Urteil des VG Minden vom 12.11.2010

VG Minden (krankenhaus, sinn und zweck der norm, fusion, förderung, verhältnis zwischen, historische auslegung, teleologische auslegung, systematische auslegung, erlass, wirkung)

Verwaltungsgericht Minden, 6 K 3527/08
Datum:
12.11.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 3527/08
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten der Klägerin abgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 100 EUR
abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in
derselben Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist Trägerin des Evangelischen Krankenhauses C1. , zu dem als jetzige
Betriebsstellen (im Folgenden: Betriebsstellen H1. bzw. K. ) die früher rechtlich
selbstständig gewesenen Kliniken Evangelisches Krankenhaus C1. (vormals
Krankenanstalten H1. ) und Evangelisches K1. Krankenhaus C1. gehören. Gemäß
Feststellungsbescheid der Beklagten vom 3.7.2008 wurde die Fusion der beiden
vorgenannten Kliniken nach mehrjähriger Vorbereitung krankenhausrechtlich zum
1.1.2008 vollzogen. Mit einem früheren Bescheid vom 9.2.2007 hatte die Beklagte unter
der Krankenhausnummer des Evangelischen Krankenhauses C1. (vormals
Krankenanstalten H1. ) - 0000 - ab dem 1.2.2007 geltende Feststellungen getroffen für
die beiden vorgenannten Kliniken sowie für das Krankenhaus N. unter Benennung der
drei damaligen Krankenhausträger und unter Hinweis auf eine bevorstehende
krankenhausrechtliche "Fusion/Verschmelzung" dieser Krankenhäuser; das
Krankenhaus N. wurde Ende 2007 von der geplanten Fusion wieder ausgenommen.
2
Auf der Grundlage des bis zum 28.12.2007 gültig gewesenen Krankenhausgesetzes
Nordrhein-Westfalen - KHG NRW - hatte die Beklagte der Klägerin für deren heutige
Betriebsstelle K. für das Jahr 2007 Fördermittel von gut 1,5 Mio. Euro bewilligt. In einem
wegen der Höhe dieses Betrags anhängig gewesenen Klageverfahren vor der Kammer
(6 K 2710/07) verglichen sich die Beteiligten im Verhandlungstermin vom 27.2.2009 auf
eine geringfügige Erhöhung der Förderung.
3
Nach dem Inkrafttreten des Krankenhausgestaltungsgesetzes des Landes Nord-rhein-
Westfalen - KHGG NRW - am 29.12.2007, das auch ein geändertes System der
Krankenhausförderung einführte, beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter dem
15.5.2008 mit zwei getrennten Anträgen für beide jetzige Betriebsstellen u.a. jeweils
eine Baupauschale. Unter Änderung eines zunächst ergangenen Bescheides vom
4
17.11.2008 bewilligte die Beklagte ihr mit Bescheid vom 1.12.2008 - neben unstreitig
gebliebenen Pauschalbeträgen von insgesamt knapp 4 Mio. Euro zur
Wiederbeschaffung kurzfristiger Anlagegüter für beide jetzige Betriebsstellen - zwar eine
Baupauschale von knapp 1,7 Mio. Euro, mit der aber nur die jetzige Betriebsstelle H1.
mit einer ermittelten Förderkennziffer von 12,0653 in das Investitionsprogramm 2008 des
Landes aufgenommen wurde. Für das frühere Evangelische K1. -Krankenhaus C1.
verneinte die Beklagte hingegen einen Förderanspruch auf eine Baupauschale mit der
Begründung, dessen mit 21,5396 errechnete Förderkennziffer liege über der mit 20,5518
festgestellten Förderkennziffer des letzten der für das Jahr 2008 in die Förderung
aufgenommenen Krankenhäuser. Dabei nahm die Beklagte die zum 31.12.2006
festgestellten krankenhausplanerischen und bilanziellen Daten der beiden damals noch
selbstständig gewesenen heutigen Betriebsstellen des Evangelischen Krankenhauses
C1. zur Bemessungsgrundlage gemäß § 6 Satz 1 der ab dem 1.1.2008 geltenden
Verordnung über die pauschale Krankenhausförderung vom 18.3.2008 (GV. NRW S.
347) - PauschKHFVO -.
