Urteil des VG Minden vom 08.06.2000

VG Minden: politische verfolgung, anerkennung, polizei, wohnung, bundesamt, flucht, verein, anhörung, inhaftierung, beerdigung

Verwaltungsgericht Minden, 2 K 3278/97.A
Datum:
08.06.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 3278/97.A
Tenor:
Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Kläger in der mündlichen
Verhandlung ihre Klage hinsichtlich einer Anerkennung nach Art. 16 a
Abs. 1 GG zurückgekommen haben.
Die Beklagte wird unter Teilaufhebung von Ziffer 2, 3 und 4 ihres
Bescheides vom 11.07.1997 verpflichtet, für die Kläger zu 1. und 2. das
Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich der
Türkei festzustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben
werden, tragen die Kläger 3/4 als Gesamtschuldner, die Beklagte 1/4.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige
Schuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Kläger sind türkische Staatsangehörige, nach ihren Angaben kurdischer Volks- und
alevitischer Religionszugehörigkeit. Sie reisten am 22.04.1997 auf dem Landweg ins
Bundesgebiet ein und beantragten am 12.05.1997 ihre Anerkennung als
Asylberechtigte. Zur Begründung führte der Kläger zu 1. in einem Schreiben aus, im
Verlauf des Jahres 1991 seien häufiger bewaffnete Gruppen der Organisation Devrimci-
Sol in ihr Dorf (Akcadag) gekommen. Sein Bruder habe mit der Guerilla-Gruppe
sympathisiert und ihnen viel geholfen. Er sei dann öfter von Soldaten mitgenommen und
verhört worden. Kurz bevor die Kläger ihr Heimatdorf verlassen hätten, um nach Istanbul
zu gehen, sei der Bruder wieder von Soldaten zur Wache nach Kürecik gebracht und
dort einen Tag lang verhört und misshandelt worden. Er, der Kläger zu 1., habe die
Soldaten gefragt, warum sie seinen Bruder mitnähmen. Daraufhin hätten sie ihn mit
Knüppeln geschlagen und mit Stiefeln getreten. Man habe ihn bis zu Bewusstlosigkeit
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geschlagen. Nach diesem Vorfall habe er sich entschlossen, sein Heimatdorf zu
verlassen.
Er habe in Istanbul im Stadtteil Bagcilar eine Unterkunft gefunden. Er habe dort Kontakt
zu politisch aktiven Leuten gefunden und politische Zeitungen und Flugblätter gelesen.
Im März 1993 sei anlässlich einer groß angelegten Polizeioperation auch ihre Wohnung
durchsucht worden. Man habe Ausgaben der Zeitung Mücadele, Bücher und Flugblätter
gefunden. Man habe ihn mitgenommen und insgesamt zwei Wochen festgehalten,
verhört und gefoltert.
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1994 seien sie nach Bahcelievler in Istanbul umgezogen. Er habe dort eine Schneiderei
eröffnet. Die Polizei sei öfter gekommen und habe Druck auf ihn ausgeübt, sie wüssten
schon, wohin die Erträge aus der Schneiderei flössen. Tatsächlich habe er auch die
Devrimci-Sol finanziell unterstützt. Seine Mitarbeiter seien durch die Polizei bedroht
worden, einige hätten gekündigt.
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Im März 1995 habe er sich an der Demonstration im Stadtteil Gazi beteiligt. Auf dem
Heimweg sei er festgenommen und auf das Polizeirevier gebracht worden. Drei Wochen
habe man ihn festgehalten, verhört und gefoltert. Kurze Zeit nach seiner Freilassung sei
es erneut zu einer Durchsuchung in seiner Schneiderei gekommen. Danach hätten noch
weitere seiner Mitarbeiter gekündigt, und er sei gezwungen gewesen, die Schneiderei
zu schließen.
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Während des Hungerstreiks der politischen Gefangenen im Jahr 1996 habe er den
Streik unterstützt und Flugblätter verteilt. Auch in dieser Zeit sei er wieder für eine
Woche festgenommen worden.
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An der Demonstration anlässlich der Tötung von M. E. habe er sich ebenfalls beteiligt.
Einen Tag später sei die Polizei bei ihnen erschienen und habe ihre Wohnung
durchsucht. Weil er nicht da gewesen sei, habe man seine Frau mitgenommen und sie
drei Tage lang festgehalten und verhört. Danach habe er sich endgültig entschlossen,
die Türkei zu verlassen. Zunächst habe er sich bei Freunden versteckt und dann,
nachdem der Kontakt zu den Schleppern zustande gekommen sei, mit seiner Familie
die Türkei verlassen.
