kg; Leitraad
Bodensanering v. 4.11.1988 a.a.O.: 1000 mg/kg; LAGA a.a.O.: Z2 - Wert: 1000 mg/kg;
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hinsichtlich PAK und Phenolindex: LAGA a.a.O. Z2 - Wert: 20 mg/kg bzw. 25 mg/kg.
Die mit der hier streitigen Verfügung geforderte Detailuntersuchung ist auch ungeachtet der
bereits im Oktober 1998 durchgeführten Detailuntersuchung notwendig i.S.d. § 9 Abs. 2
Satz 1 BBodSchG. Vom Untersuchungsprogramm der Detailuntersuchung waren die im
Bereich des ehemaligen Gaswerkes festgestellten Bodenverunreinigungen nicht umfasst
(vgl. IFEP, Gutachten vom 15.10.1998, Blatt 67). Zusätzliche Grundwassermessstellen im
Anstrom der Gesamtfläche und im Abstrom des Gaswerkstandortes wurden deshalb für
erforderlich gehalten (vgl. IFEP, Gutachten vom 15.10.1998, Blatt 77).
2. Zu Recht hat der Beklagte auch die Klägerin zur Durchführung einer Detailuntersuchung
herangezogen.
Die Klägerin gehört als Grundstückeigentümerin zu dem Personenkreis, der nach § 4 Abs.
3 Satz 1 BBodSchG nicht nur zur Sanierung einer Altlast, sondern - wegen des Verweises
in § 9 Abs. 2 Satz 1 BBodSchG - auch bereits zu Maßnahmen zur
Gefährdungsabschätzung herangezogen werden kann. Eine Haftung der Stadt N. als
frühere Eigentümerin des Grundstückes scheidet demgegenüber gemäß § 4 Abs. 6 Satz 1
BBodSchG aus, da der Eigentumswechsel vor dem maßgeblichen Stichtag - 1.3.1999 -
erfolgte.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin hat der Beklagte das ihm bei der Auswahl
zwischen mehreren potenziellen Sanierungspflichtigen i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG
zustehende Ermessen nicht rechtsfehlerhaft ausgeübt, weil er eine Verursacherhaftung der
Stadt N. nicht in Betracht gezogen bzw. mit ermessensfehlerhaften Erwägungen abgelehnt
hat.
Sofern neben der Klägerin auch die Inanspruchnahme anderer Sanierungspflichtiger i.S.d.
§ 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG in Betracht kommt, steht dem Beklagten ein
Auswahlermessen zu, das einer gerichtlichen Kontrolle nur insoweit unterliegt, als die
gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder von dem Ermessen in
einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde
(§ 114 Satz 1 VwGO).
Zunächst ist festzustellen, dass der Beklagte eine mögliche Verursacherhaftung der Stadt
N. als ehemaliger Betreiberin des Gaswerkes geprüft hat und der angefochtene Bescheid
vom 17.6.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.12.2003 damit nicht an
einem Ermessensausfall leidet. Der Beklagte hat vor Erlass des angefochtenen
Bescheides durch Beiziehung der das Gaswerk betreffenden Genehmigungsakten der
Stadt N. (enthalten in BA I) und Nachfragen beim Staatsarchiv in E. und dem
Kommunalarchiv N. (BA I Bl. 146, 160 ff.) zu ermitteln versucht, zu welchem Zeitpunkt und
durch welche konkreten Betriebsabläufe und Handlungen die festgestellten
Verunreinigungen entstanden sein könnten und danach eine Verursacherhaftung der Stadt
N. in Betracht kommt. Im angefochtenen Bescheid vom 17.6.2003 hat der Beklagte
begründet, warum er von einer Inanspruchnahme der Stadt N. als (möglicher)
Verursacherin des Schadens abgesehen (Blatt 5, dem folgend auch der
Widerspruchsbescheid vom 4.12.2003, Blatt 6 ff.) und die Klägerin als Zustandsstörerin in
Anspruch genommen hat.
