Urteil des VG Minden vom 09.05.2005

VG Minden: stand der technik, wohnhaus, amt, gefährliche stoffe, vorsorge, messung, luft, auflage, zumutbarkeit, wohngebäude

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Minden, 11 K 2789/04
09.05.2005
Verwaltungsgericht Minden
11. Kammer
Urteil
11 K 2789/04
Das beklagte Amt wird verpflichtet, die Nebenbestimmung V.D.4 des
Genehmigungsbescheids der Bezirksregierung E. vom 26.6.2003 in der
Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 9.7.2004 dahingehend zu
ändern, dass die vom Kompostwerk der Klägerin an den Immissionsorten
I 1 und I 2 verursachten Geruchsimmissionen eine Häufigkeit von 20 %
der Jahresstunden nicht überschreiten dürfen.
Das beklagte Amt wird verpflichtet, die Nebenbestimmung V.D.5 des
Genehmigungsbescheids der Bezirksregierung E. vom 26.6.2003 in der
Gestalt ihres Widerspruchsbescheids vom 9.7.2004 dahingehend zu
ändern, dass neben einer halbjährlichen Überprüfung mit 52 Stichproben
und einer ganzjährigen Überprüfung mit 104 Stichproben alternativ auch
eine ganzjährige Überprüfung mit 52 Stichproben zur Feststellung der
Geruchsimmissionsbeiträge zugelassen wird.
Das beklagte Amt trägt die Kosten des Verfahrens. Die Zuziehung eines
Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin betreibt ein Kompostwerk auf dem Grundstück Gemarkung P. , Flur 3, 28,
Flurstücke 69, 71/39, 72/39, 73/39, 77/39, 78/39 (B. T. ) in O. . Benachbart befindet sich in
etwa 150 m westlich der Annahmehalle der Klägerin das Gut P1. mit einem derzeit nicht
betriebenen Schweinemastbetrieb und einem zugehörigen Wohnhaus (Gut P1. 1) sowie
einem Wohnhaus (ehemaliges Melkerhaus), das keinem landwirtschaftlichen Betrieb
zugeordnet ist und von einer Mitarbeiterin des Kompostwerks der Klägerin bewohnt wird
(Gut P1. 2). Etwa 250 m nordöstlich der Nachrotteflächen des Kompostwerks der Klägerin
befindet sich ein zu einem ehemals landwirtschaftlich genutzten Betrieb gehöriges
Wohnhaus (B. T. 3).
Das Kompostwerk der Klägerin war ihrer Rechtsvorgängerin, der
Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH I. , mit Bescheid des Staatlichen Umweltamts C3. vom
6.10.1994 erstmals mit einer Annahmekapazität von 9.000 t/a genehmigt worden. In der
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Genehmigung war der Rechtsvorgängerin der Klägerin aufgegeben worden,
Geruchshäufigkeiten von 15 % der Jahresstunden nach der Geruchsimmissionsrichtlinie
(GIRL) dürften am nordöstlich gelegenen Wohnhaus B. T. 3 und an dem Wohnhaus Gut P1.
2 unter Berücksichtigung der Vorbelastung durch andere Anlagen, insbesondere durch den
Schweinemastbetrieb auf dem Gut P. , sowie am Wohnhaus Gut P1. 1 ohne
Berücksichtigung dieser Vorbelastung nicht überschritten werden. Diese Immissionswerte
hielt die frühere Betreiberin nicht ein. Im Rahmen eines Untersagungsverfahrens ermittelte
ein Gutachter eine auf das Kompostwerk zurückgehende Geruchshäufigkeit von maximal
17 % der Jahresstunden.
Mit Genehmigungsbescheid des Staatlichen Umweltamts C3. vom 25.8.1998 wurde eine
Erhöhung der Annahmekapazität der Anlage auf 18.000 t/a zugelassen. In diesem
Bescheid wurde der Klägerin nur noch die Einhaltung von Geruchshäufigkeiten in Höhe
von 20 % der Jahresstunden an den drei genannten Immissionsorten aufgegeben, bezogen
allein auf die von dem Kompostwerk ausgehenden Gerüche ohne Berücksichtigung der
vorhandenen Vorbelastung. Dem lag eine Geruchsprognose zu Grunde, die die Einhaltung
von Geruchshäufigkeiten von 14 % der Jahresstunden vorhersagte, allerdings einen
Korrekturfaktor der GIRL außer Betracht gelassen hatte, der zu einer Belastung von 22,4 %
geführt hätte.
B. 3.11.1999 genehmigte das Staatliche Umweltamt der Klägerin, die inzwischen den
Betrieb der Anlage übernommen hatte, eine weitere Änderung des Kompostwerks
verbunden mit einer Erhöhung der Annahmekapazität auf 25.000 t/a. Mit diesem Bescheid
wurde der Klägerin nach intensiven innerbehördlichen Auseinandersetzungen erneut die
Einhaltung von Geruchsimmissionsbeiträgen durch die Anlage im Umfang von 15 % der
Jahresstunden aufgegeben und zugleich die Nebenbestimmung des Bescheids vom
25.8.1998 aufgehoben, die Geruchshäufigkeiten von 20 % der Jahresstunden zugelassen
hatte. Auf den Widerspruch der Klägerin hob die Bezirksregierung E. mit
Widerspruchsbescheid vom 20.12.2000 die Nebenbestimmungen des
Genehmigungsbescheids vom 3.11.1999 auf, durch die die zulässige Geruchshäufigkeit
von 20 % auf 15 % abgesenkt worden war.
Mit Antrag vom 10.5.2002 begehrte die Klägerin bei der Bezirksregierung E. die Erteilung
einer Genehmigung für einen Umbau der Kompostierungseinrichtung verbunden mit einer
Erweiterung der Durchsatzleistung auf 75.000 t/a. Sie erklärte diesen zusätzlichen Bedarf
mit ihrer Drittbeauftragung zur Verarbeitung von Bioabfällen aus den Kreisen H. , I1. , Q.
und I. . Die in diesem Rahmen auf sie zukommenden Bioabfälle könnten in den
verhandenen Containern nicht mehr ordnungsgemäß verarbeitet werden. Deren
Erweiterung sei nach den bisherigen Erfahrungen nicht zweckmäßig, so dass eine
geänderte Verfahrenstechnik nach dem neuesten Stand der Technik in Form einer
Kompostierung in Rottetunneln geplant sei. Die Rottetunnel sollten südwestlich der
Nachrottehalle errichtet werden, so dass sie an die Wohnhäuser im Bereich des Guts P1.
auf 125 m heranrücken sollten. Die Aufbereitungslinie in der Annahmehalle sowie die
bestehenden Nachrottehallen sollten nicht verändert werden. Dem Genehmigungsantrag
war eine Geruchsprognose der C. & C1. GmbH vom 29.4.2002 beigefügt, wonach durch die
geänderte Anlage am Wohnhaus Gut P1. 1 und am Wohnhaus B. T. 3 jeweils
Geruchshäufigkeiten von etwa 13 % verursacht würden, so dass der im
Genehmigungsbescheid festgesetzte Wert von 20 % eingehalten werde. Der
prognostizierte Wert wurde auf die verbesserte Rottetechnik sowie die gezielte Erfassung
und Reinigung der Abluft durch Biofilter zurückgeführt.
