Urteil des VG Minden vom 27.11.2003
VG Minden: zubehör, befreiung, bebauungsplan, stadt, verfügung, beschränkung, firma, gemeinde, ausweisung, genehmigung
Verwaltungsgericht Minden, 9 K 3802/03
Datum:
27.11.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 3802/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin betreibt auf dem Grundstück C. , Gemarkung U.. , Flur 2, Flurstück
322/287/289 (U.. Straße 6) einen Baumarkt mit Gartencenter. Das Grundstück liegt im
Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. I/St 4-5 "Gewerbegebiet/Sonstige
Sondergebiete Boschstraße", der am 09.08.1999 gem. § 10 Abs. 3 BauGB bekannt
gemacht wurde. Nach der Begründung war wesentliches Ziel des Bebauungsplans u.a.
die Schaffung der planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung des von der
Klägerin betriebenen Bau- und Gartenmarktes. Der Bereich des Bau- und
Gartenmarktes ist als "sonstiges Sondergebiet" (SO 3 und SO 3.1) festgesetzt. In den
textlichen Festsetzungen ist als Zweckbestimmung "Baumarkt und Gartenmarkt als
großflächiger Einzelhandelsbetrieb" angegeben. Weiter heißt es, dass zulässig der
Verkauf von Bedarfsartikeln der folgenden Sortimente sei:
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a. Werkzeuge / Beschläge Heimwerkermaschinen und Zubehör, Werkzeuge aller Art
und Kleineisenwaren, Befestigungstechnik, Beschläge, Sicherheitstechnik,
Regalsysteme, Baumaschinen und -geräte, Draht, Ketten, Seile b. Elektroartikel E-
Installationen, Kabel und Zubehör, Antennen, Schwachstromtechnik, Staubsauger für
Gewerbe und Außenbereich, Leuchtmittel und Leuchten aller Art ohne
Wohnraumleuchten, Stromwandler, Pumpen und Kompressoren, Heizgeräte für den
gewerblichen Bedarf c. Malerartikel Farben aller Art, Malerwerkzeuge, Gips- und
Spachtelmasse, chemisch technische Produkte, Reinigungsmittel und -geräte,
Klebstoffe, Dekorationsartikel, Folien, Tapeten und sonstiger Wandbelag, Putze,
Teppichboden und sonstiger Bodenbelag d. Holzprodukte Konstruktionsholz, Leisten
und Latten, Boden-, Wand- und Deckenverkleidungen, Befestigungstechnik, Holz für
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Möbelbau, Regalsysteme, Kleinmöbel, Saunen und Zubehör, Plattenzuschnitt e.
Sanitärartikel San.-Installation, Sanitär-Objekte, Armaturen und Zubehör, Heizungsbau,
Badausstattung, Badmöbel, Duschkabinen, Spiegel, Regalsysteme, Kaminöfen und
Zubehör f. Gartenartikel Pflanzen aller Art, Gartengeräte, Pflanzennahrung und -pflege,
Erden, Sämereien, Zaunbau und Gartenholz, Gartenbau- und Dekorationsartikel,
Teichbau und Teichpflege, Brennmaterial, Leitern, Garten- und Gewächshäuser,
Pflanztöpfe und Vasen, Gartenkamine, Bewässerungssysteme, Sonnenkollektoren,
Garten- und Campingmöbel, Zelte und Zubehör, Grillgeräte und Zubehör g. Baustoffe /
Bauelemente Sonnenschutz- und Verdunklungsanlagen, Lager- und Transportbehälter,
Bedachungsmaterialien, Isolierung, Ausbaustoffe, Bau-Be- und Entwässerung,
Baumörtel und Kleber, Baustoffe, Bauelemente, Fliesen, Steine, Pflaster, Gerüste,
Bauprofile, Bautenschutzmittel, Zuschlagstoffe h. Autozubehör, Zweiräder, Zweirad-
Zubehör i. Einzelartikel auf einer Fläche von max. 500 n.²: Batterien, Korb- und
Flechtwaren, Tierfutter, Fachliteratur, berufsspezifische Arbeitskleidung,
Wohnraumleuchten.
