Urteil des VG Minden vom 14.07.2005

VG Minden: wissenschaft und forschung, unechte rückwirkung, öffentliches interesse, studiengebühr, verfügung, erwerb, hochschulstudium, bayern, leistungsfähigkeit, studierender

Verwaltungsgericht Minden, 9 K 1728/04
Datum:
14.07.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 1728/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in
Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, falls nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
:
1
Die Klägerin nahm zum Wintersemester 2000/2001 an der privaten, staatlich
anerkannten Fachhochschule des Mittelstandes C. ein Studium im Studiengang
Medienwirtschaft auf. Dieses Studium schloss sie am 27. September 2003 mit dem
Diplom ab. Für dieses Studium zahlte sie Studiengebühren in Höhe von monatlich
460,16 EUR.
2
Im Wintersemester 2003/2004 schrieb sich die Klägerin an der Universität Q. im
Studiengang Pädagogik für das Lehramt ein. Seit dem Sommersemester 2004 studiert
sie Pädagogik im Diplomstudiengang.
3
Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Einführung von Studienkonten und zur Erhebung
von Hochschulgebühren - StKFG NRW - vom 28. Januar 2003 (GV. NRW. S. 36) und
der Verordnung über die Einrichtung und Führung von Studienkonten mit
Regelabbuchung sowie über die Erhebung von Gebühren an den Universitäten,
Fachhochschulen und Kunsthochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen - RVO-
StKFG - vom 17. September 2003 (GV. NRW. S. 570), später geändert durch Erste
Änderungsverordnung vom 09. August 2004 (GV. NRW. S. 428), zog der Beklagte die
Klägerin mit Bescheid vom 10. Februar 2004 für das Sommersemester 2004 zur
Zahlung einer Studiengebühr in Höhe von 650,00 EUR heran.
4
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit
Widerspruchsbescheid vom 08. April 2004 mit der Begründung zurück, dass für die
Klägerin kein Studienkonto eingerichtet worden sei, weil sie sich in einem Zweitstudium
befinde. Die bereits geleisteten Studiengebühren bei der Fachhochschule des
Mittelstandes C. könnten nicht berücksichtigt werden.
5
Mit ihrer am 07. Mai 2004 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
Die Erhebung von Studiengebühren verstoße gegen Art. 12 GG. Es handele sich um
eine subjektive Berufszugangsregelung, die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
nicht entspreche. Das Studienkontenmodell verstoße auch gegen das
Sozialstaatsgebot, weil es Tatsachen schaffe, die es nur den finanziell besser gestellten
Studierenden gestatte, ein Studium aufzunehmen. Die Erhebung von Studiengebühren
sei zudem mit dem Rückwirkungsverbot unvereinbar. Sie habe mit Blick auf § 10
Hochschulgesetz NRW a.F. darauf vertrauen dürfen, ihr erstes Studium an einer
allgemeinen Hochschule gebührenfrei absolvieren zu können. Ferner verstoße das
Studienkontenmodell gegen Art. 3 GG. Es fehle an einem sachlichen Grund, warum die
Unterschreitung der Regelstudienzeit bei Studierenden wie ihr, die ihren ersten
berufsqualifizierenden Abschluss vor dem Sommersemester 2004 erlangt hätten,
unberücksichtigt bleibe, während Studierende, die ihren berufsqualifizierenden
Abschluss im oder nach dem Sommersemester 2004 erlangt hätten oder erlangen
würden, ein Restguthaben zur Verfügung stünde, sofern sie die Regelstudienzeit ihres
Erststudiums unterschritten hätten. Zudem sei die Privilegierung zu Gunsten
lehrerbildender Studiengänge nicht gerechtfertigt. Schließlich bleibe zu Unrecht
unberücksichtigt, dass sie bereits für ihr Erststudium Studiengebühren gezahlt habe.
6
Die Klägerin beantragt,
7
den Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 08. April 2004 aufzuheben.
8
Der Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Zur Begründung führt der Beklagte aus: Ein Verstoß gegen Art. 12 GG liege nicht vor,
weil die Ausbildungsfreiheit keinen Anspruch auf kostenlose Ausbildung beinhalte.
Auch ein Verstoß gegen das Rückwirkungsgebot liege nicht vor. Das Vertrauen auf den
Fortbestand gesetzlicher Vorschriften werde regelmäßig nicht geschützt. Auch eine
Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes sei nicht ersichtlich. Der Gesetzgeber habe sich
bei dem Studienkontenmodell davon leiten lassen, die Studiengebührenfreiheit des
Erststudiums zu sichern und Anreize für ein effizientes und zügiges Studium zu
schaffen. Mit dem Instrument des Restguthabens habe er das Ziel verfolgt, den zügigen
Abschluss eines Erststudiums zu fördern. Diejenigen Studierenden, die bereits vor dem
Sommersemester 2004 ihr erstes berufsqualifizierendes Studium abgeschlossen hätten,
könnten sich mangels damaliger Geltung des Studienkonten- und -
finanzierungsgesetzes notwendigerweise nicht anhand des Anreizes durch ein
Restguthaben zu einem zügigen Erststudium motivieren lassen. Der Verzicht auf die
Stichtagsregelung würde zudem einen erheblichen Verwaltungsaufwand nach sich
ziehen, der nicht tragbar wäre. Es wäre für jeden neuen Zweitstudiumbewerber
individuell ein Kontostand zu ermitteln. Bei einigen der ehemaligen Studierenden wäre
eine zuverlässige Berechnung des Restguthabens nur nach deren vorheriger Befragung
11
möglich. Ohne zusätzlich geschultes Personal wäre eine termingerechte Anwendung
des Studienkonten- und -finanzierungsgesetzes nicht möglich gewesen. Mit der
Stichtagsregelung verbundene Härten würden durch zahlreiche Ausnahme- und
Härtefallregelungen im Studienkontenführungsmodell abgemildert. Schließlich sei das
Erststudium der Klägerin nicht als ausschließlich drittmittelfinanziert anerkannt.
Wegen der weitern Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen
Verwaltungsvorgangs des Beklagten Bezug genommen.