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Nach Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung und eines öffentlichen
Erörterungstermins erteilte die Bezirksregierung E. der Klägerin am 26.6.2003 die
Genehmigung zur Änderung des Kompostierungsverfahrens und Erhöhung der
Kompostierungsleistung auf 75.000 t/a. Mit der durch die Klage angegriffenen
immissionsschutzrechlichen Auflage V.D.4 gab sie der Klägerin auf, dass die
Geruchsimmissionsbeiträge, die durch den geänderten Betrieb der Kompostierungsanlage
einschließlich aller Nebeneinrichtungen hervorgerufen würden, am Wohnhaus Gut P1. 1
und am Wohnhaus B. T. 3 jeweils 13 % der Jahresstunden - gemessen und bewertet nach
der GIRL vom 13.5.1998 - nicht überschreiten dürften. Zudem wurde der Klägerin unter
V.D.5 aufgegeben, durch Geruchsfeststellungen/-begehungen festzustellen, welche
Immissionsbeiträge durch den geänderten Betrieb der Anlage hervorgerufen würden. Der
Messzeitraum müsse mindestens ein halbes Jahr betragen und mindestens den Zeitraum
vom 1.3. bis 31.8. des betreffenden Jahres umfassen. Der Stichprobenumfang wurde für
den Fall einer halbjährlichen Überprüfung auf 52 und für den Fall einer ganzjährigen
Überprüfung auf 104 festgelegt.
Unter anderem gegen die Nebenbestimmungen V.D.4 und V.D.5 legte die Klägerin
Widerspruch ein, soweit in V.D.4 die Immissionsbeiträge auf 13 % der Jahresstunden
eingeschränkt und in V.D.5. der zugelassene Messzeitraum auf einen Zeitraum innerhalb
nur eines Kalenderjahres sowie der Stichprobenumfang für den Fall einer halbjährlichen
und einer ganzjährigen Überprüfung auf 52 bzw. 104 festgelegt worden sei.
Mit Widerspruchsbescheid vom 9.7.2004, der Klägerin zugestellt am 14.7.2004, änderte die
Bezirksregierung E. die Festlegung des Messzeitraums in der Nebenbestimmung V.D.5
dahingehend, dass der Messzeitraum mindestens ein halbes Jahr betragen und für das
Gesamtjahr repräsentativ sein müsse. Daher sei bei einem Messzeitraum von weniger als
einem Jahr sicherzustellen, dass sowohl die kalte als auch die warme Jahreszeit erfasst
werde. Im übrigen wies die Bezirksregierung den Widerspruch, soweit er gegen die
Nebenbestimmungen V.D.4 und V.D.5 gerichtet war, zurück.
B. 12.8.2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beanstandet, dass die
Genehmigungsbehörde eine ganzjährige Überprüfung mit 52 Stichproben ausschließe. Ein
Umfang von 104 Stichproben für einjährige Begehungen sei nicht rechtlich verbindlich
vorgegeben. Wenn 52 Stichproben bei halbjährlichen Untersuchungen zulässig seien,
spreche nichts dagegen, diese auf ein ganzes Jahr zu verteilen, wodurch die
Witterungszustände sogar umfassender erfasst würden.
Hinsichtlich der angeordneten Einhaltung von Geruchshäufigkeiten an 13 % der
Jahresstunden ist die Klägerin der Auffassung, es hätte bei der bisherigen bestandskräftig
gewordenen Festsetzung von 20 % verbleiben müssen, zumal es insoweit keine
Beschwerden Dritter über Gerüche des Kompostwerks gegeben habe. Für die
Schutzwürdigkeit der Umgebung sei auch die Vorbelastung zu berücksichtigen, die durch
eine rechtmäßig errichtete Anlage mitbeeinflusst werde. Demgegenüber entfalte die GIRL
weder eine abschließende noch eine bindende Wirkung für die Beurteilung von Gerüchen.
Die Festsetzung eines niedrigeren Immissionswerts lasse sich auch nicht auf den
Vorsorgegrundsatz stützen. Denn die Gerüche würden nicht durch gefährliche Stoffe
ausgelöst. Sie seien vielmehr außenbereichstypische Gerüche einer bauplanungsrechtlich
im Außenbereich privilegierten Entsorgungsanlage, die sich nach ihrer Typik von
landwirtschaftlichen Gerüchen nicht wesentlich unterschieden. Die gebotene Vorsorge
werde im Übrigen durch den Einsatz moderner Technik emissionsbezogen sicher gestellt.
Die Klägerin habe den Wert von 13 % auch nicht dadurch selbst beantragt, dass sie ein
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entsprechendes Gutachten eingereicht habe. Ergänzend hebt die Klägerin hervor, ihr
Kompostwerk habe für die Bioabfallentsorgung im Regierungsbezirk E. zentrale
Bedeutung. Es sei mit Abstand ihr größtes Kompostwerk und auch das größte im ganzen
Regierungsbezirk. Wegen möglicher Erweiterungen der Auftragssituation auch durch
öffentliche Entsorgungspflichtige müsse der Standort genehmigungsrechtlich sicher und
ausbaufähig sein. Die Festschreibung einer Geruchshäufigkeit von 13 % führe zu einem
Ausschluss jeglicher Erweiterung des Werks an einem Standort, an dem es
bauplanungsrechtlich privilegiert sei und der ohnehin genehmigungsrechtlich vorbelastet
sei.
Die Klägerin beantragt,
1. das beklagte Amt zu verpflichten, in der Nebenbestimmung V.D.4 des
Genehmigungsbescheids der Bezirksregierung E. vom 26.6.2003 in der Gestalt ihres
Widerspruchsbescheids vom 9.7.2004 die zulässige Geruchshäufigkeit in Prozent der
Jahresstunden auf jeweils 20 % festzusetzen,
2.
3. das beklagte Amt zu verpflichten, die in V.D.5 der Nebenbestimmungen des
Genehmigungsbescheids der Bezirksregierung E. vom 26.6.2003 in der Gestalt ihres
Widerspruchsbescheids vom 9.7.2004 enthaltene Regelung hinsichtlich des
Messzeitraums dahingehend zu ändern, dass neben einer halbjährlichen Überprüfung mit
52 Stichproben und einer ganzjährigen Überprüfung mit 104 Stichproben alternativ auch
eine ganzjährige Überprüfung mit 52 Stichproben zur Feststellung der
Geruchsimmissionsbeiträge zugelassen wird.
4.
Das beklagte Amt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es verteidigt den in V.D.5. vorgegebenen Stichprobenumfang unter Hinweis auf die
Vorgaben in Nr. 4.4.1 in Verbindung mit Nr. 4.4.7 GIRL und der Nr. 5.1.1 in Verbindung mit
Anhang 3 der VDI-Richtlinie 3940 "Bestimmung der Geruchsimmission durch
Begehungen" vom Oktober 1993. Seiner Ansicht nach wären die Ergebnisse bei einer
ganzjährigen Überprüfung mit 52 Stichproben statistisch nicht abgesichert.
