Urteil des VG Minden vom 22.02.2010

VG Minden (kläger, richtlinie, schutz der familie, verbot der diskriminierung, diskriminierung, gesetzliche grundlage, verwaltungsgericht, auf lebenszeit, europäischer gerichtshof, bundesrepublik deutschland)

Verwaltungsgericht Minden, 4 K 2026/08
Datum:
22.02.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 2026/08
Tenor:
Die Bescheide des M. für C. und W. vom 28. April 2008 und 21. Mai
2008 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2008 werden
aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Familienzuschlag
der Stufe 1 ab dem 01. April 2005 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
1
Der am geborene Kläger steht als B. P. im Dienst der beklagten V. . Am 08. April 2005
begründete er eine eingetragene Lebenspartnerschaft. Die
Lebenspartnerschaftsurkunde wurde von der Beklagten mit Schreiben vom 11. April
2005 "mit der Bitte um Kenntnisnahme und weitere Veranlassung" an das M1. für C. und
W. übersandt. Eine Zahlung von Familienzuschlag erfolgte nicht.
2
Am 01. April 2008 machte der Kläger unter Hinweis auf die Rechtsprechung des
Europäischen Gerichshofs einen Anspruch auf rückwirkende Zahlung von
Familienzuschlag der Stufe 1 bei der Beklagten geltend und wies darauf hin, sein
Lebenspartner sei nicht im öffentlichen Dienst beschäftigt.
3
Das M1. für C. und W. lehnte diesen Antrag mit Bescheiden vom 28. April 2008 und 21.
Mai 2008 ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers wurde mit
Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2008 zurückgewiesen.
4
Der Kläger hat am 02. Juli 2008 Klage erhoben. Er verweist unter Vertiefung und
Ergänzung seines bisherigen Vorbringens auf Entscheidungen des Schleswig-
Holsteinischen Verwaltungsgerichts, des Schleswig-Holsteinischen
5
Oberverwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichts Stuttgart sowie auf die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 07. Juli 2009 - 1 BvR1164/07 - zur
Hinterbliebenenversorgung bei eingetragenen Lebenspartnerschaften. Er beantragt
sinngemäß,
die Bescheide des M. für C. und W. vom 28. April 2008 und 21. Mai 2008 und dessen
Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen,
ihm Familienzuschlag der Stufe 1 ab April 2005 zu zahlen.
6
Die Beklagte beantragt,
7
die Klage abzuweisen.
8
Zur Begründung nimmt sie Bezug auf die Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts und des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-
Westfalen. Außerdem habe das Bundesverfassungsgericht eine
Verfassungsbeschwerde betreffend die Nichtgewährung von Familienzuschlag an
Beamte, die in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft lebten, nicht zur Entscheidung
angenommen. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache "Maruko"
vom 01. April 2008 führe nicht automatisch zu einer Gleichstellung von
Lebenspartnerschaft und Ehe. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom
07. Juli 2009 beziehe sich nicht auf einen Beamten, sondern auf einen Angestellten;
außerdem gehe es dort auch nicht um Leistungen nach dem Bundesbesoldungsgesetz,
sondern um die Hinterbliebenenversorgung nach der VBL.
9
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
11
Entscheidungsgründe:
12
Die Kammer hat das Rubrum auf der Passivseite von Amts wegen berichtigt. Richtige
Beklagte ist entgegen der Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 19.
Juni 2008 nicht das Land Nordrhein-Westfalen, sondern die V. Paderborn als
Dienstherrin des Klägers, die nach eigenen Angaben ungeachtet des Fehlens einer §
95 Abs. 2 des Landesbesoldungsgesetzes in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur
Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 21. April 2009 entsprechenden Vorschrift
durch das M1. für C. und W. vertreten wird.
13
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten
hiermit einverstanden waren, vgl. § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO).
14
Die auf Gewährung von Familienzuschlag der Stufe 1 und Aufhebung der
entgegenstehenden Bescheide gerichtete Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger
hat einen Anspruch auf Zahlung von Familienzuschlag der Stufe 1 ab dem 01. April
2005 aus Artikel 1 i.V.m. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.