12
Entscheidungsgründe:
13
Die zulässige Klage ist unbegründet.
14
Der Bescheid des Beklagten vom 10. Februar 2004 in der Fassung des
Widerspruchbescheides des Beklagten vom 08. April 2004 ist rechtmäßig und verletzt
die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
15
Rechtsgrundlage für die Erhebung der Studiengebühr im angefochtenen Bescheid ist §
9 Abs. 1 Satz 1 StKFG NRW i.V.m. § 12 Abs. 1 Satz 1 RVO-StKFG NRW. Danach wird
von eingeschriebenen Studierenden, denen kein Studienguthaben zur Verfügung steht,
für jedes Semester in einem Studiengang eine Studiengebühr in Höhe von 650,00 EUR
erhoben.
16
Zu diesem Personenkreis zählt auch die Klägerin. Ihr ist kein Studienkonto einzurichten,
auf dem sich ein etwaiges Studienguthaben befinden könnte, weil sie nicht - wie von § 2
Abs. 2 StKFG NRW vorausgesetzt - in einem Studiengang zum Erwerb eines ersten
berufsqualifizierenden Abschlusses oder in einem Masterstudiengang im Sinne des § 1
Abs. 2 StKFG NRW eingeschrieben ist, sondern den Voraussetzungen des § 5 Abs. 1
Satz 1 RVO-StKFG NRW entsprechend vor erstmaliger Einrichtung des Studienkontos
einen berufsqualifizierenden Abschluss erworben hat. Sie kann sich auch nicht auf § 5
Abs. 1 Satz 3 RVO-StKFG NRW berufen. Diese Vorschrift sieht die Einrichtung eines
Studienkontos auf Antrag nur für Studierende vor, die anders als die Klägerin mit ihrem
ersten und einzigen Abschluss an einer staatlichen Hochschule des Landes Nordrhein-
Westfalen einen Studiengang abgeschlossen haben, der ausschließlich mit Mitteln
Dritter finanziert wird, deren Träger nicht die Hochschule ist.
17
Der Verordnungsgeber nimmt zwar in § 5 Abs. 3 Satz 1 RVO-StKFG NRW zur näheren
Bezeichnung des Abschlusses auf § 5 Abs. 1 Satz 1 RVO-StKFG NRW Bezug, sodass
danach nicht nur an staatlichen Hochschulen des Landes Nordrhein- Westfalen
erworbene Abschlüsse, sondern alle Abschlüsse erfasst wären, die an einer staatlichen
Hochschule, staatlich anerkannten Hochschule im Geltungsbereich des
Hochschulrahmengesetzes oder an einer Hochschule im Ausland erworben wurden.
Hierbei handelt es sich aber um ein Redaktionsversehen des Verordnungsgebers. Für
eine Beschränkung auf an staatlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen
erworbene Abschlüsse spricht, dass § 5 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 RVO-StKFG NRW auf
§ 3 Abs. 3 Halbsatz 2 RVO-StKFG NRW verweist, wonach das Ministerium für
Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen die Studiengänge im
Sinne des Satzes 1 Halbsatz 1 feststellt. Studiengänge im Sinne des Satzes 1 Halbsatz
1 sind aber nur solche des § 3 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 RVO-STKFG NRW und damit
nur solche an staatlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen.
18
Eine Auslegung des § 5 Abs. 1 Satz 3 RVO-StKFG NRW im vorgenannten Sinne
berücksichtigt zudem, dass der Verordnungsgeber mit § 5 Abs. 1 Satz 3 RVO-StKFG
NRW eine § 3 Abs. 3 Satz 1 RVO-StKFG NRW entsprechende Regelung schaffen
wollte.
19
Diese vom Verordnungsgeber unter § 5 Abs. 1 Satz 3 RVO-StKFG NRW vorgesehenen
Privilegierung Studierender, die mit ihrem ersten und einzigen Abschluss an einer
staatlichen Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen einen Studiengang
abgeschlossen haben, der ausschließlich mit Mitteln Dritter finanziert wird, deren Träger
nicht die Hochschule ist, gegenüber Studierenden, die in einem drittmittelfinanzierten
Studiengang einer anderen als einer staatlichen Hochschule Nordrhein-Westfalens
ihren ersten und einzigen berufsqualifizierenden Studienabschluss erlangt haben,
verstößt nicht gegen Art. 3 GG. Sie ist sachlich gerechtfertigt.
20
Der Verordnungsgeber hat die erste Gruppe von Studierenden privilegiert, um einen
Anreiz für Studierende zu schaffen, ein Studium in einem ausschließlich
drittmittelfinanzierten Studiengang an staatlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-
Westfalen aufzunehmen. Damit sollen private Drittmittelgeber für die im öffentlichen
Interesse liegende weitere Beteiligung an Formen des public-private- Partnership im
Hochschulbereich gewonnen werden.
21
§ 5 Abs. 1 Satz 3 RVO-StKFG NRW trägt zur Verwirklichung dieses Ziels bei, indem
Studierende bei einer Entscheidung für die Aufnahme oder Fortsetzung eines Studiums
in einem ausschließlich drittmittelfinanzierten Studiengang an einer staatlichen
Hochschule in Nordrhein-Westfalen mit der erstmaligen Einrichtung eines
Studienkontos für ihr späteres Zweitstudium die Möglichkeit erhalten, an einer
staatlichen Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen mit dem darauf zur Verfügung
stehenden Studienguthaben ihr Zweitstudium zumindest teilweise zu finanzieren.
22
Die Vorschriften über die Erhebung von Studiengebühren sind - soweit eine
Überprüfung geboten ist - auch im Übrigen verfassungsgemäß.