Das beklagte Amt rechtfertigt den angeordneten Wert für Geruchshäufigkeiten an
höchstens 13 % der Jahresstunden mit dem Schutzanspruch der benachbarten
Wohnhäuser im Außenbereich, der sie vor Geruchswahrnehmungshäufigkeiten von mehr
als 15 % der Jahresstunden schütze. Dieser Anspruch sei unabhängig davon, ob die
Bewohner selbst Tierhaltungsanlagen betrieben und ihre Wohnungen landwirtschaftlichen
Betrieben zuzuordnen seien. Das gelte auch für das Wohnhaus Gut P1. 1, das sich im
Eigentum der Klägerin befinde, weil baurechtlich keine Bindung an den Betrieb des
Kompostwerks bestehe. Die Annahme eines verminderten Schutzanspruchs im Rahmen
einer Sonderfallprüfung nach Nr. 5 GIRL scheide für Immissionen, die von einer
landwirtschaftsfremden Anlage wie dem Kompostwerk ausgingen, aus. Die Begrenzung
auf 13 % der Jahresstunden entspreche den in den Antragsunterlagen bzw. in der
Geruchsprognose enthaltenen Angaben, weshalb die Klägerin hierdurch nicht beschwert
sei. Durch die Prognose sei nachgewiesen, dass dieser Wert eingehalten werden könne.
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Prognoseunsicherheiten gingen zu Lasten der Klägerin, weil diese die materielle
Beweislast dafür trage, dass die Genehmigungsvoraussetzungen vorlägen. Zudem dürfe
die Klägerin die zulässigen 15 % nicht allein verursachen, weil auch die benachbarten
Betriebe Gerüche verursachten, hierdurch aber die Gesamtbelastung nicht höher als 15 %
liegen dürfe. Darüber hinaus gebiete die Vorsorgepflicht, die nach dem Stand der Technik
möglichen Maßnahmen zur Geruchsminderung durchzuführen. Diese Vorsorge werde
durch den Einsatz moderner Rottetechnik, von Rottetunneln und Biofiltern sichergestellt.
Da diese Technik Geruchsbelästigungen unter 15 % der Jahresstunden ermögliche und die
Vorsorgepflicht nicht nur auf eine Verminderung der Emissionen, sondern auch der
Immissionen abziele, folge die Festlegung auf 13 % auch aus der gebotenen Vorsorge. In
diesem Zusammenhang nimmt das beklagte Amt Bezug auf das Urteil des BVerwG vom
21.6.2001 - 7 C 21.00 -.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und
die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Amts (3 Ordner und 7 Hefter)
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
A. Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft.
I. Das gilt zum einen, soweit sie auf eine Änderung der in Nebenbestimmung V.D.4
aufgegebenen Geruchshäufigkeit gerichtet ist. Die Klägerin begehrt insoweit gegenüber
der Genehmigung einen weitergehenden Genehmigungsinhalt, der im Wege der
Verpflichtungsklage zu verfolgen ist. Bei der Regelung unter V.D. 4 des angefochtenen
Bescheids handelt es sich nämlich um eine die erteilte Genehmigung inhaltlich näher
gestaltende Inhaltsbestimmung, nicht aber um eine mit der Anfechtungsklage selbstständig
anfechtbare Auflage. Bei der Abgrenzung zwischen einer solchen Auflage und einer
Inhaltsbestimmung ist grundsätzlich der Erklärungswert des Genehmigungsbescheids
maßgebend, wie er sich bei objektiver Betrachtung aus der Sicht des Empfängers darstellt
(§ 43 Abs. 1 S. 2 VwVfG NW, § 133 BGB analog). Dabei ist die sprachliche Bezeichnung
einer Regelung nicht entscheidend. Maßgebend ist vielmehr, ob die im Bescheid getroffene
Regelung unmittelbar der Festlegung des Genehmigungsgegenstands dient. Bei der
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung sind alle Regelungselemente, die das
zugelassene Handeln des Betreibers räumlich und sachlich bestimmen und damit ihren
Gegenstand und Umfang festlegen, zu den Inhaltsbestimmungen zu rechnen.
Vgl. dazu u.a. BVerwG, Urteile vom 17.2.1984 - 7 C 8.82 -, BVerwGE 69, 37 = DVBl. 1984,
476, und vom 21.2.1992, - 7 C 11.91 -, BVerwGE 90, 42 = DVBl. 1992, 713; Fluck, DVBl.
1992, 862 m.w.N.
Während die selbstständig anfechtbare Auflage zur Genehmigung als selbstständiges
Handlungs-, Duldungs- oder Unterlassungsgebot hinzutritt, konkretisiert die
Inhaltsbestimmung das Genehmigte unmittelbar und legt das erlaubte Tun fest. Als weitere
Kriterien für die Abgrenzung sind ergänzend auch das Gewicht und die Bedeutung der
Genehmigungsvoraussetzung maßgeblich, deren Sicherstellung die Einzelbestimmung
dienen soll.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 10.12.1999 - 21 A 3481/96 -, NVwZ-RR 2000, 671 = UPR 2000,
392 = GewArch 2000, 301 m.w.N.
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Nach ihrem objektiven Erklärungswert handelt es sich bei der hier streitigen Regelung
ungeachtet ihrer Einordnung als Nebenbestimmung nach § 12 BImSchG im
Genehmigungsbescheid der Sache nach um eine Inhaltsbestimmung. Die Festlegung
eines Werts zur Immissionsbegrenzung dient unmittelbar der Bestimmung des
Genehmigungsgegenstands. Sie bezieht sich unmittelbar auf den Betrieb der genehmigten
Anlage und legt fest, welche Geruchsimmissionen durch den Betrieb der Anlage entstehen
dürfen. Diese Regelung ist nach ihrem objektiven Regelungsgehalt und Erklärungswert
zugleich auch ersichtlich von wesentlicher Bedeutung für die Erfüllung der von der
Bezirksregierung E. zugrunde gelegten Genehmigungsvoraussetzungen; es handelt sich
nicht lediglich um "Begleitpflichten".
Vgl. zur Bewertung eines Immissionsgrenzwerts als Inhaltsbestimmung BayVGH,
Beschluss vom 24.6.2002 - 26 CS 02.809 -, juris; BVerwG, Urteil vom 8.2.1974 - IV C 73.72
-, DÖV 1974, 380 unter der Verwendung des Begriffs der den Genehmigungsinhalt
"modifizierenden Auflage".
Daran ändert sich im konkreten Fall auch nichts dadurch, dass im letzten Absatz der
Nebenbestimmung V.D.5 eine Regelung aufgenommen worden ist, nach der bei
Überschreitung der zugelassenen Geruchswahrnehmungshäufigkeiten ein Konzept zur
Verbesserung der Immissionssituation zu erstellen ist. Hierdurch lässt die
Genehmigungsbehörde insbesondere den Betrieb nicht auch bei Überschreitung der
festgesetzten Geruchsimmissionsgrenzwerte zu und relativiert auch nicht die Bedeutung,
die sie der Festlegung dieser Werte beigemessen hat.
