Urteil des VG Minden vom 12.04.2006

VG Minden: grundsteuer, erlass, gemeinde, vermieter, zustand, vermietung, minderung, zahlungsunfähigkeit, darlehen, wohnungsmarkt

Verwaltungsgericht Minden, 11 K 1807/05
Datum:
12.04.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 1807/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger ist Erbbauberechtigter der mit zweistöckigen Wohnhäusern bebauten
Grundstücke B. E. 1, 3 bis 21, 23, 25 und 27, C1.-----straße 1 bis 8 sowie N.------straße 1
bis 24, 26, 28, 30, 32, 34, 36, 38, 40 und 42 in der Gemeinde B1. . Eigentümer der
Grundstücke ist der Bund, der seinerzeit der Rechtsvorgängerin des Klägers für die
Vermietung der Wohnungen an Angehörige des öffentlichen Dienstes Darlehen aus
Wohnungsfürsorgemitteln des Bundes gewährt hatte. Im Gegenzug hatte sich die
Rechtsvorgängerin des Klägers verpflichtet, dem Bund bis zur vollständigen Tilgung der
Darlehen Wohnungsbesitz an den geförderten Wohnungen einzuräumen. Die
Wohnungsbesetzungsrechte und die Wohnungsfürsorgedarlehn wurden zu Gunsten
des Bundes in den Grundbuchblättern des Grundbuches von B1. gesichert. Die
Wohnungen wurden seinerzeit von Soldaten der in der Gemeinde B1. stationierten
Bundeswehreinheiten bewohnt. Nach Veräußerung der Wohnungen an den Kläger
schloss der Bund mit dem Kläger am 11.3.1997 einen Auflösungsvertrag, mit dem die für
die oben angegebenen Objekte abgeschlossenen Darlehensverträge einvernehmlich
aufgehoben und die Darlehen zurückgezahlt wurden. Die darlehensvertraglich
vereinbarten Wohnungsbesetzungsrechte sowie die Mietpreisbindung wurden
aufgehoben. In dem Auflösungsvertrag verpflichtete sich der Kläger, frei werdende
Wohnungen dem Bund zur Besetzung anzubieten und mit den vom Bund als Mieter
benannten Personen Mietverträge abzuschließen.
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Nach der teilweisen Auflösung der Bundeswehreinheiten in B1. kam es in der Folgezeit
dazu, dass ein Großteil der Wohnungen nicht mehr vermietet werden konnte und
seitdem leer steht. Die belegten Wohnungen wurden zunächst von nach B1.
zugezogenen Spätaussiedlern, in letzter Zeit zu einem Großteil von
Sozialhilfeempfängern bewohnt.
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Wegen der Mietausfälle gewährte der Beklagte dem Kläger in den Jahren 1999 bis 2003
einen teilweisen Erlass der Grundsteuer.
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Mit Bescheid vom 9.1.2004 wurde der Kläger für die oben genannten Grundstücke zu
einer Grundsteuer in Höhe von 37.633,96 EUR veranlagt. Der Bescheid ist
bestandskräftig.
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Mit Schreiben vom 29.3.2005 beantragte der Kläger erneut, ihm die geleistete
Grundsteuer für 2004 teilweise zu erlassen. Zur Begründung des Antrages führte er aus:
Bei den meisten der Grundstücke sei eine erhebliche Ertragsminderung zu verzeichnen,
die auf enorme Leerstände der Wohnungen zurückzuführen sei. Die Neuvermietung sei
inzwischen mehr als schwierig geworden. Trotz intensiver Bemühungen gelinge es
zunehmend seltener, eine Wohnung zu vermieten. Grund hierfür sei insbesondere die
schlechte wirtschaftliche Situation der potenziellen Mieter, da alle in Frage kommenden
Mieter eine schlechte wirtschaftliche Auskunft hätten, sodass eine Vermietung nicht
möglich sei. Außerdem sei die schlechte wirtschaftliche Situation der Mieter für die
enormen Ertragsminderungen verantwortlich. Viele Mieter hätten eine überaus
schlechte Zahlungsmoral oder seien größtenteils tatsächlich nicht in der Lage, die
Mieten pünktlich und vollständig aufzubringen. Dementsprechend viele
Räumungsklagen, Mahnverfahren, Vollstreckungsverfahren usw. seien anhängig.
Vollstreckungsverfahren und Pfändungen seien auf Grund der hohen Arbeitslosigkeit
und der Bedürftigkeit der Mieter ohne Erfolg geblieben.