Die Ermessensentscheidung des Beklagten, die Klägerin in Anspruch zu nehmen, ist im
Ergebnis und in der Begründung rechtlich nicht zu beanstanden.
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Der Beklagte hat seiner Entscheidung zunächst nicht einen unzutreffenden Sachverhalt zu
Grunde gelegt. Auch der Beklagte geht - dies ergibt sich aus der Begründung des
angefochtenen Bescheides (Blatt 5) - davon aus, dass es sich bei den festgestellten
Grundwasser- und Bodenbelastungen mit den Schadstoffen PAK, MKW, Cyaniden und
Phenolen im Bereich des ehemaligen Gaswerkes zumindest teilweise um
"gaswerkstypische" Verunreinigungen handelt, mithin um solche, die dem bei dem Betrieb
eines Gaswerkes entstehenden Hauptprodukten, Nebenprodukten und Reststoffen
typischerweise anhaften (vgl. zur Verfahrenstechnik und Schadstoffen bei
Gaswerkstandorten, F. - Umwelt GmbH, Erläuterungsbericht zur historischen Erkundung
des Gaswerkes aus Juli 2001, BA I Bl. 282 ff.). Dies wird auch durch die im Verfahren
eingeholten gutachterlichen Stellungnahmen bestätigt. Soweit es die im Bereich des
ehemaligen Apparateraumes (RKS 4) festgestellten Verunreinigungen des Bodens im
Bereich von 2,0 bis 4,0 mit PAK, KW, Benzopyren, Phenolen und Cyaniden betrifft, handelt
es sich um Verunreinigungen, die den dort verfüllten Schuttmassen anhaften (vgl.
Gutachten IFEP vom 25.2.1998, Blatt 70, F. - Umwelt GmbH a.a.O. Bl. 302). Die ehemals
im Bereich der RKS 4 befindlichen Gebäude - Apparateraum, Retortenhaus,
Kohleschuppen - waren unterkellert, wurden ausweislich eines von der Klägerin
vorgelegten Auszuges aus der Gebäudesteuerrolle im Jahre 1934 abgebrochen (Bl. 53 in
11 K 2578/01) und mit den anfallenden Schuttmassen verfüllt. Es spricht insoweit einiges
dafür, dass die im Bereich der RKS 4 vorgefundenen Verunreinigungen zu einer Zeit
entstanden sind, als das Grundstück noch im Eigentum der Stadt N. stand.
Aus den vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen ergibt sich allerdings nicht, dass
Gleiches für die anderen auf dem streitigen Grundstück festgestellten Verunreinigungen
anzunehmen ist. Es spricht vielmehr einiges dafür, dass auch nach dem
Eigentumsübergang auf die Deutsche Reichsbahn im Jahre 1938 dort Schadstoffe in
Boden und Grundwasser gelangt sind, die damit jedenfalls der Stadt N. nicht als
Verursacherin zugerechnet werden können. Aus dem Erläuterungsbericht der F. -Umwelt
GmbH vom Juli 2001 zur historischen Erkundung des Gaswerkes (BA I Bl. 311), ergibt sich,
dass nach dem Eigentumsübergang im Jahre 1938 auf dem Gelände des ehemaligen
Gaswerkes eine Hochflurtankanlage zur Heizölbevorratung des Kesselhauses (1965-1990)
und ein Tanklager für Straßenfahrzeuge (1970-1985) betrieben wurden, mithin Mineralöle
gelagert und umgeschlagen wurden und die hier festgestellten Verunreinigungen des
Bodens mit PAK und Kohlenwasserstoffen auch auf diesen Umstand zurückgeführt werden
können. So sind die bei RKS 7 festgestellten Bodenverunreinigungen mit
Kohlenwasserstoffen in Höhe von 8.500 mg/kg nach den Feststellungen der IFEP- GmbH
(Gutachten vom 25.2.1998, Blatt 71 und 97) vermutlich auf den Defekt einer unterirdisch
verlegten Heizölleitung zurückzuführen und verhältnismäßig jung, was jedenfalls eine
Schadensverursachung vor 1938 ausschließt.
