Urteil des VG Minden vom 22.09.2010

VG Minden (angemessenheit der kosten, bvo, höhe, kläger, beihilfe, auf lebenszeit, private krankenversicherung, rechnung, land, behandlung)

Verwaltungsgericht Minden, 10 K 876/09
Datum:
22.09.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 876/09
Tenor:
Der Beklagte wird unter Aufhebung der Bescheide vom 16. Juli 2008
und 7. Januar 2009, soweit sie entgegenstehen, und des
Widerspruchsbescheides vom 19. März 2009 verpflichtet, dem Kläger
eine weitere Beihilfe in Höhe von 257,67 EUR zu gewähren. Der
Beklagte trägt die Kosten der Verfahren. Das Urteil ist wegen der Kosten
vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils
beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
1
Der am 1954 geborene Kläger, Richter am W. im Richterverhältnis auf Lebenszeit, legte
der Beihilfestelle des P. I. (künftig: Beihilfestelle) am 26. Juni 2008 einen
Kostenvoranschlag über 2.160,59 EUR vor. Dieser stammt von einem Zahnarzt und
verhält sich zu einer Behandlung, in deren Rahmen der Kläger in der Region 24 mit
einem Implantat versorgt werden sollte. Unter dem 30. Juni 2008 äußerte sich die
Beihilfestelle dazu: Sollte eine der - von ihr gleichzeitig aufgeführten - Indikationen
vorliegen, bitte man unter Vorlage eines Heil- und Kostenplans bei dem zuständigen
Gesundheitsamt eine amtszahnärztliche Stellungnahme einzuholen zu den Fragen, ob
die beabsichtigte Maßnahme aufgrund einer der genannten Indikationen notwendig sei
und ggf. ob die veranschlagten Kosten angemessen seien. Der Heil- und Kostenplan
sowie die amtszahnärztliche Stellungnahme seien ihr, der Beihilfestelle, sodann zur
vorherigen Entscheidung über die Beihilfefähigkeit vorzulegen. Sollte keine der
Indikationen vorliegen - so sei es nach ihrer Einschätzung -, verweise man auf die VV
11c zu § 4 BVO.
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Am 15. Juli 2008 beantragte der Kläger eine Beihilfe u.a. zu Aufwendungen in Höhe von
866,67 EUR. Diese waren im Zusammenhang mit dem ersten Teil der zuvor
angezeigten Behandlung entstanden. Von dem Betrag erkannte die Beihilfestelle (450,-
EUR + 68,05 EUR =) 518,05 EUR als beihilfefähig an, worauf sie mit Bescheid vom 16.
Juli 2008, dem eine Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt war, eine Beihilfe in Höhe
von 259,03 EUR gewährte. Zur Begründung für die Entscheidung, keinen höheren
Betrag als beihilfefähig anzuerkennen, legte sie dar: Eine vorherige Anerkennung der
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Notwendigkeit der beabsichtigten Maßnahme und der Angemessenheit der Kosten
durch sie sei nicht erfolgt. Daher seien die Aufwendungen grundsätzlich nicht
beihilfefähig. Gemäß VV 11c zu § 4 BVO bestünden im Hinblick auf die Aufwendungen
für eine herkömmliche Zahnersatzversorgung allerdings keine Bedenken, neben den
Aufwendungen für die Suprakonstruktion für die ersten drei durch ein Implantat ersetzten
Zähne pauschal je 450,00 EUR ... als beihilfefähige Aufwendungen anzuerkennen. Mit
dem Pauschalbetrag seien sämtliche Kosten der zahnärztlichen und kieferchirurgischen
Leistungen einschließlich notwendiger Anästhesie und der Kosten u.a. für Implantate,
Implantatteile ... abgegolten. Mit diesem Bescheid habe man die Pauschale i.H.v.
450,00 EUR anerkannt und abgerechnet.
