Urteil des VG Minden vom 09.06.2010

VG Minden (kläger, öffentliches interesse, wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, extensive auslegung, spiel, sportveranstaltung, interesse, vorschrift, aufschiebende wirkung, auslegung)

Verwaltungsgericht Minden, 11 K 2736/09
Datum:
09.06.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 2736/09
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die der Beigeladenen unter dem 24.09.2009
erteilte befristete Ausnahmegenehmigung gemäß § 6 der 18. BImSchV
für das Spiel des T. Q. 07 e.V. gegen B. C1. am 26.10.2009 in der F. -U. -
B1. rechtswidrig gewesen ist. Der Beklagte und die Beigeladene tragen
die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Kläger je
zur Hälfte. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen
Kosten selbst.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Beklagte und die Beigeladene können die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden,
wenn die Kläger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leisten.
Tatbestand:
1
Die Kläger wenden sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Ausnahmegenehmigung
nach § 6 der 18. BImSchV.
2
Die Klägerin zu 1. ist Eigentümerin des Grundstücks Gemarkung F1. , Flur 178,
Flurstück 10 (Q1. T1. 92). Der Kläger zu 2. ist Eigentümer des Grundstücks Gemarkung
F1. , Flur 178, Flurstück 11 (Q1. T1. 90), der Kläger zu 3. des Grundstücks Gemarkung
F1. , Flur 178, Flurstück 181 (Q1. T1. 86). Alle drei Grundstücke sind jeweils mit einem
Wohnhaus bebaut und grenzen mit ihrer nördlichen Schmalseite an ein diese
Grundstücke erschließendes Straßenstück an, das parallel zur nördlich angrenzenden
Hauptstraße der Q1. T1. verläuft. Die Grundstücke liegen nicht im räumlichen
Geltungsbereich eines Bebauungsplanes.
3
Nördlich der Grundstücke der Kläger und nördlich der Q1. T1. befindet sich ein neu
errichtetes Fußballstadion, das von der Beigeladenen betrieben wird. In dem Stadion
finden die Heimspiele des Fußball-Zweitligisten T. Q. 07 e.V. statt. Das Stadiongelände
liegt im räumlichen Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. SN 260 der Stadt Q. .
4
Für den Bau und den Betrieb des Stadions erteilte der Bürgermeister der Stadt Q. am
22.11.2007 eine noch nicht bestands- oder rechtskräftig gewordene Baugenehmigung.
5
Mit Bescheid vom 10.06.2009 ordnete er auf Antrag der Beigeladenen als Nachtrag zur
Baugenehmigung u.a. eine Betriebszeitbeschränkung an. Danach dürfen Fußballspiele
mit Publikum montags bis donnerstags nur von 19.00 Uhr bis 22.00 Uhr, freitags von
17.00 Uhr bis 22.00 Uhr und samstags, sonntags und an Feiertagen ganztägig bis 22.00
Uhr stattfinden. Im Rahmen der - noch nicht abgeschlossenen - gerichtlichen
Auseinandersetzung um die erteilte Baugenehmigung ergänzte er sie in der mündlichen
Verhandlung vor dem erkennenden Gericht im Verfahren 1 K 2712/07 am 22.09.2009
dahingehend, dass nach 22.00 Uhr auf Lautsprecherdurchsagen im Stadion und
Musikeinspielungen im Stadion zu verzichten oder durch geeignete und durch ein
Schallgutachter geprüfte Maßnahmen sicherzustellen ist, dass einzelne kurzzeitige
Geräuschspitzen den zulässigen Maximalpegel in der Nachtzeit nicht überschreiten.
Mögliche Sonderregelungen anderer Behörden bleiben hiervon unberührt. Durch die
Betriebszeitbeschränkung und die Regelung der Lautsprecherdurchsagen in der
Baugenehmigung sollte sichergestellt werden, dass das genehmigte Vorhaben den
Vorgaben des § 5 Abs. 5 Nr. 2, 2. Alt. der 18. BImSchV für seltene Ereignisse genügt.
Aufgrund der von der Beigeladenen im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens
vorgelegten Lärmgutachten hatte das OVG NRW im durchgeführten Eilverfahren mit
Beschluss vom 22.02.2009 - 7 B 1641/08 - Zweifel hieran geäußert. Aufgrund der dort
festgehaltenen Maximalpegel bei einem Torschrei von 80,7 dB(A) und bei
Lautsprecherdurchsagen von 72 dB(A) spreche einiges dafür, dass die zuständige
Behörde grundsätzlich Betriebszeiten festzusetzen habe. Denn diese einzelnen
kurzzeitigen Geräuschspitzen überschritten die nach § 5 Abs. 5 Nr. 1 der 18. BImSchV
für seltene Ereignisse geltenden Immissionsrichtwerte von 55 dB(A) nachts um mehr als
10 dB(A).
Mit Schreiben vom 24.09.2009 - zwei Tage nach der mündlichen Verhandlung im
Verfahren 1 K 2712/07 - beantragte die Beigeladene bei dem Beklagten die Erteilung
einer Ausnahmegenehmigung für die Nutzung des Fußballstadions am Montag, den
26.10.2009, nach 22.00 Uhr. Anlass hierfür war die von der E1. Fußball Liga (E2. )
beabsichtigte Verlegung des Zweitligaspiels zwischen dem T. Q. 07 und B. C1. durch
die E2. , das ursprünglich für Samstag, den 24.10.2009 um 13.00 Uhr vorgesehen war,
auf Montag, den 26.10.2009 um 20.15 Uhr. Diese Verlegung erfolgte, weil das
ursprünglich für diesen Termin geplante Zweitligaspiel zwischen dem N. E3. und dem T.
