Urteil des VG Minden vom 05.12.2002

VG Minden: freiwillige leistung, örtliche zuständigkeit, jugendhilfe, stadt, zuschuss, herkunft, ausführung, anknüpfung, kreis, ergänzung

Verwaltungsgericht Minden, 7 K 691/01
Datum:
05.12.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 691/01
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
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Der Kläger ist Träger des sog. X. I. (X. ). In ihm werden seit dem Jahre 1999 Kinder im
Alter von drei bis sechs Jahren vormittags für ca. vier Stunden bei fast jedem Wetter in
freier Natur betreut. Das dem Kläger dazu vom zuständigen Forstamt zugewiesene
Waldstück liegt nach übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten im Stadtgebiet
von Petershagen. Ein vom Kindergarten genutzter Bauwagen steht auf dem Gebiet des
Beklagten. Der Kläger verfügt über eine Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII, ferner ist
er als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt. Seit August 2001 hat er seinen
Vereinssitz in der Stadt N. .
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Unter dem 17.12.2000 beantragte der Kläger beim Beklagten die Gewährung eines
Zuschusses zur Erstausstattung nach § 13 Abs. 2 des Gesetzes über
Tageseinrichtungen für Kinder - GTK - in Verbindung mit dem Runderlass des
Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) vom 10.04.1992 - SMBl. NW
2160 - (Gesamtsumme 4.740,- DM).
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Weil sich der Beklagte für unzuständig hielt, leitete er diesen Antrag an den Landrat des
Kreises N. -M. weiter und teilte dies dem Kläger unter dem 10.01.2001 mit.
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Dagegen erhob der Kläger unter dem 8.02.2001 Widerspruch. Diesen wies der Beklagte
mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2001 zurück.
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Am 16.03.2001 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zu deren Begründung
führt er aus, dass der Beklagte als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe für ihn
zuständig sei. Dies ergebe sich u. a. daraus, dass der Vereinssitz in N. belegen sei. Die
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Mehrzahl der im X. betreuten Kinder stamme aus dem Stadtgebiet N. , und der
morgendliche Treffpunkt befinde sich auf N. Gebiet. Vielfältige Aktivitäten des X. fänden
im Stadtgebiet N. statt, und schließlich habe der nicht nur dem Wetterschutz dienende
Bauwagen seinen Standort in N. .
In seiner Sitzung vom 22.03.2001 lehnte der Jugendhilfeausschuss des Beklagten eine
Förderung des X. als freiwillige Leistung ab. Ein erneuter Antrag des Klägers auf
Förderung als freiwillige Leistung vom 27.09.2001 ist - nach Aktenlage - noch
unbeschieden.
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Der Kläger beantragt,
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die Entscheidung des Beklagten über die Ablehnung der Zuständigkeit und den
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 22.02.2001 aufzuheben sowie den
Beklagten zu verpflichten, ihm einen Zuschuss nach § 13 Abs. 2 GTK gemäß Antrag
vom 17.12.2000 zu gewähren,
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hilfsweise den Beklagten zur Neubescheidung zu verpflichten.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist der Ansicht, Anknüpfungspunkt der örtlichen Zuständigkeit könne allein das dem
X. zugewiesene Waldstück im Stadtgebiet von Q. sein. Zudem habe der X. nie eine
Rolle in der Bedarfsplanung der Stadt N. gespielt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des
Beklagten.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist sowohl mit dem Haupt- als auch mit dem Hilfsantrag unbegründet.
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Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung eines
Zuschusses nach § 13 Abs. 2 GTK zu den Bau- bzw. Einrichtungskosten des von ihm
betriebenen X. bzw. auf Neubescheidung seines Antrags.
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Nach der hier allein maßgeblichen Regelung des § 13 Abs. 2 GTK gewährt der örtliche
Träger der öffentlichen Jugendhilfe einen Zuschuss in Höhe von mindestens 75 vom
Hundert der Bau- und Einrichtungskosten, sofern er nicht selbst Träger der Einrichtung
ist.