November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der
Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Amtsblatt EG Nr. L 303 v. 02. Dezember
2000, S. 16) - im Folgenden: Richtlinie 2000/78/EG -. Die die Zahlung von
15
Familienzuschlag ablehnenden Bescheide des Landesamtes für C. und W. vom 28.
April 2008 und 21. Mai 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 19. Juni 2008 sind
rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten; sie sind daher aufzuheben.
Das Bundesbesoldungsgesetz enthält keine Rechtsgrundlage für den vom Kläger
geltend gemachten Anspruch. Der Kläger kann gemäß § 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m.
§ 40 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) keinen Familienzuschlag
der Stufe 1 verlangen. Nach diesen Vorschriften, die ungeachtet des Beamte der Länder
nicht mehr erfassenden Geltungsbereiches des Bundesbesoldungsgesetzes (vgl. § 1
Abs. 1 BBesG) nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und § 1 des
Landesbesoldungsgesetzes (LBesG) fortgelten
16
- vgl. dazu auch Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 29. Oktober 2009 -
BVerwG 2 C 82.08 -, juris -,
17
erhalten verheiratete Beamte, Richter und Soldaten den entsprechenden
Familienzuschlag. Der Kläger ist jedoch nicht verheiratet, sondern lebt in eingetragener
Lebenspartnerschaft. Eine eingetragene Lebenspartnerschaft ist keine Ehe im Sinne
dieser Vorschrift. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ist zwar durch das Gesetz zur
Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften:
Lebenspartnerschaften vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266 ff.) in vieler Hinsicht der
Ehe gleichgestellt worden, ungeachtet dessen sind eingetragene Lebenspartner aber
nicht "verheiratet" im Sinne des § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG. Dieser Vorschrift unterfällt nur
eine Ehe.
18
Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2006 - BVerwG 2 C 43.04 -, Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE) 125, 79, Oberverwaltungsgericht für das Land
Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 17. Dezember 2004 - 6 A 3280/03 -,
Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 2005, 1002, und Verwaltungsgerichtshof Baden-
Württemberg (VGH BW), Urteil vom 13. Oktober 2004 - 4 S 1243/03 -, Der Öffentliche
Dienst (DÖD) 2005, 87; jeweils auch in juris.
19
§ 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG kann auf in eingetragener Lebenspartnerschaft lebende
Beamte auch nicht analog angewendet werden. Unabhängig von der Frage, ob die
Regelungen des Besoldungsrechts einer ausdehnenden Auslegung und Ergänzung
nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers per se nicht zugänglich sind,
20
st. Rspr. des BVerwG, vgl. nur Urteil vom 26. Januar 2006, a.a.O. m.w.N.;
Verwaltungsgericht Gelsenkirchen (VG Gelsenkirchen), Urteil vom 20. Juni 2007 - 1 K
1222/02 -, juris,
21
scheitert eine analoge Anwendung jedenfalls daran, dass keine planwidrige
Regelungslücke vorliegt. Eine besoldungsrechtliche Gleichstellung zwischen Ehe und
eingetragener Lebenspartnerschaft ist vielmehr bewusst unterblieben.
22
So ausdrücklich BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2006, a.a.O., und VGH BW, Urteil vom
13. Oktober 2004, a.a.O.
23
Die im ursprünglichen Entwurf des Lebenspartnerschaftsgesetzes vorgesehene
sinngemäße Anwendung der Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes, die an das
Bestehen einer Ehe anknüpfen
24
- vgl. Art. 3 § 10 des Entwurfs des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 04. Juli 2000
(Bundestags-Drucksache 14/3751) -,
25
ist im Gesetzgebungsverfahren nämlich aus dem Lebenspartnerschaftsgesetz
herausgelöst und als Artikel 2 § 6 in den Entwurf eines Gesetzes zur Ergänzung des
Lebenspartnerschaftsgesetzes
26
- vgl. Bundestags-Drucksachen 14/4545, 15/2477 -
27
eingefügt worden. Dieser Entwurf erhielt im Bundesrat nicht die notwendige
Zustimmung.