Diese Verordnung wurde durch Verordnung vom 12.5.2009 (GV. NRW S. 323) mit
Wirkung vom 1.1.2009 geändert - PauschKHFVO n.F. - und enthält seither (neben
sonstigen Änderungen) in § 9 Abs. 2 und 6 ergänzte bzw. erstmalige ausdrückliche
Regelungen zu Fusionssachverhalten.
5
Am 16.12.2008 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich gegen die getrennte
Festlegung von Förderkennziffern für ihre beiden heutigen Betriebsstellen und die
Ablehnung einer Baupauschale für die jetzige Betriebsstelle K. wendet. Zur Begründung
meint sie, die Beklagte hätte gemäß § 9 Abs. 2 PauschKHFVO, der von der Förderung
"eines Krankenhauses" spreche, eine einheitliche Förderkennziffer für ihr Krankenhaus
ermitteln müssen; eine Betriebsstellenförderung sei nicht vorgesehen. Die Beklagte
habe bereits mit ihrem Bescheid vom 9.2.2007 die Fusion der zuvor selbstständigen
Krankenhäuser zu einem Krankenhaus mit den Betriebsstellen H1. und K. festgesetzt;
schon seit Bekanntgabe dieses Bescheides müsse ihre Klinik als ein Krankenhaus mit
einheitlicher Förderkennziffer angesehen werden. Auch in einem Übergangszeitraum
hätte die Beklagte die für das Förderjahr 2008 bereits krankenhausrechtlich anerkannte
Fusion zum jetzigen Evangelischen Krankenhaus C1. berücksichtigen müssen. Das sei
übrigens im Investitionsprogramm 2008 mit der Ausweisung ihres Krankenhauses unter
der Krankenhausnummer 00000 geschehen. Lediglich für die Datengrundlage zur
Ermittlung der Förderkennziffer sei gemäß § 9 Abs. 3 PauschKHFVO aus
verwaltungstechnischen Gründen auf den Stichtag 31.12.2006 abzustellen. Ein Erlass
des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen
(MAGS) vom 13.11.2008 gebe keine Anweisung, wie im Falle eines bereits vor 2008
fusionierten Krankenhauses zu verfahren sei und wie eine einheitliche Förderkennziffer
für ein fusioniertes Krankenhaus berechnet werden solle; daher widerspreche er § 18
Abs. 1 Nr. 1 KHGG NRW. Sie vermisse überhaupt eine Rechtsgrundlage für die
Auffassung der Beklagten, dass in einer Übergangsphase die Bestimmung des
Förderumfangs an Hand der Leistungsdaten ehemals selbstständiger heutiger
Betriebsstellen zulässig sei. Der Erlass des MAGS vom 13.11.2008, der keine
Außenwirkung gegenüber Dritten entfalte, könne keine solche Rechtsgrundlage sein.
Da die PauschKHFVO Fusionssachverhalte erst mit Wirkung vom 1.1.2009 geregelt
habe, habe die Beklagte für das Jahr 2008 eine Entscheidung ohne Rechtsgrundlage
getroffen. Im Übrigen habe sie mit den Sozialleistungsträgern auf der Grundlage des
Fusionsbescheides eine einheitliche Budgetvereinbarung für beide Betriebsstellen
getroffen; es sei nicht ersichtlich, weshalb mit Blick auf die Krankenhausfinanzierung
6
und die Budgetvereinbarung unterschiedliche Bewertungen der Fusion für beide
Betriebsstellen erfolgen sollten.
Die Klägerin beantragt - sinngemäß von Anfang an -,
7
die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 1.12.2008 zu verpflichten, für die
beiden Betriebsstellen des Krankenhauses der Klägerin eine einheitliche
Förderkennziffer von 14,9545 festzulegen und ihr für das Jahr 2008 eine weitere
Baupauschale von 756.706,53 EUR zu bewilligen.
8
Die Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Sie meint, insbesondere in einer Übergangsphase sei es bei sachlicher Begründung
zulässig, den Umfang der Förderung an Hand der Leistungsdaten ehemals
selbstständiger Betriebsstellen eines Krankenhauses zu bestimmen. § 8 Abs. 1 i.V.m.