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Mit Bescheid vom 31.3.2005 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers ab und führte
zur Begründung aus: Die vom Kläger angeführten Mietausfälle, die auf die enormen
Leerstände von Wohnungen zurückzuführen seien, seien bei der Ermittlung des
normalen Rohertrages zu berücksichtigen und könnten deshalb nicht als Minderung
gegenüber diesem angesehen werden. Die Ertragsminderung beruhe allein auf einer
Veränderung der allgemeinen Wertverhältnisse, die grundsätzlich alle Vermieter in
vergleichbarer Weise treffe. Da auf Grund des nachhaltigen Überangebotes bestimmter
Mietobjekte ein Teil der Wohnungen seit Jahren nicht zu vermieten sei, könne nicht
mehr von einem zufälligen oder vorübergehenden Leerstand ausgegangen werden.
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Gegen diesen Bescheid legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz
vom 30.6.2005 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Die Leerstände seien
nicht auf die allgemeine wirtschaftliche Lage zurückzuführen, sondern auf Grund der
Reduzierung der in B1. ansässigen Soldaten eingetreten. Dies habe den Kläger nicht
wie alle anderen Vermieter der Region getroffen. Die Ertragsminderung sei deshalb
atypisch und besonders schwer. Neuvermietungen seien an der Auflage der
Elektrizitätswerke gescheitert, die Hausverteilung bei jeder Neuvermietung
auszutauschen und zu erneuern. Ohne diese Auflagen wären die Leerstände erheblich
geringer gewesen. Zudem seien in erheblichen Maße Mietausfälle eingetreten, weil die
Mieter zahlungsunfähig gewesen sein.
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Mit Bescheid vom 19.7.2005 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Zur Begründung führte er ergänzend aus: Zwar sei es richtig, dass sich die Wohnobjekte
des Klägers in unmittelbarer Nähe der Kaserne befänden. Es handele sich aber
trotzdem nicht um eine so genannte "Soldatensiedlung". Der Ansiedlungsbereich der
Soldaten in B1. sei stark zerstreut. Insoweit sei der Kläger trotz des Standortes der
Häuser nicht stärker von der Truppenreduzierung betroffen, als andere Vermieter. Auf
Grund des bereits seit 1999 bestehenden Leerstands eines Großteils der Wohnungen
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könne nicht von einer atypischen, vorübergehenden Ertragsminderung ausgegangen
werden. Die Minderung des Rohertrages sei auch vom Kläger zu vertreten. Der
verlangte Mietpreis werde von potenziellen Mietern offenbar für die gebotene
Wohnungssituation als unangemessen empfunden. Der Leerstand könne durch den
Kläger als Vermieter dadurch verringert werden, dass er entweder eine dem Zustand der
Wohnungen und Häuser angemessen Miete verlange oder Instandhaltungsarbeiten
vornehme, welche zu einer Verbesserung der Wohnqualität führen.
Der Kläger hat daraufhin am 18.8.2005 Klage erhoben und ergänzend vorgetragen: Es
sei unzutreffend, dass die Wohnungen sich in einem schlechten Zustand befinden
würden. Er habe in den letzten Jahren umfangreiche Renovierungsmaßnahmen
durchgeführt. Der erwartete Mietpreis von rund 3,00 EUR bis 4,80 EUR kalt sei
angemessen. Der gleichwohl bestehende Leerstand sei im Wesentlichen auf die
Truppenreduzierung in der Gemeinde B1. zurückzuführen. Zum Zeitpunkt des Erwerbes
des Erbbaurechts seien noch ca. 50 % der Wohnungen mit Soldaten belegt gewesen
Bei den Ertragsminderungen handele es sich deshalb um solche auf Grund der
tatsächlichen Eigenschaften des Grundstückes und seiner Umgebung, die nach der
Rechtsprechung des BVerwG einen Erlassanspruch begründen.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 31.3.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides
vom 19.7.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts über den Erlassantrag neu zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt zur Begründung des Klageabweisungsantrages ergänzend vor: Es werde
bestritten, dass im Jahre 1997 die Hälfte der Wohnungen an Soldaten vermietet
gewesen sei. Vielmehr sei bereits in den 80er-Jahren die Vermietung an Soldaten
rapide zurückgegangen. Die Wohnanlage sei danach überwiegend von
Sozialhilfeempfängern und von Seiten der Gemeinde eingewiesener Obdachloser
bewohnt worden. Später seien die Wohnungen zu einem Großteil an Aussiedler
vermietet worden. Als der Kläger 1996 die Wohnanlage erworben habe, habe diese
bereits seit einigen Jahren nicht mehr den Charakter einer Soldatensiedlung gehabt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage hat keinen Erfolg.