28
Vgl. Bundestags-Drucksache 14/4875.
29
Auch im Gesetz zur Überarbeitung des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 15.
Dezember 2004 (BGBl I S. 3396) ist eine Gleichstellung der eingetragenen
Lebenspartnerschaft mit der Ehe nicht erfolgt.
30
Vgl. erneut BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2006. a.a.O., und Urteil vom 15. November
2007 - BVerwG 2 C 33.06 -, NJW 2008, 882 = Zeitschrift für Beamtenrecht (ZBR) 2008,
381, auch in juris.
31
Der Kläger hat aber einen Anspruch auf Familienzuschlag aus Artikel 1 i.V.m. 2 Abs. 1
der Richtlinie 2000/78/EG. Diese Vorschriften sind i.S.d. § 2 Abs. 1 BBesG gesetzliche
Grundlage für die C. des Klägers,
32
so auch Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht (VG Schleswig), Urteil vom 27.
August 2004 - 11 A 103/04 -, juris.
33
Zweck der Richtlinie 2000/78/EG ist nach ihrem Artikel 1 die "Schaffung eines
allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion und
der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in
Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der
Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten." Gemäß Artikel 2 Abs. 1 der Richtlinie darf es
keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1
genannten Gründe geben; nach Absatz 2 a) der Vorschrift liegt eine unmittelbare
Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe
ein einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine
andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare
Diskriminierung ist nach Artikel 2 Abs. 2 b) der Richtlinie gegeben, wenn dem Anschein
nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen u.a. mit einer bestimmten
sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise
benachteiligen können. Keine mittelbare Diskriminierung liegt jedoch vor, wenn diese
Vorschriften, Kriterien oder Verfahren durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt
und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind.
Schließlich gilt die Richtlinie 2000/78/EG gemäß Artikel 3 Abs. 1 c) für alle Personen in
öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf die
Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen
und des Arbeitsentgelts, also auch für die den Beamten in der Bundesrepublik
Deutschland aufgrund des Dienstverhältnisses gewährten Vergütungen,
34
vgl. BVerwG, Urteil vom 13. März 2008 - BVerwG 2 C 128.07 -, ZBR 2008, 320, und
Europäischer Gerichtshof (EuGH), Urteil vom 06. Dezember 2007 - C- 300/06 -, NJW
2008, 499 = DÖD 2008, 92 = ZBR 2008, 160; jeweils auch in juris.
35
Dies zugrunde gelegt stellt die durch Nichtgewährung von Familienzuschlag der Stufe 1
nach §§ 39 Abs. 1 Sätze 1 und 2, 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG an Beamte, die wie der Kläger
in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, eine unmittelbare Diskriminierung
i.S.d. Artikel 2 Abs. 2 a) der Richtlinie 2000/78/EG dar.
36
Der Familienzuschlag der Stufe 1 ist als familienbezogener Anteil der Alimentation der
Beamten ein Arbeitsentgelt im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 c) der Richtlinie 2000/78/EG.
Er ist gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 BBesG Teil der C. des Beamten und besitzt eine soziale,
nämlich familienbezogene Ausgleichsfunktion, indem er der Förderung der Familie, dem
familiären Leistungsausgleich und der Unabhängigkeit des verheirateten Bediensteten
im Interesse des Staates dient.
37
Vgl. Plog/Wiedow, Bundesbeamtengesetz Kommentar (Stand: Januar 2010), Band 3, §
40 BBesG Rn. 1 und 2.
38
Dass der Familienzuschlag als Arbeitsentgelt zu qualifizieren ist, ergibt sich auch aus
Artikel 141 Abs. 2 Satz 1 des EG-Vertrages (EG). Entgelt sind danach die üblichen
Grund- oder Mindestlöhne und -gehälter sowie alle sonstigen Vergütungen, die der
Arbeitgeber aufgrund des Dienstverhältnisses dem Arbeitnehmer unmittelbar oder
mittelbar in bar oder in Sachleistungen zahlt.