Abs. 2 und § 11 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes des Bundes - KHG - gäben
den Ländern erheblichen Spielraum zur Ausgestaltung der Finanzierung von
Investitionskosten, auch hinsichtlich des Umfangs. Das Land Nordrhein-Westfalen habe
diese Gestaltungsrechte durch das KHGG NRW und die PauschKHFVO in der Weise
ausgeübt, dass alle Plankrankenhäuser auf Dauer gesehen jährliche Baupauschalen
erhalten sollten und bis dahin schrittweise nach Maßgabe des § 9 PauschKHFVO
entsprechend der Reihenfolge, die an Hand der tatsächlichen Verhältnisse zum
31.12.2006 bestimmt werde, in die neue Förderung aufgenommen würden. Diese
Übergangsphase sei darin begründet, dass die für die neue Baupauschale
vorgesehenen Haushaltsmittel anfangs auch noch für bereits eingegangene
Verpflichtungsermächtigungen im Rahmen der Einzelförderung nach dem früheren
Recht benötigt würden; zusätzliche Haushaltsmittel stünden nicht zur Verfügung. Die
Kriterien für die Förderreihenfolge seien sachgerecht. Da die Förderkennziffer nur
einmal ermittelt werde, werde ein einmal in die Förderung aufgenommenes
Krankenhaus auch in den Folgejahren gefördert; dadurch könne es seine künftigen
Förderbeträge abschätzen und zur Grundlage von Investitions- und
Finanzierungsentscheidungen machen. Der Verordnungsgeber sei auf Grund dieser
Regelungsziele stets davon ausgegangen, dass die Förderansprüche von
Krankenhäusern, die erst nach 2006 fusioniert hätten, additiv aus den Einzelansprüchen
ermittelt würden. Auch wenn der ursprüngliche Wortlaut des § 9 Abs. 2 PauschKHFVO
insoweit noch nicht eindeutig gewesen sei, sprächen die Regelungsziele für das oben
dargestellte Normverständnis. Die PauschKHFVO habe in ihrer Ursprungsfassung
keine gesonderten Regelungen enthalten für den Fall, dass Krankenhäuser zwischen
dem Bezugsjahr der Bemessungsgrundlage (Datenjahr) und dem Jahr der Förderung
fusionierten, sondern sei davon ausgegangen, dass der Sachstand des Datenjahres
fortgelte. Erst die Änderungsverordnung vom 12.5.2009 habe Fusionssachverhalte
ausdrücklich geregelt. Ein von der Klägerin behaupteter Grundsatz der Ermittlung einer
einheitlichen Förderkennziffer für jedes Krankenhaus lasse sich aber weder der
Entstehungsgeschichte noch dem Wortlaut der PauschKHFVO entnehmen. Die
Entstehungsgeschichte führe vielmehr auf den Grundsatz des einheitlichen Zeitbezugs
förderrelevanter Sachverhalte, wie die Übernahme des entsprechend begründeten
Votums der Krankenhausgesellschaft Nordrhein-Westfalen von Ende Oktober 2007 in
den Verordnungsentwurf zeige. Aus diesem Grundsatz folge, dass der Förderanspruch
eines erst nach dem Datenjahr 2006 fusionierten Krankenhauses als Summe der
11
rechnerischen Förderansprüche der zuvor selbstständigen Krankenhäuser zu ermitteln
sei. Dass ein erst nach 2006 fusioniertes Krankenhaus dann, wenn nicht alle seine
früher selbstständigen Kliniken einen eigenen Anspruch auf eine Baupauschale hätten,
nur im Umfang der Summe der rechnerischen Einzelansprüche der früheren Kliniken in
das Investitionsprogramm aufzunehmen sei, habe schon der Erlass des MAGS vom
13.11.2008 dargelegt. Im Zuge der Normanwendung für das gänzlich neue
Fördersystem habe der Verordnungsgeber Klarstellungsbedarf erkannt und dies in der
Änderungsverordnung vom 12.5.2009 u.a. durch sprachliche Ergänzung des § 9 Abs. 2
PauschKHFVO berücksichtigt, damit aber keine neue Rechtsauffassung zum Ausdruck
gebracht. Wenn es im Jahr 2008 entsprechend der Meinung der Klägerin noch an einer
Rechtsgrundlage für Entscheidungen über Fusionssachverhalte gefehlt hätte, gäbe es
auch keine Rechtsgrundlage für die Klageforderung. Dass das Evangelische
Krankenhaus C1. in das Investitionsprogramm 2008 nur mit denjenigen Leistungsdaten
aufgenommen worden sei, die der Krankenhausnummer 0000 mit dem für Ende 2006
festgestellten Planungsstand der heutigen Betriebsstelle H1. entsprächen, folge
insbesondere daraus, dass das damals noch selbstständige Evangelische K1. -
Krankenhaus C1. die Krankenhausnummer 0000 getragen habe und im
Investitionsprogramm 2008 nicht genannt sei, anders als dann im Investitionsprogramm
für das Jahr 2009, für das die Klägerin auch für die jetzige Betriebsstelle K. eine
Baupauschale erhalte. Der im Investitionsprogramm 2008 aufgeführte Name
Evangelisches Krankenhaus C1. habe für die vormaligen Krankenanstalten H1. auch
schon vor der Fusion gegolten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten verwiesen.