II. Hinsichtlich der mit dem Klageantrag zu 2. begehrten Zulassung von 52 Stichproben bei
einer ganzjährigen Überprüfung verlangt die Klägerin eine Abänderung der als
eigenständiges Handlungsgebot und damit als Auflage anzusehenden Messanordnung
unter V.D.5, die sie nur im Wege der Verpflichtungsklage erreichen kann, weil eine solche
Änderung durch reine Anfechtung nicht zu erzielen wäre.
B. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg.
I. Die Regelung unter V.D.4 des Genehmigungsbescheids der Bezirksregierung E. vom
26.6.2003 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit ihr aufgegeben
worden ist, dass durch das Kompostwerk an den genannten Immissionsorten geringere
Geruchshäufigkeiten als 20 % nicht überschritten werden dürfen, weil die Klägerin einen
Anspruch darauf hat, dass ihr beim Betrieb ihres Kompostwerks lediglich die Verursachung
von Geruchshäufigkeiten von mehr als 20 % der Jahresstunden verwehrt wird.
Die Klägerin hat gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG Anspruch auf Erteilung einer
immissionsschutzrechtlichen Genehmigung, wenn unter anderem sichergestellt ist, dass
die sich aus § 5 BImSchG ergebenden Pflichten erfüllt werden. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 und 2
BImSchG sind genehmigungsbedürftige Anlagen neben weiteren hier nicht streitigen
Anforderungen so zu betreiben, dass zur Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für
die Umwelt insgesamt schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahren, erhebliche
Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und die Nachbarschaft nicht
hervorgerufen werden können (Nr. 1) und Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen
und sonstige Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen getroffen wird,
insbesondere durch die dem Stand der Technik entsprechenden Maßnahmen (Nr. 2).
1. Selbst wenn durch das Kompostwerk der Klägerin an den umliegenden Wohnhäusern
Geruchswahrnehmungshäufigkeiten von bis zu 20 % der Jahresstunden entstehen würden,
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lägen darin keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG. Ob
Immissionen als erhebliche Belästigungen in diesem Sinne anzusehen sind, richtet sich
insbesondere nach der durch die Gebietsart und die tatsächlichen Verhältnisse bestimmten
Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit, wobei wertende Elemente wie die
Herkömmlichkeit, die soziale Adäquanz und die allgemeine Akzeptanz mitbestimmend
sind.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 30.4.1992 - 7 C 25.91 -, BVerwGE 90, 163 (165 f.), und vom
29.4.1988 - 7 C 33.87 -, BVerwGE 79, 254 (260).
a. Bei der Bestimmung der Erheblichkeit von Belästigungen sind schutzmindernd
Vorbelastungen zu berücksichtigen, die eine schutzbedürftige Nutzung an einem Standort,
zumal im Außenbereich (§ 35 BauGB), vorfindet, der durch eine schon vorhandene
emittierende Nutzung vorgeprägt ist. Im Umfang der Vorbelastung sind Immissionen
zumutbar, auch wenn sie sonst in einem vergleichbaren Gebiet nicht hinzunehmen wären.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.6.1990 - 4 C 6.87 -, NVwZ 1991, 64 (65) = Buchholz 406.11 §
35 BauGB Nr. 261, vom 29.1.1991 - 4 C 51.89 -, BVerwGE 87, 332 (357), vom 23.5.1991 - 7
C 19.90 -, BVerwGE 88, 210 (214), und vom 18.5.1995 - 4 C 20.94 -, BVerwGE 98, 235
(244 f.) = NVwZ 1996, 379.
Eine Vorbelastung kann auch von einer erst in jüngerer Zeit aufgenommenen Nutzung
ausgehen, wenn sie bestandskräftig genehmigt worden ist. Auch eine solche bestimmt die
Schutzwürdigkeit der Umgebung mit. Daraus folgt, dass bei der Erweiterung eines legalen
Betriebs im allgemeinen nur zu prüfen ist, ob eine Verschlechterung der Immissionslage zu
erwarten ist.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.6.1990, a.a.O., S. 65, und vom 21.1.1983 - 4 C 59.79 -, NVwZ
1983, 609 (610).
Der Gesichtspunkt der Vorbelastung rechtfertigt es allerdings lediglich, der
schutzbedürftigen Nutzung das Maß an Belästigungen zuzumuten, das zur Zeit der
Entstehung der örtlichen Situation erkennbar angelegt und voraussehbar war.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 23.5.1991, a.a.O., S. 215, und vom 14.12.1979 - IV C 10.77 -,
BVerwGE 59, 253 (263 f.).
Durch eine Vorbelastung lässt sich die Schutzwürdigkeit einer empfindlichen Nutzung auch
nicht unbegrenzt herabsenken. Die schutzmindernde Wirkung der Vorbelastung endet
jedenfalls dort, wo die ihren Gegenstand ausmachenden Einwirkungen nach ihrer Intensität
die Schranke einer (entschädigungslos) zulässigen Eigentumsbindung überschreiten
würden.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 22.6.1990, a.a.O., S. 65, vom 21.1.1983, a.a.O., S. 610, und vom
14.12.1979, a.a.O., S. 263 f.
Da für die Ermittlung und Bewertung von Geruchsbelästigungen keine konkretisierenden
verbindlichen Rechtsvorschriften bestehen, können grundsätzlich (mit der gebotenen
Vorsicht) Rückschlüsse aus technischen Regelwerken wie der GIRL, welche das
Ministerium für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft NRW durch Erlass vom
12.1.1995 zunächst probeweise zur Orientierung bei anstehenden
Verwaltungsentscheidungen eingeführt hatte und die inzwischen in der ersten ergänzten
Fassung vom 21.9.2004 vorliegt, auf die Erheblichkeit der Belästigung durch
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Geruchsimmissionen im Rahmen der Beurteilung nach § 3 Abs. 1 BImSchG gezogen
werden, wobei sich eine schematische Anwendung von Grenzwerten im Hinblick auf die
gebotene Einzelfallbeurteilung anhand der jeweiligen Situation verbietet.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 27.1.1994 - 4 B 16.94 -, NVwZ-RR 1995, 6, und vom
8.7.1998 - 4 B 38.98 -, BRS 60 Nr. 179; OVG NRW, Urteil vom 25.9.2000 - 10a D 8/00.NE -,
NWVBl. 2001, 185 (186) = RdL 2001, 64, und Beschlüsse vom 19.5.2003 - 22 A 5565/00 -
und vom 24.6.2004 - 21 A 4130/01 -; VG Minden, Urteile vom 17.12.1996 - 1 K 2864/95 -
und vom 19.9.2000 - 1 K 2616/98 - sowie Beschlüsse vom 21.1.1999 - 9 L 1486/98 - und
vom 26.4.2002 - 11 L 269/02 -; Hansmann, Rechtsprobleme bei der Bewertung von
Geruchsimmissionen, NVwZ 1999, 1158.
