Urteil des VG Minden vom 20.02.2003

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Verwaltungsgericht Minden, 9 K 117/02
Datum:
20.02.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 117/02
Tenor:
Das Verfahren wird, soweit der Kläger seine Klage in der mündlichen
Verhandlung zurückgenommen hat, eingestellt. Im Übrigen wird die
Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungen oder Hinterlegung
des beizutreibenden Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
a t b e s t a n d :
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Der Kläger ist Eigentümer eines in der Stadt E. an der Straße "N.--------weg " gelegenen
Grundstücks mit der Bezeichnung "B.------straße 41 a". Bei der Straße handelt es sich
um eine bisher nicht vollständig ausgebaute so genannte "Baustraße", die mit Bitumen
befestigt und mit Edelsplitt abgestreut seit Jahren von der Beklagten ausgebessert wird.
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Bereits im Jahr 1995 hat sich der Kläger wegen des Zustandes der Straßenoberfläche
an die Beklagte gewandt, woraufhin die Straßenoberfläche in der 33. Kalenderwoche
des Jahres 1995 mit Bitumen ausgebessert wurde.
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Mit Schreiben vom 31. Juli 2000 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und
begehrte unter Hinweis darauf, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h von
den meisten Anliegern des N1.--------weges nicht eingehalten werde, was auch zu einer
Zerstörung des Straßenbelages vor seiner Grundstückseinfahrt führe und so
unzumutbare Belästigungen mit sich bringe, sowohl die Reparatur der Fahrbahndecke
vor den Einfahrten zu den Häusern B.------straße 41 a und 41 b als auch das Aufbringen
einer Fahrbahnschwelle. Die Beklagte teilte dem Kläger am 07. September 2000 mit,
dass sich die Fahrbahndecke des N1.--------weges in einem verkehrssicheren Zustand
befinde. Eventuell notwendige Reparaturen würden im Zuge der routinemäßigen
Unterhaltungsarbeiten durchgeführt. Der Antrag auf Aufbringen einer Fahrbahnschwelle
müsse abgelehnt werden. Versuche mit Einbauten wie Schwellen seien in der
Vergangenheit von vielen Kommunen unternommen worden. Es habe sich gezeigt,
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dass solche Maßnahmen nicht geeignet seien, die Akzeptanz von Tempo 30-
Regelungen nachhaltig zu fördern.
Mit Schreiben vom 24. Mai 2001 wiederholte der Kläger seinen Antrag vom 31. Juli
2000 und machte weiter darauf aufmerksam, dass die Straße lediglich vor den Häusern
B.------ straße 37 und 39 provisorisch ausgebessert worden sei. In ihrem
Antwortschreiben vom 19. Juni 2001 wies die Beklagte über ihre bereits am 07.
September 2000 dargelegten Gründe hinaus darauf hin, dass der endgültige Ausbau
der Straße bisher an der Grunderwerbsbereitschaft gescheitert sei. Der Ausbau sei
jedoch im Jahr 2003 über Vorleistungen möglich.
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Am 16. August 2001 wurden 80 m² der Straßenoberfläche des N1.--------weges
behandelt und im Frühsommer des Jahres 2002 mehrere kleine Flickarbeiten
durchgeführt. Der N.-------- weg wurde schließlich am 02. Oktober 2002 abgefegt.
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Der Kläger begehrte zunächst mit seiner am 28. Mai 2001 erhobenen Klage, die
Straßenbezeichnung "N.--------weg " aufzuheben, unter den Straßennamensschildern
Hausnummern auszuweisen und das Zeichen 357 StVO (Sackgasse) mit dem
Zusatzzeichen "Keine Wendemöglichkeit" zu versehen. Nachdem der Kläger die Klage
zurückgenommen hatte, ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen 3 K 1322/01 durch
Beschluss vom 25. April 2002 eingestellt worden.