I1. S. in dieser Form nicht stattfinden konnte, da der N. E3. die zweite Hauptrunde des
DFB-Pokals erreicht hatte und es insoweit zu Terminskollisionen gekommen wäre. Im
Rahmen des Gesamtfernsehvertrages der E2. werde jeweils montags um 20.15 Uhr ein
Spiel der 2. Bundesliga ausgetragen, das als sogenanntes "Montagsspiel" live im E1.
Sportfernsehen (jetzt T2. ) bundesweit frei empfangbar übertragen werde. Die
Anstoßzeit sei vertraglich bindend auf 20.15 Uhr festgelegt. Dadurch endeten die
Montagsspiele bei Berücksichtigung etwaiger Spielunterbrechungen und der daraus
resultierenden gewöhnlichen Nachspielzeit nicht exakt um 22.00 Uhr, sondern wenige
Minuten später. Aufgrund der bestehenden Betriebszeitbeschränkung und wegen der
möglichen Geräuschimmissionen nach 22.00 Uhr benötige die Beigeladene eine
Ausnahmegenehmigung nach § 6 der 18. BImSchV bis zum tatsächlichen Spielende,
das spätestens um 22.10 Uhr zu erwarten sei.
6
Mit Bescheid vom 24.09.2009 erteilte der Beklagte der Beigeladenen auf ihren Antrag
vom selben Tag gemäß § 6 der 18. BImSchV eine befristete Ausnahmegenehmigung
folgenden Inhalts: "Das von Ihnen in 33104 Q. , Q1. T1. 89, betriebene Fußballstadion
darf entgegen § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV mit einem höheren als dort festgesetzten
Immissionsrichtwert am 26.10.2009 in der Zeit von 22.00 Uhr bis 22.10 Uhr betrieben
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werden." Nach der Auflage Nr. 2 zum Bescheid vom 24.09.2009 sind
Lautsprecherdurchsagen in der Zeit nach 22.00 Uhr "soweit wie möglich
einzuschränken und in der Lautstärke zu reduzieren." Zur Begründung führte der
Beklagte aus, bei dem Spiel zwischen Q. und C1. handele es sich um eine
Sportveranstaltung von herausragender Bedeutung. Es handele sich um das erste
Ostwestfalen-Lokalderby in der 2. Liga. Die nicht selbst herbeigeführte Verlegung sei
eine Folge der Ansetzung für die nächste Hauptrunde im DFB-Pokal, die eine hohe
sportliche nationale Bedeutung habe. Weiter ermöglichten die mit der Veranstaltung
verbundenen Einnahmen der Beigeladenen, die Sportanlage ordnungsgemäß
unterhalten zu können. Bei Abwägung der Belange der Nachbarschaft sei im Ergebnis
die Ausnahmegenehmigung zu erteilen, da die bestehenden lärmbezogenen
Grenzwerte allein innerhalb der Zeit von 22.00 Uhr bis 22.10 Uhr und auch dann nur
kurzzeitig überschritten werden könnten. Der Bescheid wurde den Klägern zunächst
nicht bekannt gegeben.
Mit einem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 08.10.2009 erhoben die Kläger
vorsorglich Widerspruch gegen eine möglicherweise der Beigeladenen bereits erteilte
Ausnahmegenehmigung nach § 6 der 18. BImSchV, da sie durch eigene Erkundungen
von deren Erteilung Kenntnis erlangt hätten. Nach Eingang des Widerspruches teilte der
Beklagte der Beigeladenen mit Schreiben vom 15.10.2009 mit, dass der eingegangene
Widerspruch aufschiebende Wirkung habe. Unter dem gleichen Datum gab er den
Klägern den Bescheid vom 24.09.2009 bekannt. Die dort enthaltene
Rechtsmittelbelehrung nennt als Rechtsbehelf die Klage zum Verwaltungsgericht.
8
Auf Antrag der Beigeladenen vom 19.10.2009 ordnete der Beklagte mit Schreiben vom
20.10.2009 gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung der
angefochtenen Ausnahmegenehmigung an.
9
Ebenfalls mit Schreiben vom 20.10.2009 setzte der Beklagte die Kläger über die
Anordnung der sofortigen Vollziehung in Kenntnis und teilte mit, dass er dem
Widerspruch nicht abhelfen könne und diesen der Bezirksregierung E4. zur weiteren
Entscheidung vorgelegt habe.
10
Am 20.10.2009 haben die Kläger Klage erhoben und zunächst beantragt, die der
Beigeladenen unter dem 24.09.2009 erteilte Ausnahmegenehmigung aufzuheben.
Nachdem das Fußballspiel am Abend des 26.10.2009 stattgefunden und um 22.07 Uhr
mit einer letzten Lautsprecherdurchsage um 22.08 Uhr ohne Torjubel oder etwaigen
Endjubel nach 22.00 Uhr aufgrund des für die Heimmannschaft nachteiligen
Spielverlaufes geendet hatte, stellte der Beklagte mit Bescheid vom 12.11.2009 das
anhängige Widerspruchsverfahren ein. Die Ausnahmegenehmigung vom 24.09.2009
habe sich durch Zeitablauf erledigt. Eine Widerspruchsentscheidung in der Sache dürfe
nach Erledigung des mit dem Widerspruch angegriffenen Ausgangsbescheides nicht
mehr ergehen.
11
Am 27.11.2009 haben die Kläger daraufhin ihren ursprünglichen Klageantrag in eine
Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt. Sie hätten ein berechtigtes Interesse an der
Feststellung der Rechtswidrigkeit der inzwischen erledigten Ausnahmegenehmigung.