Nach Nr. 3.1 der GIRL ist eine Überschreitung einer Geruchshäufigkeit von 10 % in Wohn-
und Mischgebieten und von 15 % in Gewerbe- und Industriegebieten in der Regel als
erhebliche Belästigung zu werten. Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur
vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechts diesen
Werten zuzuordnen. Nr. 5 der GIRL sieht eine Sonderbeurteilung unabhängig von den
genannten Werten unter anderem dann vor, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass
wegen außergewöhnlicher Verhältnisse hinsichtlich der Hedonik und Intensität der
Geruchswirkung, der ungewöhnlichen Nutzungen in dem betroffenen Gebiet oder sonstiger
atypischer Verhältnisse trotz Überschreitung der Immissionswerte eine erhebliche
Belästigung der Nachbarschaft oder der Allgemeinheit durch Geruchsimmissionen nicht zu
erwarten ist. Dabei ist die durch die Studie des Medizinischen Instituts für Umwelthygiene
an der Heinrich- Heine-Universität Düsseldorf von 1992 gewonnene Erkenntnis zu Grunde
zu legen, dass die erhebliche Belästigung zwischen 10 und 20 % relative
Geruchsstundenhäufigkeit beginnt, so dass ein Bereich bis 20 % im Rahmen einer
Sonderbeurteilung noch als unerheblich angesehen werden kann (vgl. Begründung und
Auslegungshinweise zur GIRL).
Ausgehend davon, dass sich die Immissionswerte nach Nr. 3.1 GIRL auf Baugebiete in
Innenbereichslagen beziehen, ist bereits zweifelhaft, ob der auch für landwirtschaftlich
geprägte Dorfgebiete vorgesehene Wert von 15 % ohne Weiteres auf Außenbereichslagen
übertragen werden kann. Das ist aber jedenfalls dann nicht mehr zu rechtfertigen, wenn
Störungen eines bestandskräftig gewordenen gemäß § 35 Abs. 1 Nr. 4 BauGB im
Außenbereich privilegierten Vorhabens in Rede stehen, das wegen seiner nachteiligen
Wirkung auf die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden soll. Denn solche
Vorhaben werden gerade deshalb im Außenbereich privilegiert zugelassen, weil sie bei
typisierender Betrachtungsweise wegen ihrer besonderen Auswirkungen auf die
Umgebung in Innenbereichslagen als generell nicht zulässig angesehen werden. Hierzu
zählt entgegen der Einschätzung der Genehmigungsbehörde auch das Kompostwerk der
Klägerin. Das ergibt sich bereits aus der Abstandsregelung nach Nr. 5.4.8.5 der TA Luft,
wonach sogar geschlossene Kompostwerke von der nächsten vorhandenen oder in einem
Bebauungsplan festgesetzten Wohnbebauung einen Abstand von 300 m einhalten
müssen, was regelmäßig auch einer Errichtung in Industriegebieten entgegenstehen wird.
Vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 5.10.2000 - 10 S 660/00 -, NVwZ 2001, 580 (582).
Eine Errichtung im Außenbereich hindert dies nicht, weil der Abstand nicht zu vereinzelten
im Außenbereich liegenden Hausgrundstücken eingehalten werden muss.
Vgl. Nds.OVG, Urteil vom 18.2.1998 - 7 L 2108/96 -, NuR 1998, 661.
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Darüber hinaus können Geruchsemissionen von Kompostwerken, die bei typisierender
Betrachtung wegen ihrer hohen Emissionen der immissionsschutzrechtlichen
Genehmigungspflicht unterliegen, unter anderem bei Störungen der Filterfunktion und
sonstigen Störungen des ordnungsgemäßen Betriebs ein Ausmaß annehmen, welches das
in einem Gewerbegebiet oder Industriegebiet dem unmittelbaren gewerblichen
Anlagennachbarn zumutbare Maß übersteigt.
Vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 5.10.2000 a.a.O., unter Hinweis auf Taegen, Berliner
Kommentar zum BauGB, 2. Aufl., § 35 Rn. 42 m.N. zur Rspr. zu sonstigen privilegierten
Vorhaben.
b. Legt man all diese Gesichtspunkte der Bewertung der Schutzwürdigkeit der dem
Kompostwerk der Klägerin benachbarten Wohngebäude zu Grunde, so sind wegen der
besonderen Umstände des Einzelfalls durch das Werk hervorgerufene
Geruchshäufigkeiten im Umfang von bis zu 20 % der Jahresstunden noch nicht als
erhebliche Belästigungen zu bewerten. Maßgeblich dafür ist in erster Linie der
Gesichtspunkt der Vorbelastung durch das unter anderem mit Genehmigungen vom
25.8.1998 und vom 3.11.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20.12.2000
bestandskräftig genehmigte im Außenbereich privilegierte Kompostwerk, um dessen
wesentliche Änderung es im hier zu beurteilenden Genehmigungsverfahren ging. Diese
Genehmigungen legten maximal zulässige Geruchshäufigkeiten an 20 % der
Jahresstunden fest, bezogen allein auf die von dem Kompostwerk ausgehenden Gerüche.
In diesem Umfang war die Entstehung von Gerüchen zumindest seit Entstehung der neuen
örtlichen Situation durch Eintritt der Bestandskraft dieser Genehmigungsbescheide
erkennbar angelegt und voraussehbar, selbst wenn der Betrieb tatsächlich nur geringere
Geruchshäufigkeiten verursacht haben mag, etwa im Umfang der bei Begehungen schon
1997 festgestellten 17 % der Jahresstunden.
Im Umfang von erkennbar angelegten und voraussehbaren Geruchshäufigkeiten von 20 %
der Jahresstunden wird auch nicht die Grenze überschritten, jenseits derer Vorbelastungen
nicht mehr als schutzmindernd angesehen werden dürfen. Insbesondere lässt sich den der
GIRL zu Grunde liegenden Untersuchungen entnehmen, dass Geruchshäufigkeiten von bis
zu 20 % in Einzelfällen durchaus noch als unerheblich angesehen werden können. Die
GIRL steht auch nicht einer Bewertung entgegen, die Schutzwürdigkeit einer vereinzelten
Wohnnutzung im Außenbereich gegenüber dort wegen hoher Emissionen privilegiert
zulässigen und bestandskräftig gewordenen Anlagen zumindest bis zu dieser Grenze
abzusenken. In der Begründung und den Auslegungshinweisen zur Nr. 5 heißt es
ausdrücklich im Zusammenhang mit der Einschätzung, ein Wert bis 20 % könne im
Einzelfall noch unerheblich sein, einzelnen Häusern im Außenbereich komme nicht der
Schutzanspruch zu wie z. B. Wohngebieten. Dieser Einschätzung ist die Rechtsprechung
gefolgt.
Vgl. Nds.OVG, Beschluss vom 21.10.2004 - 1 LA 287/03 -, NVwZ-RR 2005, 170; BayVGH,
Beschluss vom 9.11.1992 - 2 CS 92.1869 -, BayVBl. 1993, 688.
