Urteil des VG Minden vom 13.04.2005

VG Minden: mehrarbeit, abgeltung, verordnung, freizeit, vollstreckung, gehalt, obliegenheit, abstimmung, initiative, vollstreckbarkeit

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Minden, 4 K 932/04
13.04.2005
Verwaltungsgericht Minden
4. Kammer
Urteil
4 K 932/04
Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger steht als Polizeihauptkommissar (PHK) im Dienst des beklagten Landes. Mit
Schreiben vom 8.1.2003 beantragte er beim Beklagten, ihm Mehrarbeitsvergütung für 250
Mehrarbeitsstunden zu gewähren. Dazu trug er vor, sein Mehrarbeitskonto habe am
31.12.2002 541 Stunden aufgewiesen. Für 250 Mehrarbeitsstunden, die er in der Zeit vom
20.2.1997 bis zum 21.2.2002 geleistet habe, begehre er nunmehr eine finanzielle
Vergütung.
Diesen Antrag lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 12.5.2003, der keine
Rechtsmittelbelehrung enthielt, mit der Begründung ab, die vom Kläger aufgeführte
Mehrarbeit habe durch Dienstbefreiung ausgeglichen werden können. Während der Zeit
seiner Zugehörigkeit zur Autobahnpolizeiwache I. sei in seinem Fall kein Antrag auf
Dienstbefreiung abgelehnt worden.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit Schreiben vom 5.8.2003 und 7.11.2003. Er trug vor,
es habe in der Vergangenheit nur begrenzte Möglichkeiten gegeben, Mehrarbeit
auszugleichen. Soweit es der Dienst erlaubt habe, habe er Überstunden abgebaut. Im
Oktober 1997 und im September 1998 sei er sogar jeweils eine komplette Woche dem
Dienst ferngeblieben, um die Zahl seiner Überstunden zu verringern.
Der Beklagte behandelte die Schreiben des Klägers vom 5.8.2003 und 7.11.2003 als
Widerspruch, den er durch Widerspruchsbescheid vom 18.2.2004 zurückwies. Zur
Begründung führte er aus, der Kläger habe in seiner Funktion als Dienstgruppenleiter durch
verschiedene andere Beamte vertreten werden können. Die Personalsituation habe es
sogar zugelassen, den Kläger für die Zeit vom 15.5.2000 bis zum 14.11.2000 im
Zusammenhang mit der Expo 2000 auf eigenen Wunsch zur Polizeidirektion I1.
abzuordnen.
Am 8.3.2004 hat der Kläger Klage erhoben. Er macht über sein bisheriges Vorbringen
hinaus geltend, eine Vertretung für ihn sei nur selten verfügbar gewesen, insbesondere
nicht während der Spät- und Nachtschichten sowie an Wochenenden. Der Hinweis des
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Beklagten auf die sechsmonatige Abordnung im Jahre 2000 führe nicht weiter: Es würde für
ihn nicht hinnehmbar gewesen sein, für die Dauer eines halben Jahres "zwangsdienstfrei"
zu haben, statt bei der Expo 2000 eingesetzt zu werden. Die personelle Decke sei in dem
Bereich, in dem er tätig sei, so dünn, dass Mehrarbeit zwangsläufig immer wieder anfalle
und ein Abbau von Überstunden kaum möglich sei.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 12.5.2003 der Bezirksregierung E. in Form des
Widerspruchsbescheides vom 18.2.2004 der Bezirksregierung E. aufzuheben und den
Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.867,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gemäß § 1 DÜG seit dem 13.5.2003 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Kammer hat Ersten Polizeihauptkommissar (EPHK) E1. zum Anfall der
Mehrarbeitsstunden des Klägers im Zeitraum vom 20.2.1997 bis zum 21.2.2002 als Zeugen
vernommen.
Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der weiteren Einzelheiten des Sach-
und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Beklagten
beigezogenen Verwaltungsvorgänge, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren,
Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Beklagte hat es durch seinen Bescheid vom 12.5.2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 18.2.2004 zu Recht abgelehnt, dem Kläger die unter dem
8.1.2003 beantragte Mehrarbeitsvergütung zu gewähren. Denn dem Kläger steht ein
derartiger Anspruch nicht zu.
Als Rechtsgrundlage für die Gewährung der begehrten Mehrarbeitsvergütung kommt hier
ausschließlich § 78 a Abs. 2 LBG i.V.m. § 48 Abs. 1 BBesG und den Regelungen der
Verordnung über die Gewährung von Mehrarbeitsvergütung für Beamte
(Mehrarbeitsvergütungsverordnung - MVergV) in Betracht.
Die genannte Verordnung ist im vorliegenden Fall grundsätzlich anwendbar: Der Kläger
erhält Dienstbezüge aus einer Besoldungsgruppe mit aufsteigendem Gehalt (§ 2 Abs. 1
MVergV) und ist im polizeilichen Vollzugsdienst (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 MVergV) tätig.