Am 30. Dezember 2008 erhob der Kläger Widerspruch, "soweit ... die beihilfefähigen
Aufwendungen für die Implantatversorgung pauschal auf 450,00 EUR festgesetzt"
worden seien. Er verweise auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 15. August 2008 - 6 A 2861/06 -.
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Am 30. Dezember 2008 beantragte er eine Beihilfe u.a. zu Aufwendungen in Höhe von
1.369,79 EUR, die im Zusammenhang mit der Fortsetzung der Behandlung entstanden
waren. Davon erkannte die Beihilfestelle 469,10 EUR als beihilfefähig an, worauf sie mit
Bescheid vom 07. Januar 2009 eine Beihilfe in Höhe von 234,55 EUR gewährte.
5
Am 14. Januar 2009 erhob der Kläger auch insoweit Widerspruch, "soweit die
beihilfefähigen Aufwendungen für die Implantatversorgung auf 450,00 EUR begrenzt"
worden seien.
6
Mit Widerspruchsbescheid vom 19. März 2009 wies die Beihilfestelle die beiden
Widersprüche zurück. Sie wiederholte und vertiefte früheres Vorbringen und machte
ergänzend geltend: Das zitierte Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen vom 15. August 2008 sei nicht einschlägig. Ihm liege eine andere
Rechtslage zugrunde, da neben der Pauschale nunmehr auch die gesamten Kosten der
Suprakonstruktion beihilfefähig seien.
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Der Kläger hat am 03. April 2009 Klage erhoben mit dem Antrag,
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das beklagte Land zu verpflichten, ihm unter Aufhebung der Beihilfebescheide vom 16.
Juli 2008 und 07. Januar 2009 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 19. März 2009
eine weitere Beihilfe für die zahnärztliche Implantatversorgung in Höhe von noch 257,67
EUR zu gewähren.
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Auf die Gesamtkosten der Implantatversorgung in Höhe von 2.236,46 EUR sei eine
Beihilfe von 493,53 EUR gewährt worden. Die private Krankenversicherung (E. ) habe
tarifgemäß insgesamt 1.294,49 EUR erstattet. Soweit in den noch ungedeckten Kosten
von 448,39 EUR in den Rechnungen Steigerungssätze von 3,50 enthalten seien,
würden nur die Kosten geltend gemacht, die sich bei Anlegen des Faktors 2,30
errechneten, so dass eine noch offene Restforderung in Höhe von 257,67 EUR
verbleibe.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
12
Mit Beschluss vom 29. Juni 2009 ist das Verfahren gemäß § 6 Abs. 1 VwGO auf den
Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen worden.
13
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und den von der Beihilfestelle vorgelegten Verwaltungsvorgang (1 Heft) Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe:
15
Die Kammer kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Die Beteiligten haben
sich hiermit wirksam einverstanden erklärt (§ 101 Abs. 2 VwGO).
16
Die Klage ist als Verpflichtungsklage statthaft und auch sonst uneingeschränkt zulässig.
Ein ordnungsgemäßes Vorverfahren - zu dessen Notwendigkeit vgl. § 68 Abs. 2, 1
VwGO i.V.m. § 179 a LBG a.F. - hat stattgefunden. Zur Reichweite der von dem Kläger
erhobenen Widersprüche ist klarstellend zu bemerken: Die Beihilfestelle hat bei
Festsetzung der Beihilfen zwischen a) implantatbezogenen und b) nicht
implantatbezogenen Aufwendungen unterschieden. Soweit es um die vom Kläger mit
Antrag vom 9./15. Juli 2008 vorgelegte Rechnung über 866,67 EUR geht, ist die
Behörde so zu Teilbeträgen von a) 798,62 EUR und b) 68,05 EUR gelangt. Die
Aufwendungen von 68,05 EUR hat sie in vollem Umfang, von den 798,62 EUR hat sie
450,- EUR als beihilfefähig anerkannt. Der Widerspruch vom 27./30. Dezember 2008
richtete sich - was angesichts der Umstände auch allein in Betracht kam - gegen die
Behandlung der 798,62 EUR, also gegen eine "Kürzung" in Höhe von (798,62 EUR -
450,- EUR =) 348,62 EUR.
