Urteil des VG Minden vom 08.11.2010

VG Minden (sozialer wohnungsbau, öffentlich, öffentliches recht, grundstück, verwaltung, gebäude, anordnung, träger, antrag, verwaltungsgericht)

Verwaltungsgericht Minden, 2 L 451/10
Datum:
08.11.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 451/10
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe:
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Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO),
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den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verurteilen, dem Besitzer
des Grundstücks M.-------straße 12 in C. T1. Veränderungen an dem Gebäude und dem
Grundstück zu untersagen, um später den Verkauf des Grundstücks M.-------straße 12
rückgängig zu machen und der Antragstellerin die Möglichkeit zu geben, das Gebäude
zu einem mindestens 20.000,- EUR höheren Preis zu erwerben,
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hat keinen Erfolg.
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Der Verwaltungsrechtsweg ist gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet. Danach ist der
Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten
nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundes-
oder Landesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugwiesen sind. Ob eine
Streitigkeit als öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich einzuordnen ist, richtet sich, wenn
eine ausdrückliche gesetzliche Rechtswegzuweisung fehlt, nach der Natur des
Rechtsverhältnisses, aus dem der im Rechtsstreit geltend gemachte Anspruch
hergeleitet wird.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 06.11.1986 - 3 C 72.84 -, BVerwGE 75, 109; Urteil vom
19.05.1994 - 5 C 33.91 -, BVerwGE 96, 71.
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Bei Grundstücksgeschäften ist hinsichtlich der Natur des Rechtsverhältnisses zu
differenzieren. Ein solches Geschäft, das ein Träger öffentlicher Verwaltung im Rahmen
fiskalischer Hilfsgeschäfte tätigt, etwa der Erwerb eines Grundstücks für den Zweck der
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Errichtung eines Verwaltungsgebäudes, ist als privatrechtlich zu qualifizieren. Auch
schließt nicht jede Verwirklichung öffentlicher Zwecke - etwa im Rahmen der sog.
Daseinsfürsorge - es aus, dass dies in privatrechtlichen Handlungsformen geschieht.
Der Umstand, dass etwa wegen der einschlägigen kommunalrechtlichen
Organisationsvorschriften bei Rechtsgeschäften, die über die laufende Verwaltung
hinausreichen, besondere kommunale Beschlussgremien eingeschaltet sind, ändert
ebenfalls am Rechtscharakter entsprechender Grundstücksgeschäfte als
privatrechtliche Geschäfte nichts. In der Rechtsprechung ist aber anerkannt, dass einer
privatrechtlichen "Abwicklungsstufe" einer Grundstücksveräußerung und -übertragung
die Stufe einer öffentlich-rechtlichen Entscheidung vorausgeht, wenn Träger öffentlicher
Verwaltung mit ihrer im Privatrecht abzuwickelnden Entscheidung hoheitliche Zwecke
verfolgen. Dieses ist insbesondere im Bereich der Vergabe öffentlicher Subventionen
wie auch bei der Zulassung zu öffentlichen Einrichtungen anerkannt. Im Zweifel liegt bei
solcher Art Aufgabenerfüllung ein Handeln auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts vor.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.06.2000 - 21 E 472/00 -, OVGE MüLü 48, 138; OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 01.09.1992 - 7 E 11459/92 -, DVBl. 1993, 260.
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Beim Handeln eines Trägers öffentlicher Verwaltung, bei dem eindeutig öffentlich-
rechtliche Zwecke wie zum Beispiel die Subventionierung ortsansässiger Gewerbe-
treibender, die Wohnungsbauförderung von Gemeindebürgern, die Verbesserung der
Gemeindeinfrastruktur oder sonst die Förderung bestimmter Personengruppen im
Vordergrund stehen, hat jedenfalls die auf der Grundlage von § 2 i.V.m. § 90 Abs. 1 der
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (GO NRW) erfolgende (Auswahl-
)Entscheidung über die Zuteilung der zu veräußernden gemeindeeigenen Grundstücke
und damit die Auswahl unter den Bewerbern öffentlich-rechtlichen Charakter. Dies gilt
auch dann, wenn die "Abwicklungsstufe", d.h. der Abschluss der
Grundstückskaufverträge und die Übertragung des Grundeigentums in der Folge dem
Privatrecht unterliegt.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.06.2000 - 21 E 472/00 -, OVGE MüLü 48, 138; OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 01.09.1992 - 7 E 11459/92 -, DVBl. 1993, 260.
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Im Übrigen sind Rechtsschutzbegehren, die darauf gerichtet sind, einem Träger
öffentlicher Verwaltung auf bestehendes oder vermeintliches öffentliches Recht
gestütztes Handeln zu gebieten oder zu verbieten, im Zweifel als öffentlich-rechtlich zu
qualifizieren, weil den Zivilgerichten die Möglichkeit zu entsprechenden
Entscheidungen fehlt.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30.06.2000 - 21 E 472/00 -, OVGE MüLü 48, 138.