Auch auf anderen Stellen des Betriebsgrundstückes wurden nach den Feststellungen der
IFEP-GmbH Bodenverunreinigungen angetroffen, die nicht auf den Betrieb des Gaswerkes
der Stadt N. zurückgeführt werden können. So sind die bei RKS 8 festgestellten
Verunreinigungen mit Naphthalin, PAK und Kohlenwasserstoffen nach den Feststellungen
der IFEP-GmbH (Gutachten vom 25.2. 1998, Blatt 71 und 97) ebenfalls verhältnismäßig
jung und möglicherweise auf einen Eintrag von Holzschutzmitteln zurückzuführen. Auf dem
gesamten Gelände des ehemaligen Gaswerkes befindet sich außerdem eine
flächendeckend aufgebrachte oberflächennahe Auffüllung, die erhebliche PAK-Gehalte
aufweist (Größenordnung 70 - 90 mg/kg, LAGA Z2 - Wert: 20 mg/kg). Diese Auffüllung
wurde nach dem Abbruch des Gaswerks vorgenommen und soll ebenfalls "jüngeren
Datums" sein. (Gutachten IFEP-GmbH vom 25.2.1998, Blatt 70).
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Die von der Klägerin als Ursache der Boden- und Grundwasserverunreinigung geltend
gemachte Handhabung hinsichtlich der Entleerung der Teer- und Ammoniakgruben (Bl. 36
d.A.) knüpft im Übrigen nur an allgemeine Erfahrungswerte an. Es fehlen hinreichende
Belege dafür, dass - bezogen auf das hier streitige Grundstück - die Entsorgung der
anfallenden Teer- und Ammoniakprodukte alleinige Ursache der festgestellten
mannigfachen Boden- und Grundwasserbelastungen sein könnte. In der
fachgutachterlichen Stellungnahme der F. -GmbH vom 8.4.2002 (Bl. 46 ff. d.A.) wird
ausdrücklich aufgeführt, dass Detailinformationen zu den Produktionsprozessen sowie der
Aufbereitung und Entsorgung der Reststoffe nicht verfügbar sind. Aus einem in der Bauakte
der Stadt N. enthaltenen Lageplan ergibt sich, dass Teergruben sich nur im Bereich des
ehemaligen Reinigerhauses (bei RKS 6 und 7) befunden haben. Die dort festgestellten
Bodenverunreinigungen werden nach dem Gutachten der IFEP (s.o.) jedoch anderen
Ursachen zugeordnet. Sie vermögen auch nicht zu erklären, warum an anderen Stellen des
Grundstückes, außerhalb der Gruben, oberflächennah ebenfalls erhebliche
Bodenbelastungen festgestellt wurden.
Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist die Feststellung eines konkreten die
schädliche Boden- und Grundwasserverunreinigung verursachenden Verhaltens der Stadt
N. auch nicht entbehrlich. Auch die von der Klägerin zitierte Rechtsprechung,
vgl. VGH Mannheim, Beschlüsse vom 3.9.2002 - 10 S 957/02 - NVwZ-RR 2003,103 = NuR
2003,29 = Jus 2003,507, und vom 11.12.2000 - 10 S 1188/00 -, NVwZ-RR 2002, 16 = 2001,
460 = UPR 2001, 274,
geht davon aus, dass sich eine Verursacherhaftung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG
nicht auf bloße Vermutungen zu etwaigen Kausalverläufen stützen lässt. § 4 Abs. 3 Satz 1
BBodSchG begründet keine konturenlose Gefährdungshaftung für jegliche Folgen
gewerblicher Tätigkeit wegen eines objektiv gefahrenträchtigen Verhaltens. Die Führung
eines Unternehmens, in dem mit grundwassergefährdenden Stoffen umgegangen wird,
bildet deshalb allein noch keine ausreichende Grundlage für die Inanspruchnahme einer
Person als Verursacher. Dementsprechend kann auch im vorliegenden Fall allein aus der
Tatsache, dass die Stadt N. auf dem streitigen Grundstück ein Gaswerk betrieben hat und
in diesem Betrieb regelmäßig bei der Produktion grundwassergefährdende Stoffe anfielen,
keine Verursacherhaftung abgeleitet werden. Wegen der im Bereich des Altlastenrechtes
typischen Schwierigkeiten bei der Feststellung des Verursachers soll es für eine
Verursacherhaftung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG zwar ausreichen, wenn objektive
Faktoren als tragfähige Indizien vorhanden sind, die den Schluss rechtfertigen, dass
zwischen dem Verhalten der in Anspruch zu nehmenden Person und der eingetretenen
Störung ein Ursachenzusammenhang besteht. Dies gilt allerdings nur dann, wenn außer
dem Betriebsinhaber keine weiteren Verursacher - insbesondere frühere Betriebsinhaber -
in Betracht kommen. Auf den vorliegenden Fall ist diese Rechtsprechung schon deshalb
nicht übertragbar, weil nach den obigen Feststellungen nicht zweifelsfrei festgestellt
werden kann, dass nur die Stadt N. als Verursacherin der festgestellten Boden- und
Grundwasserschäden in Betracht kommt.