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Im Rahmen des Beihilfebescheides vom 07. Januar 2009 unterteilte die Beihilfestelle
den Gesamtbetrag der Rechnung vom 22. Dezember 2008 in Höhe von 1.369,79 EUR
in Teilbeträge von 1) 490,82 EUR (= Honorar des Zahnarztes), 2) 96,09 EUR (= Verbr.-
/Abdruckmaterial) sowie 3) 782,88 EUR (= Material- und Laborkosten). Davon erkannte
sie als beihilfefähig Teilbeträge von 1) 203,37 EUR, 2) 0,00 EUR und 3) 265,73 EUR an
(zusammen 469,10 EUR). Als nicht beihilfefähig bezeichnete sie gleichzeitig 1) von dem
Honorar des Zahnarztes 32,33 EUR + 167,40 EUR + 87,72 EUR (zusammen 287,45
EUR), 2) dem Verbrauchsmaterial 96,09 EUR und 3) den Material- und Laborkosten
177,15 EUR + 340,0 EUR (zusammen 517,15 EUR), insgesamt also 900,69 EUR. Die
"Kürzungen" von 900,69 EUR erklärte sie in dem Bescheid vom 7. Januar 2008, soweit
es um die Teilbeträge von 1) 167,40 EUR, 2) 96,09 EUR und 3) 340,00 EUR, also
insgesamt 603,49 EUR geht, damit, diese seien implantatbezogen, insoweit würden nur
450,- EUR anerkannt, und das sei bereits im Rahmen des Bescheides vom 16. Juli
2008 geschehen. Für die weiteren Kürzungen von (32,33 EUR + 87,72 EUR + 177,15
EUR =) 297,20 EUR gab sie andere Begründungen. Wenn der Kläger unter dem 12.
Januar 2009 Widerspruch erhob, "soweit die beihilfefähigen Aufwendungen für die
Implantatversorgung auf 450 EUR begrenzt" worden seien, so ist das dahin zu
verstehen, dass er sich lediglich gegen die Behandlung der 603,49 EUR als nicht
beihilfefähig wandte und die "Kürzung" der weiteren 297,20 EUR als nicht beihilfefähig
hinnahm.
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Für spätere Berechnungen als belangvoll hervorzuheben ist noch: Wenn die
Beihilfestelle im Rahmen des Bescheids vom 7. Januar 2009 von den Material- und
Laborkosten in Höhe von 782,88 EUR den Betrag von 265,73 EUR als beihilfefähig
berücksichtigte, so ging sie dabei davon aus, dass die implantatbezogenen Material-
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und Laborkosten von 340,- EUR ohnehin nicht anzuerkennen seien, weil insoweit mit
Bescheid vom 16. Juli 2008 ein Pauschalansatz von 450,- EUR erfolgt sei. Von dem
Restbetrag von (782,88 EUR - 340,- EUR =) 442,88 EUR berücksichtigte sie sodann
unter Rückgriff auf § 4 Abs. 1 Nr. 1 letzter Satz BVO nur 60 v.H. als beihilfefähig (=
265,73 EUR), was zu einer weiteren "Kürzung" von (442,88 EUR - 265,73 EUR =)
177,15 EUR führte.
Gegen die Zuordnung der einzelnen Beträge zu den Kategorien "implantatbezogen"
und "nicht implantatbezogen" hat der Kläger im Übrigen zu keiner Zeit Einwendungen
erhoben.
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Gegenstand der beiden Widerspruchsverfahren waren damit Aufwendungen von
insgesamt (348,62 EUR + 603,49 EUR =) 952,11 EUR. Allein dazu verhält sich auch der
Widerspruchsbescheid vom 19. März 2009. Dass die Beihilfestelle die Reichweite der
Widersprüche verkannt und eine weitergehende Widerspruchsentscheidung erlassen
hätte, ist nicht erkennbar.
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Die danach zulässige Klage ist auch begründet.