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Soweit der Kläger mit Schreiben vom 06. August 2001 zum Aktenzeichen 3 K 1322/01
sein Begehren, die Beklagte zu verpflichten, die Fahrbahndecke zu reparieren und eine
Fahrbahnschwelle aufzubringen, zum Gegenstand seiner Klage gemacht hat, hat die 3.
Kammer des Verwaltungsgerichts Minden das Verfahren mit Beschluss vom 16. Januar
2002 abgetrennt.
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Der Kläger verfolgt dieses Begehren - nachdem er in der mündlichen Verhandlung
seine auf die Verpflichtung der Beklagten, an geeigneter Stelle eine Fahrbahnschwelle
aufzubringen, gerichtete Klage zurückgenommen hat - im Wesentlichen aus den von
ihm im Verwaltungsverfahren vorgetragenen Gründen weiter.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, die Fahrbahndecke des N1.--------weges vor den Einfahrten
zu den Häusern B.------straße 41 a und 41 b auf einer Länge von 20 m und einer Breite
von 3 m zu reparieren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Anlässlich eines am 23. Oktober 2002 durchgeführten Erörterungstermins hat die
seinerzeit zuständige Berichterstatterin die Örtlichkeit in Augenaugenschein genommen.
Hinsichtlich der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Terminsniederschrift
verwiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten
im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (9 K 117/02 und 3 K 1322/01) sowie
der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe:
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Soweit der Kläger seine Klage zurückgenommen hat, war die Klage gemäß § 92 Abs. 3
Satz 1 VwGO einzustellen. Im Übrigen ist die Klage bereits unzulässig. Dem Kläger fehlt
die analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis, die auch im Falle einer
Leistungsklage nicht entbehrlich ist
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- vgl. BVerwG, Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 2 C 30.78, BVerwGE 60, 144 (150);
OVG NRW, Urteil vom 10. November 1994 - 23 A 2097/93, NVwZ-RR 1995, 482 -.
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Dem Kläger steht kein subjektiv-öffentliches Recht zu Seite, auf das er sein Begehren
mit Erfolg stützen könnte.
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Soweit der Kläger nach Klagerücknahme nur noch begehrt, die Beklagte zu verpflichten,
die Straßenoberfläche des N1.--------weges zu reparieren, kann er sich nicht auf die §§ 9
oder 9 a StrWG NRW berufen. § 9 StrWG NRW vermittelt keinen Drittschutz und gibt
dem Einzelnen keinen Anspruch auf Wahrnehmung der Straßenbaulast in einer
bestimmten Art und Weise. Die Straßenbaulast besteht vielmehr als öffentlichrechtliche
Verpflichtung aus dem Gesetz ausschließlich gegenüber der Allgemeinheit
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- OVG NRW, Urteil vom 10. November 1994 - 23 A 2097/93, NVwZ-RR 1995, 482; OVG
NRW, Urteil vom 21. Juli 1994 - 23 A 100/93, S. 8; Rinke, in: Kodal/Krämer,
Straßenrecht, 6. Auflage, München 1999, Kap. 12 Rn. 5; Hengst/Majcherek, Straßen-
und Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, Loseblatt- Kommentar, Wiesbaden,
Stand: April 2002, § 9 Anm. 1.1.2; Walprecht/Neutzer/Wichary, Straßen- und
Wegegesetz des Landes Nordrhein-Westfalen, Kommentar, 2. Auflage, Köln, Berlin,
Bonn, München 1986, § 9 Rn. 81; Steiner, in: Steiner, Besonderes Verwaltungsrecht, 6.