Am 15.05.1998 beantragte die zu dem Konzern der Klägerin gehörende H. Verwaltungs
GmbH & Co. 12. Vermietungs KG die Erteilung einer Baugenehmigung für die
Errichtung des Bau- und Gartenmarktes mit einer Bruttogeschossfläche des Baumarktes
von 6.175 n.² und einer Verkaufsfläche von 5.260 n.² sowie einem Gewächshaus von
2.730 n.² und einer Freifläche von 2.940 n.². Vorgesehen waren 232 Stellplätze. Als
Nutzung wurde die Sortimentsliste des Baubauungsplanes in den Bauantrag
übernommen.
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Am 22.09.1998 unterschrieb die Bauantragstellerin eine Verpflichtungserklärung gem. §
33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB, in der sie für sich und ihre Rechtsnachfolger die Festsetzungen
des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplanes anerkannte.
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Unter dem 08.10.1998 wurde eine Baugenehmigung erteilt, die als Anlage zur
Baubeschreibung die Sortimentsliste gem. den Festsetzungen des Bauungsplans
enthält.
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Nach Eröffnung des Marktes stellte der Beklagte fest, dass die Klägerin bestimmte
Sortimente führte, die nicht in der Sortimentsliste enthalten waren und kündigte mit
Schreiben vom 06.05.1999 eine Bauordnungsverfügung an.
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Nach verschiedenen Gesprächen erließ der Beklagte unter dem 13.02.2001 eine an die
Firma B. gerichtete Bauordnungsverfügung, in der er den Verkauf bestimmter Artikel
untersagte.
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Gegen die Verfügung erhob die Firma B. Widerspruch und nach erfolglosem
Widerspruchsverfahren Klage (9 K 542/02). Das Klageverfahren hat sich inzwischen
erledigt, nachdem der Beklagte die streitige Ordnungsverfügung gegen die Firma B. in
der mündlichen Verhandlung vom 27.11.2003 aufgehoben hat. Er hat jedoch den Erlass
einer gleichartigen Verfügung an die Klägerin angekündigt.
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Mit Bauantrag vom 28.05.2002 beantragte die Klägerin eine Baugenehmigung für die
Erweiterung der Sortimente um folgende Artikel: Heimtextilien (Nähstoffe Meterware)
Bild und Rahmen (Bilder, Rahmen, Zuschnitt, Poster, Passepartouts) Kreativ
(Künstlerfarben, Zeichen- und Aquarellblöcke, Ton, Fimo, Bastelbögen und
Anleitungen, Bürobedarf) Haushaltswaren (Schüsseln, Plastikboxen, Reiniger)
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Baddekorationen (Baddeko, Badematten, Seifenspender) Sonstiges (Teppichläufer,
Nichtfachzeitschriften, Kerzen, Osterartikel, Geschenkpapier und -bänder,
Glückwunschkarten, chinesische Vasen).
Die zusätzlichen Sortimente sollen auf einer Nettogrundrissfläche von 183,68 n.²
verkauft werden. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Beschränkungen des
Bebauungsplans seien unwirksam, zumindest sei die Nutzungserweiterung im Wege
der Befreiung zulässig.
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Der Bauantrag wurde durch Bescheid des Beklagten vom 02.10.2002 abgelehnt. Zur
Begründung wurde angegeben, die beantragte Sortimentserweiterung sei nicht Inhalt
der abschließend aufgeführten Sortimente und stehe damit im Widerspruch zu den
Festsetzungen des Bebauungsplanes. Eine Befreiung im Sinne von § 31 Abs. 2 BauGB
könne nicht erteilt werden, weil die Grundzüge der Planung berührt würden.
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Der gegen die Verfügung erhobene Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid
der Bezirksregierung E. vom 24. März 2003 zurückgewiesen.