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Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge (Bundesamt) am 13.05.1997 trug der Kläger vor: Ende 1991 sei er nach
Istanbul gezogen. Er habe am 21.07.1996 an der Beerdigung des M. E. teilgenommen.
Alle Teilnehmer seien von der Polizei gefilmt worden. Die Polizei sei dann zu ihrer
Wohnung gekommen und habe nach ihm gefragt. Dann hätten sie den bei der
Beerdigung aufgenommenen Film seiner Frau dargelegt. Seine Frau sei zu diesem
Zeitpunkt schwanger gewesen. Man habe sie gefragt, wo er, der Kläger zu 1., sich
aufhalte. Als sie gesagt habe, dass sie das nicht wisse, habe man sie beleidigt und
gedroht, dass man ihn töten werde. Er selbst sei zu diesem Zeitpunkt nicht zuhause
gewesen und habe sich dann bei Freunden versteckt.
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Den Hungerstreik der politischen Gefangenen habe er unter anderem dadurch
unterstützt, dass er mit den Freunden von der DEV-SOL im Zentrum von Bagcilar ein
Feuer angezündet habe. Die Straße kenne er nicht, es müsse die Bagcilar-Straße
gewesen sein, die bis zum Ortsteil Haznadar führe. Er habe auch Flugblätter der DEV-
SOL verteilt, auf denen auf diese Aktion hingewiesen worden sei. Er sei seit 1992
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Mitglied dieser illegalen Partei, ihr Führer sei E1. L. , sie wolle eine kommunistische,
eine linke Ideologie verwirklichen. In der letzten Zeit habe er keinen Kontakt mehr zur
Partei gehabt, da er sich versteckt gehalten habe. Seine Frau habe er erst am Tag der
Ausreise wieder gesehen. An dem Tag habe er auch zum ersten Mal sein jüngstes Kind
gesehen.
Die Klägerin zu 2. führte bei der Anhörung aus, sie sei bereits früher in Deutschland
gewesen. Ihr Vater habe sich als Gastarbeiter hier aufgehalten. 1984 sei die Familie in
die Türkei zurückgekehrt. Sie seien in der Türkei wegen ihres Mannes unterdrückt
worden. Der sei bei der DEV-SOL aktiv gewesen. Auch ein Bruder und ein Cousin ihres
Mannes hätten die DEV-SOL unterstützt. Einmal sei auch sie festgenommen worden. Es
sei vom 22.07. bis 25.07.1996 gewesen. Ihr Mann habe zuvor an einer Beerdigung
teilgenommen. Man habe sie beleidigt und geschlagen. Auch nach ihrer Haftentlassung
seien die Sicherheitskräfte ziemlich oft zu ihnen nach Hause gekommen, tags und auch
nachts. Sie hätten wissen wollen, wo sich ihr Mann aufhalte.
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Mit Bescheid vom 11.07.1997 lehnte das Bundesamt die Asylanträge der Kläger ab,
verneinte Abschiebungsschutz nach §§ 51 Abs. 1 und 53 AuslG und forderte die Kläger
unter Androhung der Abschiebung zum Verlassen des Bundesgebietes innerhalb eines
Monats nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens auf.
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Die Kläger haben am 06.08.1997 Klage erhoben und zur Begründung weiter ausgeführt,
der Kläger zu 1. sei kein aktives Mitglied der DEV-SOL gewesen, insoweit liege ein
Missverständnis vor. Er sei nur aktiver Sympathisant dieser Gruppierung gewesen. Er
habe sie unterstützt, indem er z.B. an Flugblattaktionen, Demonstrationen und
Veranstaltungen teilgenommen habe. Allerdings sei er aktives Mitglied eines
Kulturvereins in Bagcilar gewesen, in dem sich viele DEV-SOL- Sympathisanten
getroffen hätten. Dieser Verein sei von Außenstehenden zum Teil als DEV-SOL-Verein
bezeichnet worden.
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Soweit die Klage ursprünglich auch auf Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung
der Kläger als Asylberechtigte nach Art. 16 a Abs. 1 GG gerichtet war, haben die Kläger
sie in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.
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Die Kläger beantragen nunmehr,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 11.07.1997 zu verpflichten
festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG vorliegen,
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hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG vorliegen.
16
Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und die in den sog.
"Generalakten" vorhandenen Auskünfte und Presseberichte zur Lage der Türkei sowie
das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Das Verfahren war nach § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen, soweit die Kläger die
Klage in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen haben.