Auflage, Heidelberg 1999, 5. Kap. Rn. 97; Fickert, Straßenrecht in Nordrhein-Westfalen,
3. Auflage, Köln 1989, § 9 StrWG Rn. 4 -.
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Die Straßenbaulast ist gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 StrWG NRW durch die finanzielle
Leistungsfähigkeit des Trägers der Straßenbaulast beschränkt. Sie ist darauf gerichtet,
die Straße in einem dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügenden Zustand zu
bauen, um- und auszubauen, zu erweitern oder sonst zu verbessern sowie zu
unterhalten. Der Träger der Straßenbaulast muss, wenn die Mittel für die Erfüllung aller
Einzelaufgaben nicht ausreichen, abwägen, welche Straßenbau- oder
Unterhaltungsmaßnahme er zuerst durchführen will. Dabei hat sich die Reihenfolge der
Aufgabenerfüllung bei beschränkten Mitteln wesentlich nach der Verkehrsgewichtigkeit
der Straße und der Größe der Gefahren für den Straßenverkehr zu richten
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- OVG NRW, Urteil vom 10. November 1994 - 23 A 2097/93, NVwZ-RR 1995, 482 (483);
Walprecht/Neutzer/Wichary, Straßen- und Wegegesetz des Landes Nordrhein-
Westfalen, Kommentar, 2. Auflage, Köln, Berlin, Bonn, München 1986, § 9 Rn. 84 -.
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Ist die Straßenbaulast somit nicht Kehrseite des an ein Fehlverhalten eines einzelnen
Beamten anknüpfenden Amtshaftungsanspruchs, so hat der Einzelne von vorne herein
keinen Anspruch auf die Wahrnehmung der sich aus der Straßenbaulast ergebenden
Verpflichtungen
24
- OVG NRW, Urteil vom 10. November 1994 - 23 A 2097/93, NVwZ-RR 1995, 482 (483)
25
-.
Gleiches gilt für § 9 a StrWG NRW. Aus ihm kann ein Verkehrssicherungsanspruch nicht
abgeleitet werden. § 9 a StrWG NRW normiert die Verkehrssicherungspflicht lediglich
als eine dem Bediensteten der Beklagten obliegende Amtspflicht.
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Als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers, die Beklagte zu verpflichten, die
Straßenoberfläche des N1.--------weges zu reparieren, kommt auch § 14 a Abs. 1 StrWG
NRW nicht in Betracht. Der so genannte Anliegergebrauch reicht grundsätzlich nur so
weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße
erfordert. Gewährleistet sind danach vor allem der Zugang zur Straße und die
Zugänglichkeit des Grundstücks von der Straße her. Diese ist dann gegeben, wenn -
wie hier - das Grundstück mit Kraftfahrzeugen erreicht werden kann. Insoweit garantiert
Art. 14 GG nur eine genügende Verbindung mit der Anliegerstraße und deren
Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz
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- OVG NRW, Urteil vom 10. November 1994 - 23 A 2097/93, NVwZ-RR 1995, 482 (483)
-.
28
Schließlich kann der Kläger sein Begehren auch nicht auf § 2 Abs. 1 Nr. 4 i.V.m. § 41
Abs. 1 BImSchG stützen. § 41 Abs. 1 BImSchG setzt voraus, dass eine öffentliche
Straße gebaut oder wesentlichen geändert wird. Mit bloßen Erhaltungs- oder
Unterhaltungsmaßnahmen verbundene bauliche Eingriffe werden hiervon nicht erfasst -
vgl. Jarass, Bundes-Immissionsschutzgesetz, 4. Auflage, München 1999, § 41 Rn. 21 -.
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Weiter gewährt § 41 Abs. 1 BImSchG nur Schutz vor durch die Straße hervorgerufenen
schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrsgeräusche, die nach dem Stand der
Technik vermeidbar sind. Hierbei bestimmt § 2 der 16. BImSchV welche
Immissionsgrenzwerte zum Schutz der Nachbarschaft nicht überschritten werden dürfen.
Mit Rücksicht darauf, dass es sich bei dem N.--------weg um eine nicht durchgängig
ausgebaute Gemeindestraße handelt, ist auszuschließen, dass die nach § 2 der 16.
BImSchV maßgeblichen Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) bei Tag und 49 dB(A) bei
Nacht überschritten werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und - soweit der Kläger die Klage
zurückgenommen hat - auf § 155 Abs. 2 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO
i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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