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Am 11. April 2003 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben und zur Begründung
vorgetragen: Sie habe einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Der
Genehmigung stehe nicht entgegen, dass der Bebauungsplan in seinen textlichen
Festsetzungen eine abschließende Aufzählung der Sortimentsgruppen und Sortimente
enthalte, deren Verkauf zulässig sei. Es sei schon zweifelhaft, ob die im Bauantrag
genannten Sortimente, z. B. Badematten und Seifenspender, nicht bereits unter die in
den textlichen Festsetzungen des Bebauungsplans genannten Sortimentsgruppen (hier
Badausstattung) zu subsumieren seien. Hiervon gehe offensichtlich auch das
Planungsamt der Stadt C. aus, wie aus einer sich in den Akten befindenden
Stellungnahme hervorgehe. Die als Positivliste ausgestattete Sortimentsbeschränkung
verstoße zum Einen gegen das Abwägungsgebot gem. § 1 Abs. 6 BauGB und sei zum
Anderen wegen Verstoßes gegen den Bestimmtheitsgrundsatz rechtswidrig. Die
Beschränkung des Bebauungsplans sei deshalb unwirksam. Auf der Grundlage der §§
1 Abs. 5 und 1 Abs. 9 BauNVO könne zwar in einem Bebauungsplan die Art der
baulichen Nutzung mehr oder weniger bis ins Einzelne geregelt werden, sofern hierfür
besondere städetbauliche Gründe vorlägen. Ein Ausschluss von Sortimenten im
Einzelhandel sei nur dann gerechtfertigt, wenn ein konkreter städtebaulicher Bezug
vorhanden sei. Die jeweilige Stadt oder Gemeinde müsse im
Bebauungsplanaufstellungsverfahren hinreichend zum Ausdruck bringen, in welchem
anderen räumlichen Bereich aus welchen städtebaulichen Gründe bevorzugt
(gegenüber dem zu überplanenden Bereich) und aus welchen Gründen (infrastrukturelle
Ausstattung, Versorgung der Bevölkerung, Sicherung eines zentralen
Versorgungsbereichs der eigenen und/oder anderer Gemeinden) Einzelhandelsflächen
untergebracht werden sollten. Dabei sei diese räumlich konkretisierte, städtebauliche
Bezugsfläche nur dann als besonderer städtebaulicher Grund tragfähig, wenn die
auszuschließenden Einzelhandelssortimente rechtlich und tatsächlich den zu
schützenden oder zu fördernden Innenstadt- bzw. Innerortsbereichen zur Verfügung
ständen. Erforderlich sei, dass das vorgegebene Ziel (Sicherung und Entwicklung eines
innerstädtischen oder innerörtlichen Bereichs) aus prognostischer Sicht überhaupt
erreicht werden könne. Es müsse deshalb im Bebauungsplanverfahren im Einzelnen
untersucht werden, ob der Einzelhandel mit bestimmten Sortimenten im Randbereich
überhaupt Kaufkraft aus innerstädtischen oder innerörtlichen Bereichen abziehen
könne. Dieses könne z. B. schon dann zweifelhaft sein, wenn die Sortimentsbereiche,
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die ausgeschlossen werden sollten, im innerörtlichen Bereich gar nicht vorhanden
seien. Die erforderliche Differenzierung zwischen innenstadtbedeutsamen und nicht
bedeutsamen Branchen könne verständlicherweise nur konkret und nur im Einzelfall
bestimmt werden. Gerade diese Einzelfallbestimmung trage dann den besonderen
städtebaulichen Grund im Sinne des § 1 Abs. 9 BauNVO. Den vorstehend genannten
Voraussetzungen für eine abwägungsfehlerfreie Festsetzung einer Sortiments-
Positivliste genüge die Festsetzung der C. Liste im vorliegenden Bebauungsplan nicht.
Eine detaillierte Untersuchung der Frage, ob und inwieweit die Beschränkung der hier in
Rede stehenden Sortimente erforderlich sei, habe nicht stattgefunden.