39
Ebenso Verwaltungsgericht Stuttgart (VG Stuttgart), Urteil vom 05. Februar 2009 - 4 K
1604708 -, juris.
40
Da die damit einschlägige Richtlinie 2000/78/EG des Rates nicht bis zum 02. Dezember
2003 (vgl. deren Artikel 18) umgesetzt worden ist, kann sich ein einzelner Betroffener
seitdem unmittelbar auf deren Artikel 1 und 2 berufen, der eine unmittelbare oder
mittelbare Diskriminierung u. a. wegen der sexuellen Ausrichtung verbietet. Infolge der
Verletzung dieses Diskriminierungsverbots kann der Kläger die gleiche Behandlung wie
die Vergleichsgruppe verlangen, ebenso wie es bei Artikel 141 EG hinsichtlich des
gemeinschaftsrechtlichen Gebots der Entgeltgleichheit für Männer und Frauen der Fall
ist.
41
Vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 29. September 2008 - 6 A 2261/05 -, juris; VG
Stuttgart, Urteil vom 05. Februar 2009, a.a.O.; Streinz, EUV/EGV, Art. 141 EGV Rn. 7
m.w.N.
42
Der Kläger wird wegen eines in Artikel 1 der Richtlinie 2000/78/EG genannten Grundes,
nämlich seiner durch die Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft
dokumentierten sexuellen Ausrichtung, i.S.d. Artikels 2 Abs. 1 und 2 a) der Richtlinie
diskriminiert, da er im Rahmen seines Dienstverhältnisses und damit in einer
vergleichbaren Situation wie verheiratete Beamte eine weniger günstige Behandlung
als jene erfährt, indem er geringer als verheiratete Beamte besoldet wird.
43
Eine "vergleichbare Situation" verheirateter und in eingetragener Lebenspartnerschaft
lebender Beamter liegt vor.
44
Das Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft (Lebenspartnerschaftsgesetz -
LPartG) ermöglicht es Personen gleichen Geschlechts, in einer formal auf Lebenszeit
begründeten Fürsorge- und Einstandsgemeinschaft zu leben. Die Möglichkeit einer
Eheschließung besteht für Personen gleichen Geschlechts damit nicht; es wurde
vielmehr ein aliud, ein anderes familienrechtliches Institut geschaffen. Die Bedingungen
der Lebenspartnerschaft wurden denen der Ehe angeglichen, sind aber nicht identisch.
45
Bei der Prüfung, ob sich ein verpartnerter Beamter in einer "vergleichbaren Situation"
i.S.d. Artikel 2 Abs. 2 a) der Richtlinie 2000/78/EG wie ein verheirateter Beamter
befindet, ist nur darauf abzustellen, ob sich Lebenspartner und Ehegatten konkret im
Hinblick auf die fragliche Leistung, hier also in Bezug auf den Familienzuschlag, in einer
vergleichbaren Situation befinden,
46
vgl. EuGH, Urteil vom 01. April 2008 - Maruko - C-267/06 -, ZBR 2008, 375, Rn. 72 der
Entscheidung, auch in juris; Schleswig-Holsteinisches Oberverwaltungsgericht (OVG
SH), Urteil vom 22. Juli 2008 - 3 LB 13/06 -, juris; im Ergebnis ebenso
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 07. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 -,
juris Rn. 100, 106 ff.
47
Dies ist der Fall.