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Die Klage auf Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung, dass hinsichtlich aller
Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG für die Türkei vorliegen, ist nur für
die Kläger zu 1. und 2 begründet. Insoweit ist der angefochtenen Bescheid rechtswidrig
und verletzt die Kläger zu 1. und 2. in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1
VwGO), denn ihnen droht bei einer Abschiebung in die Türkei politische Verfolgung im
Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG. Eine Anerkennung nach Art. 16 a Abs. 1 GG kommt nicht
in Betracht, weil die Kläger auf dem Landweg und damit zwangsläufig über einen
sicheren Drittstaat eingereist sind (§ 26 a Abs. 1 AsylVfG) und die Ausnahmeregelungen
des § 26 a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG nicht greifen.
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Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG liegen vor. Auch im Rahmen des
Abschiebungsschutzbegehrens auf Grund dieser Vorschrift gelten - von Besonderheiten
bei selbstgeschaffenen Nachfluchtgründen abgesehen, die hier nicht zum Tragen
kommen, - die Grundsätze, die für die Auslegung des Art. 16 a Abs. 1 GG entwickelt
wurden, denn beide Vorschriften sind deckungsgleich, soweit es die
Verfolgungshandlung, das geschützte Rechtsgut und den politischen Charakter der
Verfolgung betrifft.
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BVerwG, Urteil vom 28.04.1998 - 9 C 1.97 -, DVBl. 1998, 1020; vgl. auch OVG NRW,
Urteil vom 28.07.1998 - 25 A 1717/96.A -.
24
In Anlehnung an das durch den Zufluchtgedanken geprägte normative Leitbild des
Asylgrundrechts gelten auch für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch
Verfolgter im Sinne des § 51 Abs. 1 AuslG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nach dem,
ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender
politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik
Deutschland gekommen ist. Im erstgenannten Fall ist Abschiebungsschutz zu
gewähren, wenn der Ausländer vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein
kann. Hat der Ausländer sein Heimatland jedoch unverfolgt verlassen, so kann sein
Feststellungsbegehren nach § 51 Abs. 1 AuslG nur Erfolg haben, wenn ihm auf Grund
von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht.
25
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 02.07.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341, 360;
Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a., BVerfGE 80, 315, 344 f.; BVerwG, Urteil
vom 05.07.1994 - 9 C 1.94 -; OVG NW, Urteil vom 28.07.1998 - 25 A 1717/96.A -.
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Bei Anwendung dieser Grundsätze kommt den Klägern zu 1. und 2. der herabgestufte
Prognosemaßstab zugute. Denn sie sind im April 1997 auf der Flucht vor bereits
erlittener und erneut unmittelbar drohender politischen Verfolgung aus der Türkei
ausgereist.
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Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an
seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn
unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt,
die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen
Einheit ausgrenzen.
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Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989, a.a.O. (333 ff.).
29
Diese Anforderungen sind hier erfüllt.
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Auf Grund des Akteninhalts und der eingehenden Anhörung der Kläger zu 1. und 2. in
der mündlichen Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger
zu 1. wegen seiner politischen Aktivitäten - u.a. für die DEV-SOL - im März 1993, im
März 1995 und im Frühsommer 1997 für zwei, drei bzw. eine Woche(n) festgenommen
und jedenfalls anlässlich der ersten beiden Inhaftierungen gefoltert worden ist. Nach
dem 22.07.1996 musste er konkret mit einer erneuten Inhaftierung und mit Folter
rechnen, nachdem die Sicherheitskräfte vergeblich versucht hatten, ihn in seiner
Wohnung festzunehmen. Die Klägerin zu 2. hat glaubhaft geschildert, wegen der
politischen Aktivitäten ihres Mannes vom 22. bis zum 25.07.1996 inhaftiert gewesen zu
sein und bei dieser Inhaftierung asylrelevante Misshandlungen erduldet zu haben.
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Die Zweifel, die wegen der Unfähigkeit oder des Unwillens des Klägers zu 1.,
Einzelheiten zu schildern, an der Glaubhaftigkeit seiner Aussage trotz
widerspruchsfreier und konstanter Schilderung der Ereignisse zwischen 1993 und 1996
zunächst noch bestanden, hat die Klägerin zu 2. mit ihrer Aussage ausgeräumt. Das
Gericht hält diese Klägerin wegen der Art und Weise, wie sie bei ihren Schilderungen
differenziert, aber auch nach dem Eindruck, den es von ihrer Persönlichkeit in der
mündlichen Verhandlung gewonnen hat, für uneingeschränkt glaubwürdig. Die Klägerin
hat die Aussagen ihres Ehemannes über seine politischen Aktivitäten in der Türkei und
den Zeitpunkt und die Zeitdauer der Inhaftierungen bestätigt. In einem Fall konnte sie
sich genau an die Umstände der Festnahme erinnern, in den anderen beiden Fällen
wusste sie nicht mehr genau, wann und unter welchen Umständen sie von der
Inhaftierung ihres Mannes erfahren hatte. Gerade diese Differenzierung zwischen der
Darstellung einer sicheren Erinnerung und damals angestellten Vermutungen macht
ihre Aussage glaubhaft. Weil das Gericht aufgrund ihrer Aussage davon überzeugt ist,
dass der Kläger zu 1. tatsächlich drei Mal in Zusammenhang mit seiner Tätigkeit für die
DEV-SOL inhaftiert war, hält es auch seine Schilderungen von in der Haft erlittener
Folter für glaubhaft.
