Urteil des VG Minden vom 20.04.2009

VG Minden: grundsteuer, einfamilienhaus, immobilie, abnutzung, gemeinde, verwaltungsverfahren, erlass, grundstück, objektsteuer, sicherheitsleistung

Verwaltungsgericht Minden, 5 K 1210/08
Datum:
20.04.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
5. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
5 K 1210/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin
wird ge- stattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der
Beklagte Sicherheit in entsprechender Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin wendet sich gegen die vom Beklagten für 2008 festgesetzte Grundsteuer.
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Die Klägerin ist Eigentümerin eines 1.400 m² großen Grundstücks in C. , das mit einem
Einfamilienhaus mit einer Wohnfläche von 220 m² bebaut ist. Mit Bescheid vom 27.
November 2002 setzte der Beklagte die Grundsteuer für das Jahr 2002 auf 2.838,65
EUR fest. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 22. Dezember 2002
Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 28. Januar 2005 setzte der Beklagte neben anderen
Grundbesitzabgaben die Grundsteuer für das Jahr 2005 auf ebenfalls 2.838,65 EUR
fest. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17. Februar 2005 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2008, der Klägerin zugestellt am 8. März 2008,
wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin zurück.
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Die Klägerin hat am 8. April 2008 Klage erhoben und diese wie folgt begründet: Die
gegen sie festgesetzte Grundsteuer sei für ein Einfamilienhaus ihrer Größe
unverhältnismäßig hoch. Ihr Ehemann gewähre ihr monatlich 1.124,84 EUR Unterhalt,
hinzu kämen monatlich 308,- EUR Kindergeld. Angesichts der ihr für sich und ihre
beiden Kinder monatlich zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel habe die
Grundsteuer erdrosselnde Wirkung und nötige sie dazu, ihr Grundstück zu verkaufen.
Zur weiteren Begründung verweise sie auf die beim Bundesverfassungsgericht unter
dem Aktenzeichen 1 BvR 1334/07 anhängige Verfassungsbeschwerde. Folge man der
Rechts-auffassung des Bundesverfassungsgerichts, dass es sich bei der Grundsteuer
um eine Objektsteuer handele, dann müsse die Grundsteuer aufgrund des stetigen
Wertverlustes einer Immobilie wegen Abnutzung jährlich sinken. Außerdem hätte der
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Beklagte prüfen müssen, ob ihr die Grundsteuer aus Billigkeitsgründen ganz oder
teilweise zu erlassen sei. Darüber hinaus sei ihr als juristischer Laiin nicht bekannt
gewesen, dass sie den Einheitswert- und den Messbescheid nur beim Finanzamt habe
anfechten können. Anders als bei anderen Städten und Gemeinden enthalte die vom
Beklagten verwendete Rechtsbehelfsbelehrung keinen entsprechenden Hin- weis.
Die Klägerin beantragt,
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den Bescheid vom 27. November 2002 sowie den Bescheid vom 28. Januar 2005,
soweit mit diesem Bescheid die Grundsteuer für das Jahr 2005 festgesetzt wird, jeweils
in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. März 2008 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig.
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Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist jedenfalls unbegründet. Die Festsetzung der Grundsteuer für 2002 und
2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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1. Die Veranlagung der Klägerin zur Grundsteuer beruht auf §§ 1, 2, 10, 13 Abs. 1 und
25 Abs. 1 Grundsteuergesetz (GrStG). Danach haben, sofern eine Gemeinde beschließt,
Grundsteuern zu erheben (§ 1 GrStG), und kein Befreiungstatbestand vorliegt (§§ 3 bis 5
GrStG), Grundstückseigentümer (vgl. §§ 2, 10 GrStG) Grund- steuer zu entrichten und
berechnet sich die Grundsteuer aus zwei Faktoren, dem Messbetrag (§ 13 Abs. 1 GrStG)
und dem von der Gemeinde festgelegten Hebesatz (§ 25 Abs. 1 GrStG). Danach ist die
angefochtene Festsetzung der Grundsteuer rechtmäßig: Die Klägerin ist Eigentümerin
eines Grundstücks, ein Befreiungstatbestand liegt nicht vor und der Beklagte hat die
festgesetzte Grundsteuer ausgehend von dem mit Bescheid des Finanzamts vom 11.
Januar 1990 auf 1.261,80 DM (= 645,15 EUR) festgesetzten Messbetrag und dem
Hebesatz von 440 % zutreffend berechnet.
