Urteil des VG Minden vom 31.08.2000

VG Minden: besondere gefährlichkeit, wirtschaftliche leistungsfähigkeit, satzung, steuersatz, rechtsgrundlage, rasse, hundesteuer, vollstreckung, gestaltungsspielraum, beweislast

Verwaltungsgericht Minden, 2 K 2277/99
Datum:
31.08.2000
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
2 K 2277/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist nur wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
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Der Kläger hält seit Mai 1995 bzw. Juli 1998 zwei Bullterrier. Mit Hundesteuerbescheid
vom 26.2.1999 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger die Hundesteuer 1999 für die
Hunde auf insgesamt 2.400,00 DM fest. Der Beklagte stützte seine Festsetzung auf die
Hundesteuersatzung der S. P. , die der Rat am 4.12.1997 beschlossen und der
Oberkreisdirektor des Kreises P. am 11.12.1997 genehmigt hatte. Nach § 2 a Abs. 2 der
Satzung, der ab dem 1.1.1999 gilt, beträgt der Steuersatz für sog. Kampfhunde jährlich
je Hund 1.200,00 DM. Nach Abs. 1 der genannten Vorschrift sind Kampfhunde im Sinne
der Satzung solche Hunde, bei denen nach ihrer besonderen Veranlagung, Erziehung
und/oder Charaktereigenschaft die erhöhte Gefahr einer Verletzung von Personen
besteht. Kampfhunde im Sinne dieser Vorschrift sind insbesondere Bullterrier, Pitbull-
Terrier, Mastino Napoletano und Fila Brasiliero. Gegen diesen Steuerbescheid legte der
Kläger am 22.3.1999 Widerspruch ein.
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Nach erfolglos durchgeführtem Vorverfahren hat der Kläger am 19.7.1999 Klage
erhoben.
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Er trägt vor, die Festsetzung sei rechtswidrig, soweit der Beklagte eine Steuer von mehr
264,00 DM verlange. Für die Heranziehung zu einem Betrag von 2.400,00 DM fehle die
Rechtsgrundlage. Der einschlägige § 2 a HStS sei nichtig. Die Norm verstoße gegen
den Grundsatz der Steuergerechtigkeit und der Normenklarheit sowie gegen das
Übermaßverbot.
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Der Kläger beantragt,
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den Hundesteuerbescheid des Beklagten vom 26.2.1999 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 16.6.1999 insoweit aufzuheben, als die darin festgesetzte
jährliche Steuer für die beiden Bullterrier insgesamt 264,00 DM übersteigt.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor, der Hundesteuerbescheid sei rechtmäßig. Insbesondere sei § 2 a HStS eine
wirksame Rechtsgrundlage für die höhere Festsetzung. Die einschlägige Norm verstoße
weder gegen Art. 3 Abs. 1 GG noch gegen das Bestimmtheitsgebot. Auch wirke die
Steuer nicht erdrosselnd, weil trotz der hohen Besteuerung die Haltung von
Kampfhunden weiterhin möglich bleibe. Angesichts der hohen Anschaffungs- und
Unterhaltungskosten für einen Bullterrier sei eine monatliche Steuerbelastung von
100,00 DM nicht übermäßig.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist unbegründet, denn der streitgegenständliche Hundesteuerbescheid des
Beklagten ist rechtmäßig (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat den Kläger
zurecht für das Jahr 1999 zu einer Hundesteuer in Höhe von 2.400,00 DM
herangezogen.
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Rechtsgrundlage für die Steuerfestsetzung ist § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 des
Kommunalabgabengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (KAG) in Verbindung mit
der Hundesteuersatzung der S. P. in der Fassung vom 15.12.1997. Der Kläger erfüllt -
was zwischen den Beteiligten unstreitig ist - mit der Haltung der beiden Bullterrier die
materiell rechtlichen Voraussetzungen für die Heranziehung dem Grunde und der Höhe
nach. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Satzung, soweit sie hier einschlägig
ist, auch wirksam. Sie verletzt insbesondere mit ihrem § 2 a, der einen erhöhten
Steuersatz für sog. Kampfhunde vorsieht, nicht höherrangiges Recht. Um
Wiederholungen zu vermeiden, verweist die Kammer entsprechend § 117 Abs. 5 VwGO
zur näheren Begründung zunächst auf die den Beteiligten bekannte und in der
mündlichen Verhandlung erörterte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom
19.01.2000 - 11 C 8.99 -, nach der eine Satzungsbestimmung, die einen erhöhten
Steuersatz für sog. Kampfhunde vorsieht, dem Grunde nach rechtmäßig ist. Eine solche
Regelung verstößt auch nach Auffassung der Kammer weder gegen das
Rückwirkungsverbot noch den Grundsatz der Steuergerechtigkeit.
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Darüber hinaus merkt die Kammer nur noch Folgendes an:
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Ein Verstoß gegen höherrangiges Recht liegt auch nicht darin, dass mit dem erhöhten
Hundesteuersatz die Haltung gefährlicher Hunde eingedämmt werden soll. Neben dem
Zweck der Steuer, Einnahmen zu erzielen, kann der Satzungsgeber weitere Zwecke
verfolgen, mit denen er die Wirklichkeit zu gestalten versucht (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1 AO).
Diese sog. Lenkungszwecke können sogar vorrangig verfolgt werden, so lange der
Zweck, Einnahmen zu erzielen, nicht vollkommen verdrängt wird.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.8.1994 - 8 N 1.93 -, NVwZ 1995, 59, und vom
22.03.1994 - 8 NB 3.93 -, Seite 5 des amtlichen Umdrucks; BVerfG, Urteil vom 7.5.1998
- 2 BvR 1991/95 u.a. -, BVerfGE 98, 106, 118.