Dieses ergebe sich aus einer Wiederholungsgefahr und daraus, dass sie
beabsichtigten, Amtshaftungsansprüche geltend zu machen. Die Klage sei auch ohne
Durchführung eines Widerspruchsverfahrens zulässig. Ein eigenständiges Vorverfahren
sei hier aufgrund der Erledigung vor Ablauf der Widerspruchsfrist nicht mehr notwendig
12
oder zulässig. Insbesondere sei kein Fortsetzungsfeststellungswiderspruchsverfahren
durchzuführen. Unabhängig davon sei die Vorschrift des § 75 Sätze 1 und 2 VwGO hier
anzuwenden. Der Beklagte habe nicht in angemessener Frist über den erhobenen
Widerspruch entschieden. Vielmehr habe er am 20.10.2009 mitgeteilt, über die Sache
nicht entscheiden zu wollen, sondern habe sie der offensichtlich nicht zuständigen
Bezirksregierung E4. zur Entscheidung vorgelegt. Damit habe er zu erkennen gegeben,
dass er den Widerspruch nicht - wie erforderlich - zügig zu bescheiden beabsichtige.
Wegen der unmittelbar bevorstehenden Anwendung der Ausnahmegenehmigung hätten
besondere Umstände vorgelegen, weshalb der Beklagte jedenfalls binnen 12 Tagen
über den Widerspruch hätte entscheiden müssen, zumal er den Antrag der
Beigeladenen noch am Tag des Eingangs beschieden habe. Die Klage sei bereits
deshalb begründet, weil der Beklagte für den Erlass der Ausnahmegenehmigung
unzuständig sei. Zuständig sei allenfalls der Bürgermeister der Stadt Q. als
Baugenehmigungsbehörde, der auch die Betriebszeitbeschränkung erlassen habe.
Unabhängig davon sei die Zulassung von Ausnahmen nach § 6 der 18. BImSchV aus
Rechtsgründen nicht möglich, wenn - wie vorliegend - eine Betriebszeitfestsetzung
gemäß § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV getroffen worden sei. Durch die Festsetzung von
Betriebszeiten sei der Anwendungsbereich des § 6 der 18. BImSchV nicht mehr eröffnet,
da die Zulassung von Ausnahmen dem Zweck diene, in seltenen Fällen von den
festgelegten Grenzwerten abweichen zu dürfen, um eine Festsetzung von
Betriebszeiten zu vermeiden. Ferner lägen die tatbestandlichen Voraussetzungen des §
6 der 18. BImSchV nicht vor. Bei einem Fußballspiel der 2. Bundesliga handele es sich
weder um eine nationale Sportveranstaltung noch um eine solche von herausragender
Bedeutung. Nationale Sportveranstaltungen seien nur Endspiele irgendwelcher
nationaler Ligen oder etwa deutscher Meisterschaften in anderen Sportarten. Die
herausragende Bedeutung müsse nicht nur für einen Ort oder eine Region anzunehmen
sein, sondern bundesweit bestehen. Da nach dem Willen des Verordnungsgebers nicht
einmal ein normales Bundesligaspiel der 1. Fußball-Bundesliga eine solche nationale
Sportveranstaltung von herausragender Bedeutung sei, müsse dies für ein Spiel der 2.
Liga erst recht gelten, auch wenn es den Charakter eines Lokal- oder Regionalderbys
habe. Ferner fehle es auch am erforderlichen öffentlichen Interesse. Allein die privaten
Interessen des Vereins, der Beigeladenen oder der Fußballfans an der Durchführung
des Fußballspiels begründeten kein öffentliches Interesse. Schließlich habe der
Beklagte sein - allerdings erst bei der hier nicht gegebenen Erfüllung der
Tatbestandsvoraussetzung des § 6 der 18. BImSchV eröffnetes - Ermessen nicht,
jedenfalls aber nicht ordnungsgemäß ausgeübt.
Die Kläger beantragen,
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festzustellen, dass die der Beigeladenen unter dem 24.09.2009 erteilte befristete
Ausnahmegenehmigung gemäß § 6 der 18. BImSchV für das Meisterschaftsspiel des T.
Q. 07 e.V. gegen B. C1. am 26.10.2009 in der F. -U. -B1. rechtswidrig gewesen ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie sei weder zulässig noch begründet. Bei der Ausnahmegenehmigung handele es
sich um eine Einzelfallentscheidung. Diese betreffe jeweils einmalige Situationen, die
sich in dieser Form nicht wiederholen könnten. Für den Fall einer erneuten
Antragstellung durch die Beigeladene werde der Beklagte wiederum eine
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Ausnahmegenehmigung erteilen (Mitteilung vom 16.12.2009). Nach Mitteilung vom
02.06.2010 soll dies wiederum nur eingeschränkt gelten. Unabhängig davon sei die
Klage jedenfalls unbegründet. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig ergangen.
Bei dem Fußballspiel habe es sich um eine nationale Sportveranstaltung gehandelt. Es
sei ein Spiel der 2. Bundesliga, mithin einer nationalen Liga, gewesen. Die
herausragende Bedeutung des Spiels als Lokalderby habe nicht nur für die Region
bestanden. Für eine herausragende Bedeutung und ein öffentliches Interesse habe
neben der Fernsehübertragung durch das DFS auch die erhebliche, die
Stadionkapazität übersteigende Nachfrage nach Eintrittskarten gesprochen.
Die Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
19
Die Klage sei unzulässig. Dies ergebe sich daraus, dass das von den Klägern in
zulässiger Weise eingeleitete Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen sei.
Dies habe nicht eingestellt werden dürfen. Vielmehr hätte ein
Fortsetzungsfeststellungswiderspruchsverfahren fortgeführt werden müssen. Erst nach
einer abschließenden Widerspruchsentscheidung sei dann eine
Fortsetzungsfeststellungsklage grundsätzlich zulässig. Hier bestehe jedoch auf Seiten
der Kläger kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Eine Wiederholungsgefahr bestehe
nicht. Die Beklagte habe in ihrer Entscheidung über die Ausnahmegenehmigung
wesentlich darauf abgestellt, dass es sich bei dem Fußballspiel am 26.10.2009 um ein
Lokalderby gehandelt habe, welches sich in der Spielzeit 2009/2010 nicht wiederholen
könne. Allerdings schließe sie es nicht aus, ihrerseits nochmals eine
Ausnahmegenehmigung beantragen zu müssen, falls die E2. ein Montagsspiel in Q.
ansetze. Zudem handele es sich bei der Entscheidung nach § 6 der 18. BImSchV um
eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur im Rahmen des § 114 VwGO
überprüfbar sei. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich. Das Zweitligaspiel sei eine
nationale Sportveranstaltung von herausragender Bedeutung gewesen.