48
Der Familienzuschlag nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG knüpft an das bloße Bestehen der
Ehe und die daraus resultierende gegenseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten an. Er
ist, wie bereits ausgeführt, ein Besoldungsbestandteil, dem eine soziale, nämlich
familienbezogene Ausgleichsfunktion zukommt. Der Familienzuschlag der Stufe 1 soll
einen pauschalen Beitrag zur Deckung des Mehrbedarfs leisten, der bei verheirateten
Beamten aufgrund des gemeinsamen Hausstandes mit dem Ehegatten anfällt, während
der kinderbezogene Teil des Familienzuschlags (Stufe 2) dazu bestimmt ist, den von
Kindern verursachten Mehrbedarf zu decken. Dementsprechend haben geschiedene
Beamte nur dann Anspruch auf Familienzuschlag, wenn sie aus der Ehe - weiter - zum
Unterhalt verpflichtet sind (§ 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG). Auf das Bestehen eines konkreten
Unterhaltsbedarfs beim Ehegatten kommt es bei der Gewährung des Familienzuschlag
nicht an. Hinsichtlich dieses pauschal unterstellten Mehraufwandes und hinsichtlich der
Förderung der Unabhängigkeit des Beamten, die mit dem ehegattenbezogenen Anteil
nach § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG erreicht werden soll, befinden sich Lebenspartner, die
gemäß § 5 LPartG einander in gleicher Weise unterhaltspflichtig sind wie Ehepartner, in
einer vergleichbaren Situation wie Eheleute.
49
Vgl. OVG SH, Urteil vom 22. Juli 2008, a.a.O.; VG Stuttgart, Urteil vom 05. Februar 2009,
a.a.O.
50
Eine vergleichbare Situation von Ehegatten und Lebenspartnern lässt sich auch nicht im
Hinblick darauf verneinen, dass § 40 Abs. 1 Nr. 1 BBesG "in Anknüpfung an die
verfassungsrechtliche Wertung in Art. 6 Abs. 1 GG (...) den in der Lebenswirklichkeit
anzutreffenden typischen Befund , dass in der Ehe ein Ehegatte
namentlich wegen der Aufgabe der Kindererziehung und hierdurch bedingter
Einschränkungen bei der eigenen Erwerbstätigkeit tatsächlich Unterhalt vom Ehegatten
erhält und so ein erweiterter Alimentationsbedarf entsteht", während der Gesetzgeber
bei der eingetragenen Lebenspartnerschaft "in der Lebenswirklichkeit keinen
typischerweise bestehenden Unterhaltsbedarf gesehen , der eine rechtliche
51
Gleichstellung nahe legen könnte."
So noch BVerfG, Beschluss vom 06. Mai 2008 - 2 BvR 1830/06 -, NJW 2008, 2315 =
ZBR 2008, 379, auch in juris.
52
Diese Differenzierung ist schon deshalb nicht tragfähig, weil der Familienzuschlag der
Stufe 1, wie bereits dargelegt, an einen pauschal unterstellten Mehraufwand bei
Führung eines gemeinsamen Hausstandes und die gegenseitige Unterhaltspflicht der
Ehepartner anknüpft und - im Unterschied zu dem an die Existenz von Kindern
geknüpften Familienzuschlag der Stufe 2 - gerade keinen konkreten Bedarf voraussetzt.
Die Kammer teilt insoweit die Auffassung des Verwaltungsgerichts Stuttgart, dass der
Familienzuschlag nur wegen der bestehenden, auf Dauer angelegten Partnerschaft - die
aber bei Lebenspartnern in der gleichen Erwartung der Dauerhaftigkeit wie bei
Ehegatten eingegangen wird - gewährt wird und nichts mit der Erwartung zu tun hat,
dass aus der Ehe einmal Kinder hervorgehen oder adoptiert werden. "Das Bild einer
Ehe, die automatisch und im Regelfall auf Kinder angelegt ist, ist mit den gegenwärtigen
gesellschaftlichen Verhältnissen in dieser Pauschalität nicht mehr vereinbar."
53
Vgl. VG Stuttgart, Urteil vom 05. Februar 2009, a.a.O., juris Rn. 23.