23
Die grundsätzliche Pflicht zur Entrichtung von Studiengebühren nach Erwerb eines
ersten berufsqualifizierenden Abschlusses tastet das Recht des Einzelnen, ein
Hochschulstudium seiner Wahl zu ergreifen, das aus Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. dem
Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG und dem in Art. 20 Abs. 1 GG verankerten
Sozialstaatsprinzip folgt und nicht durch Abschluss eines Erststudiums verbraucht wird,
24
vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. November 1982 - 1 BvR 900/78, 851, 1495/80, 833,
1069/78, 343, 1039/79, 163, 294, 1258/80 und 48, 1202/81 -, BVerfGE 62, 117 (146);
BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1977 - 1 BvL 23/75 -, BVerfGE 45, 393 (398); BVerfG,
Urteil vom 08. Juli 1977 - 1 BvF 1/76, 1 BvL 8/75, 1 BvR 239/75, 92, 103-114, 115, 140-
143, 187/76 -, BVerfGE 43, 291 (363),
25
nicht an. Der Gesetzgeber ist nicht gehalten, die Inanspruchnahme der Hochschule als
öffentliche Einrichtung ebenso wie die Inanspruchnahme anderer öffentlicher
Leistungen und Einrichtungen, die regelmäßig eine Gebührenpflicht auslöst, kostenfrei
zu ermöglichen. Denn das Recht des Einzelnen, ein Hochschulstudium seiner Wahl zu
ergreifen, steht diesem nur unter dem Vorbehalt dessen zu, was er vernünftigerweise
von der Gesellschaft verlangen kann. Insbesondere umfasst es nicht einen Anspruch auf
26
ein kostenfreies Studium.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 1996 - BVerwG 6 C 1.94 -, BVerwGE 102, 142
(146).
27
Der Gesetzgeber muss nur sicherstellen, dass die konkrete Ausgestaltung der
Studiengebührenerhebung dem Einzelnen ungeachtet seiner sozialen Herkunft und
anderer Umstände, die sich auf seine finanziellen Verhältnisse auswirken können,
ermöglicht, ein an seinen Fähigkeiten ausgerichtetes Hochschulstudium zu absolvieren.
28
Vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Juli 1972 - 1 BvL 32/70 und 25/71 -, BVerfGE 33, 303 (332
f.); BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 -, NVwZ 2002, 206 (207); OVG
NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, DVBl. 2005, 518 (519); BayVGH,
Urteile vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 - und - 7 B 00.963 -, Juris.
29
Diese Vorgaben sind sowohl vom Gesetz- als auch vom Verordnungsgeber beachtet
worden. Die Erhebung einer Studiengebühr in Höhe von 650,00 EUR stellt keine
unüberwindliche soziale Barriere dar. Zwar wird die Studiengebühr für ein
Zweitstudium, anders als die für ein Erststudium, nicht erst bei Überschreitung der
anderthalbfachen Regelstudienzeit, sondern bereits zu Beginn des Zweitstudiums
erhoben. In Anbetracht der Begrenztheit staatlicher Ressourcen hat derjenige, der ein
Zweitstudium absolvieren möchte, aber weiter gehende Einschränkungen hinzunehmen
als derjenige, der sich mit einem berufsqualifizierenden Studienabschluss begnügt.
Denn derjenige, der bereits einen ersten berufsqualifizierenden Studienabschluss
erlangt hat, hat bereits einmal an der Verteilung der Berufschancen teilgehabt.
30
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 03. November 1982 - 1 BvR 900/78, 851, 1495/80, 833,
1069/78, 343, 1039/79, 163, 294, 1258/80 und 48, 1202/81 -, BVerfGE 62, 117 (146);
BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 1977 - 1 BvL 23/75 -, BVerfGE 45, 393 (398); BVerfG,
Urteil vom 08. Juli 1977 - 1 BvF 1/76, 1 BvL 8/75, 1 BvR 239/75, 92, 103-114, 115, 140-
143, 187/76 -, BVerfGE 43, 291 (363); BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C
8/00 -, NVwZ 2002, 206 (208).
31
Hinzu kommt, dass die Rechtsverordnung zum Studienkonten- und -
finanzierungsgesetz NRW Ausnahmetatbestände hinsichtlich der Zweitstudiengebühr
vorsieht. So wird etwa in den Fällen, in denen für die Erlangung des angestrebten
Berufs auf Grund berufsrechtlicher Bestimmungen das Studium zweier Studiengänge
erforderlich ist, bei der Einschreibung in den weiteren Studiengang ein weiteres,
allerdings auf die einfache Regelstudienzeit des weiteren Studiengangs begrenztes
Studienguthaben gewährt (§ 8 Abs. 1 Satz 1 RVO-StKFG NRW). Auch sind von der
Entrichtung einer Zweitstudiengebühr u.a. Studierende befreit, die sich ausschließlich in
einem Promotionsstudium befinden oder sich auf die Promotion durch vorbereitende
Studien vorbereiten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 6 RVO-StKFG NRW).
32
Schließlich findet für besondere, atypische Fälle die Härtefallregelung des § 14 Abs. 1
RVO-StKFG NRW - zumindest in Gestalt der Generalklausel des Satzes 1 - auf
Studierende im Zweitstudium Anwendung.
33
Vgl. VG Köln, Urteil vom 14. März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE.
34
Die Regelungen über die Studiengebührenerhebung in Nordrhein-Westfalen verletzen
35
Art. 12 Abs. 1 GG auch nicht in seinem abwehrrechtlichen Gehalt. Sie werden den
Anforderungen des Regelungsvorbehaltes nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG gerecht.
Die Studiengebühr ist wie eine Regelung der Berufsausübung zu beurteilen. Sie stellt
keine Voraussetzungen für den Zugang zum Studium auf, sondern gestaltet die
Studienbedingungen.
36
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 -, NVwZ 2002, 206 (207);
OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, DVBl. 2005, 518 (519);
BayVGH, Urteile vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 - und - 7 B 00.963 -, Juris; Nds. OVG,
Beschluss vom 13. Januar 2004 - 2 ME 364/03 -, DÖV 2004, 672; VG Göttingen,
Beschluss vom 08. Oktober 2003 - 4 B 176/03 -, S. 3; VG Köln, Urteil vom 14. März 2005
- 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE.