12
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
13
Die Klage hat keinen Erfolg.
14
Die statthafte Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist in vollem Umfang
zulässig. Die Festsetzung einer Förderkennziffer stellt neben der Entscheidung über die
Bewilligung oder Ablehnung einer Baupauschale einen eigenständigen Verwaltungsakt
dar und ist damit gesondert rechtsbehelfsfähig, weil ohne die Bestandskraft der
Förderkennziffer die Auszahlung einer Baupauschale nicht möglich ist.
15
So auch Prütting, KHGG NRW, Komm., 3. Aufl. 2009, § 18 Rdnr. 79.
16
Die Klage ist aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine
gemeinsame Förderkennziffer für ihre beiden heutigen Betriebsstellen und deswegen
für das Jahr 2008 auch keinen Anspruch auf eine höhere Baupauschale, als die
Beklagte sie ihr mit dem streitigen Bescheid vom 1.12.2008 für ihr Krankenhaus bereits
bewilligt hat.
17
Gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 KHGG NRW fördert das zuständige Ministerium
(im Jahr 2008: das MAGS) die Errichtung von Krankenhäusern (Neubau, Umbau,
Erweiterungsbau) einschließlich der Erstausstattung mit den für den
Krankenhausbetrieb notwendigen Anlagegütern sowie die Wiederbeschaffung von
Anlagegütern mit einer durchschnittlichen Nutzungsdauer von mehr als 15 Jahren
(Baupauschale) und wird ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Finanzministerium und
dem Innenministerium sowie nach Anhörung der unmittelbar Beteiligten (§ 15 Abs. 1
18
KHGG NRW) und im Benehmen mit dem zuständigen Landtagsausschuss durch
Rechtsverordnung die Bemessungsgrundlagen, die Zahlungsmodalitäten, die Höhe der
Pauschalbeträge nach Absatz 1 sowie für einen Übergangszeitraum die Reihenfolge
der Berechtigten zu bestimmen. Von dieser Ermächtigung hat das Ministerium durch
Erlass der PauschKHFVO Gebrauch gemacht. Nach § 19 Abs. 1 KHGG NRW stellt das
zuständige Ministerium auf einer näher geregelten Grundlage Investitionsprogramme
auf. Ein Rechtsanspruch auf Förderung entsteht gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 KHGG NRW
erst mit der schriftlichen Bewilligung der Fördermittel. Für die Bewilligung ist die
jeweilige Bezirksregierung zuständig (§ 1 Abs. 1 der Verordnung zur Regelung von
Zuständigkeiten und Verfahren auf dem Gebiet des Krankenhauswesens - KHZVV -
vom 21.10.2008, GV. NRW S. 642).