Doch selbst wenn man der dargelegten Auffassung nicht folge und die Sortimentsliste
für abschließend und bindend halte, sei ihr die ausdrücklich beantragte Befreiung von
den Festsetzungen der Sortimentsliste zu erteilen. Insbesondere würden durch eine
Befreiung die Grundzüge der Planung nicht berührt werden. Die Grundzüge der
Planung seien nur dann berührt, wenn die beabsichtigte Abweichung Auswirkungen auf
die gemeindliche Planungskonstruktion habe, sich also in Wahrheit die Befreiung als
Planänderung im Gewand eines Einzelbescheides darstellen würde. Ziel der C. Liste
sei es, die Möglichkeiten des Warenangebots in dem Baumarkt zu beschränken und
damit letztendlich bestehende Einzelhandelsstrukturen zu schützen. Dieses Ziel werde
jedoch nicht aus den Augen verloren und verletzt, wenn im Wege der Befreiung
Sortimentsgruppen zugelassen würden, die lediglich eine Abrundung des vorhandenen
und genehmigten Sortiments darstellten, nicht jedoch vollkommen neue Handelsströme
nach sich zögen, wie es z. B. bei einer Genehmigung des Verkaufs von Lebensmitteln
oder Bekleidung und Schuhwaren der Fall wäre. Auch die übrigen Voraussetzungen
einer Befreiung seien gegeben.
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Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides vom 02.10.2002 in
Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 24.03.2003 zu
verpflichten, ihren Bauantrag vom 28.05.2002 auf Erweiterung der zulässigen
Sortimente im Baumarkt U.. Straße 6 in C. positiv zu bescheiden.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist er auf den Inhalt der angefochtenen Bescheide.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Verfahrensakte sowie der beigezogenen
Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig, jedoch nicht begründet. Der Bescheid
des Beklagten vom 02.10.2002 und der Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E.
vom 24.03.2003 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§
113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Erteilung einer
Nutzungsänderungsgenehmigung (Erweiterung der zulässigen Sortimente) gem. ihrem
Bauantrag vom 28.05.2002.
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Dabei kann dahinstehen, ob alle im Bauantrag genannten Sortimente - wie etwa die von
der Klägerin aufgeführten Badematten und Seifenspender - nicht bereits unter die in der
Baugenehmigung genehmigten Sortimentsgruppen (Badausstattung) zu subsumieren
sind. Sollte dies der Fall sein, so bestände kein Rechtsschutzbedürfnis, hierfür
nochmals eine Baugenehmigung zu beantragen.
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Soweit der Bauantrag vom 28.05.2002 auf Erweiterung des Sortiments über die mit
Baugenehmigung vom 08.10.1998 genehmigten Warengruppen hinaus geht, hat die
Klägerin keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung, da dem
planungsrechtliche Vorschriften entgegenstehen.
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Die planungsrechtliche Zulässigkeit der beantragten Nutzungsänderung richtet sich hier
nach § 30 BauGB, da das Grundstück im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr.
I/St 4 - 5 "Gewerbegebiet/Sonstige Sondergebiete Boschstraße" liegt, der
Festsetzungen über die Art und das Maß der baulichen Nutzung, die überbaubaren
Grundstücksflächen und die örtlichen Verkehrsflächen enthält und somit ein
sogenannter qualifizierter Bebauungsplan ist. In ihm ist nach § 30 Abs. 1 BauGB ein
Vorhaben nur zulässig, wenn es diesen Festsetzungen nicht widerspricht. Die
beantragte Erweiterung des Sortiments widerspricht jedoch den Festsetzungen des
Bebauungsplanes, der die Nutzung des Grundstücks nur für den Verkauf von
Bedarfsgegenständen zulässt, der in der zum Gegenstand des Bebauungsplanes
gemachten Sortimentsliste enthalten ist. Exakt diese Liste ist aber bereits Inhalt der
erteilten Baugenehmigung vom 08.10.1998.