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Sie ist - ungeachtet der Tatsache, dass die Klage mit dem ausdrücklichen gestellten
Bescheidungsantrag (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO) schon unzulässig ist, weil der Erlass
der Grundsteuer nach § 33 GrStG nicht im Ermessen des Beklagten steht -jedenfalls
unbegründet. Der Beklagte hat mit Bescheid vom 31.3.2005 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 19.7.2005 zu Recht den (teilweisen) Erlass der für das
Veranlagungsjahr 2004 festgesetzten Grundsteuer ablehnt, weil die tatbestandlichen
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Voraussetzungen für einen Erlass nach § 33 GrStG nicht vorliegen.
Ein Anspruch auf Erlass oder teilweisen Erlass der festgesetzten Grundsteuer ergibt
sich nicht aus § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG. Danach setzt der Erlass voraus, dass der
normale Rohertrag des Grundstücks um mehr als 20 % gemindert ist und der
Steuerschuldner diese Minderung nicht zu vertreten hat. Gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2
GrStG ist normaler Rohertrag bei bebauten Grundstücken, deren Wert - wie hier - nach
dem Bewertungsgesetz (BewG) im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, die
Jahresrohmiete, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraumes
maßgebend wäre. Nach § 79 Abs. 1 BewG ist Jahresrohmiete das Gesamtgehalt, dass
der Mieter (Pächter) für die Benutzung des Grundstückes auf Grund vertraglicher
Vereinbarungen für ein Jahr zu entrichten hat. Statt des Betrages nach Abs. 1 gilt nach §
79 Abs. 2 Satz 2 BewG die übliche Miete als Jahresrohmiete u.a. für solche
Grundstücke, die der Eigentümer dem Mieter zu einer um mehr als 20 vom Hundert von
der üblichen Miete abweichenden tatsächlichen Miete überlassen hat. In diesen Fällen
ist die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete zu schätzen, die für Räume
gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.
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Zwar hat der Kläger durch Vorlage der im Verwaltungsverfahren und Klageverfahren
eingereichten Belege und Aufstellungen glaubhaft gemacht, dass der Rohertrag im o.g.
Sinne im Veranlagungszeitraum 2004 um mehr als 20 % gemindert war. Diese
Minderung des Rohertrages kann jedoch nicht im Erlassverfahren nach § 33 GrStG
Berücksichtigung finden.
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Nach der gesetzlichen Konzeption der Grundsteuer ist diese als ertragsunabhängige
Real- oder Objektsteuer ausgestaltet, die nicht nach Ertragsmerkmalen, sondern nach
dem Grundstückswert (Einheitswert) erhoben wird und deshalb auch bei ertragslosen
Grundstücken anfällt. Demnach können Ertragsminderungen im Erlassverfahren nach §
33 GrStG nur dann berücksichtigt werden, wenn sie zufälliger und vorübergehender Art
sind. Sind sie dagegen auf eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse i.S.d. § 22
Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG zurückzuführen, kommt eine Wertfortschreibung nach dem
BewG in Betracht, sodass ein Erlass der Grundsteuer schon nach § 33 Abs. 5 GrStG
ausscheidet. Ebenso scheidet ein Erlass der Grundsteuer nach § 33 GrStG aus, wenn
die Ertragsminderung auf die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse
("Wertverhältnisse" i.S.d. § 27 BewG) zurückzuführen ist, weil diese bei einer
Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraumes zu berücksichtigen wären.
22
Vgl. BVerwG, Urteile vom 4.4.2001 - 11 C 12.00 -, BVerwGE 114, 132 = DVBl. 2001,
1368 = DÖV 2001, 820, und vom 3.5.1991 - 8 C 13.89 -, DVBl. 1991, 1303, Beschluss
vom 10.2.1994 - 8 B 229.93 -, KStZ 1995, 34.