Die Zusammensetzung und Berechnung der Baupauschale gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1
KHGG NRW wird in den §§ 1 bis 5 PauschKHFVO im Einzelnen geregelt. Nach § 9
Abs. 2 Satz 1 PauschKHFVO wird zur Festlegung des Zeitpunktes der erstmaligen
Förderung eines Krankenhauses mit der Baupauschale für jedes - Ergänzung in der
PauschKHFVO n.F.: zum Stichtag nach Absatz 3 im Krankenhausplan ausgewiesene -
Krankenhaus das Verhältnis zwischen dem heutigen Wert der bisherigen
Landesförderung gemäß Absatz 3 und dem Wert der Baupauschale gemäß § 18 Abs. 1
Nr. 1 KHGG NRW für das Jahr 2008 ermittelt (Förderkennziffer). Die zuständige
Behörde - hier die Beklagte - teilt jedem Krankenhaus seine Förderkennziffer mit (§ 9
Abs. 2 Satz 2 PauschKHFVO). Mit der niedrigsten Förderkennziffer beginnend werden
entsprechend der Förderkennziffer in jedem Jahr so viele Krankenhäuser neu in die
Förderung durch die Baupauschale aufgenommen, bis der Haushaltsansatz für die
pauschale Förderung zur Errichtung von Krankenhäusern gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1
KHGG NRW ausgeschöpft ist (§ 9 Abs. 4 PauschKHFVO). Die vom MAGS gemäß § 9
Abs. 5 PauschKHFVO bekannt gegebene Förderkennziffer des letzten im Jahre 2008
neu in die Förderung durch die Baupauschale aufgenommenen Krankenhauses beträgt
20,5518 (Nr. 4 des Investitionsprogramms 2008, Bekanntmachung des MAGS vom
17.11.2008, MBl. NRW S. 602).
19
Nach Maßgabe dieser Vorschriften hat die Beklagte der Klägerin für das Jahr 2008 zu
Recht keine höhere Baupauschale als den mit dem Bescheid vom 1.12.2008 nur für die
jetzige Betriebsstelle H1. gewährten Betrag bewilligt, weil die Festsetzung einer
eigenen Förderkennziffer für das ehemalige Evangelische K1. -Krankenhaus C1.
rechtmäßig ist und dessen Förderkennziffer 21,5396 lautet - Bedenken gegen die
Berechnung dieser Ziffer als solche bringt die Klägerin selbst nicht vor und sind auch für
die Kammer nicht erkennbar -, also zu hoch ist, um für das Jahr 2008 eine
Baupauschale bewilligen zu können.
20
Es ist rechtlich einwandfrei, dass das MAGS den bei der Bewilligung einer
Baupauschale als Teil der Krankenhausförderung anzuerkennenden weiten
Gestaltungsspielraum, den die Rahmenvorgaben des § 8 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 und des §
11 KHG eröffnen, auf Grund der landesgesetzlichen Ermächtigung durch § 18 Abs. 2 Nr.
1 KHGG NRW für einen Übergangszeitraum, in dem die zur Verfügung stehenden
Haushaltsmittel noch nicht für eine angemessene Pauschalförderung aller
Krankenhäuser des Landes genügen, von einer Förderreihenfolge gemäß einer
Förderkennziffer, die sich an den in der PauschKHFVO bestimmten Faktoren orientiert,
abhängig gemacht hat. Die Rechtmäßigkeit dieser Förderpraxis als solche wird auch
von den Beteiligten nicht in Frage gestellt. Entgegen der Meinung der Klägerin ist es
rechtlich aber auch nicht zu beanstanden, dass zur Ermittlung der Förderkennziffer u.a.
21
auf Daten von (grundsätzlich) Ende 2006 zurückgegriffen wird; diese Vorgehensweise
rechtfertigt sich aus verwaltungspraktischen Gründen (aktuellere Daten wären im Jahr
2008 für etliche betroffene Krankenhäuser noch nicht verfügbar gewesen) und wird
ebenfalls durch die Rahmenvorgaben der §§ 8 und 11 KHG gedeckt. Der dem
Normgeber zustehende weite Gestaltungsspielraum steht schließlich einem von der
Klägerin behaupteten Zwang für das MAGS entgegen, für Krankenhäuser, die zwar
noch nicht Ende 2006, wohl aber Anfang 2008 krankenhausrechtlich wirksam fusioniert
waren, eine einheitliche gemeinsame Förderkennziffer zu ermitteln.
Dass für Krankenhäuser, die - wie die beiden heutigen Betriebsstellen des
Krankenhauses der Klägerin - Ende 2006 krankenhausrechtlich noch nicht fusioniert,
sondern noch selbstständig waren, jeweils eine eigene Förderkennziffer festzusetzen
war, wird sprachlich erst aus dem bereits zitierten Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 (i.V.m.