Sportveranstaltungen der 1. und 2. Fußball-Bundesliga gehörten regelmäßig zu den
herausragenden nationalen Sportveranstaltungen in Deutschland. Dies folge bereits
daraus, dass sie regelmäßig live oder zeitversetzt in Ausschnitten von privaten und
öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten übertragen würden. Für das konkrete Spiel
komme hinzu, dass sich das DFS für die Liveübertragung des Spiels in voller Länge
entschieden habe. Als sogenanntes Lokalderby der beiden großen Fußballvereine in
der Region P. -M1. habe es besondere Bedeutung gehabt. Allein dies reiche aus, da
sich das Merkmal der herausragenden Bedeutung auch aus lokalen bzw. regionalen
Besonderheiten ergeben könne. Zudem habe es sich bei der Partie zweier möglicher
Aufstiegsaspiranten, die vor dem Aufeinandertreffen den 8. bzw. den 1. Tabellenplatz
der 2. Liga eingenommen hätten, um ein absolutes Spitzenspiel der 2. Fußball-
Bundesliga gehandelt. Der angefochtenen Ausnahmegenehmigung stehe auch nicht
die zeitliche Befristung der Baugenehmigung entgegen, da die
immissionsschutzrechtliche Ausnahmegenehmigung unabhängig von möglicherweise
bestehenden bauordnungsrechtlichen Beschränkungen ergehe. Es komme vielmehr
gerade dann die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 6 der 18. BImSchV in
Betracht, wenn eine Betriebszeitbeschränkung bestehe, um einen legalen
Anlagenbetrieb zu ermöglichen. In den Nachträgen zur Baugenehmigung -
insbesondere in der Ergänzung vom 22.09.2009 - sei eine solche Möglichkeit im
Übrigen ausdrücklich vorbehalten worden.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Hefter)
Bezug genommen.
21
Entscheidungsgründe:
22
Die Klage ist zulässig und begründet.
23
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO
zulässig. Die für den 26.10.2009 befristet erteilte Ausnahmegenehmigung hat sich mit
Ablauf des 26.10.2009, also nach Klageerhebung, durch Zeitablauf erledigt. Die Kläger
haben ein für die Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliches
besonderes Feststellungsinteresse. Nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist eine Klage zur
gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit eines erledigten Verwaltungsaktes nur
dann zulässig, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
Dies beruht auf dem Gedanken, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich nicht dazu
berufen sind, gegenstandslos gewordene Klagebegehren auf ihre ursprüngliche
Berechtigung hin zu überprüfen. Die Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG
schließt nicht die Verpflichtung eines Gerichts zum Erlass einer Sachentscheidung ein,
wenn der Bürger des beantragten Rechtsschutzes nicht bedarf, sodass sich die weitere
Inanspruchnahme des Gerichts als nutzlos erweist.
24
BVerwG, Beschluss vom 16.10.1989 - 7 ER 620/89 -.
25
Für das besondere Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4
VwGO genügt jedes nach Lage der Dinge anzuerkennende schutzwürdige Interesse
rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art. Ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse
besteht nach gefestigter Rechtsprechung insbesondere dann, wenn entweder eine
Wiederholungsgefahr besteht, der Verwaltungsakt diskriminierende Wirkung hat oder
mit ihm ein tiefgreifender Grundrechtseingriff verbunden war oder wenn in Fällen der
Erledigung des Verwaltungsaktes nach Klageerhebung der Kläger einen nicht
offenkundig aussichtslosen Amtshaftungsanspruch verfolgt.
26
Vgl. Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 16. Auflage 2009, § 113 Rdnr. 129 ff.
27
Ein solches Fortsetzungsfeststellungsinteresse können die Kläger hier zumindest unter
dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr für sich in Anspruch nehmen. Für die
Annahme einer Wiederholungsgefahr ist die hinreichend bestimmte Gefahr erforderlich,
dass unter im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen
ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird. Eine identische Ausgangslage ist
hingegen nicht erforderlich. Keine Wiederholungsgefahr besteht demgegenüber, wenn
völlig ungewiss ist, ob in Zukunft noch einmal die gleichen tatsächlichen Verhältnisse
vorliegen werden wie im Zeitpunkt des Erlasses des erledigten Verwaltungsaktes.
28
Vgl. Schmidt, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 12. Auflage 2006, § 113 Rdnr. 86 a.
29
Eine solche Wiederholungsgefahr besteht hier nach den Umständen des Falles selbst
unter Zugrundelegung der Auffassungen des Beklagten und der Beigeladenen. Der T.
Q. spielt mindestens auch in der kommenden Saison in der 2. Fußball-Bundesliga. Das
gleiche gilt - ohne dass es hierauf jedoch entscheidend ankäme - für B. C1. .
Montagsspiele finden voraussichtlich auch in der kommenden Saison an 32 Tagen statt.