54
Auch das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen klargestellt, dass die
"Rechtfertigung der Privilegierung der Ehe, und zwar auch der kinderlosen Ehe (...),
insbesondere wenn man sie getrennt vom Schutz der Familie betrachtet, in der auf
Dauer übernommenen, auch rechtlich verbindlichen Verantwortung für den Partner"
liegt, und weiter ausgeführt: "In diesem Punkt unterscheiden sich eingetragene
Lebenspartnerschaft und Ehe aber nicht. Beide sind auf Dauer angelegt und begründen
eine gegenseitige Einstandspflicht."
55
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07 -, juris Rn. 102.
56
Des Weiteren ist auch eine verfassungsrechtlich zulässige und geforderte Förderung
von Eltern nicht auf verheiratete Eltern beschränkt, sodass auch dies eine Privilegierung
der Ehe gegenüber der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht rechtfertigen kann.
57
Vgl. erneut BVerfG, Beschluss vom 07. Juli 2009, a.a.O. juris Rn. 103.
58
Der Kläger befindet sich nach allem im Hinblick auf den fraglichen Familienzuschlag der
Stufe 1 in einer mit Ehegatten vergleichbaren Situation.
59
Indem ihm ungeachtet dessen Familienzuschlag vorenthalten wird, wird er wegen
seiner sexuellen Ausrichtung diskriminiert.
60
Die Nichtgewährung des Familienzuschlags beruht nicht - nur - darauf, dass sich der
Kläger als eingetragener Lebenspartner in einem anderen Familienstand als ein
verheirateter Beamter befindet; insoweit hindert der Erwägungsgrund 22 der Richtlinie
2000/78/EG, nach der einzelstaatliche Rechtsvorschriften über den Familienstand und
davon abhängige Leistungen unberührt bleiben, deren Anwendung nicht.
61
So aber noch BVerwG, Urteil vom 15. November 2007 - BVerwG 2 C 33.06 -, a.a.O.
62
Der Familienzuschlag der Stufe 1 wird nämlich nicht allein aufgrund des
63
Familienstandes des Beamten gewährt, sondern, wie bereits dargelegt, um der mit der
Ehe übernommenen Unterhaltspflicht und den zur Führung eines gemeinsamen
Hausstandes erforderlichen Mehraufwendungen Rechnung zu tragen.
Vgl. erneut VG Stuttgart, Urteil vom 05. Februar 2009, a.a.O., juris Rn. 24.
64
Dementsprechend hat der Europäische Gerichtshof festgestellt, dass Vorschriften zur
Hinterbliebenenversorgung, die zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft unterscheiden,
einen Lebenspartner aufgrund seiner sexuellen Orientierung diskriminieren.
65
Vgl. EuGH, Urteil vom 01. April 2008 - Maruko - C-267/05 -, ZBR 2008, 375.
66
Das Bundesverfassungsgericht hat sich der Rechtsprechung des Europäischen
Gerichtshofs in seiner Entscheidung vom 07. Juli 2009 angeschlossen und ausgeführt:
67
"Die Sichtweise (...), dass der das Differenzierungskriterium bildende Familienstand den
Betroffenen unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung zugänglich sei, ist zu formal
und wird der Lebenswirklichkeit nicht gerecht. Es ist zwar rechtlich zulässig, dass
heterosexuell orientierte Menschen gleichen Geschlechts eine eingetragene
Lebenspartnerschaft schließen und homosexuell orientierte Menschen
unterschiedlichen Geschlechts heiraten. Dass der Gesetzgeber wegen der Achtung der
Intimsphäre der Beteiligten darauf verzichtet hat, eine Geschlechtsgemeinschaft zur
Voraussetzung zu machen und die jeweilige sexuelle Orientierung vor Eingehen einer
Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft zu überprüfen, ändert jedoch nichts daran,
dass das Institut der eingetragenen Lebenspartnerschaft sich nach der Intention des
Gesetzgebers an gleichgeschlechtlich orientierte Menschen richtet und in der
Lebenswirklichkeit von diesen auch zur Begründung einer rechtlich abgesicherten
dauerhaften Paarbeziehung genutzt wird. Diese Zielrichtung des
Lebenspartnerschaftsgesetzes ergibt sich schon aus seiner Benennung in der Langform
(Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften).