Abs. 3) PauschKHFVO n.F. hinreichend deutlich, indem es dort statt zuvor "für jedes
Krankenhaus" nunmehr heißt "für jedes zum Stichtag nach Absatz 3" - das ist nach
dessen Satz 1 regelmäßig und auch im vorliegenden Fall der 31.12.2006 - "im
Krankenhausplan ausgewiesene Krankenhaus". Danach (sowie auf Grund der
ergänzenden erstmaligen Regelungen in § 9 Abs. 6 PauschKHFVO n.F.) steht seit dem
Inkrafttreten der PauschKHFVO n.F. am 1.1.2009 allein schon wegen des Wortlauts der
Norm (grammatische Auslegung) fest, dass für jede der beiden heutigen Betriebsstellen
des Krankenhauses der Klägerin eine eigene Förderkennziffer zu ermitteln war. Denn
zum Planungsstand 31.12.2006 waren das Evangelische Krankenhaus C1. (vormals
Krankenanstalten H1. ) und das Evangelische K1. -Krankenhaus C1. noch getrennt mit
eigenständigen Krankenhausnummern - 0000 und 0000 - im Krankenhausplan
ausgewiesen. Die bis dahin schon erfolgte gesellschafts- bzw. handelsrechtliche
Fusion, auf die die Klägerin in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, ist
insoweit unerheblich. Krankenhausrechtlich wurde die Fusion erst mit dem
Feststellungsbescheid der Beklagten vom 3.7.2008 rückwirkend zum 1.1.2008 wirksam.
Erst mit der krankenhausrechtlich genehmigten Fusion von Krankenhäusern entsteht ein
als rechtliche Einheit zu betrachtendes Gesamtkrankenhaus i.S.v. § 29 Abs. 2 KHGG
NRW.
22
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 21.12.2009 - 13 A 98/09 -, www.nrwe.de = juris, und
vom 6.10.2010 - 13 A 216/10 -, jeweils zum früheren § 33 Abs. 2 KHG NRW.
23
Der von der Klägerin zur Klagebegründung in Bezug genommene
Feststellungsbescheid der Beklagten vom 9.2.2007 (ohnehin mit ausdrücklich
bestimmter Wirkung erst ab dem 1.2.2007 und damit nach dem 31.12.2006) enthielt -
ebenso wie andere Bescheide der Beklagten vor dem 3.7.2008 - noch keine
Feststellung/Genehmigung der Fusion des Evangelischen Krankenhauses C1. (vormals
Krankenanstalten H1. ) und des Evangelischen K1. -Krankenhauses C1. . Er betraf
vielmehr neben den beiden heutigen Betriebsstellen der Klägerin sogar ausdrücklich
auch das Ende 2007 aus dem Fusionsprozess wieder ausgeschiedene Krankenhaus N.
und benannte demgemäß noch drei verschiedene Krankenhausträger.
24
Die Ergänzung im Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 PauschKHFVO n.F. gegenüber der für
das Jahr 2008 geltenden Ursprungsfassung der PauschKHFVO bedeutet keine
materielle Rechtsänderung, sondern lediglich eine sprachliche Klarstellung des vom
Verordnungsgeber, also dem MAGS, auch schon im Jahr 2008 in diesem Sinne
Gemeinten. Zwar war der Wortlaut dieser Norm in ihrer Ursprungsfassung nicht
eindeutig, aber die teleologische Auslegung (Sinn und Zweck der Norm), systematische
25
Auslegung (Stellung der Norm im Rechtssystem) und historische Auslegung
(erkennbarer Wille des Normgebers) des § 9 Abs. 2 Satz 1 PauschKHFVO lassen nur
den Rückschluss zu, dass diese Norm bereits im Jahr 2008 und damit bereits für das
hier interessierende Investitionsprogramm 2008 so zu verstehen war, wie es ihr Wortlaut
in der Fassung der PauschKHFVO n.F. mit Wirkung seit Anfang 2009 auch grammatisch
klargestellt hat.
Eine Förderkennziffer zur Ermittlung eines Anspruchs auf eine Baupauschale wird nicht
jährlich neu, sondern nur einmal für das Jahr 2008 ermittelt (§ 9 Abs. 2 Satz 1 a.E.