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Änderungen der tatsächlichen Verhältnisse i. S.d. § 22 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 BewG
betreffen das Bewertungsobjekt und seine nähere Umgebung, Wertverhältnisse i.S.d. §
27 BewG die allgemeinen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie die
Verkehrsverhältnisse im gesamten Gemeindegebiet, die sich im allgemeinen Markt- und
Preisniveau niedergeschlagen haben. Ob Veränderungen dieser Verhältnisse zufällig
und vorübergehend oder im Rahmen einer Hauptfeststellung zu berücksichtigen sind,
hängt von ihrer Nachhaltigkeit ab, wobei der nach § 21 Abs. 1 BewG geltende
Zeitabstand von sechs Jahren, in dem grundsätzlich die Einheitswerte festgestellt
werden, einen wesentlichen Anhalt bietet.
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Vgl. BVerwG, Urteile vom 4.4.2001 - 11 C 12.00 -, a.a.O.
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Der allgemeine und dauerhafte Leerstand von Wohnräumen auf Grund der jeweiligen
Marktverhältnisse scheidet damit als Erlassgrund nach § 33 GrStG aus, weil er weder
zufälliger noch vorübergehender Natur ist. Damit wird auch dem Umstand Rechnung
getragen, dass ein strukturell bedingtes Fehlen der Mieternachfrage alle Vermieter im
jeweiligen Gemeindegebiet vergleichbar trifft und eine Sonderbelastung im Einzelfall
nicht durch den Grundsteuererlass korrigiert werden kann.
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VGH Mannheim, Urteil vom 13.12.2001 - 2 S 1450/01 -, DÖV 2002, 580 = KStZ 2002,
194; Nds. OVG, Beschluss vom 3.12.2003 - 13 LA 213/03 -, DWW 2004, 31 = NVwZ
2004, 370 = ZKF 2004, 210; VG Düsseldorf, Urteil vom 20.2.2006 - 25 K 2094/99 -.
27
Gemessen an diesen Voraussetzungen hat der Kläger keinen Anspruch darauf, dass
ihm die festgesetzte Grundsteuer im geltend gemachten Umfang nach § 33 Abs. 1 Satz
1 GrStG erlassen wird. Die durch Mietzinsausfälle entstandenen Ertragsminderungen
sind weder zufällig noch vorübergehend, sodass sie nicht im Erlassverfahren nach § 33
GrStG berücksichtigt werden können.
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Aus den vom Kläger in den Jahren 1999 bis 2004 gestellten Erlassanträgen und den
diesen Anträgen beigefügten Unterlagen sowie den ergänzenden Angaben im
Klageverfahren ergibt sich, dass die geltend gemachten Ertragsminderungen zu einem
wesentlichen Teil auf den Leerstand von Wohnungen zurückzuführen sind. Bereits im
Erlassantrag vom 13.2.2004 (BA VII Bl. 2) gab der Kläger die Anzahl der leer stehenden
Wohnungen für das Veranlagungsjahr 2003 mit 95 an. Nach den vom Kläger mit
Schriftsatz vom 29.3.2006 (BA VIII) überreichten Aufstellungen der Mietverhältnisse und
Belegungen der Wohnungen - die sich im Wesentlichen mit den Angaben im Schreiben
vom 29.3.2005 an den Beklagten (BA I Bl. 72) decken - standen im folgenden
Veranlagungsjahr 2004 ca. 100 der 242 Wohneinheiten leer, ein Großteil der anderen
Wohnungen wurde im Jahr 2004 nur zeitweilig bewohnt. Im Schriftsatz der
Prozessbevollmächtigten vom 24.4.2006 wird der aktuelle Leerstand im April 2006 mit
nunmehr mit 103 Wohnungen angegeben.