Bei der Bewertung von vom Kompostwerk der Klägerin verursachten
Geruchswahrnehmungshäufigkeiten von 20 % der Jahresstunden als unerheblich auf
Grund der Vorbelastung ist sich die Kammer durchaus dessen bewusst, dass die
Zumutbarkeit im Zuge einer Änderungsgenehmigung von Immissionen erneut für die
geänderte Gesamtanlage beurteilt werden muss und sich insbesondere nicht ungeachtet
von Immissionswerten mit dem Bestandsschutz des früheren Anlagenbestands
rechtfertigen lässt. Hiervon sind die geänderten Anlagenteile gerade nicht erfasst.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 12.12.1975 - IV C 71.73 -, BVerwGE 50, 49 (57).
Auch wenn sich der Bestandsschutz zudem ohnehin nicht auf die dynamisch angelegte
Betreiberpflicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG bezieht, ist der Umstand, dass eine Anlage
legal entstanden ist, bei der Bewertung der Schutzwürdigkeit benachbarter Bebauung im
Einzelfall zu berücksichtigen. Er bestimmt solange deren Schutzwürdigkeit mit, wie
rechtlich verbindliche strengere Anforderungen an die emittierende Anlage nicht existieren.
Gerade weil die GIRL lediglich eine rechtlich nicht verbindliche Entscheidungshilfe bei der
Geruchsbeurteilung und -bewertung ist, lassen sich die in ihrer Nr. 3.1 genannten ohnehin
in erster Linie auf Innenbereichsgrundstücke zugeschnittenen Normwerte nicht unter dem
Gesichtspunkt dynamisch angelegter Betreiberpflichten ohne Rücksicht auf eine bereits
entstandene Situation bei jeder Anlagenänderung der rechtlichen Beurteilung zu Grunde
legen.
Soweit die benachbarten Wohngebäude neben den Gerüchen des Kompostwerks auch
Tiergerüchen ausgesetzt werden können, wenn die derzeit nicht betriebenen
Tierhaltungen, deren Bestandsschutz möglicherweise noch nicht erloschen ist, wieder
aufgenommen werden, folgt hieraus keine höhere Schutzwürdigkeit für sie. Die
Vorbelastung durch erkennbar angelegte und voraussehbare Geruchshäufigkeiten des
Kompostwerks der Klägerin von 20 % durch frühere Genehmigungen ist allein auf von
diesem ausgehende Gerüche ohne Rücksicht auf die seinerzeit noch vorhandenen
Tiergerüche bezogen. Damit sind Gerüche dieses Umfangs ungeachtet etwaiger
Tiergerüche grundsätzlich im Rahmen der Vorbelastung hinzunehmen.
Die Erhöhung der vom Kompostwerk im Rahmen der Vorbelastung liegenden
Geruchsbelastung durch Tiergerüche benachbarter Betriebe, die zu einer höheren
Gesamtbelastung für die ihnen zugehörigen Wohnhäuser führt, überschreitet nicht die
Grenze, ab der Vorbelastungen keine schutzmindernde Wirkung mehr entfalten können.
Das folgt schon daraus, dass sich die Gerüche des Kompostwerks und die Tiergerüche hier
ohnehin nicht gemeinsam bewerten lassen, so dass nicht auf die insgesamt verursachten
Geruchshäufigkeiten abgestellt werden kann. Auch die Bezirksregierung hat im
angefochtenen Bescheid bei der Bestimmung der zulässigen Geruchshäufigkeiten im
Ansatz zutreffend die durch die Tierhaltungen verursachten Gerüche unberücksichtigt
gelassen.
Die landwirtschaftlichen Tiergerüche sind im Verhältnis zu dem dem jeweiligen Betrieb
zugehörigen Wohnhaus anders als die Gerüche des Kompostwerks nicht nach den
Maßstäben der GIRL zu beurteilen. Nach ihrer Nr. 3.1 und 4.4.7 sind Geruchsimmissionen
nur nach der GIRL zu beurteilen, wenn sie nach ihrer Herkunft aus Anlagen erkennbar, d. h.
abgrenzbar sind gegenüber Gerüchen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem
Hausbrandbereich, der Vegetation, landwirtschaftlichen Düngemaßnahmen oder
ähnlichem. Das ist im Bereich landwirtschaftsbezogenen Wohnens, um das es hier geht, für
die landwirtschaftstypischen Gerüche gerade nicht der Fall: Aus den bei den Begehungen
1997 festgestellten Geruchshäufigkeiten aus dem Bereich der Landwirtschaft von 33 % am
Gut P1. 1 und 48 % am Wohnhaus B. T. 3 ist nicht ersichtlich, inwieweit diese Gerüche
durch den einen oder den anderen Betrieb oder gar durch andere diffuse
landwirtschaftliche Quellen verursacht worden sind (vgl. Seite 6 des mit Schriftsatz vom
28.4.2005 übersandten Abschlussberichts vom 10.12.1997). Demgegenüber waren die
Gerüche des Kompostwerks klar abgrenzbar.
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Darüber hinaus ist eine gemeinsame Beurteilung deshalb nicht sachgerecht, weil
landwirtschaftsbezogenes Wohnen gegenüber eigenen und benachbarten
landwirtschaftlichen Betrieben anderen Zumutbarkeitsmaßstäben unterliegt als normale
Wohnnutzung in Nachbarschaft zu landwirtschaftlichen Betrieben. Die Maßstäbe der GIRL
lassen sich insoweit - anders als für das Kompostwerk - ohnehin nicht einmal als Anhalt
heranziehen. Sie markieren nicht die Schwelle zu einer gesundheitsschädlichen
Geruchsbelästigung, sondern knüpfen zur Beurteilung der Zumutbarkeit an die
Geruchsschwelle an, bei der 50 % der geschulten Probanden überhaupt einen
Geruchseindruck haben. Gerade auf Grundstücken, auf denen oder in deren Nachbarschaft
geruchsintensive Tierhaltung erfolgt, sind vielfach Platzgerüche an 50 % der
Jahresstunden und mehr nicht zu vermeiden. Bei ordnungsgemäßer Haltung
unvermeidbare Gerüche sind dort ortsüblich und können nicht ohne Weiteres als
erhebliche Belästigungen für landwirtschaftsbezogenes Wohnen angesehen werden.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 18.3.2002 - 7 B 315/02 -, NVwZ 2002, 1390, vom
19.12.2002 - 10 B 435/02 -, NWVBl. 2004, 307 = BRS 66 Nr. 182, und vom 19.5.2003,
a.a.O.
Auch aus dem Umstand, dass am Wohnhaus B. T. 3 die Tierhaltung inzwischen endgültig
aufgegeben worden sein soll, folgt nicht, dass ihm eine höhere Schutzwürdigkeit
gegenüber Störungen durch bestandskräftig gewordene Nutzungen auf benachbarten
Grundstücken zuzubilligen ist. Es ist als landwirtschaftsbezogenes Wohngebäude in
Nachbarschaft zu einem anderen landwirtschaftlichen Betrieb entstanden. Da sich die
weitere Bewohnbarkeit des Gebäudes allein aus dem Bestandsschutz ergibt, erhält es
baurechtlich gesehen nicht allein durch Betriebseinstellung die Schutzwürdigkeit nicht
landwirtschaftsbezogenen Wohnens.