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Der Bebauungsplan ist auch - soweit im Rahmen des vorliegenden Verfahrens Anlass
zur Überprüfung besteht - wirksam. Die Festsetzung eines Sondergebietes mit der
Zweckbestimmung "Baumarkt und Gartenmarkt als großflächiger Einzelhandelsbetrieb"
und der Beschränkung auf bestimmte Sortimente kann zulässiger Inhalt eines
Bebauungsplanes sein. Großflächige Einzelhandelsbetriebe im Sinne von § 11 Abs. 3
BauNVO, zu denen auch Fachmärkte wie der Bau- und Gartenmarkt der Klägerin
gehören,
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vgl. BVerwG, Urteil vom18.06.2003 - 4 C 5.02 - , NVwZ 2003,1387,
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sind außer in Kerngebieten nur in für sie festgesetzten Sondergebieten zulässig. Nach §
11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO sind für solche Sondergebiete die Zweckbestimmung und die
Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Dabei ist die Gemeinde weder an den
Katalog der Nutzungen in den §§ 2 - 9 BauNVO noch - bei Differenzierungen - an § 1
Abs. 4 ff. BauNVO gebunden. Sie bestimmt vielmehr selbst die Zweckbestimmung des
Gebiets und die Art der in dem Gebiet zulässigen Nutzungen, die ihre Grundlage
unmittelbar in den §§ 10, 11 BauNVO finden.
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BVerwG, Urteil vom 27. April 1990 - 4 C 36/87, BRS 50 Nr. 68.
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Dazu gehört auch, dass sie die Nutzung der großflächigen Einzelhandelsbetriebe
konkretisieren kann, wie das hier durch die Beschreibung als "Bau- und Gartenmarkt"
und weitergehend durch die Beschränkung auf typische Warengruppen geschehen ist.
31
Allerdings muss die von der Gemeinde getroffene Bestimmung über die Art des
Einzelhandelsbetriebes und die Begrenzung der in dem Betrieb zulässigen Sortimente -
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wie alle planerischen Festlegungen - der Sache nach städtebaulich begründet sein (§ 1
Abs. 3 BauGB) und den Anforderungen des Abwägungsgebotes (§ 1 Abs. 6 BauGB)
genügen; willkürliche Begrenzungen darf die Gemeinde im Bebauungsplan nicht
ziehen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.1990 a.a.Q...
33
Der hier fraglichen planerischen Festsetzung mangelt es nicht an der erforderlichen
städtebaulichen Rechtfertigung im Sinne von § 1 Abs. 3 BauGB. Die städtebauliche
Rechtfertigung einer planerischen Festsetzung kann entfallen, wenn die ihr
zugrundeliegende städtebauliche Zielsetzung mit dem gewählten Festsetzungsmittel
tatsächlich nicht erreicht werden kann und sich die Festsetzung deshalb als ein grober
und einigermaßen offensichtlicher planerischer Missgriff erweist.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 03.06.2002 - 7 a D 92/99. NE -; BVerwG, Urteil vom 3. Juni
1971 - IV C 64.70 - BRS 24 Nr. 1 -.
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Ein solcher grober Missgriff liegt bei der hier getroffenen Festsetzung des Sondergebiets
nicht vor. Ihr liegt die - städtebaulich gerechtfertigte - planerische Zielsetzung zugrunde,
Flächen für großflächige Einzelhandelsbetriebe zur Verfügung zu stellen, andererseits
aber zur Vermeidung von negativen Auswirkungen auf die Stadtentwicklung der Zentren
und Nebenzentren die Nutzung auf zentrenverträgliche Sortimente zu begrenzen, indem
nur die Nutzung als Bau- und Gartenmarkt zugelassen wurde. Auch die weitergehende
Präzisierung und evtl. Begrenzung durch eine Sortimentsliste ist geeignet, diesem Ziel
zu dienen.
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Es kann auch nicht festgestellt werden, dass die planerische Festsetzung als
Sondergebiet mit der Zweckbestimmung Baumarkt und Gartenmarkt mit
vorgeschriebener Sortimentsliste abwägungsfehlerhaft im Sinne von § 1 Abs. 6 BauGB
erfolgt ist.