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Von einem vorübergehenden Leerstand einzelner Wohnungen kann damit nach
Auffassung des Gerichts nicht ausgegangen werden, weil dieser Zustand sich seit
Jahren manifestiert und scheinbar - dies zeigen die obigen Zahlen - sogar
verschlimmert. Unabhängig von der zwischen den Beteiligten streitigen Einschätzung,
ob die Siedlung im Zeitpunkt des Erwerbes des Erbbaurechtes durch den Kläger im
Jahre 1996 noch den Charakter einer "Soldatensiedlung" hatte - so der Kläger - oder im
Wesentlichen bereits zu diesem Zeitpunkt von Spätaussiedlern und
Sozialhilfeempfängern bewohnt wurde - so der Beklagte - ist festzustellen, dass die
Belegung mit Soldaten nach den eigenen Angaben des Klägers jedenfalls seit dem
Erwerb im Jahre 1996 von 50 % auf 8 % zurückgegangen ist (Bl. 3 d.A.), ohne dass
hierfür gleichwertiger Ersatz geschaffen werden konnte. Der Kläger hat hierzu selber in
der Klageschrift vorgetragen, dass die Siedlung als Wohngegend gelte, in der man als
Nichtsoldat nicht wohne (Bl. 3 d.A.). Soweit der Prozessbevollmächtigte in der
mündlichen Verhandlung vom 12.4.2006 vorgetragen hat, der Leerstand sei nur
vorübergehend, weil zukünftig auf Grund einer verstärkten Truppenstationierung wieder
mit einer erhöhten Nachfrage von Soldaten nach diesen Wohnungen zu rechnen sei
und bereits entsprechende Mietverträge abgeschlossen worden seien, sind
entsprechende Unterlagen und Belege innerhalb der eingeräumten Schriftsatzfrist nicht
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vorgelegt worden. Auf Grund der erst Mitte 2006 beginnenden Stationierung zusätzlicher
Einheiten und Truppenteile und des ausreichenden attraktiven Wohnraumangebotes in
anderen Teilen der Gemeinde B1. - vgl. hierzu den Schriftsatz des Beklagten vom
20.4.2006 - dürfte zurzeit völlig offen sein, ob und in welchem Umfang leer stehende
Wohnungen des Klägers von den zuziehenden Soldaten nachgefragt werden. Der
Leerstand ist im übrigen auch nicht zufällig, sondern wird vom Kläger bewusst in Kauf
genommen. Nach den Angaben des Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift vom
17.8.2005 befindet sich nur ein Teil der Wohnungen in einem vermietbaren Zustand. In
den - so der Prozessbevollmächtigte (Bl. 7 d.A.) - durch die Truppenreduzierung leer
stehenden Wohnungen wurden die Stromzähler von den Elektrizitätswerken wegen
technischer Mängel (BA I Bl. 83) ausgebaut und wegen des "langen Leerstands" nicht
erneuert bzw. die Wohnungen nicht renoviert. Offensichtlich wird vom Kläger nur dann
eine Wohnung renoviert und in einen vermietbaren Zustand versetzt, wenn ein konkreter
Bedarf besteht. Nicht anders sind nach Auffassung des Gerichts jedenfalls die
Einlassungen des Klägers zu deuten (Bl. 8. d.A.), es mache keinen Sinn, 90
Wohnungen zu renovieren, wenn selbst für die bereits fertig renovierten Wohnungen
keine Mieter gefunden würden.
Im Ergebnis geht das Gericht deshalb davon aus, dass einen Großteil der Wohnungen -
in einer Größenordnung von 90 - 100 Wohnungen - seit Jahren leer steht und auch
zukünftig leer stehen wird, weil in der Gemeinde B1. genügend Wohnraum zur
Verfügung steht und eine Nachfrage auf dem freien Wohnungsmarkt für die Wohnungen
des Klägers nicht mehr vorhanden ist. Die durch Leerstand dieser Wohnungen
entstandenen Ertragsminderungen sind damit strukturbedingt im Sinne der o.g.
Rechtsprechung und können nicht zum (teilweisen) Erlass der Grundsteuer nach § 33
GrStG führen.
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Auch die Ertragsminderungen, die im Jahre 2004 nicht durch einen Leerstand der
Wohnungen verursacht wurden, sondern durch Mietrückstände können im
Erlassverfahren nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG nicht berücksichtigt werden. Hierbei
kann dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang diese auf berechtigten
Mietkürzungen der Mieter wegen Mängel der Mietsache und fehlerhafter
Nebenkostenabrechnungen - so der Beklagte im Schriftsatz vom 20.4.2006 - beruhten
oder - so der Kläger - auf der Zahlungsunwilligkeit bzw. Zahlungsunfähigkeit der
Mietparteien. Erstere sind dem Verantwortungsbereich des Vermieters zuzurechnen und
können schon deshalb nicht zu einem Erlass der Grundsteuer führen. Letztere können
zwar grundsätzlich als Ertragsminderung im Erlassverfahren nach § 33 GrStG
berücksichtigt werden,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 1991, - 8 C 13.89 -, BStBl II 1992,580 = KStZ 1991, 170 =
Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 24 = DVBl 1991, 1303 = NVwZ-RR 1992, 93 = ZKF
1992, 58; OVG Saarlouis, Beschluss vom 28. September 2001 - 1 Q 26/01 -, ZMR 2002,
707 = NVwZ-RR 2002, 885 = StRK GrStG 1973 § 33 R.16 = DWW 2005, 78; Abschnitt
38 Abs. 4 Satz 3 der Grundsteuerrichtlinien,
33
jedoch nach Auffassung des Gerichts nur dann, wenn es sich um atypische Einzelfälle
von zeitlicher begrenzter Wirkung, wie z.B. eine Insolvenz des Mieters, handelt, die sich
dem Einflussbereich des Grundstückseigentümers entziehen und die er deshalb nicht
zu vertreten hat. Nicht im Rahmen des § 33 GrStG berücksichtigungsfähig sind dagegen
Mietausfälle, die eine ganze Wohnsiedlung betreffen und auf Grund des
Erscheinungsbildes und des Charakters der Wohnanlage, dem Wohnumfeld und der
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sozialen Struktur der Mietbevölkerung auf Dauer angelegt und typischerweise zu
erwarten sind, mit der Vermietung billigend in Kauf genommen werden und damit dem
Einflussbereich des Vermieters zuzurechnen sind.