30
Bei insgesamt 32 zu vergebenden Montagsspielen und 18 in Frage kommenden
Spielorten ist es damit nicht völlig ungewiss, sondern eher wahrscheinlich, dass die E2.
zumindest eines der zu verteilenden Montagsspiele in Q. ansetzen wird. Für diesen Fall
hat die Beigeladene ausdrücklich angegeben, wiederum eine Ausnahmegenehmigung
nach § 6 der 18. BImSchV zu beantragen. Der Beklagte hat noch im Dezember 2009
ausdrücklich bestätigt, für diesen Fall eine Ausnahmegenehmigung erneut erteilen zu
wollen. Dies soll zwar nach der Stellungnahme vom 02.06.2010 offenbar in dieser Form
nicht mehr gelten. Die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung ist jedoch zumindest
nicht ausgeschlossen. Dass hier eine Ermessenentscheidung und damit letztlich eine
Einzelfallentscheidung in Rede steht, kann schon deshalb nicht entscheidend sein, weil
es auf diese Frage im Ergebnis nicht ankommen dürfte. Unabhängig davon liefe dies
darauf hinaus, dass bei Ermessensentscheidungen, die naturgemäß jeweils
Einzelfallentscheidungen sind, eine Fortsetzungsfeststellungsklage ausgeschlossen
wäre. Dies ist - soweit ersichtlich - jedoch in der Rechtsprechung nie angenommen
worden.
Schließlich bedeutete die Rechtsauffassung der Beigeladenen und des Beklagten im
Ergebnis auch, dass die Kläger einen Rechtsschutz zumindest im Hauptsacheverfahren
nie erlangen könnten. Der zeitliche Ablauf im vorliegenden Verfahren belegt zudem,
dass auch durch ein Eilverfahren letztlich kein gleichwertiger Rechtsschutz zu erlangen
wäre. Denn insbesondere die Beigeladene hat darauf hingewiesen, dass eine
kurzfristige Absage eines Fußball-Zweitligaspiels, wie sie im Falle des
Eilrechtsschutzes aufgrund des zeitlichen Ablaufes bei Wiederherstellung der
aufschiebenden Wirkung des Widerspruches durch das erkennende Gericht oder das
OVG NRW letztlich zwingend wäre, Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte im Zentrum
stehen müssten, nicht jedoch die Frage der Rechtmäßigkeit der Erteilung der
Ausnahmegenehmigung selbst. Auch dies spricht dafür, dass die Kläger ein
berechtigtes Interesse an der mit der vorliegenden Klage verfolgten Feststellung der
Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verfügung haben.
31
Angesichts dessen kommt es nicht darauf an, ob sie dieses Interesse auch aus anderen
Gründen in Anspruch nehmen könnten.
32
Die Kläger sind auch analog § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt, da durch die angefochtene
Ausnahmegenehmigung möglicherweise Rechtsnormen verletzt sind, die auch ihrem
Schutz zu dienen bestimmt sind. Die Ausnahmegenehmigung erlaubt möglicherweise in
unzulässiger Weise Abweichungen von der Vorschrift des § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV,
die dem Schutz der Nachbarn vor unzulässigen Immissionen dient.
33
Vgl. Reidt/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Loseblatt-Kommentar, Stand:
Juli 2009, 18. BImSchV, § 6 Rdnr. 38.
34
Unter diesen Schutz fallen auch die Kläger als Eigentümer von Grundstücken in
unmittelbarer Nachbarschaft zu dem Stadiongrundstück der Beigeladenen.
35
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen und des Beklagten ist die Klage schließlich
auch nicht deshalb unzulässig, weil kein Widerspruchsverfahren durchgeführt bzw. die
ursprünglich erhobene Klage als Rechtsbehelf unzulässig war. Zum maßgeblichen
Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung war das Widerspruchsverfahren vielmehr
beendet. Der Beklagte hat das Verfahren mit Verfügung vom 12.11.2009 eingestellt.
Damit hat das Widerspruchsverfahren, das die Kläger ordnungsgemäß am 08.10.2009
36
eingeleitet hatten, sein Ende gefunden. Die Auffassung der Beigeladenen liefe vor
diesem Hintergrund darauf hinaus, dass die Kläger gegen den Beklagten auf
Weiterführung des Widerspruchsverfahrens und Erlass eines in der Sache begründeten
Widerspruchsbescheides klagen müssten. Warum dies der Fall sein sollte, ist rechtlich
nicht zu begründen. Vielmehr hat der Beklagte deutlich gemacht, dass er den
eingelegten Widerspruch wegen Erledigung der Sache für unstatthaft hält und deshalb
das Verfahren seinen Abschluss gefunden hat. Klagten die Kläger auf Bescheidung,
könnte diese nach der deutlich gewordenen Rechtsauffassung des Beklagten nur in
einer Abweisung wegen Unzulässigkeit enden. Eine Sachentscheidung würde auch in
diesem Fall nicht ergehen. Die Kläger haben jedoch jedenfalls keinen Anspruch darauf,
dass ein Widerspruch mit der richtigen Begründung abgewiesen würde.
Unabhängig davon trifft die Auffassung des Beklagten, das Widerspruchsverfahren habe
durch Zeitablauf seine Erledigung gefunden und die Einstellung könne in einem
solchen Fall auch ohne entsprechende Erklärung der Kläger erfolgen, in der Sache zu.
Nach gefestigter Rechtsprechung bedurfte es keiner weiteren Durchführung eines
Fortsetzungsfeststellungswiderspruchsverfahrens.
37
Vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 07.06.1978 - 7 C 45.74 -, BVerwGE 56, 24; Urteil vom
20.01.1989 - 8 C 30.87 -, BVerwGE 81, 226; Rennert, in: Eyermann, a.a.O., § 73 Rdnr.
10 f.; Kopp/Schenke, a.a.O., § 113 Rdnr. 127 jeweils m.w.N.
38
Die damit zulässige Fortsetzungsfeststellungsklage ist auch begründet. Die inzwischen
durch Zeitablauf erledigte Ausnahmegenehmigung des Beklagten vom 24.09.2009 ist
rechtswidrig gewesen und hat die Kläger in ihren Rechten verletzt.