37
Dem kann nicht entgegengehalten werden, ein Verstoß gegen die Erfüllung der
Gebührenpflicht könne die Exmatrikulation gemäß § 70 Abs. 3 c) HG NRW nach sich
ziehen und deshalb seien die für Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl geltenden
Maßstäbe heranzuziehen.
38
Vgl. diesbezüglich zur allerdings strengeren Rechtslage im Freistaat Bayern: BayVGH,
Urteile vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 - und - 7 B 00.963 -, Juris.
39
Denn von der Auferlegung einer Zahlungspflicht als einer Änderung der
Studienbedingungen ist die Frage zu unterscheiden, mit welchen Mitteln auf die
fehlende Zahlung reagiert wird. Letzteres ist selbstständig verfassungsrechtlich zu
würdigen.
40
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 -, NVwZ 2002, 206 (208);
OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, DVBl. 2005, 518 (519).
41
Als Berufsausübungsregelung ist eine solche Studiengebühr verfassungsrechtlich nicht
zu beanstanden, weil sie von vernünftigen Gründen des Gemeinwohls getragen wird.
42
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C 8.00 -, NVwZ 2002, 206 (207 f.);
Nds. OVG, Beschluss vom 13. Januar 2004 - 2 ME 364/03 -, NVwZ 2004, 755 (756); VG
Düsseldorf, Beschluss vom 14. Mai 2004 - 15 L 1277/04 -, Rechtsdatenbank NRWE; VG
Göttingen, Beschluss vom 08. Oktober 2003 - 4 B 176/03, S. 3 f.; VG Köln, Urteil vom 14.
März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE.
43
Der Studiengebühr für das Zweitstudium kommt eine im überwiegenden öffentlichen
Interesse liegende Finanzierungs- und Lenkungsfunktion zu. Ihrer Einführung liegt die
Erwägung zu Grunde, dass eine zeitlich unbegrenzte Inanspruchnahme von
Hochschulleistungen für ausnahmslos jedes Studium und jeden Personenkreis
angesichts der gesamtwirtschaftlichen Situation, der begrenzten
Ausbildungskapazitäten und der finanziellen Belastungen der Hochschulen
finanzpolitisch nicht länger vertretbar ist. Dabei soll die Erhebung der Studiengebühren
für ein Zweitstudium gleichsam ein Beitrag zur gerechten Verteilung der
Studienressourcen sein und den mit der Einschreibung in einem Zweitstudiengang
verbundenen Vorteil der Studierenden abgelten, der in der jederzeitigen und
umfassenden Berechtigung besteht, das Ausbildungsangebot der Hochschule zu
nutzen.
44
Vgl. Landesregierung NRW, Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des
Hochschulgebührengesetzes, zur Einführung von Studienkonten und zur Erhebung von
Hochschulgebühren sowie zur Änderung des Hochschulgesetzes, LT-Drs. 13/3023, S.
19 und 22.
45
Zudem dient die Erhebung einer Zweitstudiengebühr dazu, einen Anreiz für stringentere
und ergebnisorientiertere Studienverläufe zu schaffen,
46
vgl. zur entsprechenden Zielsetzung der "Langzeitstudiengebühr": Landesregierung
NRW, Entwurf eines Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulgebührengesetzes, zur
Einführung von Studienkonten und zur Erhebung von Hochschulgebühren sowie zur
Änderung des Hochschulgesetzes, LT-Drs. 13/3023, S. 19,
47
insbesondere nicht ernsthaft Studierwillige von vornherein von einem Zweitstudium
abzuhalten.
48
So auch: VG Köln, Urteil vom 14. März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE;
VG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Mai 2004 - 15 L 1277/04 -, Rechtsdatenbank NRWE;
zur Zweitstudiengebühr in Bayern: BayVGH, Beschluss vom 02. Dezember 1999 - 7 CS
99.2013 -, BayVBl. 2000, 724; BayVGH, Urteile vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 - und -
7 B 00.963 -, Juris.
49
Zur Erreichung dieser vom Gesetzgeber verfolgten Ziele ist die Erhebung einer
Zweitstudiengebühr ein geeignetes und mit Blick auf die zugleich vorgesehenen
Ausnahme- und Härtefallregelungen auch angemessenes Mittel, das die Studierenden
nicht unverhältnismäßig einschränkt, zumal sie bereits einmal von den Möglichkeiten,
die ihnen eine Hochschulausbildung bietet, Gebrauch gemacht haben und die ihnen
aus dem Erwerb eines ersten berufsqualifizierenden Hochschulabschlusses
erwachsenden Chancen nutzen können.
50
Vgl. zur "Langzeitstudiengebühr": OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A
3358/04 -, DVBl. 2005, 518 (519 f.); zur Zweitstudiengebühr: VG Köln, Urteil vom 14.
März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE.
51
Den Regelungen über die Erhebung von Studiengebühren im Zweitstudium kommt
auch keine mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsgebot unvereinbare
Rückwirkung zu.
52
Das Studienkonten- und -finanzierungsgesetz NRW und die hierzu ergangene
Rechtsverordnung bewirken zwar insofern eine unechte Rückwirkung als die
Gebührenpflicht gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 StKFG NRW an Sachverhalte anknüpft, die
vor dem Inkrafttreten des Gesetzes am 01. Februar 2003 liegen. Die unechte
Rückwirkung ist verfassungsrechtlich aber noch hinnehmbar. Eine Abwägung der
widerstreitenden Interessen ergibt, dass das Interesse der Allgemeinheit an der
Erhebung der Studiengebühren das Interesse der Studierenden an einem
gebührenfreien Zweitstudium überwiegt.
53
Vgl. allgemein zur Frage der Rückwirkung: BVerfG, Urteil vom 19. Dezember 1961 - 2
BvL 6/59 -, BVerfGE 13, 262 (271 f.); BVerfG, Beschluss vom 08. Juni 1977 - 2 BvR
499/74 und 1042/75 -, BVerfGE 45, 142 (167 f.); BVerfG, Beschluss vom 15. Februar
54
1978 - 2 BvL 8/74 -, BVerfGE 48, 1 (20); BVerfG, Beschluss vom 28. November 1984 - 1
BvR 1157/82 -, BVerfGE 68, 287 (306 f.); BVerfG, Beschluss vom 14. Mai 1986 - 2 BvL
2/83 -, BVerfGE 72, 200 (242, 257 f.); BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2001 - BVerwG 6 C
8.00 -, NVwZ 2002, 206 (210); OVG NRW, Urteil vom 11. September 2001 - 16 A
4702/99 -, OVGE 48, 218 (222 ff.); Sachs, in: Grundgesetz, Kommentar, 2. Auflage,
München 1999, Art. 20 Rn. 131.