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Die Ablehnung der Gewährung einer weiteren Beihilfe in Höhe von 257,67 EUR ist
rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Er hat
einen dahingehenden Anspruch.
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Die Klageforderung in Höhe von 257,67 EUR begründet er - im Anschluss an seine
Argumentation im Rahmen der Widerspruchsverfahren - im Ansatz damit, es sei
unzulässig, von den implantatbezogenen Aufwendungen von insgesamt (798,62 EUR +
603,49 EUR =) 1.402,11 EUR nur 450,- EUR als beihilfefähig anzuerkennen. Allerdings
will er nicht die vollen 1.402,11 EUR als beihilfefähig berücksichtigt wissen. Wenn er
vorgetragen hat, es würden, soweit in den Zahnarztrechnungen Steigerungssätze von
3,50 enthalten seien, nur die Kosten geltend gemacht, die sich bei Anlegung des
Faktors 2,30 ergäben, so führt das zu folgenden Berechnungen: Angesprochen sind
damit in der Rechnung vom 7. Juli 2008 Teilbeträge von 94,50 EUR und 94,50 EUR =
189,- EUR und in der Rechnung vom 22. Dezember 2008 von 63,- EUR und 63,- EUR =
126,- EUR, insgesamt also (189,- EUR + 126,- EUR =) 315,- EUR. Bei Ansatz des
Faktors 2,30 ergibt sich der Betrag von nur 207,- EUR. - Die in der Rechnung vom 22.
Dezember 2008 unter Ansatz des Faktors 3,50 mit 255,88 EUR abgerechnete Leistung
gemäß GOZ 221 ist in diesem Zusammenhang nicht zu berücksichtigen; es geht
insoweit um eine Vollkrone, also eine nicht implantatbezogene Aufwendung, und deren
rechtliche Würdigung durch die Beihilfestelle hat der Kläger von Anfang an akzeptiert -.
Die Klageforderung von 257,67 EUR soll also deshalb begründet sein, weil - so die
Ansicht des Klägers - implantatbezogene Aufwendungen in Höhe von (1.402,11 EUR -
(315,- EUR - 207,- EUR =) 108,- EUR - (bereits von der Beihilfestelle berücksichtigte)
450,- EUR =) noch 844,11 EUR nicht berücksichtigt worden sind.
24
Dieser Argumentation folgt die Kammer im Wesentlichen.
25
Für die Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und
Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgebend
26
- vgl. OVG NRW, Urteile vom 23. Mai 2007 - 6 A 1959/05 - und vom 01. August 2003 - 6
A 29/01 -, jeweils in juris -.
27
Die Rechnung vom 07. Juli 2008 über 866,67 EUR verhält sich zu einer Behandlung,
die in der Zeit vom 17. Juni bis 01. Juli 2008 stattfand, diejenige vom 22. Dezember
2008 über 1.369,79 EUR zu einer solchen, zu der es in der Zeit vom 03. bis 17.
Dezember 2008 gekommen war. Am 17. Juni 2008 galt die Verordnung über die
Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfenverordnung
- BVO -) vom 27. März 1975 (GV NRW S. 332), damals zuletzt geändert durch
Verordnung vom 06. Dezember 2007 (GV NRW S. 657). Mit Wirkung vom 01. Juli 2008
trat eine weitere Änderungsverordnung - vom 27. Juni 2008 (GV NRW S. 530) - in Kraft.
Sie galt für Aufwendungen, die nach dem 30. Juni 2008 entstanden. Am Tag nach ihrer
Verkündung in Kraft trat schließlich die Änderungsverordnung vom 08. Dezember 2008,
verkündet im Gesetz- und Verordnungsblatt vom 30. Dezember 2008 (GV NRW S. 877).