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Gemessen daran handelt es sich bei diesem Verfahren um eine öffentlich-rechtliche
Streitigkeit, die keiner anderen Gerichtsbarkeit ausdrücklich zugewiesen ist. Die
Antragstellerin begehrt zum einen, dem Antragsgegner als Träger öffentlicher Gewalt
ein Handeln durch eine gerichtliche einstweilige Anordnung zu gebieten. Zum anderen
ist dieses Handeln des Antragsgegners durch die Verfolgung öffentlich-rechtlicher
Zwecke geprägt. Nach der Beschlussvorlage der Stadt C. T1. Nr. 147/2008 vom
19.05.2008 sollte der das Grundstück M.-------straße 12 betreffende Erbbauvertrag mit
dem B. C1. P. -M1. e.V. zur Verwirklichung einer mietpreisgebundenen Wohnform für
Senioren (sozialer Wohnungsbau) abgeschlossen werden. Entsprechend der daraufhin
getroffenen Beschlussfassung enthält der Erbbauvertrag eine solche Zweckbestimmung
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des Grundstücks. Die Entscheidung, das Grundstück zu diesem der Sicherstellung
ausreichenden Wohnraums für bestimmte soziale Gruppen dienenden Zweck und auf
diesem Weg dem B. C1. P. -M1. e.V. zur Verfügung zu stellen, ist dem öffentlichen
Recht zuzuordnen. Dafür spricht zudem, dass die Rechtsgrundlagen der Entscheidung,
auf welche die Antragstellerin nun im Wege der einstweiligen Anordnung einwirken
möchte, Vorschriften des öffentlichen Rechts sind, nämlich § 90 Abs. 3 und 4 GO NRW.
Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Es fehlt an der nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 der
Zivilprozessordnung (ZPO) erforderlichen Glaubhaftmachung eines
Anordnungsanspruchs. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht eine
einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr
besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung
eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Der
für eine solche Anordnung erforderliche Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit) und der
Anordnungsanspruch (materiell-rechtlicher Anspruch) sind vom Antragsteller
darzulegen und glaubhaft zu machen.
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Es ist schon nicht hinreichend dargelegt, woraus sich ein Anspruch der Antragstellerin
darauf ergeben könnte, dass der Antragsgegner verpflichtet sein könnte, dem Besitzer
des Grundstücks und Gebäudes M.-------straße 12 Veränderungen an dem Gebäude und
dem Grundstück zu untersagen, um ihr, der Antragstellerin, später die Möglichkeit zu
geben, das Gebäude und Grundstück M.-------straße 12 zu kaufen bzw. einen
Erbbauvertrag zu schließen. Dabei mag dahingestellt bleiben, ob der Antragsgegner
überhaupt in der Lage ist, den mit dem B. C1. P. -M1. e.V. abgeschlossenen Vertrag
rückgängig zu machen. Ein Verpflichtungserklärung, aus der ein Anspruch der
Antragstellerin auf Übertragung des Grundstücks und des Gebäudes folgen könnte, hat
der Antragsgegner ihr gegenüber jedenfalls nicht abgegeben. Vielmehr hat der
Antragsgegner ihr mit Schreiben vom 25.08.2010 mitgeteilt, dass er ihr Kaufangebot für
die Immobilie M.-------straße 12 nicht berücksichtigen könne, weil der B. aufgrund eines
Ratsbeschlusses aus dem Jahr 2008 eine verbindliche Kaufzusage erteilt worden sei,
an welche die Stadt gebunden sei. Außerdem sei der Vertrag inzwischen
abgeschlossen.
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Dass sich aus § 90 Abs. 3 GO NRW ein Anspruch der Antragstellerin ergeben könnte,
ist ebenfalls nicht ersichtlich. Gemäß § 90 Abs. 3 GO NRW darf die Gemeinde
Vermögensgegenstände, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben in absehbarer Zeit nicht
braucht, veräußern. Vermögensgegenstände dürfen in der Regel nur zu ihrem vollen
Wert veräußert werden (§ 90 Abs. 3 Satz 2 GO NRW). Selbst wenn, wie die
Antragstellerin vorträgt, in diesem Fall ein Verstoß gegen § 90 Abs. 3 GO NRW
vorliegen sollte, weil das Gebäude und das Grundstück der B. zu einem zu geringen
Preis übergeben worden sein sollten, würde dies keinen Anspruch gerade der
Antragstellerin auf Sicherungsmaßnahmen zugunsten eines späteren Erwerbs durch sie
begründen.
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Soweit die Antragstellerin mit der Rüge erheblicher Verfahrensfehler durch einen nicht
öffentlichen Verkauf und fehlender Transparenz sinngemäß einen Verstoß gegen eine
Ausschreibungsverpflichtung des Antragsgegners geltend macht, ist damit ein ihr
zustehender Anspruch ebenfalls nicht dargelegt. Offen bleibt insofern, woraus sich die
Ausschreibungsverpflichtung des Antragsgegners ergeben könnte. Die Antragstellerin
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geht insofern im Rahmen ihrer Klagebegründung selbst davon aus, dass aus
Rechtsgründen eine solche Ausschreibung nicht zwingend vorgeschrieben sei.
Vgl. zur Problematik einer Ausschreibungspflicht kommunaler Immobiliengeschäfte:
EuGH, Urteil vom 25.03.2010 - Rs. C-451/08 (Helmut Müller GmbH ./. Bundesanstalt für
Immobilienaufgaben) -, NJW 2010, 2189 ff.
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Die Kostentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 des
Gerichtskostengesetzes. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass es der
Antragstellerin im Rahmen des Verfahrens auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
vorrangig um Sicherungsmaßnahmen gegenüber dem Besitzer der Immobilie M.-------
straße 12 geht und nicht - wie im Klageverfahren - um den Erwerb des Grundstücks. Vor
diesem Hintergrund bemisst die Kammer den Streitwert im Verfahren auf Gewährung
vorläufigen Rechtsschutzes mit der Hälfte des Auffangwertes von 5.000,- EUR (vgl. § 52
Abs. 2 GKG sowie Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in
der Fassung von Juli 2004 (NVwZ 2004, 1327 ff.)).
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