Die Finanzierungs- und Lenkungszwecke der Studiengebühr sind als besonderes
öffentliches Interesse anzuerkennen. Sie dienen dem Erhalt der Leistungsfähigkeit und
Effizienz der Hochschulen als wichtigem Allgemeingut.
55
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, DVBl. 2005, 518 (519);
VG Köln, Urteil vom 14. März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE.
56
Der Gesetzgeber hat auch ein legitimes Interesse daran, die mit der Erhebung von
Studiengebühren verfolgten Zwecke möglicht bald zu erreichen. Würden
Studiengebühren nur von Studierenden erhoben, die ihr Zweitstudium ab dem
Inkrafttreten des Gesetzes zum 01. Februar 2003 oder sogar erst zum Sommersemester
2004 aufgenommen haben, so würde eine Gebührenpflicht für eine Vielzahl von
Studierenden nicht begründet. Dem Land Nordrhein Westfalen entgingen ausgehend
davon, dass sich im Wintersemester 2001/2002 jeder Elfte der rund 505.000
Studierenden in einem Zweitstudium befand,
57
vgl. Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik Nordrhein- Westfalen,
Pressemitteilung vom 12. Juni 2002,
58
erhebliche Einnahmen deren Erzielung finanzpolitisch gewollt ist. Auch könnte das
angestrebte Ziel, eine Verkürzung der Studienzeiten im Zweitstudium zu erreichen und
Studierunwillige von der Fortsetzung ihres Zweitstudiums abzuhalten, in vielen Fällen
nicht erreicht werden.
59
Vgl. so auch im Ergebnis: VG Köln, Urteil vom 14. März 2005 - 6 K 1740/04 -,
Rechtsdatenbank NRWE.
60
Demgegenüber ist das Vertrauen der Studierenden, ihr gebührenfrei begonnenes
Zweitstudium gebührenfrei zu Ende führen zu können, angesichts der tatsächlichen und
rechtlichen Rahmenbedingungen weniger gewichtig. § 10 des Hochschulgesetzes vom
14. März 2000 (GV. NRW. S. 190) - HG NRW a.F. - sah lediglich vor, dass für ein
Studium bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und ein Studium in einem
konsekutiven Studiengang, der zu einem weiteren berufsqualifizierenden Abschluss
führt, keine Studiengebühren erhoben werden. Die Gebührenfreiheit des Zweitstudiums
wurde hingegen auch schon vor Änderung des § 10 Satz 2 HG NRW zum 01. Februar
2003 durch Art. 5 des Gesetzes zur Aufhebung des Hochschulgebührengesetzes, zur
Einführung von Studienkonten und zur Erhebung von Hochschulgebühren sowie zur
Änderung des Hochschulgesetzes vom 28. Januar 2003 nicht versprochen. Auch der -
inzwischen vom Bundesverfassungsgericht mangels Gesetzgebungszuständigkeit des
Bundes für verfassungswidrig und nichtig erklärte § 27 Abs. 4 HRG,
61
vgl. BVerfG, Urteil vom 26. Januar 2005 - 2 BvF 1/03 -, NJW 2005, 493 ff. -,
62
verhielt sich nicht zur Gebührenfreiheit eines Zweitstudiums.
63
So schon: VG Köln, Urteil vom 14. März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE.
64
Mit Blick darauf, dass "Altstudierende" ihr Studium begonnen und den Studienverlauf in
der nicht gänzlich unbeachtlichen Vorstellung, gebührenfrei zu Ende studieren zu
können, geplant haben, durfte zwar die Gebührenpflicht nicht unvermittelt, sondern nur
verbunden mit Übergangs- und Härtefallregelungen eingeführt werden.
65
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. April 2000 - 1 BvL 18/99 u.a., NVwZ 2000, 910; BVerfG,
Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82, BVerfGE 76, 256 (359); BayVGH,
Urteile vom 28. März 2001 - 7 B 00.1551 - und - 7 B 00.963 -, Juris; VG Gelsenkirchen,
Beschluss vom 11. März 2004 - 4 L 193/04 -, S. 9.
66
Diesen Anforderungen ist der Landesgesetzgeber jedoch gerecht geworden. Er hat den
Studierenden einen ausreichenden Zeitraum belassen, um sich auf die
Gebührenerhebung einzustellen. Wenn nicht bereits mit der Einbringung des
Gesetzentwurfs der Landesregierung in den Landtag am 25. September 2002 (LT-Drs.
13/3023),
67
vgl. hierauf abstellend: OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3358/04 -, DVBl.
2005, 518 (521),
68
so doch spätestens seit dem 01. Februar 2003 mussten die Studierenden mit der
Erhebung einer Studiengebühr in Höhe von 650,00 EUR ab dem Sommersemester
2004 rechnen. Denn ein etwaiges Vertrauen in die Gebührenfreiheit des Zweitstudiums
ist spätestens mit dem Inkrafttreten des Studienkonten- und - finanzierungsgesetzes
NRW zum 01. Februar 2003 entfallen.