Die Änderungsverordnung vom 27. Juni 2008 braucht dabei nicht näher betrachtet zu
werden. Denn die im vorliegenden Zusammenhang maßgebende Regelung wurde
durch sie nicht berührt. Gemäß § 4 Abs. 2 Buchst. b BVO waren sowohl vor wie ab dem
01. Juli 2008
28
Aufwendungen nach Abschnitt K des Gebührenverzeichnisses der Gebührenordnung
für Zahnärzte einschließlich aller damit verbundenen weiteren zahnärztlichen
Leistungen sowie der Suprakonstruktionen ... beihilfefähig,
29
allerdings nur bei Vorliegen bestimmter, im Einzelnen in der Beihilfenverordnung
genannter Indikationen -.
30
Lag eine entsprechende Indikation nicht vor - so ist es im Falle des Klägers -, sollte nach
der Konzeption des beklagten Landes Nr. 11 c der Verwaltungsverordnung zur
Ausführung der Verordnung über die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts-
und Todesfällen in der Fassung eines Runderlasses des Finanzministeriums vom 10.
Oktober 2007 (Ministerialblatt NRW (künftig: MBl.) S. 714, 715) - der Sache nach also §
4 Abs. 2 Buchst. b) BVO ergänzend - eingreifen. Die Regelung lautete:
31
Wird eine Implantatversorgung gewählt, obwohl die Indikationen nach § 4 Abs. 2
Buchst. b BVO nicht vorliegen, oder umfasst bei Vorliegen der genannten Indikationen
die Versorgung mehr Implantate als nach dem amtsärztlichen Gutachten notwendig
wären, sind die Aufwendungen grundsätzlich nicht beihilfefähig. Es bestehen im
Hinblick auf die Aufwendungen für eine grundsätzlich beihilfefähige herkömmliche
Zahnersatzversorgung allerdings keine Bedenken, neben den Aufwendungen für die
Suprakonstruktion für die ersten drei durch ein Implantat ersetzten Zähne pauschal je
450 EUR und für jeden weiteren Zahn (für Ober- und Unterkiefer insgesamt 8 Zähne - 3
plus 5 -) 250 EUR als beihilfefähige Aufwendungen anzuerkennen (bereits durch
vorherige Implantatversorgung ersetzte Zähne, für die keine Indikation nach § 4 Abs. 2
Buchst. b BVO vorlag, sind auf die Gesamtzahl anzurechnen); bei Reparaturen sind
neben den Kosten für die Suprakonstruktion einheitlich 250 EUR je Implantat
beihilfefähig. Mit dem Pauschalbetrag sind sämtliche Kosten der zahnärztlichen und
kieferchirurgischen Leistungen einschließlich notwendiger Anästhesie und der Kosten
u.a. für Implantate, Implantatteile, notwendige Instrumente (z.B. Bohrer, Fräsen),
Membranen und Membrannägel, Knochen- und Knochenersatzmaterial, Nahtmaterial,
Röntgenleistungen, Computertomographie und Anästhetika abgegolten. ...
32
Für Aufwendungen, die nach dem 30. Juni 2008 entstanden waren, erhielten durch
Runderlass des Finanzministeriums vom 24. November 2008 (MBl. 2009, 3) die Sätze 2
33
und 3 in Nr. 11 c folgende Fassung:
Es bestehen im Hinblick auf die Aufwendungen für eine grundsätzlich beihilfefähige
herkömmliche Zahnersatzversorgung allerdings keine Bedenken, neben den
Aufwendungen für die Suprakonstruktion für insgesamt 8 Implantate (je 2 für jede
Kieferhälfte) je Implantat 450 EUR als beihilfefähige Aufwendungen anzuerkennen
(bereits durch Implantate ersetzte Zähne, für die eine Beihilfe gewährt wurde, sind auf
die Gesamtzahl anzurechnen); ... Mit den Pauschalbeträgen sind sämtliche Kosten der
zahnärztlichen und kieferchirurgischen Leistungen einschließlich notwendiger
Anästhesie und der Kosten u.a. für die Implantate selbst, die Implantataufbauten ...
abgegolten.
34
Die Behandlung der beiden Beihilfeanträge des Klägers findet, soweit es um
implantatbezogene Aufwendungen geht, in der Verwaltungsvorschrift ihre Erklärung.