PauschKHFVO alter wie neuer Fassung). Sie gilt unverändert fort bis zum Ende der
mehrjährigen, durch die Bestimmungen des § 9 PauschKHFVO erfassten
Übergangsphase. Dementsprechend wäre es sinn- und zweckwidrig, für
Krankenhäuser, die - wie die beiden heutigen Betriebsstellen der Klägerin - erst nach
Ende 2006 krankenhausrechtlich wirksam fusioniert haben, eine jeweils eigene
Förderkennziffer zwar mit Wirkung ab dem 1.1.2009 (Inkrafttreten des § 9 Abs. 2 Satz 1
Pausch-KHFVO n.F.), nicht aber schon für das Jahr 2008 zu ermitteln. Denn
anderenfalls gäbe es für Förderansprüche solcher Krankenhäuser eine Regelungslücke
für das Jahr 2008, die das MAGS als Normgeber jedoch offenkundig nicht gewollt hat.
Das MAGS ist vielmehr offensichtlich stets von der seit 2008 ununterbrochenen und
einheitlichen Geltung einer Förderkennziffer für jedes zum Stichtag nach § 9 Abs. 3
PauschKHFVO im Krankenhausplan ausgewiesene Krankenhaus und einem
möglichen Förderanspruch jedes dieser Krankenhäuser ausgegangen, auch wenn
solche Krankenhäuser inzwischen fusioniert haben.
26
Das belegt zum einen der Erlass des MAGS vom 13.11.2008 (also schon vor dem
Inkrafttreten der PauschKHFVO n.F.), der in seinem Absatz 2 davon spricht, dass bei
fusionierten Krankenhäusern die dem Träger des im letzten bestandskräftigen
Feststellungsbescheid ausgewiesenen Krankenhauses zustehenden "Ansprüche (nicht
aber die Förderkennziffern) der zum Zeitpunkt der Datenerhebung (31.12.2006) noch
selbstständigen Krankenhäuser und heutigen Betriebsstellen addiert" werden, und in
Absatz 3 erneut die "additive(n)/synthetische(n) Ermittlung des Gesamtförderanspruchs"
sowie die Möglichkeit erwähnt, dass ein heute fusioniertes Krankenhaus "noch nicht die
Baupauschale für alle seine ehemals selbstständigen Betriebsstellen erhält". Diese
Ausführungen des Erlasses ergeben nur dann einen Sinn, wenn das MAGS schon
seinerzeit davon ausging, dass bei einem erst nach dem 31.12.2006
krankenhausrechtlich wirksam fusionierten Krankenhaus für jede seiner heutigen
Betriebsstellen, die am 31.12.2006 krankenhausrechtlich noch selbstständig waren,
eine eigene Förderkennziffer zu ermitteln und demzufolge eine eigene förderrechtliche
Beurteilung möglich war.
27
Einen zweiten Beleg bietet die *-Fußnote am Ende der Anlage A zum
Investitionsprogramm 2008, das durch Bekanntmachung vom 17.11.2008 und damit
gleichfalls schon vor dem Inkrafttreten der PauschKHFVO n.F. veröffentlicht wurde.
Wenn dort darauf hingewiesen wird, dass für die in das Investitionsprogramm 2008
aufgenommenen, mit einem * versehenen Kliniken "KH-Nr. und KH-Name des
Bezugsjahrs 2006" gelten und "zwischenzeitliche Änderungen durch Fusionen"
eingetreten sind, gibt diese Fußnote nur Sinn, wenn in Fällen investitionsrelevanter
Krankenhausänderungen zwischen 2006 und 2008 ein inzwischen fusioniertes
Krankenhaus (nur) für einzelne seiner heutigen Betriebsstellen eine Baupauschale
erhält. Andernfalls hätten nur die Nummer und der Name des inzwischen fusionierten
Gesamtkrankenhauses im Investitionsprogramm genannt zu werden brauchen.
28
Als dritter Beleg dient die Tatsache, dass das Evangelische K1. -Krankenhaus C1. mit
seiner eigentlich nur bis Ende 2007, also vor der krankenhausrechtlichen Fusion, gültig
gewesenen eigenen Krankenhausnummer 0000 in der Anlage A zum
Investitionsprogramm 2009 (Bekanntmachung des MAGS vom 23.6.2009, MBl. NRW S.