Es spricht nach den vorliegenden Gutachten und Stellungnahmen somit einiges dafür, dass
die festgestellten Verunreinigungen verschiedene Ursachen haben und zeitlich vor und
nach dem Eigentumsübergang auf die Deutsche Reichsbahn entstanden sind.
Geht man - worauf der Widerspruchsbescheid vom 17.6.2003 ergänzend abstellt (Bl. 25
d.A.) - zu Gunsten der Klägerin davon aus, dass die Stadt N. als Betreiberin des
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ehemaligen Gaswerkes die festgestellten Boden- und Grundwasserverunreinigungen (mit-)
verursacht hat, war der Beklagte gleichwohl nicht gehalten, sein Auswahlermessen zu
Lasten der Stadt N. (Mitverursachers) auszuüben.
Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG keine
Rangfolge der Verantwortlichkeiten in dem Sinne, dass grundsätzlich der Verursacher
einer schädlichen Bodenverunreinigung vor dem Zustandsstörer heranzuziehen ist. Zwar
wird in den Gesetzesmaterialien zum BBodSchG,
vgl. BT-Drucksache 13/7601, zitiert bei Fluck, Kreislaufwirtschafts-, Abfall- und
Bodenschutzrecht, Loseblattsammlung, Stand: April 2004, § 4 BBodSchG, Rdnr. 29,
einerseits ausgeführt, dass die Reihenfolge der in § 4 Abs. 3 Satz 1 BBodSchG genannten
Verantwortlichen im Regelfall auch die Reihenfolge der Verantwortlichen festlegt,
andererseits aber betont, dass in erster Linie die schnelle und effektive
Störungsbeseitigung Richtschnur für die Ausübung des behördlichen Ermessens bleibt. In
der bodenschutzrechtlichen Rechtsprechung und Literatur wird deshalb davon
ausgegangen, dass insoweit auf die zum allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht
entwickelten Grundsätze zurückgegriffen werden kann und durch das BBodSchG keine
neue Rechtslage geschaffen werden sollte.
Vgl. VGH München, Beschluss vom 22.3.2001 - 22 ZS 01.738 -, NVwZ 2001, 821; VGH
Mannheim, Beschluss vom 11.12.2000 - 10 S 1188/00 -, UPR 2001, 274; Fluck, a.a.O., § 4
BBodSchG, Rdnr. 236; Versteyl/Sondermann, BBodSchG, Kommentar, 2002, § 4 Rdnr. 88.
Das Bedürfnis nach einer schnellen Störungsbeseitigung - und dem vorausgehend nach
der hier geforderten Detailuntersuchung - kann zunächst nicht im Hinblick auf die seit
langem bekannten Boden- und Grundwasserschäden verneint werden. Bereits im Rahmen
der orientierenden Untersuchung hat die IFEP-GmbH (Gutachten vom 25.2.1998, Seite
103) festgestellt, dass auch ein zukünftiger Schadstoffaustrag aus den belasteten
Bodenpartien in das Grundwasser nicht auszuschließen ist, mithin weiterhin von einer
Gefährdung des Grundwassers auszugehen ist und dies bei der Auswahl des
Sanierungspflichtigen nach § 4 Abs. 3 BBodSchG berücksichtigt werden muss.