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Auch dass die Klägerin zu 2. in den frühen Morgenstunden des 22.07.1996
festgenommen worden ist, nachdem die Sicherheitskräfte ihren Ehemann nicht zuhause
angetroffen hatten, steht zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Klägerin zu 2. hat
diesen Vorfall - im Kern- und im Randgeschehen - detailliert geschildert, mit so
eindeutiger emotionaler Beteiligung, dass kein Zweifel daran bestehen kann, dass sie
über selbst Erlebtes berichtete. Die der damals im vierten oder fünften Monat
schwangeren Klägerin zugefügten Schläge, Tritte und sexuellen Übergriffe überschritten
auch deutlich die asylrelevante Eingriffsschwelle. Vor dieser erlittenen politischen
Verfolgung ist die Klägerin geflüchtet. Dass es danach noch fast neun Monate dauerte,
bis sie die von ihrem Ehemann aus dem Untergrund organisierte Ausreise antreten
konnte, ist nachvollziehbar.
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Nachdem das Gericht den von der Klägerin geschilderten Vorfall am 22.07.1996 glaubt,
steht auch fest, dass der Kläger zu 1., dessen die Sicherheitskräfte an dem Tag
eigentlich habhaft werden wollten, bei einem erneuten Aufgriff Haft und Folter hätte
fürchten müssen und weiterhin fürchten muss. Auch er ist damit auf der Flucht vor
bereits erlittener und erneut unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist.
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Der den Klägern zu 1. und 2. danach gem. § 51 Abs. 1 AuslG zu gewährende
Abschiebungsschutz ist nicht nach Abs. 3 derselben Norm ausgeschlossen. Zwar
bekennen sich die Kläger zu 1. und 2. dazu, gemeinsam mit weiteren Anhängern der
seit dem 06.08.1998 verbotenen DHKP-C in einem Verein (Özgür Der) aktiv zu sein, der
möglicherweise als Ersatz- oder Nachfolgeorganisation der DHKP-C anzusehen ist.
Bislang ist aber nicht nachgewiesen, dass sie über die eingeräumten
Unterstützungshandlungen - Teilnahme an Veranstaltungen, Prozessbeobachtung,
Verkauf/Verteilen von Publikationen, Bewirtung von Vereinsmitgliedern und
Sympathisanten - hinaus auch erhebliche eigene Gewaltbeiträge geleistet haben. Damit
sind die Voraussetzungen für den Ausschluss vom Abschiebungsschutz für politisch
Verfolgte nicht erfüllt.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 30.03.1999 - 9 C 22.98 -, BVerwGE 109, 25 = NVwZ 1999,
1353 = InfAuslR 1999, 371.
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Einer Entscheidung zu § 53 AuslG bedarf es für die Kläger zu 1. und 2. nicht, da die
Beklagte verpflichtet ist, für sie das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1
AuslG festzustellen (§ 31 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG).
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Die 1992 und 1996 geborenen Kläger zu 3. und 4. sind nicht politisch verfolgt im Sinne
des § 51 Abs. 1 AuslG. Sie waren weder vor ihrer Ausreise im April 1997
Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt noch müssten sie bei einer Rückkehr in die Türkei
zum jetzigen Zeitpunkt entsprechende Maßnahmen fürchten. Aufgrund ihres Alters droht
bislang auch keine Gefahr, dass sie unter dem Gesichtspunkte der Sippenhaft in eine
ihren Eltern drohende Verfolgung einbezogen werden könnten. Auch solche
Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG, über die das Bundesamt für die
Anerkennung ausländischer Flüchtlinge zu befinden hat, sind nicht ersichtlich.
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Die an die Kläger zu 3. und 4. gerichtete Ausreiseaufforderung und die
Abschiebungsandrohung finden ihre Rechtsgrundlagen in §§ 67 Abs. 1 Nr. 6, 34 Abs. 1,
38 Abs. 1 AsylVfG, 42 Abs. 1, 50 AuslG.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 155 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 83 b Abs. 1
AsylVfG. Der Ausspruch über ihre vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO
i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.
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