39
Als Rechtsgrundlage für die angefochtene Ausnahmegenehmigung kommt allein § 6 der
18. BImSchV in Betracht. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde für
internationale oder nationale Sportveranstaltungen von herausragender Bedeutung im
öffentlichen Interesse Ausnahmen von den Bestimmungen des § 5 Abs. 5,
einschließlich einer Überschreitung der seltenen Ereignisse nach Nr. 1.5 des Anhangs
zur 18. BImSchV, zulassen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
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Der Beklagte war zwar zur Erteilung der angefochtenen Ausnahmegenehmigung
gemäß § 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZustVU als untere Umweltschutzbehörde sachlich
zuständig. In § 5 Abs. 5 und § 6 der 18. BImSchV ist jeweils gleichlautend die
"zuständige Behörde" benannt. Der Beklagte war damit als zuständige Behörde für den
Erlass einer Ausnahmegenehmigung nach § 6 der 18. BImSchV grundsätzlich
zuständig. In dieser Funktion war er auch befugt, bei Vorliegen der
Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift eine Ausnahmegenehmigung des
vorliegenden Inhalts zu erlassen, die sich an dem Wortlaut des § 6 der 18. BImSchV
orientiert. Dem steht auch nicht entgegen, dass hier die Baugenehmigungsbehörde eine
Betriebszeitregelung gemäß § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV erlassen hat. Dies ändert
nichts an der Befugnis der Immissionsschutzbehörde, eigenständige Entscheidungen
nach § 6 der 18. BImSchV zu treffen. Solche "Maßnahmen anderer Behörden" sind in
der Betriebszeitregelung der Baugenehmigung des Bürgermeisters der Stadt Q. im
Übrigen ausdrücklich vorbehalten. Allenfalls mag fraglich sein, ob die erteilte
Ausnahmegenehmigung des Beklagten selbst den Regelungsgehalt der
Baugenehmigung überlagert oder ob der Inhalt der Baugenehmigung - hier die verfügte
Betriebszeitbeschränkung - daneben weiter uneingeschränkt gültig bleibt. Die
Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Ausnahmegenehmigung wird hiervon jedoch
41
in keinem Fall berührt. Allenfalls mag - worauf es hier nicht ankommt - die Durchführung
des Fußballspiels gegen die weiterhin gültige Baugenehmigung verstoßen. Insoweit
käme jedoch allein ein bauaufsichtsrechtliches Verpflichtungsverfahren der Kläger in
Betracht.
Entgegen der Auffassung der Kläger steht die in der Baugenehmigung enthaltene
Betriebszeitregelung auch materiell einer Ausnahmegenehmigung nach § 6 der 18.
BImSchV nicht entgegen. Es ist vielmehr auch und gerade der Sinn des Erlasses von
Ausnahmegenehmigungen, Befreiungen von zuvor festgesetzten
Betriebszeitregelungen anordnen zu können.
42
Vgl. Reidt/Schiller, a.a.O., § 6 Rndr. 15, 17.
43
Andernfalls beschränkte sich der Anwendungsbereich des § 6 der 18. BImSchV auf
Sportanlagen, die per se die in § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV genannten erhöhten
Grenzwerte für seltene Ereignisse einhalten. Dem Zweck, in seltenen Ausnahmefällen
einer Sportveranstaltung von herausragender Bedeutung diese rechtskonform auch
durchführen zu können, würde es jedoch widersprechen, wenn allein für diejenigen - im
Zweifel weniger großen - Sportanlagen, für die keine Betriebszeitregelung für seltene
Ereignisse erforderlich ist, Ausnahmen zugelassen werden können. Diese Auffassung
findet auch im Wortlaut des § 6 der 18. BImSchV keinen Anhaltspunkt.
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Die vom Beklagten erteilte Ausnahmegenehmigung ist jedoch deshalb rechtswidrig,
weil die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 der 18. BImSchV nicht
vorliegen. Die Zweitligabegegnung zwischen dem T. Q. und B. C1. war kein nationales
oder internationales Sportereignis von herausragender Bedeutung. Bei den Begriffen
der "internationalen oder nationalen Sportveranstaltung von herausragender
Bedeutung" handelt es sich insgesamt um gerichtlich in vollem Umfang zu überprüfende
unbestimmte Rechtsbegriffe. Ein behördlicher Beurteilungsspielraum besteht nicht. Als
Tatbestandsmerkmale sind sie auch nicht Teil etwa einer Ermessensentscheidung, wie
der Beklagte und die Beigeladene meinen.
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Vgl. Reidt/Schiller, a.a.O., § 6 Rdnr. 12.
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Bei dem Fußballspiel des T. Q. 07 gegen B. C1. am 26.10.2009 handelt es sich zwar um
eine nationale Sportveranstaltung. Hierunter sind jedenfalls diejenigen Sportereignisse
zu verstehen, die auf nationaler Ebene, d.h. bundesweit, stattfinden und nicht lediglich
zum Trainingsbetrieb gehören. In diesem Sinne ist ein Zweitliga-Meisterschaftsspiel in
der 2. Fußball-Bundesliga eine nationale Sportveranstaltung.
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Diese nationale Sportveranstaltung war jedoch nicht eine solche von herausragender
Bedeutung. Das Merkmal der "herausragenden Bedeutung" ist eng auszulegen. Dies
ergibt sich bereits aus grundsätzlichen Erwägungen, folgt hier konkret jedoch aus der
Entstehungsgeschichte, dem Gesetzeszweck und der Systematik der Vorschrift. Bei § 6
der 18. BImSchV handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, die die ohnehin aufgrund
der 18. BImSchV sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht bestehende
Privilegierung von Sportanlagenlärm zu Lasten der Anwohner noch weiter ausdehnt.
Vgl. Reidt/Schiller, a.a.O., Vorb. 18. BImSchV, Rdnr. 3 ff., m.w.N.