69
Vgl. zum Fortfall des Vertrauensschutzes: BVerfG, Beschluss vom 03. Dezember 1997 -
2 BvR 882/97 -, BVerfGE 97, 67 (79).
70
Der zwischen dem Inkrafttreten dieses Gesetzes und der erstmals gemäß § 15 Abs. 1
Satz 1 StKFG NRW für das Sommersemester 2004 festgelegten Gebührenpflicht
liegende Zeitraum von zwei Hochschulsemestern bzw. genau 14 Monaten ist zwar nicht
in jedem Fall ausreichend, um ein zielstrebig betriebenes Zweitstudium bis zum Beginn
des Sommersemesters 2004 abzuschließen. Der Verordnungsgeber hat jedoch unter
dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes bereits teilweise Regelungen getroffen. So
sieht § 5 Abs. 1 Satz 2 RVO-StKFG NRW die Einrichtung eines Studienkontos für
ausländische Studierende vor, die im Sommersemester 2004 an einer nordrhein-
westfälischen Hochschule eingeschrieben sind, falls keiner der von ihnen im Ausland
erworbenen berufsqualifizierenden Abschlüsse als gleichwertig anerkannt wird.
Weiteren atypischen Lebenssachverhalten, die die gebührenfreie Fortsetzung eines
Zweitstudiums rechtfertigen und vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber nicht bereits
gesondert berücksichtigt wurden, kann schließlich im Rahmen der Härtefallregelung des
§ 14 RVO-StKFG NRW Rechnung getragen werden.
71
Vgl. VG Köln, Urteil vom 14. März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE.
72
Weiter ist nicht zu beanstanden, dass § 2 Abs. 2 StKFG NRW, dessen Regelungsgehalt
vom Verordnungsgeber in § 5 Abs. 1 Satz 1 RVO-StKFG NRW aufgegriffenen wurde,
die Einführung von Studienkonten ab dem Sommersemester 2004 nur für jene
73
Studierenden vorsieht, die in einem Studiengang zum Erwerb eines ersten
berufsqualifizierenden Abschlusses oder in einem Masterstudiengang im Sinne des § 1
Abs. 2 StKFG NRW eingeschrieben sind.
Hierbei handelt es sich um eine verfassungsgemäße Stichtagsregelung, auch wenn mit
ihr verbunden ist, dass Studierende, die ihren ersten berufsqualifizierenden
Studienabschluss vor dem Sommersemester 2004 erworben haben, wegen fehlender
Einrichtung eines Studienkontos von der in § 8 StKFG NRW vorgesehenen Möglichkeit,
ein etwaiges Restguthaben aus dem Erststudium für ein Zweitstudium einzusetzen,
keinen Gebrauch machen können, hingegen Studierenden, die im oder nach dem
Sommersemester 2004 in einem zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss
führenden Studiengang an einer staatlichen Hochschule des Landes Nordrhein-
Westfalen eingeschrieben sind bzw. waren, ein auf ihrem Studienkonto nach dem
Erststudium verbliebenes Restguthaben für ein Zweitstudium zur Verfügung steht.
74
Dem Gesetzgeber ist es durch Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur
Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag
unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Allerdings ist zu überprüfen, ob der
Gesetzgeber den ihm zukommenden Gestaltungsraum in sachgerechter Weise genutzt,
ob er die für die zeitliche Anknüpfung in Betracht kommenden Faktoren hinreichend
gewürdigt hat und ob sich die gefundene Lösung im Hinblick auf den gegebenen
Sachverhalt und das System der Gesamtregelung durch sachliche Gründe rechtfertigen
lässt oder als willkürlich erscheint.
75
Vgl. BVerfG, Urteil vom 23. November 1999 - 1 BvF 1/94 -, BVerfGE 101, 239 (270);
BVerfG, Urteil vom 07. Juli 1992 - 1 BvL 51/86, 50/87 und 1 BvR 873/90, 761/91 -,
BVerfGE 87, 1 (43); BVerfG, Urteil vom 05. Juli 1989 - 1 BvL 11/87, 1 BvR 1053/87 und
556/88 -, BVerfGE 80, 297 (311); BVerfG, Beschluss vom 06. Dezember 1988 - 1 BvL 5,
6/85 -, BVerfGE 79, 212 (219 f.); BVerfG, Beschluss vom 23. Juni 1986 - 1 BvR 193/86 -,
NVwZ 1988, 50; BVerfG, Beschluss vom 27. Oktober 1970 - 1 BvR 51, 587, 759/68 und
693/70 -, BVerfGE 29, 283 (299).
76
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber bei begünstigenden Regelungen
eine weiter gehende Gestaltungsfreiheit hat als bei benachteiligenden Typisierungen.
77
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 04. April 2001 - 2 BvL 7/98 -, BVerfGE 103, 310 (319);
BVerfG, Beschluss vom 24. Juli 1963 - 1 BvL 30/57, 11/61 -, BVerfGE 17, 1 (24).
78
Die in § 8 StKFG NRW normierte Berechtigung zur Verwendung eines Restguthabens
für ein Zweitstudium stellt eine begünstigende Regelung innerhalb der (Ober-)Gruppe
aller sich in einem Zweitstudium befindenden Studierenden dar. Denn § 2 Abs. 2 StKFG
NRW unterwirft mit der ausschließlichen Einrichtung von Studienkonten für Studierende,
die sich im oder nach dem Sommersemester 2004 in einem Studiengang zum Erwerb
des ersten berufsqualifizierenden Studienabschlusses befinden, grundsätzlich alle
Studierenden in einem Zweitstudiengang der Studiengebührenpflicht.
79
Der Gesetzgeber hat die danach weiten Grenzen des ihm zustehenden
Gestaltungsraums mit der Unterscheidung zwischen der privilegierten Gruppe jener
Studierenden, die im oder nach dem Sommersemester 2004 an einer staatlichen
Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen zur Erlangung eines ersten
berufsqualifizierenden Studienabschlusses eingeschrieben sind oder waren, und der
80
nicht privilegierten Gruppe jener Studierenden, die ihren ersten berufsqualifizierenden
Abschluss vor dem Sommersemester 2004 erworben haben, nicht überschritten.
Die vom Gesetzgeber vorgenommene zeitliche Differenzierung ist durch den von ihm
mit der Erhebung von Studiengebühren verfolgten Lenkungszweck, die Studierenden zu
einem zügigen und effizienten Studium anzuhalten, gerechtfertigt.