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2. Soweit die Klägerin geltend macht, die festgesetzte Grundsteuer sei für ein
Einfamilienhaus ihrer Größe unverhältnismäßig hoch, wendet sie sich in erster Linie
gegen die Festsetzung des Einheitswertes für ihr Grundstück, der wiederum der
Berechnung des Messbetrages zugrunde liegt (vgl. §§ 13 bis 15 GrStG). Dasselbe gilt
bezüglich ihres Arguments, aufgrund des stetigen Wertverlustes einer Immobilie
aufgrund Abnutzung müsse die Grundsteuerbelastung jährlich sinken. Denn der
Gesetzgeber hat keinen entsprechenden "Wertverlustfaktor" vorgesehen, sondern hat
die Höhe der Grundsteuer über den Messbetrag mit dem Einheitswert verknüpft.
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Einwendungen gegen die Festsetzung des Einheitswerts sowie gegen die Festsetzung
des Messbetrags sind im vorliegenden Verfahren jedoch nicht zu berücksichtigen. Der
Beklagte ist bei der Festsetzung der Grundsteuer an die Festsetzung des Messbetrages
und damit auch an die Festsetzung des Einheitswertes gebunden [§§ 182 Abs. 1, 184
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Abs. 1 Satz 4 Abgabenordnung (AO)]. Im Verhältnis zum Grundsteuerbescheid handelt
es sich bei dem Einheitswertbescheid sowie dem Grundsteuermessbescheid um
Grundlagenbescheide (§ 171 Abs. 10 AO). Daraus folgt, dass Einwendungen gegen
den Einheitswertbescheid wie z.B. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten
Einheitswertes nur gegen diesen, nicht aber gegen die auf diesen Bescheid aufbauende
und hier allein streitgegenständliche Festsetzung der Grundsteuer geltend gemacht
werden können (§§ 351 Abs. 2 AO, § 42 Finanzgerichtsordnung (FGO) analog].
Vgl BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 18. Februar 2009 - 1 BvR 1334/07 -, juris;
OVG NRW, Beschluss vom 25. April 2007 - 14 A 661/06 -, juris.
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Im Übrigen ist es aufgrund des Charakters der Grundsteuer als Objektsteuer
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass die Grundsteuer unabhängig von den
per-sönlichen Lebensverhältnissen und damit unabhängig von der persönlichen
Leistungsfähigkeit erhoben wird. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in dem
vorstehend zitierten Nichtannahmebeschluss, dem sich das erkennende Gericht
anschließt, unmissverständlich klar gestellt.
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3. Die angefochtene Festsetzung der Grundsteuer ist auch nicht aus anderen Gründen
rechtswidrig. Insbesondere bestand im vorliegenden Fall für den Beklagten kein Anlass,
über einen vollständigen oder teilweisen Erlass der Grundsteuer aus Billigkeitsgründen
(§ 227 AO) zu entscheiden. Da die Klägerin diesbezüglich keinen gesonderten Antrag
gestellt hat, hätte der Beklagte die Möglichkeit eines Billigkeitserlasses allenfalls dann
prüfen müssen, wenn sich ihm dies nach den Umständen des Falles hätte aufdrängen
müssen,
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vgl. FG Bremen, Urteil vom 18. August 1992 - II 63/88 K -, juris; Loose, in: Tipke/Kruse,
Kommentar zur Abgaben- und Finanzgerichtsordnung, Stand: November 2008, § 227
Rz. 132.
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Daran fehlt es hier. Die Klägerin hat weder im Verwaltungsverfahren noch im
Verwaltungsverfahren zum Parallelverfahren 5 K 732/08 irgendeinen Hinweis auf
mögliche Erlassgründe gegeben. Auf Ihre finanzielle Situation, die ihrer Meinung nach
einen Erlass der gegen sie festgesetzten Grundsteuer bedingt, hat sie erstmals im
Klageverfahren (Schriftsatz vom 15. September 2009) verwiesen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die von der Klägerin
beanstandeten Rechtsbehelfsbelehrungen rechtfertigen es nicht, dem Beklagten die
Kos-ten gemäß § 155 Abs. 4 VwGO aufzuerlegen. Die dem Widerspruchsbescheid vom
5. März 2008 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung enthält die gemäß § 58 Abs. 1 VwGO
erforderlichen Informationen. Der Beklagte ist nicht verpflichtet, den Steuerpflichtigen
darüber hinaus über Anfechtungsmöglichkeiten gegen den vom Finanzamt erlassenen
Einheitswert- oder Messbetragsbescheid zu belehren. Im übrigen sind diese Bescheide
üblicherweise ebenfalls mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen, aus der sich alle
notwendigen Informationen ergeben (vgl. §§ 356 Abs. 1 AO, 55 Abs. 1 FGO).
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO
i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
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