Ist aber die Zumutbarkeit der Tiergerüche und der Gerüche des Kompostwerks an beiden
zu beurteilenden Wohngebäuden nach verschiedenen Grundsätzen zu bewerten, so
beeinflussen die Tiergerüche auch nicht die Zumutbarkeit der Gerüche des Kompostwerks
an diesen Immissionsorten. Die im Rahmen der Vorbelastung liegenden Gerüche des
Kompostwerks, die sich im Einzelfall auch unter Berücksichtigung der Beurteilungskriterien
der GIRL im Umfang von 20 % der Jahresstunden noch nicht als erhebliche Belästigung
darstellen, sind aus Gründen der Sozialadäquanz auch dann hinzunehmen, wenn neben
sie eine andere Vorbelastung aus andersartigen Quellen tritt, die für sich gesehen
ortsüblich und damit ebenfalls für die Nachbarschaft zumutbar ist.
Vgl. ähnlich BVerwG, Urteil vom 16.5.2001 - 7 C 16.00 -, NVwZ 2001, 1167 (1169) im
Zusammenhang mit der Beurteilung nach der 18. BImSchV und zum Sportlärm
hinzutretenden Freizeitgeräuschen.
Ob die Tiergerüche in dem 1997 festgestellten Umfang für sich gesehen für die zu den
Betrieben gehörenden Wohnhäuser unzumutbar sein könnten, bedarf allerdings keiner
Klärung. Denn selbst unzumutbare Tiergerüche könnten es nicht rechtfertigen, strengere
Anforderungen an das Kompostwerk zu stellen. Allenfalls müssten die Mastbetriebe
vermeidbare Gerüche verhindern, damit die verbleibenden Gerüche als ortsüblich
angesehen werden können.
2. Die der Klägerin gegenüber einem aus dem Schutzgebot gerechtfertigten
Geruchsimmissionswert von 20 % der Jahresstunden auferlegte weitere Beschränkung auf
einen Wert von 13 % ist auch nicht zur Erfüllung des Vorsorgegrundsatzes nach dem Stand
der Technik gerechtfertigt oder gar geboten.
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Wie weit das Vorsorgegebot etwa bei ubiquitären Luftschadstoffen, die keinen bestimmten
Emittenten zugeordnet werden können, reicht, bedarf hier keiner Entscheidung. Zur
Konkretisierung der auf sich kleinräumig verteilende Emissionen wie Geruchsemissionen
bezogenen Vorsorgeanforderungen ist auf die auch für die Gerichte verbindlichen
Anforderungen der TA Luft zurückzugreifen.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 8.2.1990 - 21 A 2535/88 -, NVwZ-RR 1990, 545 = NWVBl.
1990, 274; BVerwG, Urteil vom 21.6.2001 - 7 C 21.00 -, NVwZ 2001, 1165, und vom
20.12.1999 - 7 C 15.98 -, BVerwGE 110, 216 (218) = NVwZ 2000, 440, sowie Beschlüsse
vom 21.3.1996 - 7 B 164.95 -, NVwZ-RR 1996, 498 (499), vom 10.1.1995 - 7 B 112.94 -,
Buchholz 406.25 § 48 BImSchG Nr. 4 = NVwZ 1995, 994, und vom 15.2.1988 - 7 B 219.87 -
, NVwZ 1988, 824 (825).
Hier ist die TA Luft maßgeblich in der Fassung vom 24.7.2002 (GMBl. 511) - TA Luft 2002 -,
weil im Rahmen der auf Gewährung höherer Immissionswerte gerichteten
Verpflichtungsklage auf die rechtlichen Verhältnisse zum Zeitpunkt der letzten mündlichen
Verhandlung abzustellen ist.
Das Kompostwerk der Klägerin genügt den baulichen und betrieblichen Anforderungen
nach Nr. 5.4.8.5 TA Luft 2002. Es verfügt insbesondere über die erforderlichen
Luftabsaugeinrichtungen, ist überwiegend geschlossen ausgeführt und verfügt über eine
Abgasreinigungseinrichtung in Form von Biofiltern. Das ist zwischen den Beteiligten nicht
streitig. Zur Einhaltung dieser Anforderungen ist die Klägerin unter
Vorsorgegesichtspunkten ungeachtet dessen verpflichtet, dass die Grenze der schädlichen
Umwelteinwirkungen bei dem genehmigten Betrieb voraussichtlich deutlich unterschritten
wird.
Weitergehende Anforderungen an die gebotene Vorsorge, die den Bereich zulässiger
Geruchsimmissionen betreffen, lassen sich der TA Luft 2002 nicht entnehmen. Sie sind
auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass gutachtlich bei ordnungsgemäßem
Betrieb eine Geruchshäufigkeit von nur 13 % der Jahresstunden prognostiziert worden ist
und deshalb bei Überschreiten dieses Werts die Funktionstüchtigkeit der
geruchsmindernden Vorkehrungen der Anlage nicht sichergestellt sei, wie das beklagte
Amt in Anlehnung an das Urteil des BVerwG vom 21.6.2001 - 7 C 21.00 -, NVwZ 2001,
1165, meint. Die Erwägungen, die das BVerwG bezogen auf einen Staubemissionswert für
Gewebefilter angestellt hat, lassen sich auf Geruchsimmissionen nicht übertragen.
Insbesondere ist bei Überschreitungen der prognostizierten Geruchshäufigkeit nicht der
Rückschluss gerechtfertigt, die geruchsmindernden Einrichtungen arbeiteten nicht
einwandfrei. Das folgt bereits daraus, dass der prognostizierte Wert nicht in vergleichbarer
Weise vom Gutachter "garantiert" wird, wie Hersteller dies für Emissionsbegrenzungen für
Luftschafstoffe tun. Gerade Geruchsgutachten sind mit erheblichen prognostischen
Unsicherheiten behaftet, die nach bisherigen Erkenntnissen nicht vermeidbar sind. Für die
Geruchsbelastung sind neben einer Fülle von Geruchsquellen an der Anlage vor allem
auch Witterungs- und Windverhältnisse von Bedeutung, die vom Anlagenbetreiber
naturgemäß nicht beeinflusst werden können. Wenn sich sogar bei Geruchserhebungen
durch Begehungen verlässlich lediglich mit großen Unsicherheiten behaftete
Wahrscheinlichkeiten der Geruchszeitanteile angeben lassen, wie dem Anhang 3 der VDI-
Richtlinie 3940 "Bestimmung der Geruchsstoffimmission durch Begehungen" von Oktober
1993 zu entnehmen ist, so gilt diese Unsicherheit für berechnete Prognosen um so mehr.
Da sich verlässlichere Prognosen aber nicht erstellen lassen, können sie dem
Anlagenbetreiber auch nicht abverlangt bzw. wegen seiner Nachweispflicht im Rahmen der
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Vorsorge entgegen gehalten werden.
Da aus höheren Geruchshäufigkeiten als 13 % nicht darauf geschlossen werden kann,
dass die geruchsmindernden Einrichtungen der Klägerin nicht ordnungsgemäß betrieben
werden, besteht ohne eine rechtlich verbindliche Regelung auch kein Anhaltspunkt dafür,
unter dem Gesichtspunkt der Vorsorge könnten neben emissionsbezogenen
Anforderungen auch immissionsbezogene Anforderungen gestellt werden.