81
Zur Erreichung dieses Ziels leistet § 8 StKFG NRW insofern einen Beitrag als
Studierenden, die sich in einem Studiengang befinden, der zu einem ersten
berufsqualifizierenden Studienabschluss führt, die Möglichkeit der Verwendung eines
Restguthabens für ein etwaiges Zweitstudium in Aussicht gestellt wird.
82
Vgl. zum Lenkungszweck des § 8 StKFG NRW: Protokoll der 31. Sitzung des
Ausschusses für Wissenschaft und Forschung des Landtages Nordrhein-Westfalen vom
09. Januar 2003, Ausschussprotokoll 13/755, S. 6.
83
Dieses Ziel wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass Studierenden auch bei
Einhaltung der Regelstudienzeit wegen der in § 10 Abs. 1 RVO-StKFG NRW normierten
Höhe der Abbuchung von 25 SWS pro Semester und des Verbots der Nutzung eines
verbleibenden Teilguthabens für ein Zweitstudium in der Regel lediglich ein
Restguthaben zur Verfügung steht, das ihnen ein gebührenfreies Zweitstudium im
Umfang von zwei Semestern ermöglicht. Studierende, die nach der Vorstellung des
Gesetzgebers ein Restguthaben in Anspruch nehmen können, werden immerhin von
Studiengebühren in Höhe von insgesamt 1.300,00 EUR freigestellt. Auch können
Studiengänge von zwei Semestern - wie manche Masterstudiengänge - gänzlich
gebührenfrei studiert werden. Zudem steht das Restguthaben für öffentlich-rechtlich
angebotene, weiterbildende Studien gemäß § 10 Abs. 2 RVO-StKFG NRW vollständig
zur Verfügung.
84
Der Gesetzgeber musste bei der Stichtagsregelung auch nicht berücksichtigen, dass
Studierende zum Teil gar nicht oder kaum durch die Möglichkeit, für ein etwaiges
Zweitstudium ein etwaiges Restguthaben in Anspruch nehmen zu können, zu einem
zügigen Erststudium veranlasst werden können. Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass
die Anreizfunktion nur eine zu vernachlässigende Minderheit der Studierenden erreicht.
85
Die Anreizfunktion erreicht zumindest jene Studierenden, die ihr Erststudium an einer
staatlichen Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen ganz oder doch zu einem
überwiegenden Teil im oder nach dem Sommersemester 2004 absolvieren wollen und
ein Zweitstudium bereits in Betracht ziehen. Ihre Zahl wächst mit dem Fortschreiten der
Zeit und dürfte - anders als in der Phase des Übergangs - in Zukunft die Zahl der
Studierenden, denen ein Restguthaben zur Verfügung steht, obwohl sie nicht von der
Anreizfunktion erfasst werden, etwa weil sie nur für kurze Zeit nach dem Wintersemester
2003/2004 an einer staatlichen Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen ihr
Erststudium betrieben haben, überschreiten. Hierbei ist zu auch zu berücksichtigen,
dass Studierende, die sich zur Aufnahme eines Zweitstudiums an einer staatlichen
Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen entschließen, in der Regel ihr Erststudium
bereits an einer staatlichen Hochschule in Nordrhein-Westfalen absolviert haben.
86
Die mit § 8 StKFG NRW verbundene und die Privilegierung begründende
Anreizfunktion geht bei Studierenden, die ihr Studium bereits vor dem Sommersemester
2004 abgeschlossen haben, ins Leere, weil sie ihr Erststudium auf Grund des bereits
87
erlangten Abschlusses nicht mehr im Sinne des Gesetzgebers gestalten können. Dass
Studierende dieser Gruppe ihr Erststudium auch zügig absolviert haben und daher bei
Einrichtung eines Studienkontos über ein Restguthaben verfügen würden, ist ohne
Belang. Denn der zügige Abschluss des Erststudiums dieser Studierenden findet seinen
Grund nicht in der lenkenden Wirkung des Gesetzes.
So schon: VG Köln, Urteil vom 14. März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE.
88
Insofern unterscheidet sich die vorliegende Konstellation von derjenigen, die § 2 Abs. 3
StKFG zu Grunde liegt. Diese Vorschrift findet zwar auch auf Studierende Anwendung,
die einen Studiengangwechsel bis zum Beginn des 3. Hochschulsemesters bereits vor
dem Sommersemester 2004 vorgenommen haben.
89
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 01. Dezember 2004 - 8 A 3797/04 -, NWVBl. 2005, 222.
90
Mit § 2 Abs. 3 StKFG NRW war im Unterschied zu § 8 StKFG NRW aber kein
Lenkungszweck verbunden. Vielmehr hat der Gesetzgeber mit der Einräumung einer
sogenannten Orientierungsphase zu Beginn des Studiums gerade auf die steuernde
Wirkung des Gesetzes verzichtet.
91
So schon: VG Köln, Urteil vom 14. März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE.
92
Als weiterer rechtfertigender Grund für die Beschränkung der Möglichkeit der
Verwendung von Restguthaben auf diejenigen Studierenden, die bis zum
Sommersemester 2004 noch keinen ersten berufsqualifizierenden Studienabschluss
erreicht haben, tritt das Argument der Verwaltungspraktikabilität hinzu.
93
Vgl. hierzu: VG Köln, Urteil vom 14. März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank
NRWE.
94
Zwar obliegt es gemäß § 7 StKFG NRW den Studierenden, die zur Berechnung des
Studienguthabens erforderlichen Daten anzugeben. Diese müssen jedoch bei
Studierenden, deren erster Studienabschluss bereits relativ weit zurückliegt, manuell
erfasst und verarbeitet werden. Denn die zur Berechnung des Studienkontos
erforderlichen Daten wurden nicht oder häufig nur unzureichend erfasst und können
nicht immer ohne weiteres elektronisch bearbeitet werden.
95
Auch wenn der Gesetzgeber in den Gesetzesmaterialien nicht ausdrücklich erklärt hat,
die Stichtagsregelung diene dazu, den Hochschulen einen mit der Ermittlung der Daten
und der Berechnung des Studienguthabens trotz der Auskunftspflicht der Studierenden
nach § 7 StKFG NRW verbundenen, nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand zu
ersparen, so ist doch während des Gesetzgebungsverfahrens der mit der Durchführung
des Gesetzes verbundene bürokratische Aufwand vielfach zur Sprache gekommen.