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Der Beklagte ist jedoch nicht der für den X. örtlich zuständige Träger der öffentlichen
Jugendhilfe. Von daher kann dahinstehen, ob der Kläger die sonstigen
Voraussetzungen für eine Anspruchsberechtigung nach § 13 Abs. 2 GTK erfüllt. Sein
etwaiger Anspruch nach § 13 Abs. 2 GTK richtete sich jedenfalls nicht gegen den
Beklagten.
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Allerdings finden sich weder im GTK noch in den Bestimmungen des SGB VIII
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eingehende Definitionen dazu, wonach sich die örtliche Trägerschaft im Einzelnen
bestimmt. In § 69 Abs. 1 SGB VIII heißt es lediglich, Träger der öffentlichen Jugendhilfe
seien die örtlichen und überörtlichen Träger. Satz 2 der Vorschrift führt weiter an, dass
örtliche Träger die Kreise und die kreisfreien Städte sind. Ferner kann das Landesrecht -
so auch im Falle der Stadt N. - regeln, dass auch kreisangehörige Gemeinden zu
örtlichen Trägern bestimmt werden, wenn ihre Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der
Aufgaben nach dem SGB VIII gewährleistet ist. In Ergänzung dazu weist § 1 des 1.
Gesetzes zur Ausführung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (NRW) vom 12.12.1990
die Aufgaben des örtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe den Jugendämtern zu.
Aus den genannten Bestimmungen kann immerhin entnommen werden, dass die
örtliche Zuständigkeit eines Trägers der öffentlichen Jugendhilfe auf das jeweilige Kreis-
bzw. Stadtgebiet begrenzt ist und somit räumlich zu bestimmen ist. Dies erhellt sich in
dem hier interessierenden Zusammenhang zudem aus dem Sachzusammenhang der
vom Kläger bemühten Anspruchsgrundlage (§ 13 Abs. 2 GTK) mit § 12 GTK. Denn wie
die Regelung des § 12 GTK zeigt, geht der Gesetzgeber bei der Einrichtungsförderung
ganz offensichtlich vom Regelfall des Betriebes der Einrichtung in einem Gebäude aus
und will die örtliche Zuständigkeit nach der Belegenheit des genutzten
Gebäudegrundstücks bestimmt wissen.
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Der X. verfügt über keinen durch Gebäudenutzung vermittelten festen Ortsbezug. Er
findet eine vergleichbare, dauerhafte örtliche Anbindung aber durch das ihm zur
Durchführung des Kindergartenbetriebes vom zuständigen Forstamt zugewiesene
Waldgrundstück, welches unbestritten außerhalb des Zuständigkeitsbereichs des
Jugendamtes des Beklagten belegen ist.
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Die vom Kläger begehrte Anknüpfung an den Sitz des Trägers der jeweiligen
Einrichtung scheidet von vornherein aus. Sie führte nämlich zu dem vom Gesetzgeber
offensichtlich nicht beabsichtigten Ergebnis, dass ein Träger der öffentlichen
Jugendhilfe zur Förderung von Einrichtungen auch dann verpflichtet wäre, wenn seine
Einflussmöglichkeiten auf die zu fördernden Einrichtungen wegen deren ferner Lage
faktisch gleich Null wären.
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Dass allein das spontane Entfalten von Tagesaktivitäten im Stadtgebiet einer
Kommune, die Herkunft der betreuten Kinder - wegen des ständigen Wandels der
Gruppenzusammensetzung -, die Zufälligkeit eines morgendlichen Treffpunktes und der
stets veränderbare Standort eines vor allem Schutz vor den Unbilden des Wetters
bietenden Bauwagens keine tauglichen Anknüpfungsmomente sein können, liegt auf
der Hand.
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Lediglich zur Klarstellung merkt die Kammer an, dass Gegenstand dieses Verfahrens
nicht die vom Kläger unter dem 27.09.2001 erneut beantragte Förderung als freiwillige
Leistung nach § 74 SGB VIII ist, und dass der Beklagte bei der Bescheidung dieses
Antrags die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts zu beachten haben wird.
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Vgl. hierzu u. a. Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.04.2002 - 5 C 17.01 u. 5
C 18.01 -.
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Die Kostenentscheidung ergeht gemäß §§ 154 Abs. 1, 188 VwGO.
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