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Allerdings wird der Zweck der Einnahmenerzielung vollkommen verdrängt, wenn die
Steuer so ausgestaltet wird, dass die Erfüllung des Steuertatbestandes offensichtlich
unmöglich gemacht werden soll, sodass die Steuer praktisch allein der Durchsetzung
des Lenkungszwecks dient, die Steuer demnach "erdrosselnd" wirkt.
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Vgl. BVerwG, Beschluss vom 17.7.1989 - 8 NB 2.89 -, NVwZ 1989, 1176.
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Der vom Satzungsgeber gewählte Steuersatz von 1.200,00 DM hat eine solche, die
Verwirklichung des Steuertatbestandes unmöglich machende Wirkung aber nicht. Bei
einer monatlichen Belastung von 100,00 DM wirkt sich die Besteuerung der sog.
Kampfhunde nicht als faktisches Haltungsverbot aus. Schon in seiner absoluten Höhe
fällt die finanzielle Belastung angesichts der Anschaffungskosten pro Hund von etwa
3.000,00 DM und der monatlichen Unterhaltungskosten für ein Tier dieser Größe nicht
übermäßig ins Gewicht. Sie lässt einem durchschnittlichen Einkommensbezieher
ersichtlich noch genügend Spielraum für seine Lebensgestaltung. Schließlich ist in
diesem Zusammenhang der Charakter der Hundesteuer als Aufwandsteuer von
Bedeutung, die an die durch die Einkommensverwendung für den persönlichen
Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpft.
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Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 19.2.1997 - 13 L 521/95 - ZKF 1997, 253; VGH
München, Urteil vom 29.7.1996 - 4 B 95.1675 -, NVwZ 1997, 819.
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Es begegnet auch keinen Bedenken, dass die Satzung den Haltern sog. Kampfhunde
im Sinne von § 2 a Abs. 1 Satz 2 HStS die Möglichkeit verweigert, die Ungefährlichkeit
ihres Hundes nachzuweisen und dadurch die Steuerlast zu senken, während die
Beweislast für die individuelle Gefährlichkeit eines Hundes im Übrigen beim Beklagten
liegt. Nach Auffassung der Kammer ist es vom Gestaltungsspielraum des
Satzungsgebers gedeckt, das Halten mancher Hunde zwingend und unwiderleglich,
anderer aber nur unter besonderen Umständen höher zu besteuern. Sachlicher Grund
für diese Unterscheidung ist die abstrakte Gefährlichkeit der in der Satzung genannten
Hunderassen. Zwar ist die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer bestimmten Rasse
nicht die einzige Ursache für ein aggressives Verhalten. Es handelt sich aber
grundsätzlich um einen sachlichen und damit nicht willkürlichen Anknüpfungspunkt für
eine differenzierende Regelung. Den vom Satzungsgeber genannten Hunderassen
muss wegen ihres Gewichts und ihrer Beißkraft eine abstrakte besondere Gefährlichkeit
zugesprochen werden. Auch wird von Tiermedizinern und Verhaltenswissenschaftlern
eine genetisch bedingte gesteigerte Aggressivität bestimmter Hunderassen nicht in
Abrede gestellt. So wird der Bullterrier in der Literatur als Kampfhund und Gladiator
unter den Hunderassen bezeichnet. Das Ausgangsmaterial sei auf Grund der im vorigen
Jahrhundert vor allem in England beliebten Hundekämpfe entstanden. Den in den "Dog-
Pits" (Kampfarenen) dem wettenden Publikum gebotenen Bulldoggen seien
Terrierrassen eingekreuzt, um Schärfe, Temperament, Beweglichkeit mit der Härte der
Bulldogge zu vereinen. Bullterrier werden zwar auch als wunderbare, mit Menschen
unendlich geduldige Menschenhunde beschrieben. Andererseits sei diese Rasse aber
auch besonders geeignet für den Missbrauch. Es sei die einzige Rasse, bei der
genetisch bedingte Verhaltensstörungen nachgewiesen worden seien, nämlich ein
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hypertrophiertes Aggressionsverhalten bei gleichsam genetisch fixiertem Ausfall von
Elementen anderer Funktionskreise. Ferner wird darauf hingewiesen, dass ein
Bullterrier, der einmal seine Beute gepackt hat, sie nicht mehr loslässt, sondern seine
Zähne gnadenlos eingräbt, um den größtmöglichen Schaden zuzufügen.
Vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 19.2.1997 - 13 L 521/95 -, a.a.O., mit einer
Zusammenstellung der einschlägigen Literatur.
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Hinweise auf diese abstrakte Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen lassen sich selbst
in dem vom Kläger vorgelegten Unterlagen finden. So wird beispielsweise in der vom
Kläger zu den Verwaltungsvorgängen gereichten Broschüre des Verbandes für das
Deutsche Hundewesen e.V. mit dem Titel "Kampfhunde"? Gefährliche Hunde? auf Seite
7 dargelegt, es sei "unbestritten, dass die aufgelisteten Hundegruppen (Einschub des
Gerichts: dazu gehört auch der Bullterrier) ein Potenzial zur Erzeugung des
"gefährlichen" Hundes darstellen, die einen ihrer Masse, die anderen ihres Mutes
wegen".
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Vor diesem Hintergrund ist das abstrakte Abstellen auf eine erhöhte Beißkraft, die zu
einem besonderen Schadensmuster führt, und eine gesteigerte Aggressivität bestimmter
Hunderassen ein sachlicher und damit nicht willkürlicher Anknüpfungspunkt für eine
differenzierende und gleichzeitig typisierende Regelung der Hundebesteuerung.
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Da die Klage nach alledem abzuweisen war, trägt der Kläger nach § 154 Abs. 1 VwGO
die Kosten des Verfahrens. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 167
VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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