48
Es entspricht jedoch allgemeinen Auslegungsgrundsätzen, dass Ausnahmen
regelmäßig eng auszulegen sind. Dies gilt damit um so mehr, wenn es sich um die
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Ausnahme von einer privilegierenden Ausnahmevorschrift und damit um eine
Ausdehnung einer bereits bestehenden Ausnahmeregelung handelt. Für eine solche
Auslegung sprechen im übrigen Systematik, Entstehungsgesichte und Gesetzeszweck
der Regelung. Die Vorschrift des § 6 der 18. BImSchV erlaubt auf der Rechtsfolgenseite
umfassende Ausnahmen von den Vorgaben des § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV sowohl im
Hinblick auf die Quantität als auch auf die Intensität der zulässigen Lärmimmissionen.
Um diese weitreichenden Befreiungsmöglichkeiten nicht zur Regel werden zu lassen
und somit das durch § 5 Abs. 5 der 18. BImSchV für seltene Ereignisse bestehende
Immissionsschutzniveau nicht regelmäßig auszuhöhlen, bedarf die Ausnahmevorschrift
zur Wahrung ihres Ausnahmecharakters einer restriktiven Handhabung, die allein durch
eine strenge Auslegung auf der Tatbestandsseite erreicht werden kann. Die vom
Beklagten und insbesondere von der Beigeladenen vertretene weite Auslegung wäre im
Übrigen auch mit der Ermächtigungsgrundlage selbst nicht zu vereinbaren. Die 18.
BImSchV beruht auf der Regelung des § 23 BImSchG. Diese Regelung hat jedoch
jedenfalls auch die allgemeinen Pflichten nach § 22 BImSchG zu beachten und darf
diese nicht außer Kraft setzen. Ob dies durch die vorliegende Regelung überhaupt
geschehen ist, ist bereits fraglich.
Vgl. dazu umfassend Stühler, Zur Änderung der Sportanlagenlärmschutzverordnung,
BauR, 2006, 1671 ff.
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Jedenfalls verbietet sich vor diesem Hintergrund eine extensive Auslegung der
Vorschrift, die die allgemeinen Anforderungen an den Betrieb emittierender Anlagen in
weitem Umfang außer Kraft setzte.
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Eine solche extensive Auslegung würde zudem dem Schutzzweck der 18. BImSchV,
Sportanlagen grundsätzlich unter Einhaltung gesetzlich festgesetzter
Immissionsrichtwerte zum Schutz der Nachbarschaft zu betreiben, widersprechen.
Insoweit kommt auch der Entstehungsgeschichte und dem Anliegen des
Verordnungsgebers maßgebliche Bedeutung zu. Die Vorschrift ist aus Anlass der
Fußballweltmeisterschaft im Jahre 2006 in Deutschland erlassen worden, um eine
ordnungsgemäße Durchführung der aufgrund internationaler Verpflichtungen oftmals
erst deutlich nach 20.00 Uhr beginnenden Fußballspiele gewährleisten zu können. Im
Fokus des Gesetzgebers stand somit ein singuläres Sportereignis, dessen
herausragende Bedeutung außer Zweifel steht und die Gewährung von Ausnahmen zu
Lasten der Stadionnachbarschaft zu rechtfertigten vermag. Die Verordnung erfasst
daneben jedoch auch weitere, insbesondere auch nationale Sportveranstaltungen.
Ausweislich der Begründung des Verordnungsgebers soll auch etwa das Pokal-
Endspiel im Fußball eine Sportveranstaltung von herausragender Bedeutung darstellen.
Keine Sportveranstaltungen von herausragender Bedeutung in diesem Sinne sind
demgegenüber "normale" Bundesligaspiele.
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Vgl. Bt-Drs. 711/05, Seite 3.
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In der Begründung heißt es sodann ausdrücklich: "Nur bei Vorliegen dieser
qualifizierenden Tatbestandsmerkmale kann ein öffentliches Interesse angenommen
werden, das die Zulassung von Ausnahmen zu rechtfertigen vermag."
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Ausgehend von diesen Maßstäben sind Fußball-Bundesligaspiele der 2. Fußball-
Bundesliga grundsätzlich keine Sportveranstaltungen von herausragender Bedeutung.
Da bereits normale Bundesligaspiele der 1. Liga dieses Merkmal nicht erfüllen, gilt dies
55
erst recht für solche der unteren Ligen. Insofern ist auch zu berücksichtigten, dass
sowohl in der 1. als auch in der 2. Bundesliga 306 Ligaspiele jährlich stattfinden.
Handelte es sich hierbei um ausnahmefähige Sportveranstaltungen, wäre zwischen
Ausnahmen und Regeln nicht mehr zu unterscheiden. Einen solchen
Ausnahmecharakter kann deshalb allenfalls ein Spiel, welches abschließend über die
Meisterschaft oder den Aufstieg oder den Nichtaufstieg in die 1. Bundesliga entscheidet,
haben.
Entgegen der Auffassung der Beigeladenen ist auch allein die Tatsache, dass ein
Fußballspiel der 2. Fußball-Bundesliga live im Fernsehen übertragen wird, weder für
sich genommen auschlaggebend noch ein Indiz dafür, dass dieses Spiel eine
Sportveranstaltung von herausragender Bedeutung sein könnte. Solche Live-
Übertragungen finden allein montags an 32 Tagen im Jahr statt. Die von der
Beigeladenen ins Feld geführten Zuschauerzahlen mögen dabei für einen
Spartensender bedeutsam sein, dies führt jedoch nicht zur herausragenden Bedeutung
im allgemeinen Maßstab. Dies gilt umso weniger, als der Prozessbevollmächtigte der
Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, grundsätzlich könnten
sämtliche Zweitligamannschaften nur über Ausnahmegenehmigungen die Durchführung
des Montagsspieles sicher stellen. Allein dadurch wird deutlich, dass es sich nicht um
einen Ausnahme- sondern um einen Regelfall handelt. Für das hier in Rede stehende
Spiel kommt hinzu, dass dieses auch vom DSF ursprünglich nicht für eine Live-
Übertragung vorgesehen war. Selbst nach Zweitliga-Maßstäben hat die Partie damit für
die Inhaber der Fernsehrechte zunächst keine besondere Bedeutung gehabt. Erst als
das ursprünglich für den Montagabend angesetzte Spiel verlegt werden musste, wurde
ersatzweise die Begegnung Q. gegen C1. gewählt. Das Spiel war insoweit offenbar
zweite Wahl und nicht herausragend.