Weiterhin ist davon auszugehen, dass die im Antrag des Klägers vom 8.1.2003 aufgeführte
Mehrarbeit tatsächlich angefallen ist, schriftlich angeordnet oder genehmigt wurde (§ 3 Abs.
1 Nr. 1 MVergV) und mehr als fünf Stunden im Kalendermonat (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 MVergV)
betragen hat. Auch unter diesen Umständen kann Mehrarbeitsvergütung jedoch nur dann
gewährt werden, wenn sie aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht durch
Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden kann (§ 3 Abs. 1 Nr. 3
MVergV); diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Soweit Mehrarbeit angefallen ist, soll sie gemäß den genannten Regelungen der
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Mehrarbeitsvergütungsverordnung nach Möglichkeit durch die Gewährung bezahlter
Freizeit ausgeglichen werden. Wird der erforderliche Freizeitausgleich vom Dienstherrn
auch im Interesse des Beamten nicht "zwangsweise" durchgeführt, indem die Zeiten, in
denen der Ausgleich stattfinden soll, vom Dienstherrn kraft seiner Direktionsbefugnis
verbindlich festgesetzt werden, so bedarf es einer Abstimmung zwischen dem Beamten
und dem Dienstherrn über die Art und Weise der Abgeltung. Hieran muss der Beamte in
hinreichendem Maße mitwirken. Auch er hat dafür zu sorgen, dass ein Ausgleich für
Mehrarbeit innerhalb der in § 3 Abs. 1 Nr. 3 MVergV genannten Frist durchgeführt werden
kann. Dieser Obliegenheit kann er insbesondere dadurch gerecht werden, dass er
rechtzeitig schriftlich oder mündlich Anträge auf Gewährung von Freizeitausgleich stellt
oder mit dem Dienstherrn Vereinbarungen trifft, die zum fristgerechten Abbau der
angefallenen Mehrarbeitsstunden führen. Hierbei steht es grundsätzlich dem Beamten zu,
die Initiative zu ergreifen.
Im vorliegenden Fall ist nicht feststellbar, dass der Kläger entsprechend den vorstehenden
Grundsätzen in hinreichendem Maße an der Abgeltung der streitigen Mehrarbeitsstunden
mitgewirkt hat.
Der in der mündlichen Verhandlung als Zeuge vernommene EPHK E1. , der im hier
betroffenen Zeitraum Vorgesetzter des Klägers war, hat u.a. erklärt, er habe den Kläger
über die Jahre mehrfach darauf angesprochen, dass er die Mehrarbeitsstunden abbauen
müsse, und ihm erklärt, er halte den Abbau von etwa 100 Mehrarbeitsstunden pro Jahr für
möglich. Zu einem derartigen Abbau sei es jedoch nicht gekommen, weil der Kläger keine
entsprechenden Anträge gestellt habe. Wenn der Kläger es gewollt hätte, würde der
vorgeschlagene Abbau von Mehrarbeitsstunden gelungen sein. Es habe immer Zeiten
gegeben, in denen ein als Vertreter geeigneter Beamter in der Dienststelle anwesend und
die Mindestdienststärke überschritten gewesen sei. Diese Zeiten hätte der Kläger zum
Abbau von Mehrarbeitsstunden nutzen können. Er - der Zeuge - könne sich nicht daran
erinnern, jemals einen Antrag des Klägers auf Freizeitausgleich abgelehnt zu haben. Die
für die Dienstgruppe des Klägers verbindlichen Vorgaben hätten einen Abbau von
Mehrarbeitsstunden zugelassen.
Nach diesen Ausführungen des Zeugen, an dessen Glaubwürdigkeit kein Zweifel besteht,
ist davon auszugehen, dass der Kläger sich um die Abgeltung der hier betroffenen
Mehrarbeitsstunden nicht ernsthaft bemüht hat. Nicht er, sondern sein Vorgesetzter hat
versucht, einen Abbau der Mehrarbeitsstunden herbeizuführen. Die sehr wohl bestehenden
Möglichkeiten, Mehrarbeit durch Inanspruchnahme bezahlter Freizeit auszugleichen, hat
der Kläger nicht hinreichend genutzt. Die Ausgestaltung der Dienstpläne, die ihm im
Übrigen im Rahmen der Vorgaben seines Vorgesetzten, des Zeugen E1. , selbst oblag,
stand einer Abgeltung der hier betroffenen Mehrarbeitsstunden innerhalb der Frist des § 3
Abs. 1 Nr. 3 MVergV nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme jedenfalls nicht entgegen.
Eine zeitgerechte Abgeltung der Mehrarbeitsstunden ist dem Kläger vom Dienstherrn auch
nicht dadurch verwehrt worden, dass Anträge auf Gewährung von Freizeitausgleich
abgelehnt wurden.
Nach alledem kann nicht angenommen werden, dass die vom Kläger in seinem Antrag vom
8.1.2003 aufgeführten Mehrarbeitsstunden aus zwingenden dienstlichen Gründen nicht
durch Dienstbefreiung innerhalb eines Jahres ausgeglichen werden konnten.
Die Klage war demgemäß mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§
708 Nr. 11, 711 ZPO.