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Nach § 1 Abs. 6 BauGB sind bei der Aufstellung von Bebauungsplänen die öffentlichen
und privaten Belange gegen- und untereinander gerecht abzuwägen. Das so normierte
Abwägungsgebot ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht
stattfindet, wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage
der Dinge in sie eingestellt werden muss, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange
verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten Belangen
in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange
außer Verhältnis steht. Dabei beurteilt sich die Frage, ob eine Abwägung im Einzelfall
nach Vorgang oder Ergebnis fehlerhaft ist, nach den Gegebenheiten des Einzelfalles,
nicht nach allgemeinen und abstrakten Regeln.
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Vgl. Berliner Kommentar zum BauGB, 3. Aufl. 2002, § 1 Anm. 88.
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Der Planaufsteller hat bei der Festsetzung des Sondergebietes die privaten Belange der
Klägerin in ausreichendem Maße berücksichtigt. Anlass für die planerische Festsetzung
des hier streitigen Sondergebietes für einen großflächigen Baumarkt und Gartenmarkt
war der Wunsch der Klägerin, einen solchen Markt hier zu errichten. Der Rat der Stadt
C. ist dem gefolgt, weil er einen derartigen großflächigen Fachmarkt in Form eines Bau-
und Gartenmarktes als im Zentrum unverträglich und an diesem Standort für
städtebaulich vertretbar angesehen hat, selbst wenn er gewisse nachteilige
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Auswirkungen für die Entwicklung der Zentren nicht ausschließen konnte. Klar war aber
auch, dass die Ausweisung als Bau- und Gartenmarkt durch Beifügung einer
Sortimentsliste präzisiert und eingegrenzt werden sollte. Grundlage hierfür war ein
Beschluss des Rates der Stadt vom 22.05.1997. Darin hatte der Rat der Stadt unter
ausdrücklicher Benennung des streitigen in Vorbereitung befindlichen Bau- und
Gartenmarkts beschlossen, künftig bei der Ausweisung von Flächen für Bau- und
Gartenmärkte jeweils die Ausweisung von Sondergebieten mit Sortimentsbeschränkung
zu beschließen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass Fachmärkte bisher den
Sonderformen der Einzelhandelsgroßbetriebe zugerechnet worden seien, die wegen
ihres schmalen Warensortiments und ihres untergeordneten Anteils an
zentrumsrelevanten Artikeln die Annahme gerechtfertigt hätten, dass keine
Auswirkungen im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO zu erwarten seien. Dies treffe
jedenfalls auf Bau- und Heimwerkermärkte nur sehr bedingt zu. Sie erweiterten
tendenziell den Anteil an zentrumsrelevanten Sortimenten weit über das reine
Baumarktsortiment hinaus. Auf steigenden Verkaufsflächengrößen entwickelten sich
Fachabteilungen in mehr oder weniger engem funktionalem Zusammenhang mit einem
Bau- und Heimwerkermarkt bzw. einem Gartencenter, die im einzelnen den Umfang und
die Bedeutung eines Fachgeschäftes überschritten und so städtebauliche
Auswirkungen des § 11 Abs. 3 BauNVO vermuten ließen. Sie zu begrenzen, ohne die
berechtigten Interessen des Betreibers hinsichtlich Flexibilität der Angebotsbreite für die
Zukunft über das bodenrechtlich notwendige Maß hinaus einzuschränken, sei Sinn und
Zweck der planungsrechtlichen Festsetzung für großflächige Fachmärkte. Von daher sei
vom Planungsamt ein Festsetzungsentwurf zur Art der Nutzung entwickelt, mit dem
Arbeitskreis Einzelhandelsstruktur und dem Regierungspräsidenten als
Aufsichtsbehörde abgestimmt sowie mit Baumarktbetreibern erörtert worden.
Unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles ist die
Übernahme der Liste auch in den hier streitigen Bebauungsplan nicht
abwägungsfehlerhaft.