369) als eines der "in 2009 erstmals geförderte(n) Krankenhäuser" aufgeführt wird,
getrennt vom Evangelischen Krankenhaus C1. als eines der anschließend genannten
"weiter geförderte(n) Krankenhäuser" mit seiner - auch schon vor der Fusion gültig
gewesenen - Krankenhausnummer 0000. Damit hat das MAGS nochmals verdeutlicht,
dass es das Evangelische Krankenhaus C1. (vormals Krankenanstalten H1. ) und das
Evangelische K1. -Krankenhaus C1. bezüglich der Bewilligung einer Baupauschale
noch getrennt voneinander behandelt wissen will, auch wenn beide Kliniken zum
1.1.2008 krankenhausrechtlich zu einem neuen Gesamtkrankenhaus mit dem Namen
Evangelisches Krankenhaus C1. unter der Krankenhausnummer 0000 fusioniert haben.
29
Dass nur Schwierigkeiten, die seit 2008 in der Verwaltungspraxis im Umgang mit
Anträgen inzwischen fusionierter Krankenhäuser auf Bewilligung von Baupauschalen
aufgetreten waren, den Anlass für die sprachliche Klarstellung in § 9 Abs. 2 Satz 1
PauschKHFVO n.F. (sowie für ergänzende Regelungen u.a. in § 9 Abs. 6 Pausch-
KHFVO n.F.) gaben und der Verordnungsgeber damit keineswegs eine materielle
Rechtsänderung vornehmen wollte, wird noch indiziert durch die Tatsachen, dass das
MAGS mit seinem Erlass vom 13.11.2008 zur offenbaren Beseitigung von Unklarheiten
Vorgaben für die Behandlung solcher Fusionssachverhalte durch die
Bezirksregierungen gemacht hat (Musterbescheid "Fusionen", Ankündigung weiterer
Musterbescheide) und dass die Beklagte noch mit Schriftsatz vom 5.5.2009, also noch
wenige Tage vor dem Erlass der PauschKHFVO n.F., Klärungsbedarf signalisiert hat,
indem sie darauf hingewiesen hat, dass "wegen der landesweiten Bedeutung der
Angelegenheit ... eine Abstimmung mit dem MAGS erforderlich" sei.
30
Der nach alledem mehrfach erkennbar gewordene Wille des MAGS als Normgeber der
PauschKHFVO, schon mit Wirkung für 2008 bei inzwischen fusionierten
Krankenhäusern für jede ihrer zum Zeitpunkt der Datenerhebung (regelmäßig am
31.12.2006) noch selbstständig gewesenen heutigen Betriebsstellen eine eigene
Förderkennziffer zur Feststellung einer Baupauschale zu ermitteln, wird durch den
ursprünglichen Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 PauschKHFVO entgegen der Meinung
der Klägerin nicht ausgeschlossen. Die Formulierung, dass eine Förderkennziffer "für
jedes Krankenhaus" zu ermitteln sei, ließ bei Fusionssachverhalten wie dem
vorliegenden auch damals schon die dem dargelegten Willen des Normgebers
entsprechende Auslegung zu, weil es seinerzeit noch an ausdrücklichen eigenen
Regelungen für fusionierte Krankenhäuser fehlte. Auch dass die Änderungen und
Ergänzungen der PauschKHFVO durch die PauschKHFVO n.F. erst zum 1.1.2009 und
nicht - noch weiter rückwirkend als ohnehin schon - bereits zum 1.1.2008 in Kraft gesetzt
worden sind, stellt kein durchgreifendes Argument gegen die Auffassung dar, der
Verordnungsgeber habe mit der Ergänzung im Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1
PauschKHFVO n.F. lediglich für sprachliche Klarheit sorgen wollen. Denn die
PauschKHFVO n.F. hat auch tatsächliche Neuregelungen zum Gegenstand - wie etwa
geänderte Zahlenwerte in § 5 Abs. 2 und 3 -, die ersichtlich erst für das Jahr 2009
wirksam werden sollten und daher ein früheres Inkrafttreten der gesamten
PauschKHFVO n.F. ausschlossen; der Verordnungsgeber hat in § 11 Satz 1 Pausch-
KHFVO n.F. von einer differenzierten Inkrafttretensregelung abgesehen.
31
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Anordnungen zu ihrer
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11,
711 Satz 1 ZPO.
32