Bedarf es einer schnellen Störungsbeseitigung im Hinblick auf wichtiger Schutzgüter der
Allgemeinheit, darf die Behörde bei der zu treffenden Auswahl zwischen mehreren
Verantwortlichen auch berücksichtigen, ob die Inanspruchnahme des Verursachers mit
tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten verbunden ist und eine schnelle
Störungsbeseitigung wegen langwieriger Rechtsstreitigkeiten nicht zu erwarten ist. Liegen
diese Voraussetzungen vor, so ist es nicht ermessenfehlerhaft, wenn der Eigentümer des
Grundstückes, dessen Zustandsverantwortlichkeit im Regelfall unzweifelhaft ist, in
Anspruch genommen wird.
Vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 25.10.1999 - 8 S 2407/99 -, NVwZ 2000, 1199.
Neben der o.g. Sachlage, die einen eindeutigen Schluss darauf, zu welchem Zeitpunkt und
durch welche Vorgänge die schädlichen Bodenverunreinigungen verursacht worden sind,
nicht zulässt, hat der Beklagte deshalb zu Recht darauf hingewiesen, dass die
Inanspruchnahme der Stadt N. auch rechtlich nicht unproblematisch ist. In der
obergerichtlichen Rechtsprechung wird jedenfalls teilweise die Rechtsauffassung vertreten,
dass die Inanspruchnahme eines Verursachers einer schädlichen Bodenverunreinigung
zum einen die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens voraussetzt, zum anderen bei einem vor
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mehreren Jahrzehnten erfolgten Eigentumswechsel die zivilrechtlichen Verjährungsregeln
berücksichtigt werden müssen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 30.5.1996, - 20 A 2640/94 -, DVBl. 1997, 570 = NVwZ 1997,
507 = NWVbl. 1997, 175 = ZfW 1997, 251; BayVGH, Beschluss vom 13.5.1986 - 20 Cs
86.00038 - NVwZ 1986, 942 = DVBl. 1986, 1283 = BayVBl. 1986, 590 = DÖV 1986, 976 =
NuR 1987, 80 = UPR 1986, 442.
Ungeachtet der (offenen) Frage, ob die festgestellten Bodenverunreinigungen überhaupt im
Zusammengang mit der Entleerung der Teergruben während des Betriebes des Gaswerkes
entstanden sind, ergibt sich aus den seitens des Beklagten beigezogenen Unterlagen des
Staatsarchivs E. und des Kommunalarchivs N. jedenfalls nicht, dass diese Vorgänge unter
Verstoß gegen die der Stadt N. erteilten Genehmigungen erfolgten. Der Betrieb des
Gaswerkes erfolgte auf Grund einer gewerberechtlichen Genehmigung vom 20.8.1867.
Zwar sind nach den Feststellungen des Beklagten in dieser Genehmigung keine Auflagen
zur Entsorgung der Abfälle aus der Gasproduktion oder zur Ausgestaltung der Teergruben
enthalten (BA I Bl. 163). Allerdings geht auch die Klägerin unter Bezugnahme auf ein
Gutachten der F. -GmbH vom April 2002 davon aus (Bl. 36 d.A.), dass die Entleerung der
Teer- und Ammoniakgruben - wie bei früheren Gaswerken üblich - mit einfachsten Pumpen
und Schöpfgeräten erfolgte, mithin auf Grund einer - nach damaligen Maßstäben - nicht
polizeiwidrigen und gegen Auflagen der Genehmigung verstoßenden Verfahrensweise,
sodass eine Verursacherhaftung der Stadt N. - folgt man der o.g. Rechtsprechung -
jedenfalls zweifelhaft ist.