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Die vom Rat der Stadt festgestellte Tendenz, das Sortiment der Baumärkte immer weiter
auszuweiten, wird von der Klägerin nicht bestritten und ist auch für das Gericht
tatsächlich feststellbar. Von daher ist es in planerischer Hinsicht grundsätzlich
berechtigt, dass der Rat nicht nur durch den Begriff des "Bau- und Gartenmarktes",
sondern auch durch Beifügung einer Sortimentsliste die zulässige Nutzung des
großflächigen Einzelhandelsbetriebs präzisiert und begrenzt. Die Sortimentsliste ist
auch so weit gefasst, dass sie alle Artikel eines "klassischen Baumarkts", nämlich den
Handwerkerbedarf für jedermann, umfasst und teilweise darüber hinaus geht. Das zeigt
auch die hier erstrebte Erweiterung des Sortiments, die ausschließlich Artikel umfasst,
die nicht zu dem eigentlichen Kernsortiment eines "Baumarktes" gehören, sondern
damit nur noch am Rande oder überhaupt nicht in Zusammenhang stehen. Angesichts
der Weite dieser Liste musste der Planaufsteller nicht davon ausgehen, dass er die
privaten Belange der Klägerin nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt hat, zumal
sie bei der Aufstellung der Liste beteiligt war.
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Im Bebauungsplanverfahren hat die Klägerin Einwendungen gegen die Aufnahme der
Liste in den Plan nicht erhoben. Sie hat im Gegenteil in den durch die konzerneigene
Firma bereits während des Planaufstellungsverfahrens gestellten Bauantrag die
Sortimentsliste als Beschränkung aufgenommen. Darüber hinaus wurde die Erteilung
der Baugenehmigung bereits vor Inkrafttreten des Bebauungsplanes nach § 33 BauGB
beantragt und ausdrücklich gem. § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB die Erklärung abgegeben,
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dass die Festsetzungen des Bebauungsplanes - und damit die bereits damals bekannte
Sortimentsliste - auch für die Rechtsnachfolger anerkannt werden. Damit und angesichts
dessen, dass die Klägerin in der Folgezeit die Baugenehmigung ausnutzte und damit
ein vor der Planung so nicht gegebenes Baurecht in Anspruch nahm, hat sie auf eine
weitergehende Berücksichtigung ihrer Belange verzichtet.
Vgl. zu der Bedeutung einer Erklärung nach § 33 Abs. 1 Nr. 3 BauGB Berliner
Kommentar a.a.Q..., § 33 Anm. 11; VGH Mannheim, Urteil vom 19.06.1974 - II 229/74 -
BRS 28 Nr. 17.
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Es ist rechtsmissbräuchlich, wenn die Klägerin dem Rat jetzt nach Ausnutzung der
Baugenehmigung vorwirft, zur Berücksichtigung ihrer Belange nicht weitere
Untersuchungen durchgeführt zu haben, obwohl sie die Erweiterung der Sortimente
nicht verlangt hatte.
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Vgl. insoweit zur Verwirkung eines Normenkontrollantrags BVerwG, Beschluss vom 14.
11. 2000 - 4 BN 54/00 -.
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Unter den gegebenen Umständen musste der Rat auch nicht von sich aus prüfen, ob die
Liste um weitere Warensortimente ergänzt werden kann, ohne dass sich im konkreten
Fall negative Folgen für die gemeindliche Zentrenstruktur ergeben. Das gilt zumindest
für den vorliegenden Fall, in dem durch die Planung nicht ein bestehender Betrieb in
seinen Sortimenten beschränkt, vielmehr durch sie erst die Nutzungsmöglichkeit für
einen großflächigen Handelsbetrieb geschaffen werden soll. Die Klägerin hat auch
keinen Anspruch auf Zulassung der begehrten Sortimentserweiterung im Wege der
Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB. Durch die Erweiterung des Sortiments werden
Grundzüge der Planung berührt. Der Rat hat bewusst die Nutzung des großflächigen
Einzelhandelsbetriebs auf die Kernsortimente und bestimmte im Einzelnen aufgeführte
Randsortimente eines Baumarktes beschränkt und darüber hinausgehende Sortimente,
die potentiell zentrenschädlich sein können, bewusst ausgeschlossen. Um gerade
solche Sortimente geht es aber bei der beantragten Erweiterung der Baugenehmigung.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten beruht auf § 167
VwGO j..V.n.. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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