(...) Der Gesetzgeber wollte homosexuellen Personen erstmals Rechte zuerkennen, die
ihnen zu einer besseren Entfaltung ihrer Persönlichkeit verhelfen und die zum Abbau
langdauernder Diskriminierungen führen sollten (vgl. BVerfGE 104, 51 <60>; 105, 313
<314>). Die Begründung des Gesetzentwurfs führt zudem aus, dass im Anschluss an
eine entsprechende Aufforderung des Europäischen Parlaments angestrebt wird, die
ungleiche Behandlung von Personen mit gleichgeschlechtlicher Orientierung zu
vermeiden, und dass dieses Anliegen mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz "hinsichtlich
gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften umgesetzt" werden soll (vgl. BTDrucks
14/3751, S. 33). Nicht nur die Ehe, sondern auch die eingetragene Lebenspartnerschaft
ist nach der Vorstellung des Gesetzgebers also typischerweise eine auch sexuelle
Gemeinschaft. (...) Von Bestimmungen, die die Rechte eingetragener Lebenspartner
regeln, werden daher typischerweise homosexuelle Menschen erfasst, und von solchen,
die die Rechte von Ehegatten regeln, heterosexuelle Menschen. Werden Ehe und
Lebenspartnerschaft hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung unterschiedlich
behandelt, findet mithin eine Ungleichbehandlung aufgrund der sexuellen Orientierung
statt (vgl. zur Benachteiligung wegen der sexuellen Ausrichtung im Sinne von Art. 2 Abs.
2 Buchstabe a der Rahmenrichtlinie bzw. § 1 AGG: EuGH, Urteil vom 1. April 2008 -
Maruko - C-267/06 - ABl. EU 2008, Nr. C 128, 6; BAG, Urteil vom 14. Januar 2009 - 3
AZR 20/07 -, NZA 2009, S. 489 <492>)."
68
Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 07. Juli 2009 - 1 BvR 1164/07
69
-, juris Rn. 89 ff.
Dass sich diese Entscheidung nicht auf einen Beamten, sondern auf einen
Arbeitnehmer bezogen hat, ändert an ihrer Relevanz auch für das vorliegende Verfahren
ebenso wenig wie die Tatsache, dass es dort um die Gewährung von (Hinterbliebenen-
)W. ging.
70
Da der Familienzuschlag den Mehraufwand wegen einer lebenslangen Partnerschaft
und die damit einhergehende gesetzliche Unterhaltspflicht ausgleichen soll, ist Grund
für die Diskriminierung also nicht der Familienstand des Beamten, sondern seine
sexuelle Ausrichtung.
71
So ausdrücklich auch OVG SH, Urteil vom 22. Juli 2008, a.a.O.; Verwaltungsgericht
Stuttgart, Urteil vom 05. Februar 2009, a.a.O. Rn. 21 unter Hinweis auf die
Rechtsprechung des EuGH; a.A. BVerwG, Urteil vom 26. Januar 2006, a.a.O., VGH BW,
Urteil vom 13. Oktober 2004, a.a.O., und Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, Urteil
vom20. Juni 2007 - 1 K 1222/07 -, a.a.O. Dementsprechend hat auch das
Bundesverwaltungsgericht inzwischen die Revision in einem gleichgelagerten
Verfahren zugelassen, um "zur Klärung der Frage beizutragen, ob § 40 Abs. 1 Nr. 1
BBesG mit der Verbot der Diskriminierung wegen der sexuellen Ausrichtung vereinbar
ist."
72
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 26. Mai 2009 - BVerwG 2 B 80.08 -, juris.
73
Nach allem hat der Kläger damit Anspruch auf Zahlung von Familienzuschlag der Stufe
1 ab dem 01. April 2005, da er in diesem Monat eine eingetragene Lebenspartnerschaft
begründet hat, § 41 BBesG.
74
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
75
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709
Sätze 1 und 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
76
Die Berufung war gemäß § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und 4 VwGO
zuzulassen.
77
78