35
Die Kammer meint indessen, dass dieses Vorgehen nicht rechtmäßig ist.
36
Die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts Minden hat sich wiederholt mit der hier zu
beurteilenden Problematik befasst und dabei etwa mit
37
Urteil vom 20. August 2009 - 4 K 291/09 -
38
dargelegt:
39
"Die Beurteilung beihilferechtlicher Ansprüche bemisst sich grundsätzlich nach
denjenigen Vorschriften, die zum Zeitpunkt des Entstehens der fraglichen
Aufwendungen gegolten haben.
40
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 23.05.2007 - 6 A 1959/05 - und vom 01.08.2003 - 6 A 29/01
-, jeweils in juris.
41
Grundlage des Anspruchs ... sind hiernach § 88 des Beamtengesetzes für das Land
Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz - LBG) in der Fassung der
Bekanntmachung vom 01.05.1981 (GV. NRW S. 234), §§ 3 und 4 der Verordnung über
die Gewährung von Beihilfen in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen
(Beihilfenverordnung - BVO). Die erst nach dem Entstehen der hier fraglichen
Aufwendungen ... am 01.04.2009 in Kraft getretene Neufassung des
Landesbeamtengesetzes auf Grund des Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher
Vorschriften vom 21.04.2009 (GV. NRW S. 224) ist somit im vorliegenden Falle ohne
rechtliche Bedeutung.
42
...
43
Die Versorgung ... mit Implantaten war notwendig im Sinne des § 3 Abs. 1 BVO.
44
Ob Aufwendungen notwendig und damit dem Grunde nach beihilfefähig sind, bestimmt
sich danach, ob sie medizinisch geboten sind. Dies richtet sich in aller Regel nach der
Beurteilung des behandelnden Arztes.
45
Vgl. BVerwG, Urteil vom 29.06.1995 - 2 C 15.94 -, NJW 1996, 801; OVG NRW, Urteil
vom 31.08.2007 - 6 A 2321/06 -, juris.
46
Im vorliegenden Falle ergibt sich die Notwendigkeit der Aufwendungen aus den
Bewertungen, die den Behandlungsplänen des Arztes ... vom ... und des Zahnarztes ...
vom ... zu Grunde liegen. Darin ist eine Implantatversorgung ... im Hinblick auf dessen
Gebisssituation für geboten erachtet worden.
47
Die Frage der Angemessenheit im Sinne des § 3 Abs. 1 BVO in Bezug auf
Aufwendungen für ärztliche oder zahnärztliche Leistungen beurteilt sich grundsätzlich
abschließend nach Maßgabe der für die Abrechnung dieser Leistungen einschlägigen
Gebührenordnungen für Ärzte (GOÄ) und für Zahnärzte (GOZ).
48
Die Beihilfefähigkeit setzt demgemäß regelmäßig voraus, dass der Arzt oder Zahnarzt
die Rechnungsbeträge auf der Grundlage der Gebührenordnung zu Recht in Rechnung
gestellt hat. Ob dies der Fall ist, ist gerichtlich voll überprüfbar.
49
Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.05.1996 - 2 C 10.95 -, ZBR 1996, 314.
50
Die Vorschrift des § 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO ist für die Beurteilung der
Angemessenheit ohne Bedeutung. Werden nämlich notwendige Aufwendungen - wie in
§ 4 Abs. 2 lit b) Satz 1 BVO außerhalb des in ihm genannten Indikationsbereichs - in
jedem Umfange für unangemessen erklärt, liegt darin bereits begrifflich keine Regelung
der Angemessenheit mehr.