Wegen der beschriebenen Prognoseunsicherheiten greift hier auch der Ansatz des
beklagten Amts nicht durch, die Klägerin habe einen Immissionswert von 13 % selbst
beantragt, indem sie das Geruchsgutachten eingereicht habe. Schon aus dem Gutachten
ist ersichtlich, dass lediglich untersucht worden ist, ob der Wert von 20 % der
Jahresstunden unterschritten wird (Nr. 6 des Gutachtens vom 29.4.2002). Allein deshalb
weil dies bei den prognostizierten 13 % der Fall ist, kann der Klägerin nicht unterstellt
werden, sie habe sich trotz der bestehenden Prognoseunsicherheiten auf diesen Wert ohne
eine rechtliche Verpflichtung verbindlich festlegen lassen wollen.
II. Die Klägerin kann darüber hinaus verlangen, dass ihr im Rahmen der ihr rechtmäßig
gemäß den §§ 12, 26 BImSchG in der Nebenbestimmung V.D.5 aufgegebenen Messung
gestattet wird, bei einer ganzjährigen Überprüfung lediglich 52 Stichproben zu nehmen.
Gemäß § 26 Satz 2 BImSchG steht es zwar im Ermessen der Behörde, Art und Umfang der
Ermittlungen vorzuschreiben.
Vgl. Hansmann, in: Landmann/Rohmer, UmwR, Stand: April 2004, § 26 BImSchG Rn. 28 ff.
Der behördliche Ermessensspielraum ist jedoch durch den Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit der Mittel beschränkt. Im Hinblick auf die erheblichen Kosten, die nach
Angaben der Dipl.-Meteorologin C. in der mündlichen Verhandlung und Kenntnis der
Kammer aus anderen Verfahren mit umfangreichen Begehungen verbunden sind, ist der
Klägerin zu gestatten, nur 52 Stichproben nehmen zu müssen. Diesen Stichprobenumfang
hat das beklagte Amt jedoch ermessensfehlerhaft nur bei einer halbjährigen und nicht auch
bei einer ganzjährigen Messung gestattet.
Die Klägerin mag nämlich aus verschiedenen Gründen ein berechtigtes Interesse haben,
die Untersuchung bei gleichem Stichprobenumfang über ein ganzes Jahr zu erstrecken.
Zumindest kann ihr das nicht aus sachgerechten Gründen verwehrt werden, weil der
Messzeitraum nach Nr. 4.4.5 der GIRL für das Gesamtjahr repräsentativ sein soll, was bei
ganzjähriger Messung am ehesten gewährleistet ist.
Rechtlich verbindliche Vorgaben oder sachlich begründete Erwägungen für eine
Abhängigkeit des Stichprobenumfangs vom Überprüfungszeitraum sind nicht ersichtlich:
Die Zahl der Proben richtet sich gemäß Nr. 4.4.7 der GIRL nach der geforderten
Aussagesicherheit, nicht dagegen nach dem Überprüfungszeitraum. Inwieweit eine
geringere Probenmenge die Aussagesicherheit verändert, lässt sich dem Anhang 3 der
VDI-Richtlinie 3940 entnehmen. Die VDI-Richtlinie 3940 geht in ihrer Nr. 5 zwar von einer
regelmäßigen Beurteilungszeit von einem Jahr mit 104 Messtagen aus, die in
Ausnahmefällen auf ein halbes Jahr reduziert werden kann. Dieser Wertung ist die GIRL in
ihrer Allgemeinheit aber nicht gefolgt, weil sie nach ihrer Nr. 4.4.5 einen halbjährigen
Messzeitraum nicht nur in Ausnahmefällen, sondern im Regelfall zulässt. Es besteht aber
kein Zweifel, dass bei halbjähriger Prüfung auch 52 Stichproben genügen. Davon geht im
Ansatz auch das beklagte Amt aus. Weder der GIRL noch der VDI-Richtlinie 3940 lassen
sich Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Aussagesicherheit angesichts des für das
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Gesamtjahr repräsentativ zu wählenden Messzeitraums bei 52 auf das ganze Jahr
verteilten Messungen geringer sein könnte, als wären sie nur auf ein halbes Jahr verteilt.
Eine solche Annahme lässt sich insbesondere nicht anhand der Tabellen in Anhang 3 der
VDI-Richtlinie 3940 belegen. Auch die Dipl.-Meteorologin C. hat in der mündlichen
Verhandlung nachvollziehbar ausgeführt, es sei für die Aussagesicherheit unerheblich, ob
die Messung mit 52 Proben über einen Zeitraum von einem halben oder einem ganzen
Jahr geführt wird. Auf der anderen Seite hat sie die ganzjährige Messung befürwortet, weil
bei ihr die Wahrscheinlichkeit größer sei, dass sie für ein anhand langjähriger Wetterdaten
ermitteltes Gesamtjahr repräsentativ sei. Je kürzer der Zeitraum werde, desto höher sei die
Wahrscheinlichkeit, dass der Zeitraum für ein solches Jahr nicht repräsentativ sei und die
Messung wiederholt werden müsse.
Das Ermessen der Behörde ist im Sinne des Klageantrags auf Null reduziert, weil sich
nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip auch allein unter dem Gesichtspunkt der
Aussagesicherheit derzeit nicht rechtfertigen ließe, der Klägerin zwingend 104 Proben
abzuverlangen, so dass eine Ausweitung des Stichprobenumfangs im Rahmen des
Ermessens auf 104 Messungen als denkbare Handlungsalternative ausscheidet. Das folgt
hier daraus, dass das Werk der Klägerin unstreitig erheblichen Anforderungen an die
Geruchsemissionsvorsorge genügt und nach der vorliegenden Geruchsprognose, an deren
Plausibilität keine Zweifel bestehen, an den maßgeblichen Immissionsorten
Geruchshäufigkeiten von 13 % voraussichtlich einhalten wird, obwohl es dort nach den
Ausführungen unter I. zulässigerweise an bis zu 20 % der Jahresstunden Gerüche
verursachen darf. In dieser Differenz liegt auch unter Berücksichtigung der einer
Geruchsprognose immanenten Unsicherheiten ein so großer Sicherheitsspielraum, dass es
derzeit nicht gerechtfertigt erscheint, auf einer mit erheblichen Kosten verbundenen
Erhöhung der Aussagesicherheit einer Überwachungsmessung zu bestehen. Etwas
anderes mag anlässlich einer möglichen späteren Anordnung nach § 26 BImSchG gelten,
wenn die nunmehr aufgegebene Messung tatsächlich zu wesentlich schlechteren
Ergebnissen führen sollte, als es im vorliegenden Geruchsgutachten prognostiziert worden
ist. Dann könnte gegebenenfalls nur durch eine Erhöhung der Aussagesicherheit überprüft
werden, ob der Immissionswert von 20 % an den Immissionsorten eingehalten wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO. Die
Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren war im Hinblick auf die Bedeutung und
die tatsächliche und rechtliche Schwierigkeit der Sache zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung erforderlich.
Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m.
§ 709 Sätze 1 und 2 ZPO.