Von Ertragsminderungen der letzt genannten Art ist bei den vom Kläger vermieteten
Wohnungen im Wesentlichen auszugehen. Die durch Zahlungsunfähigkeit bzw.
Zahlungsunwilligkeit der Mieter entstandenen Mietausfälle wurden vom Kläger
fortlaufend seit 1999 in mehreren Erlassverfahren geltend gemacht und sind damit
schon nicht nur vorübergehender Art. Sie sind nach den eigenen Angaben des Klägers -
vgl. hierzu die Erlassanträge vom 13.2.2004 (BA VII Bl. 2) und 29.3.2005 (BA I Bl. 72) -
auf die wirtschaftlich schlechte Situation bzw. die schlechte Zahlungsmoral der
Mieterklientel zurückzuführen, die - dies ergibt sich aus der Aufstellung des Beklagten
(Bl. 58 ff d.A.) und ist vom Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung
bestätigt worden - zu einem erheblichen Teil aus Sozialhilfeempfängern besteht. Aus
der vom Kläger mit Schriftsatz vom 29.3.2006 (BA VIII) vorgelegte Liste ergibt sich
weiterhin, dass es sich bei durch Zahlungsunfähigkeit bzw. Zahlungsunwilligkeit der
Mieter entstandenen Mietausfällen nicht um Einzelfälle handelt. Die vom
Prozessbevollmächtigten des Klägers vorgelegte Aufstellung weist 95 (!) Mietparteien
aus, gegen die allein in den Jahren 2004/2005 wegen Mietrückständen gerichtlich und
außergerichtlich vorgegangen wurde. Das Gericht hat nach alledem keinen Zweifel
daran, dass die hier streitigen Wohnanlagen - wie vom Beklagten in der mündlichen
Verhandlung vorgetragen wurde - als "sozialer Brennpunkt" der Gemeinde B1.
anzusehen sind und auf Grund der Mieterklientel deshalb auf Dauer und nicht nur in
Einzelfällen mit Mietausfällen zu rechnen ist. Selbst der Kläger räumt - wie oben bereits
ausgeführt - ein (Bl. 7 d.A.), dass in der im Volksmund als "Kasernensiedlung"
bezeichnete Wohnanlage niemand wohnen wolle und es sehr schwierig sei, Mieter auf
dem freien Wohnungsmarkt zu finden. Auch die durch Mietausfälle entstandenen
Ertragsminderungen sind deshalb "strukturbedingt" im Sinne der o.g. Rechtsprechung
und können zu keinem Erlass der Grundsteuer nach § 33 GrStG führen.
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Ein Erlass der Grundsteuer nach § 227 AO kommt ebenfalls nicht in Betracht. Zwar
scheitert das Bestehen eines solchen Anspruches nicht deshalb, weil § 33 GrStG eine
die Anwendung des § 227 ZPO ausschließende Spezialregelung darstellt. Aus der
Unrentierlichkeit und selbst der Ertraglosigkeit eines Grundstückes lässt sich eine
unbillige Härte i.S.d. § 227 ZPO jedoch nicht herleiten. Dies folgt aus dem Wesen der
Grundsteuer als einer vom Ertrag unabhängigen Objektsteuer.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 21.9.1984 - 8 C 62/82 -, BStBl II 1984, 870 = BVerwGE 70, 162
= ZKF 1985, 14 = DVBl 1985, 129 = KStZ 1985, 31.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
38
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2, Abs. 1
VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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