51
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15.08.2008 - 6 A 2861/06 -, juris, - 6 A 4309/05 -, juris, und -
6 A 3995/06 -, n.v.
52
Die Kosten der Implantatbehandlung ... sind in den Liquidationen des Arztes ... vom ...
und der Ärzte ... vom ... an Hand der anzuwendenden gebührenrechtlichen Vorschriften
abgerechnet worden. An der Korrektheit der Abrechnungen bestehen keine Zweifel. Die
Beihilfefähigkeit der nach den obigen Ausführungen zu berücksichtigenden
Aufwendungen ist nicht (wirksam) durch § 4 Abs. 2 lit b) BVO in der mit
Änderungsverordnung vom 12.12.2003 (GV. NRW S. 756) eingeführten Fassung
ausgeschlossen. Denn diese Vorschrift, nach der Aufwendungen gemäß Abschnitt K
des Gebührenverzeichnisses der GOZ nur bei Vorliegen einer der dort aufgeführten
Indikationen beihilfefähig sind, ist unwirksam, weil sie mit der Fürsorgepflicht des
Dienstherrn unvereinbar ist. Das hat das Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen in seinen ... Urteilen vom 15.08.2008
53
- 6 A 2861/06 -, - 6 A 4309/05 - und - 6 A 3995/06 -
54
festgestellt. Diese Feststellungen, denen die Kammer folgt ist, sind den Beteiligten
bekannt; auf sie wird verwiesen.
55
Die genannten Feststellungen haben ihre rechtliche Bedeutung nicht dadurch verloren,
dass die Verwaltungsvorschriften zu § 4 Abs. 2 lit b) BVO - Nr. 11 c - nach den
Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom
15.08.2008 in der Weise geändert wurden, dass in ihnen nunmehr neben bestimmten
Pauschalbeträgen auch die Aufwendungen für die Suprakonstruktion als beihilfefähig
bezeichnet werden: Eine "Reparatur" der unwirksamen Vorschrift des § 4 Abs. 2 lit b)
BVO durch Verwaltungsvorschriften ist nämlich schon deshalb nicht möglich, weil die
Verwaltungsvorschriften in § 4 Abs. 2 lit b) BVO keine Grundlage finden.
56
So VG Düsseldorf, Urteil vom 16.01.2009 - 26 K 4142/07 -, juris.
57
Der streitige Beihilfeanspruch ... wird nicht durch § 4 Abs. 1 Nr. 1 Satz 7 BVO in der
Höhe begrenzt. Denn eine Implantatversorgung ist nicht als Versorgung mit Zahnersatz
im Sinne dieser Vorschrift zu verstehen.
58
Vgl. OVG NRW, Urteile vom 15.08.2008 - 6 A 2861/06 -, - 6 A 4309/05 - und - 6 A
3995/06 -."
59
Dem schließt sich die erkennende Kammer an. Nicht anspruchshindernd ist, dass die
Beihilfestelle nicht vor Behandlungsbeginn gemäß § 4 Abs. 2 Buchst. b) Satz 3 BVO die
Notwendigkeit der beabsichtigten Maßnahme und die Angemessenheit der Kosten
anerkannt hat. Denn offensichtlich lag keine der in Satz 1 genannten Indikationen vor.
Unter diesen Umständen auf dem Erfordernis des § 4 Abs. 2 Buchst. b) Satz 3 BVO zu
bestehen, wäre bloße Förmelei
60
- vgl. OVG NRW, Urteil vom 15. August 2008 - 6 A 3995/06 - -.
61
Die dem Kläger noch zustehende Beihilfe berechnet sich danach wie folgt: Aus den
noch streitbefangenen implantatbezogenen Aufwendungen von insgesamt 844,11 EUR
und des im vorliegenden Fall gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Buchst. a) geltenden
Bemessungssatzes von 50 v.H. ergibt sich an sich ein Beihilfeanspruch von 422,06
EUR. Doch sind die 844,11 EUR um 136,- EUR zu vermindern. Die
implantatbezogenen Material- und Laborkosten von 340,- EUR dürfen nämlich nur zu 60
v.H. berücksichtigt werden (s.o.). Bei somit berücksichtigungsfähigen Aufwendungen
von (844,11 EUR - 136,- EUR =) 708,11 EUR ist indessen die Klage immer noch in
vollem Umfang begründet.
62
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
63