96
Vgl. Protokoll der 80. Sitzung des Plenums des Landtages Nordrhein- Westfalen vom
22. Januar 2003, Plenarprotokoll 13/80, S. 8062, 8066, 8067; Protokoll der 41. Sitzung
des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung des Landtages Nordrhein-Westfalen
vom 27. November 2003, Ausschussprotokoll 13/1035, S. 24 ff.; Protokoll der 27.
Sitzung des Ausschusses für Wissenschaft und Forschung des Landtages Nordrhein-
Westfalen vom 04. November 2002, Ausschussprotokoll 13/696, S. 4, 5, 7, 8, 12, 15, 16,
17, 21, 22.
97
Dies lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber auch mit der Stichtagsregelung den
insbesondere von den Hochschulen vorgetragenen Bedenken hinsichtlich des mit der
Einführung von Studiengebühren verbundenen Verwaltungsmehraufwandes Rechnung
tragen wollte.
98
Weiter liegt auch kein Verstoß gegen Art. 3 GG darin, dass bei einem Abschluss des
Erststudiums nach dem Stichtag nur den Studierenden ein Restguthaben für ein
Zweitstudium zu Gute kommen kann, die ihr Erststudium im oder nach dem
Sommersemester 2004 ganz oder zumindest teilweise an staatlichen Hochschulen des
Landes Nordrhein-Westfalen betrieben haben, anderen Studierende, die an einer
staatlichen Hochschule außerhalb des Landes Nordrhein-Westfalen, an einer staatlich
anerkannten Hochschule im Geltungsbereich des Hochschulrahmengesetzes oder an
einer Hochschule im Ausland erworben haben, dagegen nicht, weil ihnen nach den §§ 3
Abs. 1 bzw. 4 Abs. 1 StKFG NRW, 5 Abs. 1 Satz 1 RVO-STKFG NRW kein
Studienkonto einzurichten ist.
99
Die Ungleichbehandlung ist unter Berücksichtigung der bereits zur Stichtagsregelung
gemachten Ausführungen sachlich gerechtfertigt, weil der mit der Einräumung der
Möglichkeit der Verwendung eines etwaigen Restguthabens verfolgte Zweck,
Studierende zu einem zügigen und ergebnisorientierten Erststudium zu motivieren und
damit die Leistungsfähigkeit der staatlichen Hochschulen des Landes Nordrhein-
Westfalen zu stärken, bei Studierenden, die ihr Erststudium nicht an staatlichen
Hochschulen Nordrhein-Westfalens absolviert haben, nicht erreicht werden kann. Hinzu
kommt, dass die Berechnung der Studienkonten in den Fällen, in denen das
Erststudium an anderen Hochschulen absolviert wurde, mit einem erheblichen
Verwaltungsmehraufwand verbunden ist, weil die Studienverlaufsdaten manuell erfasst
werden müssen. Zudem wird die Berechnung der Studienkonten bei Studierenden, die
ihr Erststudium in einem anderen Bundesland oder gar im Ausland betrieben haben,
dadurch erschwert, dass die den Studienverlauf beeinflussenden Regelungen des
jeweiligen Landes zu beachten sind.
100
Der Ausschluss der Studierenden, die bereits vor dem Sommersemester 2004 einen
ersten berufsqualifizierenden Abschluss erworben haben, von der Möglichkeit der
Verwendung eines etwaigen Restguthabens stellt auch keine mit Art. 3 Abs. 1 GG
unvereinbare Ungleichbehandlung gegenüber Studierenden dar, die sich bei gleicher
Semesterzahl noch im Erststudium befinden und mangels Überschreitung der
anderthalbfachen Regelstudienzeit noch nicht gebührenpflichtig sind. Die
Differenzierung zwischen beiden Gruppen ist gerechtfertigt, weil Studierende in einem
Zweitstudium im Gegensatz zu Studierenden in einem Erststudium bereits einen
Studienabschluss erworben haben, der sie zur Berufsausübung qualifiziert und ihnen
die Sicherung einer eigenen Lebensgrundlage ermöglicht.
101
Vgl. VG Köln, Urteil vom 14. März 2005 - 6 K 1740/04 -, Rechtsdatenbank NRWE.
102
Weiter ist es mit dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz vereinbar, wenn der
Verordnungsgeber in § 5 Abs. 1 Satz 4 RVO-StKFG NRW lehrerbildende Studiengänge
durch die Einrichtung von Studienkonten privilegiert. Angesichts der Fachlehrermangels
besteht ein besonderes öffentliches Interesse an der beruflichen Qualifizierung
Studierender in bestimmten der Lehrerbildung dienenden Studiengängen. Studierende
derartiger Studiengänge werden durch die Einrichtung eines Studienkontos zur
103
Aufnahme des Studiums ermuntert und stehen so in Zukunft als Fachlehrer in
derzeitigen Mangelfächern zur Verfügung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
104
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 Satz 1
VwGO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung.
Die Erhebung von Studiengebühren wirft rechtliche Fragen auf, die für die
Berufungsinstanz entscheidungserheblich sind und im Sinne der Rechtseinheit einer
Klärung bedürfen. Die Frage der Zulässigkeit der Erhebung von Studiengebühren für
ein Zweitstudium, insbesondere auch die Frage, ob die Gewährung eines
Restguthabens allein für Studierende, die im oder nach dem Sommersemester 2004 an
einer staatlichen Hochschule des Landes Nordrhein- Westfalen für ein Erststudium
eingeschrieben sind bzw. waren, und die ausschließliche, gebührenrechtliche
Privilegierung von Studierenden, die einen ersten, drittmittelfinanzierten Studiengang an
einer staatlichen Hochschule des Landes Nordrhein-Westfalen absolviert haben, mit
dem Verfassungsrecht vereinbar ist, ist bisher vom Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen nicht entschieden worden.
105