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Zu einem anderen Ergebnis gelangt man auch nicht dadurch, dass es sich bei dem
Spiel am 26.10.2009 um ein Lokalderby gehandelt hat, das in der Region P1. M1. ein
erhöhtes Interesse der Öffentlichkeit und eine hohe Eintrittskartennachfrage
hervorgerufen hat. Nach Auffassung der Kammer muss bei der gebotenen engen
Auslegung der erweiternden Ausnahmeregelung wegen des in der Vorschrift selbst
angelegten und aus der Entstehungsgeschichte deutlich hervortretenden
Gesichtspunktes eines singulären Ereignisses die "herausragende Bedeutung" im
nationalen oder internationalen Bezugsrahmen bestehen. Anders ausgedrückt kann das
Adjektiv "national" nicht von der "herausragenden Bedeutung" getrennt werden, wie es
die Beigeladene meint. Eine andere Auslegung liefe darauf hinaus, praktisch jede
Sportveranstaltung, die ein überdurchschnittliches Interesse in der Region oder auch
nur in einer Stadt hervorriefe, zu einem herausragenden Ereignis mit den
entsprechenden Ausnahmemöglichkeiten zu erheben. Dies gilt umso mehr, wenn man
mit der Beigeladenen als "Durchschnittsereignis" ein Spiel etwa der Ober- oder
Landesliga heranzöge. Dann wäre bereits jede Regionalligabegegnung potentiell
"herausragend". Dabei hatte die Kammer auch zu berücksichtigen, dass der
Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift nicht auf Fußball beschränkt ist. Damit
könnte praktisch wöchentlich eine Ausnahmegenehmigung beantragt und erteilt
werden, wenn es lediglich auf die lokale Bedeutung ankäme.
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Selbst wenn man jedoch entgegen der Auffassung der Kammer zugrundelegte, dass es
neben Sportveranstaltungen, bei denen die herausragende Bedeutung offensichtlich ist,
auch solche Sportveranstaltungen von herausragender Bedeutung geben könnte, bei
denen sich diese aus dem konkreten Umständen des Einzelfalles, etwa einen Vergleich
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mit den sonstigen Veranstaltungen in der Sportanlage oder den sonst typischen
Zuschauerzahlen in der Region, ergeben könnte,
vgl. Reidt/Schiller, a.a.O., 18. BImSchV, § 6 Rdnr. 11,
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kann dies im Ausnahmefall allenfalls die Anerkennung einer Sportveranstaltung
rechtfertigen, wenn etwa ein fünftklassiger Verein im DFB-Pokal auf einen
Bundesligaverein trifft. In diesem Fall wäre zumindest auf der lokalen Ebene das
erforderlicher singuläre Ereignis zu bejahen. Auch dies gilt jedoch für das hier in Rede
stehende Fußballspiel am 26.10.2009 nicht. Es handelte sich um einen Fußballspiel
zwischen zwei Mannschaften, die beide in der 2. Bundesliga spielen. Angesichts des
Umstandes, dass der T. Q. 17 Heimspiele in der Saison zu spielen hat, fehlt es insoweit
bereits an einer Singularität. Diese wird auch nicht dadurch begründet, dass das Spiel
Lokalderbycharakter hatte. Hieraus erklärt sich auch nicht die erhöhte Zuschauerzahl.
Sie erklärt sich im Wesentlichen aus der Tatsache, dass es für viele Fußballfans von B.
C1. ohne großen Zeit- und Kostenaufwand möglich war, sich das Fußballspiel in Q.
anzusehen. Auch der Umstand, dass es sich um das erste Spiel dieser Art handelte,
führt insoweit schon deshalb nicht weiter, weil auch in der nächsten Saison
entsprechende Spiele stattfinden werden. Zudem mag für Q1. Verhältnisse auch ein
Spiel gegen den VfL C2. oder I2. C3. C4. bedeutsamer sein als andere Zweitligaspiele.
Dies bedeutet jedoch nicht, dass es sich tatsächlich um "herausragende" Spiele
handelte. Vielmehr ist das Ausdruck einer Normalität im Zweitligabetrieb, zu dem der T.
Q. inzwischen einschränkungslos gehört.
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Da damit die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Ausnahmegenehmigung nicht
vorlagen, kam es für die Entscheidung nicht mehr darauf an, ob der Beklagte das ihm
durch § 6 der 18. BImSchV eingeräumte Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Ebenso
wenig war entscheidungserheblich, ob die Verfügung insgesamt hinreichend bestimmt
ist, insbesondere hinsichtlich der Nebenbestimmung Nr. 2.
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Die Kammer ist schließlich nicht der "Anregung" der Beigeladenen gefolgt, die Berufung
wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Der Vortrag der
Beigeladenen hierzu insbesondere zu dem Umstand, dass unter Zugrundelegung der
Rechtsprechung der Kammer Montagsspiele in der 2. Bundesliga praktisch gar nicht
mehr stattfinden könnten, ist unsubstantiiert geblieben. Zudem überrascht die Kammer,
dass ein Verfahren, das wegen seiner Singularität nicht einmal eine
Fortsetzungsfeststellungsklage zulässig machen soll, zugleich von grundsätzlicher
Bedeutung sein soll.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 3, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene
war an der Kostentragung zu beteiligen, da sie erfolglos einen Antrag gestellt hat.
Demgemäß entsprach es auch nicht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen dem Beklagten aufzuerlegen.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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