Im Sinne der o.g. Rechtsprechung durfte der Beklagte auch berücksichtigen, dass das
Grundstück bereits im Jahre 1938 auf die Deutsche Reichsbahn übertragen wurde und
dieser die frühere Nutzung des Geländes bekannt war. Eine zivilrechtliche Haftung der
Stadt N. gegenüber der Klägerin als Rechtsnachfolgerin der Deutschen Reichsbahn im
Eigentum am Grundstück wäre im Hinblick auf die 30- jährige Verjährungsfrist des § 195
a.F. BGB damit seit langem erloschen. Zwar schließt dieser Umstand eine öffentlich-
rechtliche Verantwortlichkeit der Stadt N. als Verhaltensstörer nicht aus, weil diese nicht
der Verjährung oder Verwirkung unterliegt.
Vgl. Versteyl/Sondermann, a.a.O., § 4 Rdnr. 101; Bickel, Bundesbodenschutzgesetz, 4.
Auflage 2004, § 4 Rdnr. § 25; Trurnit, Zur Verjährung der Sanierungsverantwortlichkeit für
schädliche Bodenveränderungen nach dem Bundesbodenschutzgesetz, NVwZ 2001,
1126.
Er kann aber im Rahmen der Auswahlentscheidung zwischen mehreren
Sanierungsverantwortlichen berücksichtigt werden. Entgegen der Auffassung der Klägerin
ist dies auch nur im Rahmen der Ermessensbetätigung geschehen. Zwar wird im Bescheid
des Beklagten vom 17.6.2003 ausgeführt, dass auf Grund der vorgenannten Umstände ein
Auswahlermessen unter mehreren Störern "hinfällig" sei (Bl. 8 d.A.). Im
Widerspruchsbescheid vom 4.12.2003 - auf den hier maßgeblich abzustellen ist - wird
jedoch ausgeführt, dass eine Inanspruchnahme der Stadt N. - bei unterstellter
Sanierungsverantwortlichkeit nach § 4 Abs. 3 BBodSchG - "unbillig" wäre. Hieraus wird
deutlich, dass eine Ermessensentscheidung getroffen wurde.
Letztlich steht einer Inanspruchnahme der Klägerin als Grundstückseigentümerin auch Art.
14 GG nicht entgegen. Das BVerfG geht zwar davon aus, dass eine Begrenzung der
Zustandshaftung des Grundstückseigentümers für von ihm nicht verschuldete oder
verursachte Bodenverunreinigungen verfassungsrechtlich geboten sein kann, wenn der
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Sanierungsaufwand den Verkehrswert des Grundstückes nach erfolgter Sanierung
übersteigt.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.2.2000 - 1 BvR 242/91 und 315/99 -, UPR 2000, 302.
Auf den vorliegenden Fall ist diese Rechtsprechung jedoch schon deshalb nicht
anwendbar, weil es nicht um die Sanierung eines Grundstückes geht, sondern um die
Durchführung einer Gefährdungsabschätzung. Den Verkehrswert des Grundstückes
übersteigende Kosten sind hiermit ersichtlich nicht verbunden. Ob und inwieweit eine
Sanierung des Grundstückes, z.B. im Sinne eines Bodenaustausches, erforderlich ist, ist
derzeit offen und hängt maßgeblich vom Ergebnis der Gefährdungsabschätzung ab. Die
Frage, wer bei einer eventuell erforderlichen Sanierung des Grundstücks in Anspruch zu
nehmen ist, wird durch dieses Verfahren nicht präjudiziert, sondern muss für jeden
einzelnen Verfahrensschritt neu beantwortet werden. Rein vorsorglich wird darauf
hingewiesen, dass auch nach der Rechtsprechung des BVerfG eine den Verkehrswert des
Grundstückes übersteigende Belastung mit Sanierungskosten für den
Grundstückseigentümer im Übrigen zumutbar ist, wenn der Eigentümer das Risiko der
entstandenen Gefahr bewusst in Kauf genommen hat. Hierbei wird der Klägerin auch eine
etwaige Kenntnis der Deutschen Reichsbahn als Rechtsnachfolgerin zuzurechnen sein.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 Satz 1 ZPO.